Politik | Wahlen/Elezioni 23

„Die Warterei ist Südtirol nicht würdig“

Ex-Gewerkschafter Dieter Mayr ärgert sich über die ausstehende Lohnerhöhung im öffentlichen Dienst. Als SVP-Kandidat will er in der Machtzentrale neue Prioritäten setzen.
Dieter Mayr
Foto: privat
  • SALTO: Herr Mayr, wieso kandidieren Sie für die SVP und nicht für die politisch ähnlich gesinnte Konkurrenz Team K?

    Dieter Mayr: (lacht) Die SVP steht für mich für die Autonomie, sie hat in der Vergangenheit für Südtirol so viel erreicht und auch eine pragmatische und gute Sozialpolitik gemacht. In früheren Zeiten waren die Arbeitnehmer*innen in der Partei richtig stark. Auch wenn man heute als Arbeitnehmer etwas weiterbringen will, dann muss man das gemeinsam in einer Regierungspartei machen, das sage ich ganz offen. Der Flügel der SVP-Arbeitnehmerschaft ist für mich mit all seinen derzeitigen Schwierigkeiten die einzige deutschsprachige und sozialdemokratische Kraft. Es gibt sonst keine. Die SVP muss weiterhin den Ausgleich schaffen, viel stärker als bisher. Denn sie darf zu keiner reinen Lobbypartei werden. 

    Ihre Kritiker*innen sagen, das sei sie schon längst.

    Die Tendenz geht sicher in diese Richtung. Deshalb ist es wichtig, ein Gegengewicht zu bilden. Mit sechs Arbeitnehmer-Kandidat*innen sind wir für diese Wahl gut aufgestellt. Das sind neben Waltraud Deeg, Helmuth Renzler und Magdalena Amhof auch Gabriele Morandell, Rosmarie Pamer und meine Wenigkeit. 

    Da fehlt die Wertschätzung gegenüber den Beschäftigten.

    Nur wenn wir im Landtag zahlenmäßig auch stark vertreten sind, können wir erfolgreich für einen sozialen Ausgleich innerhalb der Partei und für die Beschäftigten und Rentern*innen in Südtirol arbeiten. Es gibt bereits eine tolle Basis der SVP-Arbeitnehmerschaft, die sehr motiviert und engagiert ist. Das wird zurzeit nicht wirklich gesehen, aber es gibt sie. Es ist nicht gerecht, dass die SVP als reine Lobbypartei bezeichnet wird. 

    Würden Sie sich dann konkret im Landtag auch gegen den Fraktionszwang setzen, wenn etwas nicht den Interessen der Arbeitnehmerschaft entspricht?

    Politik ist am Ende immer ein Geben und Nehmen. Wenn etwas im Gesamtpaket den Arbeitnehmer*innen schadet, dann würde ich das nicht kommentarlos mittragen, nur um dem Fraktionszwang zu entsprechen. 

  • Der ehemalige Generalsekretär des SGBCISL: Dieter Mayr will nun in der SVP den Flügel der Arbeitnehmerschaft stärken. Foto: cisl
  • Wie beurteilen Sie die abgeschlossenen Verhandlungen zu den Gehältern der Führungskräfte im öffentlichen Dienst?

    Es regt mich auf, dass wir für die „normalen“ Beschäftigten so viele Jahre brauchen, um endlich den Kollektivvertrag abzuschließen. Nun scheint wieder irgendetwas zu fehlen und die angekündigte Auszahlung wird verschoben. Die Verhandlungen stocken und die Gewerkschaften werden teilweise respektlos behandelt. Wenn alles gut geht, soll der Kollektivvertrag nun endlich am 10. Oktober von der Landesregierung in ihrer nächsten Sitzung genehmigt werden. Es ist wahnsinnig ärgerlich, dass das bei den Führungskräften alles viel schneller abgeschlossen wurde. Da fehlt die Wertschätzung gegenüber den Beschäftigten, diese Warterei ist Südtirol nicht würdig. Da hätte ich mir erwartet, dass man zuerst die Hausaufgaben für die „normalen“ Beschäftigten macht und erst danach den Vertrag für die Führungskräfte angeht. 

