Politik | Abrechnung
„Der Tiefpunkt der letzten 20 Jahre“
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Salto: Herr Dello Sbarba, Sie haben heute die letzte Landtagsrede in Ihrer langen politischen Karriere gehalten. Es wurde eine echte Wutrede?
Riccardo Dello Sbarba: Ich hätte mir nie im Leben gedacht, dass meine letzte Landtagswoche mit einem solch traurigen Schauspiel enden wird. Ich habe in den gesamten 20 Jahre im Landtag so etwas noch nie erlebt.
Auf der Sitzung wurden die Abschlussberichte der beiden Untersuchungskommissionen - eine zur sogenannten SVP-Spendenaffäre und die andere zum SAD-Skandal - vorgestellt. Sie ärgern sich dabei über das Verhalten der SVP?
Es ist verrückt. Wir haben heute über die Abschlussberichte dieser beiden Untersuchungskommissionen diskutiert. In beiden Fällen gibt es nur Minderheitenberichte, aber keinen einzigen Bericht der Regierungsmehrheit. Im Wahlspendenausschuss wurden heute gleich sechs Minderheitenberichte vorgestellt, im SAD-Ausschuss einer. Die gesamte Landesregierung hat bei der Landtagssitzung durch Abwesenheit geglänzt und auch der Großteil der SVP- und der Lega-Abgeordneten war bei der Vorstellung und Diskussion einfach nicht da. Damit hat man öffentlich die Geringschätzung des Landtages zum Ausdruck gebracht.
Die SVP ist längst von einer Partei zu einem Nest von Giftschlangen geworden, wo jeder versucht, den anderen aufs Kreuz zu legen. Heute ist in dieser Partei jeder gegen jeden. Das eigentliche Problem ist, dass es in dieser Partei keine Regie mehr gibt.
Vor allem die Wortmeldung des SVP-Abgeordneten Helmut Renzler hat ihren Zorn angefacht?
Renzler, der in beiden Untersuchungskommissionen die SVP vertreten hat, sagt im Landtag allen Ernstes, dass man die Untersuchungskommission zu den Wahlspenden vorzeitig und ohne Mehrheitsbericht beenden musste, weil es eine Reihe von unkorrekten Handlungen gegeben habe. Und er sagte wörtlich, dass Mitglieder seiner Partei, der Südtiroler Volkspartei, Dokumente an Oppositionspolitiker weitergeben hätten, um damit Regierungsmitglieder der SVP zu belasten. An diesem Punkt ist mir diese Wutrede hochgekommen. Wirklich aus dem Herzen. Denn hier kann ich nicht mehr still sein.
Mit diesem Verhalten stellt die SVP-Lega-Mehrheit den Sinn und Zweck des Instruments Untersuchungsausschuss völlig auf dem Kopf und führt das Kontrollrecht der politischen Minderheit ad absurdum?
Absolut. Ich habe in all diesen Jahren noch nie gesehen, wie eine Partei und eine Mehrheit sich so verflüssigen kann. Die SVP ist längst von einer Partei zu einem Nest von Giftschlangen geworden, wo jeder versucht, den anderen aufs Kreuz zu legen. Und man benützt sogar Mitglieder der Opposition, um diesen SVP-internen Machtkampf auszutragen. Heute ist in dieser Partei jeder gegen jeden. Das ist dann auch der Hauptgrund, warum diese Untersuchungskommissionen ohne Ergebnis enden mussten. Denn Einige aus der SVP haben nur gehofft, dass etwas rauskommt, das ihren eigenen Parteikollegen schaden könnte.
Kompatscher will sich nirgends die Hände schmutzig machen, er nimmt kein Problem wirklich in die Hand und er führt nicht.
Arno Kompatscher war am Mittwoch bei der Staats-Regionen-Konferenz in Rom. Dass der Landeshauptmann in dieser wichtigen Angelegenheit im Landtag fehlt, ist ein offener Affront gegen den Landtag.
