Kultur | Bozen

Game Ground: Unterhaltung wird Kultur

Game Ground bringt Gaming-Kultur nach Bozen. BeYoung-Vorstand Aaron Damian spricht über Neugier, die Generationen vernetzt, und neue Karrieremöglichkeiten für die Jugend.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: © BeYoung/Game Ground
 

Es sind die narrative Tiefe, visuell-realistische Ästhetik, Orchesterkompositionen, Entscheidungsmöglichkeiten und komplexe experimentelle Spielmechaniken, die das Videospiel heutzutage vom Unterhaltungsmedium zur Kunstform erheben. Eine Kunstform, die politische Themen verarbeitet, historische Ereignisse zu neuem Leben erwachen lässt, fantastische Welten hervorbringt und in höchsten Maßen Kreativität aufseiten der EntwicklerInnen, aber auch der SpielerInnen fördert. Seit „Pong“, dem 2-dimensionalen Tischtennisspiel von Atari, hat das Videospiel einen enormen Werdegang zurückgelegt und Entwicklerstudios finden sich heute in der weltweit-führenden Unterhaltungsbranche wieder. Dementsprechend ist die heutige Kultur bzw. Jugendkultur geprägt von den Spielwelten, Mehrspielererlebnissen und Streaming-Plattformen, welche einen innovativen digitalen Raum für Gemeinschaft, Wettkampf, Unterhaltung oder Arbeitsmöglichkeiten bilden. All‘ diese Dynamiken erfasste der Bozner Verein BeYoung bereits im Jahr 2021 und verwandelt Bozen auch heuer, in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Jugendarbeit (Ufficio delle Politiche Giovanili), mit der dritten Auflage  des Game Ground Festivals einmal mehr zum Epizentrum der Videospiel-Begeisterung. Kernthemen sind unter anderem: aktuelle Games, Spiele-Entwicklung, soziale Interaktion in digitalen Welten, eSports und künstliche Intelligenz.

 

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Videospiele sind eine aufstrebende Kunst- und Kulturform und die Pionierarbeit von BeYoung bestehe darin, den jungen Menschen diese Welt näherzubringen, so Aaron Damian, © BeYoung.

 

Zum Auftakt werden bereits seit 1. April in der gesamten Provinz SpielerInnen, zum freundschaftlichen Mario-Kart-Turnier versammelt und ab 14. Oktober sollen über die Stadt Bozen verteilt interaktive Spielerlebnisse, etwa in Form klassischer Spieleautomaten im Twenty, dem Naturmuseum, etc. installiert werden. All‘ dies gipfelt im Hauptevent, das vom 20. bis 22. Oktober an diversen Veranstaltungsorten Bozens stattfinden wird. Aaron Damian, Vorstand des Organisator-Vereins BeYoung, erzählt, woher die Idee für Game Ground kam, was sie zurzeit darstellt und wohin die Ambitionen noch führen sollen. Ein Eindruck der aufstrebenden Kultur des Videospiels, der Möglichkeiten kreativer Entfaltung junger Menschen in der Gaming-Branche und ein Ausblick auf ein Festival, das es echt draufhat, die aktuelle Gaming-Kultur zu feiern und zu fördern.

 

Wir wollen Videospiele nicht nur als rohes Unterhaltungsmedium präsentieren, sondern die Verarbeitung und Repräsentation kultureller, sozialer, technologischer und wissenschaftlicher Thematiken darstellen.

 

Als „die neue Art Geschichten zu erzählen“ erhebt sich die Welt der Videospiele zu einer eigenen Kunst- und sogar Kulturform. Wie führt uns das Game Ground Festival in diese Welt ein?