    Wie stehen Sie zu der beträchtlichen Höhe der Landesgehälter für Führungskräfte?

    Ich will keine Neiddebatte schüren, die nirgendwohin führt. Es geht mir nicht um die Gehälter der Führungskräfte und ob sie zu hoch sind, sondern um jene der restlichen Beschäftigten, die effektiv zu niedrig sind. Es geht um die Wertschätzung und den Respekt gegenüber allen öffentlich Bediensteten. Denn auch die Führungskräfte selbst könnten und sollten dazu beitragen, dass der Kollektivvertrag für alle öffentlich Beschäftigten zügig abgeschlossen wird. Gerade in Zeiten, wo die Schere zwischen Arm und Reich größer wird, ist hier Vorsicht geboten und die öffentliche Hand sollte hier mit gutem Beispiel vorangehen. Die Verhältnismäßigkeit muss stimmen. Es gibt Menschen, die im öffentlichen Dienst arbeiten und Lebensmittelgutscheine vom Staat in Anspruch nehmen müssen. 

  • Zur Person

    Dieter Mayr ist ehemaliger Generalsekretär des SGBCISL sowie ehemaliger AFI-Präsident. Der Experte in Arbeits- und Gewerkschaftsbeziehungen war viele Jahre in der arbeitsrechtlichen Beratung des SGBCISL tätig. Mayr kandidiert jetzt auf der Liste der SVP für den Südtiroler Landtag. 

  • Sie sind ehemaliger Generalsekretär der Gewerkschaft SGBCISL. Was wollen Sie nun als Politiker angehen?

    Wir müssen die gesamte Kompetenz für den Abschluss von Lohnverhandlungen sowohl im öffentlichen Dienst als auch in der Privatwirtschaft wieder nach Südtirol bringen. Ziel muss sein, die Lohnverhandlungen im öffentlichen Dienst jedes Jahr zu führen und diese dann auch zügig abzuschließen. Das ermöglicht es der Landesregierung auch, die Erhöhungen im Landeshaushalt zu berücksichtigen. 

    Wie sieht die Lage in der Privatwirtschaft aus?

    Das italienische Arbeitsrecht ist hier eigentlich genial. Denn dieses gibt bestimmte Rahmenbedingungen als Mindeststandards vor, darüber hinaus können die Gewerkschaften und Arbeitgeber, sprich die Sozialpartner, relativ autonom handeln. Wenn in Südtirol die Mindestlöhne in den Kollektivverträgen der einzelnen Sektoren um 100 oder 200 Euro erhöht werden sollen, dann ist das machbar – es liegt hier also nur am Willen den Arbeitgeberorganisationen. Es ist sogar möglich eigene Südtiroler Kollektivverträge zu machen, wie es etwa die Obstgenossenschaften oder die Universität tut.

    Wenn wir jetzt nicht aufwachen und konkret etwas dagegen tun, dann weiß ich nicht, wie das weitergehen soll. 

    Ansonsten gibt es bereits Landeszusatzverträge, die Resistenz dagegen ist aber doch enorm. Hier hat das Land die Möglichkeit, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es auch für die Arbeitgeber attraktiver macht, Landeszusatzverträge mit ordentlichen Lohnerhöhungen abzuschließen. Etwa könnten nur jene Unternehmen von der IRAP-Reduzierung profitieren, die einen Zusatzvertrag abgeschlossen haben. 

    Landeshauptmann Kompatscher und die Landesräte Achammer und Schuler haben bei einem Wirtschaftstreffen der SVP letzte Woche aber das Gegenteil versprochen, nämlich eine IRAP-Reduzierung ohne jegliche Auflage.