Sicher. Die Anwesenheit im Landtag ist grundlegend. Denn damit erkennt man an, dass der Landtag die gesetzgebende Institution ist. Das Herz der Südtiroler Autonomie. Indem man bei solchen Debatten abwesend ist, zeigt man offene Verachtung für diese parlamentarische Institution. Diese Herren interessiert es anscheinend keineswegs, was der Landtag zu sagen hat. Dabei untergraben sie mit diesem Verhalten vor allem das eigene Amt, die eigene Person und die eigene Autorität. Denn die SVP hat die Mehrheit im Landtag und auch in den Untersuchungskommissionen. Dass man es nicht einmal schafft, einen Mehrheitsbericht durchzusetzen, macht deutlich, wie unfähig diese Regierungsmehrheit ist. Die SVP und die Lega haben zusammen 18 Stimmen. Sie hätten demnach beschließen können, was sie wollen. Aber selbst im SAD-Untersuchungsausschuss - wo es keine angeblichen Unkorrektheiten gegeben hat - hielt es die SVP nicht für nötig, einen Abschlussbericht vorzulegen. Man hat zuerst die Untersuchungskommissionen und jetzt den Landtag in der Hand der Opposition gelassen. Das zeigt, dass die SVP keine Partei mehr ist. Es gibt eine Gruppe von Personen, in der jeder versucht, dem anderen auf die Füße zu treten. Das ist die Wahrheit.
Bei einer ernsthaften Diskussion in beiden Untersuchungskommissionen wäre der Machtkampf innerhalb der SVP unweigerlich zum Vorschein gekommen. Deshalb zieht man es vor, untere Edelweiß zu schweigen. Vor allem fünf Wochen vor der Landtagswahl.
Dass man in der SVP streitet, ist keine Neuigkeit mehr. Das gehört schon fast zur Natur der Sammelpartei. Das eigentliche Problem ist, dass es in dieser Partei keine Regie mehr gibt. Es gibt die ursprüngliche SVP nicht mehr. Es tut mir leid, dass ich das sagen muss: Aber dafür trägt Arno Kompatscher einen großen Teil der Verantwortung. Kompatscher will sich nirgends die Hände schmutzig machen, er nimmt kein Problem wirklich in die Hand und er führt nicht. So entsendet er etwa in die Untersuchungskommissionen Personen aus der zweiten Reihe, damit er ja nicht angetastet oder gar kompromittiert wird. Das geht so weit, dass er im Landtag erst gar nicht erscheint. So kann eine Mehrheit nicht regieren. Denn damit übt die Mehrheit nicht jene Rolle aus, die ihr zusteht. So fährt man den Karren eher früher als später an die Wand.
Achammer ist für mich ein Enigma. Er sitzt da, ist still und redet nicht. Es wird schnell klar, dass er sich in diese Aufklärung nicht einlassen will.
In der Landesregierung und im Landtag sitzt aber auch einer, der Philipp Achammer heißt und den Titel SVP-Obmann trägt?
Achammer ist für mich ein Enigma. Er sitzt da, ist still und redet nicht. Es wird schnell klar, dass er sich in diese Aufklärung nicht einlassen will. Sowohl der SVP-Obmann als auch der Landeshauptmann tun so, als würden sie keine Verantwortung tragen. Das oberste Ziel beider ist es, möglichen Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten auszuweichen. Das gilt für den Obmann und für den Landeshauptmann. Dazu kommt noch, dass beide immer wieder durchscheinen lassen, dass sie weder sich gegenseitig noch ihren Parteikollegen trauen. Es gibt aber niemand, der wirklich diese Partei und die Mehrheit anführt. Damit wird der Landtag nicht nur orientierungslos, sondern zu einem Sumpf, in dem es nur mehr um die eigenen Bedürfnisse geht.
In Wirklichkeit aber gibt es seit zwei Jahren in der SVP einen neuen Sport: Man benützt einige Vertreter der Opposition, um die Schmutzarbeit gegen die eigenen Partei-Kollegen zu machen. Für mich verheißt die heutige Abwesenheit Widmanns jedenfalls nichts Gutes.
Im Landtag war aber heute noch einer abwesend, der in Sachen Parteispenden sehr wohl Auskunft geben könnte: Der ehemalige SVP-Wahlkampfleiter Thomas Widmann?
