Gesellschaft | Wahlen/Elezioni 23

Die „undemokratische“ Frauenquote

JWA hält die Frauenquote für bescheuert, die F-Obfrau Zoderer sagt, sie sei undemokratisch. Nichts von diesem Quoten-Geschimpfe hält die Grünen-Frontfrau Brigitte Foppa.
Frauenquote
Foto: upi
Mit markigen Sprüchen hat Jürgen Wirth Anderlan, Gründer der Partei JWA, seinen Wahlkampf für die Landtagswahlen eingeläutet und dabei auch nicht mit seiner Meinung über die Frauenquote hinterm Berg gehalten. Er erfüllt die Quote nicht nur, sondern konnte für seine 35 Namen umfassende Liste sage und schreibe 16 Kandidatinnen gewinnen. Dass er ein Gegner politisch engagierter Frauen sei, darf man Wirth Anderlan damit wohl nicht unterstellen.
 
 
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Jürgen Wirth Anderlan, Listengründer der JWA: „Wir haben alle Bezirke abgedeckt und die bescheuerte Frauenquote auch schon erreicht.“ (Foto: Seehauserfoto)
 
 
Andere Listen wie beispielsweise die Freiheitlichen haben sich in dieser Hinsicht weit schwerer getan. So erklärte Sabine Zoderer, Obfrau der Freiheitlichen, in ihrer kürzlich veröffentlichten Presseausendung, dass die „unsägliche, undemokratische Frauenquote“ dazu geführt habe, dass mehreren männlichen Kandidaten der Weg zu einer Kandidatur auf der Freiheitlichen Liste versperrt wurde. Das rief wiederum Brigitte Foppa, Frontfrau der Grünen, auf den Plan, die als Reaktion auf diese Aussage auf ihrer Facebook-Seite kommentierte: „Bei diesen Wahlen wieder ein Renner: das Schimpfen auf die Frauenquote. Unsäglich, blöd, bescheuert – um nur einige Bezeichnungen zu nennen. Jetzt hieß es sogar, die Frauenquote sei undemokratisch.“ Laut Foppa wären auf bestimmten Listen wohl drei Viertel der Kandidaten (oder noch mehr) Männer. Die Quotenregelung schreibt vor, dass ein Drittel der Kandidaten Frauen sein müssen. „Ist das wirklich nicht genug?“, fragt die Sprecherin der Grünen und meint, dass die Quote ein Mechanismus sei, der dazu führe, dass eine größere Auswahl von Frauen zur Verfügung steht. „Ich finde, das ist ein Mehr an Demokratie, nicht ein Weniger.“
 
 
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Post der Grünen Spitzenkandidatin Brigitte Foppa: Kritik am Schimpfen über die Frauenquote. (Screenshot: Birgitte Foppa/Facebook)
 
 

Motivation vor Geschlecht – oder andersrum?

 
Wie Zoderer auf Nachfrage von Salto.bz erklärte, seien gerade die Freiheitlichen ein Beispiel dafür, dass eine Frauenquote heutzutage nicht mehr gebraucht werde, schließlich trete die Partei mit zwei Frauen an der Spitze zur Wahl an, zudem liege die Parteiführung mit ihr in weiblichen Händen. „Ich habe in den vergangenen Wochen und Monaten die Erfahrung gemacht, dass es wahnsinnig schwierig ist, motivierte Kandidatinnen zu finden“, so Zoderer. Die „undemokratischen“ Folgen der Frauenquote zeigten sich dann, wenn sie unter Druck weibliche Kandidatinnen finden müsse, um auch den motivierten männlichen Bewerbern einen Platz auf der Liste zu sichern oder den männlichen Kollegen sogar erklären müsse, dass man sie aufgrund fehlender weiblicher Kandidatinnen nicht nominieren könne. So müsse man diesen engagierten Menschen eine Absage erteilen.
 
 
Mit Sicherheit fehlt es nicht an fähigen Frauen, nur setzen diese mitunter andere Prioritäten und räumen beispielsweise der Familie und der Kindererziehung den Vorrang vor einer politischen Tätigkeit ein.
 
 
„Mit Sicherheit fehlt es nicht an fähigen Frauen, nur setzen diese mitunter andere Prioritäten und räumen beispielsweise der Familie und der Kindererziehung den Vorrang vor einer politischen Tätigkeit ein“, erklärt die Obfrau der Freiheitlichen und betont: „Ich habe die Frauenquote nie für sinnvoll gehalten. Ob nun Mann oder Frau – für mich gibt die Motivation den entscheidenden Ausschlag. Und ich hoffe stark, dass unsere Gesellschaft in der heutigen Zeit soweit ist, dass sich Männer und Frauen für die Interessen des jeweilig anderen Geschlechts einsetzen.“ Die gesellschaftliche Entwicklung in dieser Hinsicht habe große Errungenschaften gebracht, vieles sei aber noch zu tun – auch von Seiten der Frauen, so Zoderer. Beispielhaft dafür stünde das Wahlverhalten der Frauen, welche mehr Männer als Frauen wählen. „Was bringt mir dann eine Frauenquote? Ich glaube nicht, dass es damit gelingt, mehr Frauen in einen Gemeinderat oder in den Landtag zu holen“, so Zoderer, denn letztendlich liege die Entscheidung bei den Wählern.
 