    Da bin ich absolut dagegen und es ist klar, dass die Wirtschaftsvertreter über diese Vorschläge nicht erfreut sind. Das liegt in der Natur der Sache und ist für mich nichts Neues. Wenn wir in Südtirol aber langfristig für Arbeitnehmer*innen attraktiv sein wollen, braucht es diese Rahmenbedingungen. Möglichkeiten gibt es viele, auch bei Landesbeiträgen oder öffentlichen Ausschreibungen könnte der Landeszusatzvertrag zum Kriterium werden. 

    Durch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie ist dieses Vorhaben leider in „Vergessenheit“ geraten.

    Gab es hier bereits Bemühungen vonseiten der Gewerkschaften?

    Kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie haben wir mit den Arbeitgeberorganisationen ein Abkommen unterschrieben, das vorsieht, dass IRAP-Senkungen nur für Betriebe gelten, welche die nationalen Kollektivverträge vollinhaltlich einhalten, mit Betonung auf vollinhaltlich. In einem weiteren Schritt wollten wir weitere Kriterien für die IRAP-Senkung ausarbeiten, die sich spezifisch auf die Situation in Südtirol beziehen. Das sieht dieses Abkommen auch vor. Durch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie ist dieses Vorhaben leider in „Vergessenheit“ geraten. Hier müssen wir wieder ansetzen. 

    Bereits heute verlassen viele junge Menschen unser Land, weil sie hier keine Perspektiven für sich sehen.

    Wir stehen heute vor einem Fachkräftemangel. Menschen gehen ins Ausland, weil die Arbeitsbedingungen zu schlecht und die Gehälter zu niedrig sind, dazu kommt die Wohnungsnot. Wenn wir jetzt nicht aufwachen und konkret etwas dagegen tun, dann weiß ich nicht, wie das weitergehen soll. 

Die Landesregierung "schafft + besetzt recht leichtfertig hoch-dotierte Direktoren-Posten + leitende Angestellte für fragwürdige Aufgaben."
Die vielen Mitarbeiter, die Kranke pflegen + betagte Menschen in den Altersheimen unterstützen, für die Reinigung sorgen, das eigene Personal in den Landesämtern und die Lehrer, außer denüberzahlten Führungsposten, dürfen von einer vernünftigen Bezahlung wohl nur träumen.
Gleichzeitig wird die nimmer-satte Gesellschaft von Pinzger & Co., die Wirtschaft + die IDM, mit sehr fragwürdigen Investitions-Beiträgen, zum KLIMA-schädlichen Verhalten angeleitet!

Mo., 09.10.2023 - 15:06 Permalink

Der Mann leidet unter Realitätsblindheit und hat tatsächlich das Format seiner eigenen „Wenigkeit“. Wie die „tolle Basis der SVP-Arbeitnehmerschaft“ ist er in Sachen Faktencheck ziemlich flexibel unterwegs: Seine Gewerkschaft CISL war zusammen mit den anderen ein dealmaker der fürstlichen Gehälter der Führungskräfte seit 2015, und er selbst hält nichts von der Einführung eines Mindestlohns.
Aber Wahltag ist Zahltag, da können die Wählerinnen und Wähler dem Lehrmeister der Desinformation die Rechnung präsentieren … und eine Lehre erteilen: Augen auf, das schützt davor abzustürzen.

Mo., 09.10.2023 - 17:52 Permalink

Voll endtäuschend! Der hat keinen Biss! Als Generalsekretär könnte er schon auch oder vor allem an die Erhöhung der Renten oder eine Ausgleich des Kaufkraftverlustes denken. Obwohl bei den Gewerkschaften die Rentnergewerkschaft die stärkste ist und Pensionist:innen hohe Beiträge bezahlen, werden sie/wir sogar von den Gewerkschaftsvertretern vergessen. Traurig! - wir sind wertlos!

Mo., 09.10.2023 - 18:01 Permalink