Ich habe gehört, dass man gestern sowohl in der SVP als auch in der Opposition sehr angespannt war. Alle haben sich gefragt: Was wird Thomas Widmann tun? Wird er reden oder nicht? Sicher ist, dass Thomas Widmann viele Sachen weiß. Ich kann nicht sagen, wie Widmann sein Wissen verwenden wird. Die sauberste Lösung wäre es, im Landtag zu reden. In Wirklichkeit aber gibt es seit zwei Jahren in der SVP einen neuen Sport: Man benützt einige Vertreter der Opposition, um die Schmutzarbeit gegen die eigenen Partei-Kollegen zu machen. Für mich verheißt die heutige Abwesenheit Widmanns jedenfalls nichts Gutes.
Sie steigen jetzt nach 20 Jahren aus dem Politbetrieb aus. Nach dieser für Kompatscher & Co. vernichtenden Analyse: Waren die Zeiten unter Luis Durnwalder besser?
Sagen wir so: Ich habe mit Durnwalder wirklich harte Auseinandersetzungen geführt. Wir waren politische Gegner. Zudem habe ich die letzte Ära Durnwalders erlebt, in der er Einiges an Glanz und auch an Augenmaß verloren hat. Aber Durnwalder war da. Er ist aufrecht gestanden. Mit all seiner Präpotenz und seinen Überzeugungen, die ich nicht geteilt habe. Aber er hat seine Verantwortung bis zum Ende getragen. Nicht nur das: Er verteidigte auch bis zum Letzten seine Beamten. Heute aber übernehmen in der Volkspartei weder der Obmann noch der Landeshauptmann die Verantwortung, die ihnen aus ihren Amt erwächst. Ich würde nicht sagen, unter Durnwalder war alles besser. Im Vergleich war Durnwalder aber klarer und für mich auch viel lustiger.
Fotos: Othmar Seehauser
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und dementsprechend, schaut
und dementsprechend, schaut es auch in der kunst politik aus!
Antwort auf und dementsprechend, schaut von Peter Paul Ped…
Manche Aussage Riccardo Dello
Manche Aussage Riccardo Dello Sbarbas erinnern an die Entstehung der res publica aus dem Geist der Empörung.
Sachverhalte, deren Aufklärung im öffentlichen Interesse liegt, zu untersuchen gehören eigentlich zum Grundlegendsten einer res publica. Der consensus, mit dem alles anfängt, was wir bis heute öffentliches Leben nennen, war die zivile Einmütigkeit hinsichtlich eines unerträglichen Affronts gegen die ungeschriebenen Gesetze des Anstands und des Herzens.
Es geht um Unverletzlichkeit der zivilen Würde. Der öffentliche Argwohn wacht darüber, dass Arroganz und Gier, die immer virulenten Hauptmächte der Gemeinheit, in der res publica niemals die Oberhand gewinnen.
Der Südtiroler Landtag braucht endlich ein Untersuchungsorgan, das auch funktionsfähig ist.
Es kann doch wohl nicht wahr sein, dass informierte Personen beim Land Anträge stellen und Gelder abrufen, sich aber freiwillig nicht zur Mitwirkung selbst verpflichten; dass dem UA der Zugang zu Unterlagen u.a. verwehrt bleibt und nur auf eine private, interessensgeleitete Buchveröffentlichung zurückzugreifen hat, die bekanntlich ja ohne Abhörprotokolle des LHs Kompatscher veröffentlicht wurden, obgleich die Ermittlungen u.a. ja an ihn adressiert waren usw.
"Kompatscher will sich
"Kompatscher will sich nirgends die Hände schmutzig machen, er nimmt kein Problem wirklich in die Hand und er führt nicht."
Genau auf den Punkt gebracht!
Antwort auf "Kompatscher will sich von G. P.
@G.P.: vollkommen Ihrer
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- Salto-Community-Management
Ein interessantes Interview.
Ein interessantes Interview. Hoffe, dass die Analyse von Herrn Dello Sbarba nicht ganz der Wirklichkeit entspricht.
Antwort auf Ein interessantes Interview. von Dietmar Nußbaumer
Die S V P hat ein weiteres
Die S V P hat ein weiteres Mal ihre Stimmen-Mehrheit missbraucht, um ihre von der Untersuchungs-Kommission aufgedeckten Skandale, "als nicht zutreffend zu b e s c h l i e ß e n."
Herr dello Sbarba hat sich zu Recht über die "abwertende Abwesenheit" von Kompatscher & Achammer aufgeregt.