 

Wir möchten eine einzigartige Plattform schaffen, die das Verständnis und die Anerkennung dieser aufstrebenden Kunst- und Kulturform fördert. Dabei führen uns jene neuen Medien auch vor Augen, wie sich Gesellschaft und Kultur im Dialog ständig weiterentwickeln. Vor mehr als einem Jahrhundert war das Kino noch größtenteils unbekannt. Dann aber, einige Jahrzehnte nach dem ersten Kinematographen, wurde das Kino zu einer weltweit dominanten kulturellen Kraft. Videospiele existieren seit den 1970er Jahren, und 2019 hat die Gaming-Industrie mit einem Umsatz von 145,7 Mrd. US-Dollar jenen der Film- und Musikindustrie zusammengenommen um ein Vielfaches übertroffen. Unser Ziel beim Game Ground Festival ist es, mit unseren Veranstaltungen Pionierarbeit zu leisten, indem wir diese aufstrebende Kultur feiern und fördern. Dabei wollen wir Videospiele nicht nur als rohes Unterhaltungsmedium präsentieren, sondern die Verarbeitung und Repräsentation kultureller, sozialer, technologischer und wissenschaftlicher Thematiken darstellen. Darüber hinaus möchten wir aufzeigen, wie Videospiele in verschiedene Bereiche wie Gesellschaft, Astronomie, Ökologie und weitere wissenschaftliche Felder integriert werden können. Dieser interdisziplinäre Ansatz unterscheidet Game Ground von anderen Veranstaltungen und betont unser Bestreben, die Vielfalt der Gaming-Kultur zu würdigen.

 

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Philosoph, Publizist und YouTuber Rick DuFer diskutierte 2021 seinen philosophischen "Daily Cogito" mit dem Publikum bei einer entspannten Bloodborne-Schnetzelei, © BeYoung.

 

Stichwort Gaming-‚Kultur‘: Die Teilnahme am Festival scheint also über das rohe Zocken hinauszugehen. Was verspricht ein Besuch des Festivals?

 

Bei den letzten Ausgaben wurden etwa Aspekte, wie die kunstvolle Inszenierung digitaler Welten, die Vermittlung von Fremdsprachen, philosophische Diskurse, die Exploration und Entdeckung von Identität, Cosplay, neue Technologien, etc., in das Programm integriert und auch heuer besteht unsere Arbeit wieder darin, unseren BesucherInnen mehrdimensionale und interdisziplinäre Erlebnisse zu bieten. Unser zentrales Anliegen ist es dabei, Neugier zu wecken. Neugier schürt Enthusiasmus und Leidenschaft, das ist entscheidend! Meines Erachtens fehlt es traditionelleren Institutionen sowie auch den Schulen oftmals an jener Ambition, Neugier zu wecken. Sie wird oft vorausgesetzt und als selbstverständlich angesehen, das ist sie aber nicht! Man muss Inhalte interessant vermitteln, den Zeitgeist treffen, verdeckte Zusammenhänge aufzeigen und die eigene Begeisterung zum Ausdruck bringen, um Neugier zu wecken! Veranstaltungen oder Themen können nicht einfach wahllos platziert werden. Die BesucherInnen spielen selbst, sie interagieren, hören dann beiläufig, dass jemand im Zusammenhang mit der eben erlebten Spielwelt oder Geschichte über die ökologischen Herausforderungen unserer Zeit referiert, und denken sich: „dazu will ich mehr erfahren“.

 

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Nach einem Sommer des Wettkampfes, Austausches und der Rivalität, wird beim Finale des Mario-Kart-Turniers gejubelt, wenn die Ziellinie überschritten wird, © BeYoung.

 

In den vergangenen Auflagen waren die Locations und Events durchaus spektakulär, denkt man z.B. an den Asteroids-Abend im Planetarium oder das Fifa-Turnier auf dem Bozner Messegelände. Kannst du schon einen kleinen Vorgeschmack darauf geben, was uns heuer erwartet?