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Sabine Zoderer, Obfrau der Freiheitlichen und Spitzenkandidatin für die Landtagswahlen: „Ich habe die Frauenquote nie für sinnvoll gehalten. Ob nun Mann oder Frau – für mich gibt die Motivation den entscheidenden Ausschlag. Und ich hoffe stark, dass unsere Gesellschaft in der heutigen Zeit soweit ist, dass sich Männer und Frauen für die Interessen des jeweilig anderen Geschlechts einsetzen.“ ​​​​​​ (Foto: Die Freiheitlichen)
 
 
„Mich erstaunt auch immer wieder, dass gerade diejenigen Parteien, die sich vehement für die Frauenquote einsetzen, die Spitzenpositionen zumeist mit Männern besetzen“, erklärt die freiheitliche Obfrau auf den Post von Brigitte Foppa angesprochen. Auch die Grüne Partei sei lange Zeit von männlichen Politikern dominiert, die Spitze der SVP sei bis heute noch nie weiblich besetzt gewesen. Die freiheitliche Ausrichtigung dagegen habe sehr früh auf die emanzipatorische und selbstbewusste Frau gesetzt, die es nicht nötig habe, von einer Quotenregelung in ein Amt gehievt zu werden.
 
 
Wie könnte man als Frau stolz auf die erreichte Position sein – ob dies nun ein politisches Amt oder eine berufliche Spitzenposition ist – wenn nicht die Qualifikation und die entsprechenden Fähigkeiten den Ausschlag gegeben haben, sondern allein das Geschlecht?
 
 
Und wie könnte man als Frau stolz auf die erreichte Position sein – ob dies nun ein politisches Amt oder eine berufliche Spitzenposition ist – wenn nicht die Qualifikation und die entsprechenden Fähigkeiten den Ausschlag gegeben haben, sondern allein das Geschlecht? „Wenn die Voraussetzungen gegeben sind, können wir Frauen alles erreichen“, ist Zoderer überzeugt. Mit Voraussetzungen meint die freiheitliche Obfrau dabei die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bzw. dass den Frauen beispielsweise Erziehungs- und Pflegezeiten für die Pension angerechnet werden. Übrigens einer der Gründe, weshalb Zoderer für den Landtag kandidiert.
 
 

Frauen in der Gemeindepolitik

 
Wie schwierig der Weg für die Frauen in die Politik ist, wird in der Studie „Wie weiblich ist die Gemeindepolitik? – Der mühevolle Weg der Frauen ins Rathaus“ analysiert. In dieser Publikation wird der Frage nachgegangen, welche Gründe für die mangelnde Repräsentanz der Frau in den politischen Gremien der Gemeinde ausschlaggebend sind. Verfasst wurde die von Eurac Research herausgegebene Studie von Hermann Atz, Josef J. Bernhart, Melanie Gross und Kurt Promberger. 
In der Folgestudie wurde unter anderem analysiert, ob das gängige Vorurteil „Frauen wählen keine Frauen“ tatsächlich zutrifft. Dafür wurden die Ergebnisse der Gemeinderatswahlen 2020 untersucht sowie eine qualitativen Wählerumfrage durchgeführt. Überraschenderweise hat sich dabei herausgestellt, dass die Behauptung, dass Frauen keine Frauen wählen, nur ein Vorurteil ist bzw. nur bedingt zutrifft. Laut Forscher-Team der EURAC liegt die Ursache im „Angebot“ begründet, sprich dass sich auf den Listen deutlich weniger Frauen als Männer finden, wodurch sich die Frauen „gezwungen“ sehen, vorzugsweise für männliche Kandidaten zu stimmen. Hinzu kommt, dass laut Untersuchungsergebnis männliche Wähler zu 67 Prozent männliche Kandidaten gewählt haben (69 Prozent auf den Wahllisten waren Männer), dagegen haben Frauen durchschnittlich zwar mehr Männer gewählt, aber im Vergleich zu den Männern Frauen öfter eine Stimme gegeben, und zwar war dies eine bewusste Entscheidung. Kurz zusammengefasst: Männer bevorzugen viel öfter das eigene Geschlecht und Frauen wählen häufiger das andere Geschlecht.
 
 
Männer bevorzugen viel öfter das eigene Geschlecht und Frauen wählen häufiger das andere Geschlecht.
 