In Rom reibt man sich bereits
In Rom reibt man sich bereits die Hände und schaut in Ruhe zu wie die selbst ernannte Sammelpartei der Autonomie sich selbst abschafft.
Und in Bezug auf den Landtag und die Untersuchungsausschüsse hat Sbarba völlig recht. Die Demokratie mit Füssen getreten.
Antwort auf In Rom reibt man sich bereits von Stefan S
Es scheint, das ganze Land
Es scheint, das ganze Land ist den persönlichen Befindlichkeiten und emotionalen Themen, dieser Gruppe um die svp ausgeliefert!! Das mcht mich so wütend!!
Diese Landesregierung agiert wie ein Staat im Staat.
Dass sie sich und ihre Interessen ÜBER das Land stellt ist ja wirklich nicht mehr zu übersehen.
Schlimm ist, wenn Machtgier, Gier, Narzissmus, Neid, Eitelkeit und unaufgelöste Konflikte das Politikmachen übernehmen!! Das tötet Gestalten - für das Gemeinwohl (Menschen, Umwelt, Tiere)
Ohne Persönlichkeitsweiterentwicklung wird sich Politik nicht ändern.
Und dann wars das mit Demokratie, Umwelt und Frieden.....
Supervisionspflicht für alle PolitukerInnen (ab Gemeindeebene)
politik braucht mehr psychologie!!
Antwort auf Es scheint, das ganze Land von Herta Abram
Danke, auf den Punkt gebracht
Danke, auf den Punkt gebracht. Man ist nur mehr wütend und enttäuscht.
Antwort auf Es scheint, das ganze Land von Herta Abram
sehr traurig die ganze
sehr traurig die ganze Situation .....
Antwort auf In Rom reibt man sich bereits von Stefan S
Es wird hier grad so getan,
Es wird hier grad so getan, als stünde Suedirol mit diesem ,Problem' (Kosmetik-Politik) alleine da...Die Zeiten sind andere geworden, die Wörter Stopp, Sparen oder Verzicht nimmt keiner in den Mund, ist nicht sexy.
Der ewige Vergleich mit Altlandeshauptmann Durnwalder zieht zudem nicht mehr. Das SVP-Spitzenduo ist meiner Meinung nach untragbar geworden: die beiden gehören anderen Welten an und sind das präzise Abbild der gespaltenen Volks-Partei. Wie soll jemand ueberzeugend ,fuehren' mit so vielen innerparteilichen Neidern und Gegnern, die selber zu gerne LH wären.
Antwort auf Es wird hier grad so getan, von Elisabeth Garber
"Es wird hier grad so getan,
"Es wird hier grad so getan, als stünde Suedirol mit diesem ,Problem' (Kosmetik-Politik) alleine da.."
Bei weitem nicht, ein Blick über den virtuellen Zaun zu den Öschis oder Bayern langt schon um ähnliche Zustände vorzufinden. Scheint aber irgendwie mit den Bajuwaren einherzugehen. :-) Nur Ihre Verniedlichung "Kosmetikpolitik" ist die nicht passende Beschreibung, handelt es sich doch um Amtsmissbrauch bis hin zu mutmaßlicher Korruption.
Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss ist das gesetzlich festgelegte demokratische Werkzeug um solchen Machenschaften entgegenzuwirken.
Ergebnis bzw. kein Ergebnis sehen wir in diesem Artikel.
Das alles zeigt nach
Das alles zeigt nach Götterdämmerung.
Langsam aber sich wird sich das gegebene Versprechen ungewollt bewahrheiten: Nach zwei Legislaturen wird Schluss sein.
Wie soll bei diesen vorherrschenden persönlichen Animositäten ein zielstrebige, dem Südtiroler Volke dienende Zusammenarbeit überhaupt noch möglich sein?
"Streithanseln" egal welcher Seite generieren immer wieder politische Ineffizienz.
Dass ich als Agnostiker die
Dass ich als Agnostiker die Bibel zitiere, ist auch nicht alltäglich...
Offenbarung des Johannes, 3:15-16
Ich weiß deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach, dass du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder kalt noch warm, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.
Antwort auf Dass ich als Agnostiker die von Martin Sitzmann
So Einiges was sich in der
So Einiges was sich in der Bibel findet hat seinen Ursprung nicht im Christentum. Darf man also ruhig zitieren. :-)