 

Das Hauptevent wird vom 20. bis 22. Oktober stattfinden. Startschuss wird die Beleuchtung des Südtiroler Videospielmarktes sein, mit den Gastvorträgen der Firma ProGaming und des Bozner Streamers Bstaaard. Damit startet auch die Eventserie Gaming Skills, einer Reihe von Vorstellungen und Schulungen bezüglich Berufsmöglichkeiten im Zusammenhang mit Videospielen. Am Abend des 20. Oktobers findet dann die Eröffnungsdebatte im Theater Rainerum statt, bei welcher der Profivideospieler Pow3r (Giorgio Calandrelli) mit der olympischen Tennisspielerin Debora Vivarelli Gegensätze und Zusammenhänge des eSports (Videospielwettbewerbe) und der Welt des Sports diskutieren. Es folgen Workshops in den Bereichen Game Design, Sound Design, Mobile Gaming, sowie Panels, u.a. zum Thema: ‚künstliche Intelligenz’, und Events, die in diversen Locations stattfinden werden, wie etwa im Merkantilmuseum, Naturmuseum, NOI-Techpark, Cineplexx Bozen, DRIN, Theater Rainerum und auf Schloss Maretsch. Vor allem das Schloss Maretsch wird der Mittelpunkt des Festivals sein und zahlreiche Aktivitäten bündeln. Dort wird es Turniere, Lan-Partys, Rollenspiel-Sessions, einen Just Dance-Bereich, einen VR-Bereich, einen Bereich für lokale Multiplayer-Spiele, einen Teil der Retrogaming-Ausstellungen sowie einen Raum geben, in dem eine 64 Quadratmeter große Mario-Kart-Bahn aufgebaut wird. Im Innenhof des Schlosses finden von 10 bis 19:30 Uhr durchgehend Veranstaltungen mit zahlreichen Gästen aus ganz Italien statt. Ein Event besonderer Art wird auch der Game Jam, bei dem die TeilnehmerInnen innerhalb von 48 Stunden ein Videospiel entwickeln sollen und somit auch die Nacht im Schloss verbringen können. Am Samstag findet die Stunt-Show zum Videospiel Assassin's Creed im Schloss Maretsch statt und am Sonntagmorgen wird das neue Bethesda Sci-Fi-Spiel Starfield auf der Cineplexx-Leinwand erkundet.

 

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Beim Guitar Hero Match mit Cantautore Giorgio Vanni ließ sich treffend versinnbildlichen, wie ansteckend Videospiel-Spaß sein kann, © BeYoung.

 

Die thematische Vielfalt scheint wieder beträchtlich, aber es finden sich auch sehr spezielle Events im Rahmen von Game Ground. An wen richtet sich das Festival vorwiegend?

 

Zwar zieht die Veranstaltung, Beobachtungen zufolge, vorwiegend ein Publikum im Alter zwischen 20 und 45 Jahren an, aber das Festival ist grundsätzlich für Interessierte jeden Alters offen: von Familien, jungen Talenten, erwachsenen Nostalgikern bis hin zu den Retrogamern. Zudem wird das Festival unter anderem auch von jungen Menschen für junge Menschen organisiert, aber wir werden immer wieder Zeugen davon, dass das Interesse keine Generationen-Beschränkung kennt. Die thematische Vielfalt des Game Ground Festivals ist deshalb so beträchtlich, da wir die ebenso vielfältige Gaming-Kultur angemessen abbilden wollen, welche Unterhaltung, Reflexionen, Geschichten und Welten für die verschiedensten Geister und Geschmäcker parat halten. So gab es in den ersten beiden Ausgaben des Festivals bereits Veranstaltungen, die spezifischere Themen wie etwa Psychologie oder Elternschaft miteinbezogen haben. Heuer haben wir das Konzept noch etwas verfeinert, unter anderem mit nationalen Gästen, die noch tiefer in die Gaming-Welt involviert sind, wie etwa PlayerInside, Lollolacustre, Kenoia, Charlie Moon, Gianandrea Muià, Viaggiatori ecologici, Daniele Doesn't Matter, Kenobit, Victorlaszlo88, Svet, Gax Win sowie die Bozner Yakinop und Bstaaard.

 

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Das Bozner Messegelände wurde bei den letzten Auflagen bereits im Zeichen von Fortnite mit Fans gefüllt. Ein Live-Let's Play zum Mitjubeln, da schauten auch mal die Elterngenerationen interessiert vorbei, © BeYoung.

 

Welche Bedeutung misst du der Gaming-Kultur für die heutige Zeit bei?

