Chronik | Speckproduzenten

Illegale Leiharbeit: Was wussten die Unternehmer?

Vor allem aus dem Bauwesen ist es als Phänomen bekannt, nun ist auch Südtirols Specksektor erstmals mit einem Fall illegaler Leiharbeit konfrontiert. Doch was haben die beteiligten Unternehmen tatsächlich gewusst?

Bandenbildung aus Erpressungs- und Betrugsgründen: Das ist der Vorwurf, der am Montag zur Verhaftung von Salvatore Nicolella , seiner Frau Emanuela Fioretti  und den Wirtschaftsberater Pino Esposito aus Neapel geführt hat. Ebenfalls die Handschellen klickten für Fiorettis Onkel Patrizio Loffredo, der in Modena lebt und dem Trio falsche Rechnungen geliefert haben soll. Ein süditalienisches Familienbusiness, dessen Kerngeschäft im Wesentlichen in der Ausbeutung von Billigarbeitskräften lag. Diese wurden ohne die vorgeschriebene ministerielle Genehmigung für eine Vermittlung von Arbeitskräften an diverse Firmen weitergereicht – ohne ihnen wie berichtet grundlegende Rechte wie Sozialbeiträge und Kranken- und Urlaubsgeld  zu gewähren. Geschädigt wurden damit nicht nur die ArbeiterInnen selbst, sondern auch das Fürsorgeinstitut INPS sowie der Staat. Denn neben den Sozialbeiträgen hinterzog das Quartett laut derzeitigem Ermittlungstand auch noch in großem Ausmaß Steuern, in dem es über Scheinfirmen falsche Rechnungen ausstellte.

Und was haben die drei Südtiroler Speckerzeuger mit solch unsauberen Praktiken zu tun,  die von der Bozner Staatsanwaltschaft in das Ermittlungsregister eingetragen wurden? Sicher ist, dass sie beiden Naturnser Unternehmen Firmen Moser Speck und Meranospeck sowie die Metzgerei Pfitscher aus Burgstall von den billigen Arbeitskräften profitiert haben. Inwiefern sie über Details der Machenschaften ihrer neapolitanischen Vermittler informiert waren oder gar selbst mitgemischt haben, ist eine andere Frage. Bei der Staatsanwaltschaft Bozen hält man sich diesbezüglich bedeckt; laut inoffiziellen Informationen soll jedoch zumindest gegen den Manager eines Südtiroler Speckbetriebs auch wegen der Ausstellung von Scheinrechnungen ermittelt werden.

Abgeltung als "Zeichen der Solidarität"

Am weitesten ist das Verfahren mit der Firma Moser Speck. Diese soll 87 Leiharbeiter beschäftigt haben und die Rede ist davon, dass sich die Firmenleitung bereit erklärt hat, dafür eine Abgeltung dafür zu zahlen. Die Summe, so heißt es aus Gerichtskreisen, soll sich auf 400.000 Euro belaufen. Ob das eine Wiedergutmachung oder als Indiz eines Eingeständnisses anzusehen ist, bleibt unklar.  In der Dienstag-Ausgabe der Dolomiten begründet Anwalt Alberto Valenti die Abgeltung als „Zeichen der Solidarität mit den beklagenswerten Arbeitern, die jetzt letztendlich ohne Arbeit dastehen“.

Tatsache ist, dass ein Unternehmen strafrechtlich dafür haftet, wenn es Arbeitskräfte von nicht eingetragenen Arbeitsvermittlern beschäftigen. Offen ist noch, ob Merano Speck und das die Metzgerei Pfitscher ebenfalls versuchen werden, die Causa über eine deftige Abgeltung zu bereinigen oder es in deren Fall zu einer Anklage kommen wird. Die beiden Unternehmer waren von salto.bz am Dienstag nicht erreichbar.

Neuland sind Ermittlungen in Sachen illegaler Leiharbeit im Bozner Gerichtspalast keineswegs. Vor allem im Bausektor ist die illegale Beschäftigung von Arbeitern ein häufiges Phänomen, heißt es dort.

Bild
Profil für Benutzer Willy Pöder
Willy Pöder Do., 26.06.2014 - 02:45

Anhand dieser Vorfälle wird einmal mehr das Dilemma von mangelnden Fachkräften in Südtirol deutlich. Wohl von daher dürfte die Notlage rühren, derlei Personal aus dem Neapolitanischen zu importieren. Ob für die Anheuerung dieser Spezialisten allerdings ihr Wissen und Können für die Herstellung von Südtiroler Markenspeck oder andere Vorzüge ausschlaggebend waren, das versuchen nun wiederum andere Spezialisten, die bei der Bozner Staatsanwaltschaft sitzen, zu klären. Was immer auch dabei herauskommen mag, ganz umgeselcht dürften die Akteure wohl nicht davonkommen.

Do., 26.06.2014 - 02:45 Permalink