 
Einer größeren Repräsentanz der Frau in der Politik steht vor allem der mangelnde Bekanntheitsgrad im Weg, dieser spielt nach wie vor eine große Rolle, und wie von der Obfrau der Freiheitlichen angesprochen, die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Ehrenamt. Damit der Anteil der Frauen in der Politik steigt, müssten erst die Voraussetzungen im vorpolitischen Raum geschaffen werden, wofür sich laut Studie zum einen die politische Kultur ändern müsse und die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden müssten, indem die Kommunalpolitik familienfreundlicher und inklusiver gestaltet wird, beispielsweise durch kürzere und frühere Sitzungen, durch die Möglichkeit der digitalen Teilnahme oder einer Kinderbetreuung. „Denn Frauen haben weniger Zeit und Geld, um sich für ein sichtbareres politisches Engagement freizuschaufeln. Gleichfalls mangelt es noch immer an Vorbildern, Netzwerken und der Bereitschaft, Macht abzugeben. Es fehlt auch an Vorbildern, in der weiblichen Lebensplanung sei eine politische Karriere nicht in dem Maße verankert wie bei Männern. Und was braucht man, um gewählt zu werden: Neben Kompetenz zählen Vertrauen in die Person und die Bekanntheit eines Kandidaten bzw. einer Kandidatin“, so das Fazit der Aussendung zur Eurac-Studie.
 
 
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gorgias Mi., 06.09.2023 - 13:39

Natürlich ist Frau Foppa für die dumme Frauenquote. Das hilft ihr ihre Macht zu konsolidieren ohne direkt gegen Männer konkurrieren zu müssen.

Mi., 06.09.2023 - 13:39 Permalink
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Felix von Wohlgemuth Mi., 06.09.2023 - 13:51

Frau Zoderer liegt falsch…und zwar mehrfach.

Gerade bei den Grünen gab und gibt es seit Jahrzehnten nicht nur starke weibliche Führungspersönlichkeiten, sondern zugleich eine starke weibliche Vertretung auf allen Ebenen der Partei. Frauen müssen also nicht erst „gefunden“ werden, sondern sie sind einfach schon da! Es sind dann diese Frauen, welche weitere Frauen für die Politik gewinnen können und nicht Männer, welche Frauen kurz vor Schluss „aussuchen“ oder für eine Kandidatur „überreden“ müssten.

Auch wenn wir Südtiroler Grünen die Frauenquote somit für uns selbst nie benötigt haben, so ist sie dennoch (leider) immer noch notwendig. Wir haben ja heuer gesehen, wie schwer sich manche Parteien mit der Suche nach weiblichen Kandidatinnen getan haben und gäbe es diese Quote nicht, dann würden am 22. Oktober wohl viel weniger kompetente Frauen auf den Listen aufscheinen. Ich bleibe weiterhin der Überzeugung, dass jede Frau mehr auf einer Liste einen Gewinn darstellt – nicht nur für die jeweilige Partei, sondern auch für die Gesellschaft und das Bild, welches wir von Politik und Politikerinnen haben.

Wenn aber jemand im Jahr 2023 noch die Auffassung vertritt, Frauen würden sich – qua Geschlecht – weniger für Politik interessieren, da diese „der Familie und der Kindererziehung den Vorrang vor einer politischen Tätigkeit“ einräumen würden, verrät das ungewollt mehr über das eigene Rollenbild, als einem lieb sein kann. Mit dieser Einstellung bzw. diesem Frauenbild wird sich nichts ändern und kann ich dieses „Argument“ auch aus meiner persönlichen Erfahrung absolut nicht bestätigen.

Mehr Frauen wollen in die Politik, mehr Frauen gehören in die Politik.

Ob die derzeitige Quotenregelung bei der Listenerstellung alleine geeignet ist, dieses Ziel zu erreichen? Vermutlich nicht.

Aber sie ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg dorthin und gerade die aktuelle Diskussion um die Frauenquote – angestoßen (wie immer) gerade von jenen, welche sie nicht erfüllen können - zeigt, wie notwendig sie noch immer ist.

Mi., 06.09.2023 - 13:51 Permalink
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Stereo Typ Mi., 06.09.2023 - 16:09

Antwort auf von Felix von Wohlgemuth

"Ich bleibe weiterhin der Überzeugung, dass jede Frau mehr auf einer Liste einen Gewinn darstellt." Das würde ich bezweifeln, denn dann wäre die Frau nur qua ihres Geschlechts ein Gewinn. Frauen sollen aus Überzeugung für ein politisches Amt kandidieren. Dann sind sie für die Liste, die Partei und die Gesellschaft ein Gewinn. Dasselbe gilt für Männer.

Mi., 06.09.2023 - 16:09 Permalink
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Peter Gasser Mi., 06.09.2023 - 14:43

Es ist eine Überlegung wert, so meine ich, ob jene Parteien, welche sich schwertun, weibliche Kandidaten zu finden, für Frauen einfach nicht interessant bzw. wert-voll (genug) sind?

Mi., 06.09.2023 - 14:43 Permalink