 

Streaming-Dienste, soziale Medien, mediale Akteure, moderne Technologien und Videospiele sind nur einige Beispiele jener zeitgenössischen kulturellen Phänomene, die die Interessen und Wahrnehmungen der jungen Generationen prägen. Entgegen den Missverständnissen und oftmals negativen Konnotationen soll das Game Ground Festival bei diesen Phänomenen die entscheidenden Faktoren herausheben: Anfreundung, Kooperation, das Teilen von Erlebnissen und Vernetzung. Die gängige Auffassung ist, dass Videospiele isolieren und Gewalt verherrlichen, aber darum geht es nicht. Begegnung, Kameradschaft und sportliche Rivalität bilden die Atmosphäre, die jener Welt der Videospiele den Atem einhaucht und soziale Interaktion zum Kernaspekt einer florierenden Branche macht. Als im Frühjahr 2021 die Pandemie noch wütete, konnte etwa das damalige Festival Studentesco nicht in Präsenz stattfinden. Damals arbeiteten wir bei BeYoung gerade an der Idee einer jungen Videospielenthusiastin des Landesamtes für Jugendarbeit, eine Veranstaltung rund um das Gaming zu organisieren, und als wir von der misslichen Lage hörten, gaben wir diesen Input an die Organisationsebene des Festival Studentesco weiter. Die Idee wurde mit offenen Armen empfangen und erfolgreich als "Videogiochi Senza Frontiere" (Videospiele ohne Grenze) umgesetzt, was bis heute beibehalten wurde. Dies ist ein gutes Beispiel der sozialen Vernetzung einer lokalen Gemeinschaft in der Gaming-Welt, die schließlich auch Ansporn zur Organisation des ersten Game Ground Festivals im selben Jahr war.

 

Wir können junge Menschen abholen und dorthin bringen, wo sie mit ihren Interessen und Leidenschaften hinwollen.

 

Darüber hinaus wollen auch wir jungen interessierten Menschen Wege aufzeigen, wie sie ihre Leidenschaften verfolgen und in Arbeitsmöglichkeiten sowie auch Karrieren verwirklichen können. Unserem Verständnis nach ist Kultur nämlich keineswegs nur etwas, das man in die Schublade ‚Freizeit‘ abschieben kann, sondern sie schlägt auch direkte Brücken in den Arbeitsmarkt. Somit können wir junge Menschen abholen und dorthin bringen, wo sie mit ihren Interessen und Leidenschaften hinwollen. Zudem entspringt der Kollaboration mit dem Landesamt für Jugendarbeit (Ufficio delle Politiche Giovanili), u.a. im Rahmen der Projektkette der Innovation (Filiera dell’innovazione), sowie lokalen Akteuren wie auch Vereinen, ein stetig wachsendes Netzwerk, welches an einer innovativen und dynamischen Förderung der Jugendkultur in der Region Trentino-Südtirol arbeitet.

 

Ein Beitrag von Carolin Gamper.

 

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Profil für Benutzer Arne Saknussemm
Arne Saknussemm Fr., 08.09.2023 - 06:51

"Wir wollen Videospiele nicht nur als rohes Unterhaltungsmedium präsentieren, sondern die Verarbeitung und Repräsentation kultureller, sozialer, technologischer und wissenschaftlicher Thematiken darstellen."
- Das soll wohl ein Witz sein??!!

Fr., 08.09.2023 - 06:51 Permalink
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Profil für Benutzer Luca Bassi
Luca Bassi Fr., 08.09.2023 - 11:51

Antwort auf von Peter Gasser

commento e pensiero semplicemente spettacolari.
Da appassionato di lettura, musica, Videogame e G.D.T., metto le quattro attività, senza ombra di dubbio, sullo stesso livello.

Si dovrebbe dare molto più spazio alle attività ludiche, sia quelle digitali che "fisiche", superando il preconcetto che queste siano in contrasto, proporzionalmente, all'età ed alla levatura sociale.

Fr., 08.09.2023 - 11:51 Permalink