Gesellschaft | Landtagswahlen

„Mir ist das Herz fast stehengeblieben“

Max Walder, der Entwickler des SALTO-Wahlstudios über den Erfolg und riesigen Zuspruch, die Auswertung der Zugriffe und einen Schreckensmoment am Wahlabend.
Walder, Wahlstudio
Foto: privat
  • SALTO: Herr Walder, fast 200.000 User haben auf das SALTO-Wahlstudio zugegriffen. Überrascht Sie als Entwickler dieser Zuspruch?

    Max Walder: Mir war klar, dass das Wahlstudio einen gewissen Impact haben wird und dass es gut ankommen wird. Aber einen solchen Zuspruch habe ich mir wirklich nicht erwartet. Was mich überrascht hat, ist die Tatsache, dass die User über die Nacht und in den frühen Morgenstunden dabeigeblieben sind. Natürlich sind die Zugriffe im Vergleich zum späten Sonntagsabend oder zum Montagmorgen etwas zurückgegangen, dennoch gab es erstaunlich viele Aufrufe auch in der Nacht. Ich war der Meinung, dass nur die Politiker und die Journalisten wach bleiben. Hier wurde ich eines Besseren belehrt.

    Es waren vor allem Parteizentralen und andere Redaktionen, die sich auf dieses Tool gestützt haben.

    Aus der Auswertung der Serverlogs geht hervor, dass das SALTO-Wahlstudio von 18 Internet-Adressen genutzt wurde, bei dem jeweils rund 20 Endgeräte auf die Karten zugegriffen haben. Das sind meiner Ansicht nach entweder Redaktionen oder Parteizentralen. Demnach dürfte das Interesse in diesen beiden Sektoren besonders hoch gewesen sein.

    Der riskanteste Teil des Wahlstudios war die Hochrechnung. Am Ende hat es aber wunderbar geklappt. Noch vor Mitternacht war eine Prognose da, die dem Endergebnis entsprochen hat.

    Zum Glück. Hier darf ich eine Anekdote erzählen. Die öffentliche und für alle einsehbare Hochrechnung wurde erst eingeschaltet, als 5 Prozent der Stimmen ausgezählt waren. Ich hingegen habe die Hochrechnung auf meiner internen Version von Anfang an gesehen. Als die erste ausgezählte Wahlsektion in der Gemeinde Innichen hereinkam, ist mir das Herz fast stehen geblieben. Denn ich habe gedacht, hier muss ein Rechenfehler drinnen sein. Das Ergebnis der Hochrechnung waren Südtirolweit 6 Sitze für die Südtiroler Freiheit und 5 Sitze für JWA. Da habe ich kurz gezweifelt, ob das schon richtig läuft. Aber es hat sich dann gezeigt, dass alles stimmt. Die Ergebnisse in dieser ersten Wahlsektion sind einfach in diese Richtung gegangen.

    Ich war der Meinung, dass nur die Politiker und die Journalisten wach bleiben. Hier wurde ich eines Besseren belehrt.

    Wie groß war Ihre Angst am Wahlabend, dass die Auswertung mit Fehlern behaftet ist oder abstürzen könnte?

    Bei Projekten, die live gehen und wo man vorher keinen wirklichen Testlauf machen kann - und das ist bei Wahlen kaum möglich - hat man als Informatiker immer Angst und Befürchtungen, dass etwas nicht funktionieren könnte. Aber am Ende hat alles geklappt und ich bin sehr froh darüber.

    Ein anderes Tool, das sehr gut angekommen ist, war der Koalitionsrechner. Plötzlich haben auch andere Redaktionen einen solchen Rechner angeboten?

    Nicht alle diese Angebote waren wirklich sinnvoll. Ein Koalitionsrechner ist vor allem für Südtirol eine gewisse Herausforderung, weil das Wahlgesetz doch etwas kompliziert ist. So muss neben dem Geschlechterverhältnis vor allem die ethnische Zusammensetzung der Landesregierung berücksichtigt werden. Ich habe einen Nachmittag lang das Wahlgesetz durchstudiert und alle diese Merkmale in den SALTO-Koalitionsrechner eingebaut. Bei anderen haben diese Bedingungen für die Berechnung einer Regierungsmehrheit gefehlt, was das Ganze doch etwas obsolet macht. 

  • SALTO-Wahlstudio: Rund 200.000 Zugriffe

  • Wie spannend war für Sie die Stimmenauszählung?

    Sehr. Die Tatsache, dass es in Südtirol keine Prozenthürde für die Wahl in den Landtag gibt, macht die Sitzverteilung für den Landtag bis zum letzten Moment spannend. 2018 haben die Grünen um 100 Stimmen das dritte Mandat geschafft. Aber nicht nur die Restmandate sind bis zum letzten Moment offen. Auch die Personenwahl kann durchaus spannend sein. Das hat sich diesmal exemplarisch beim Ergebnis der Südtiroler Grünen gezeigt. Nach der Auszählung der Südtiroler Stimmen galten drei Frauen, zwei Deutsche und eine italienische Kandidatin als gewählt. Doch mit der Auszählung der Briefwahlstimmen hat Zeno Oberkofler noch Sabina Giunta überholt. Damit hat sich nicht nur das Geschlechterverhältnis verändert, sondern auch die ethnische Zusammensetzung des Landtages. 

    In meinem Freundeskreis gibt es genügend Menschen, die dieses Interesse für die Politik teilen.

    Sie sind Anfang 20. Man sagt immer wieder junge Menschen interessieren sich nicht für Politik. Woher kommen Ihre Begeisterung und Energie für dieses Projekt?

    Zum einen bin ich sehr politikinteressiert. Zum anderen faszinieren mich als Informatiker Daten an sich sowie die konkrete Visualisierung dieser Daten. In meinem Freundeskreis gibt es genügend Menschen, die dieses Interesse für die Politik teilen. So haben wir den ganzen Wahlabend und die halbe Nacht im Wohnzimmer bei einer Freundin verbracht. Mit dem SALTO-Wahlstudio und dem Liveticker. Wir haben das wirklich im Detail alles live mitverfolgt.

    Spätestens nach dieser Landtagswahl werden auch die großen Verlage bei Ihnen anklopfen. Warum arbeitet Max Walder für das kleine SALTO?

    Weil ich persönlich für den freien und unabhängigen Journalismus stehe und eintrete. Aber auch weil ich als Einzelperson und als Freiberufler gewisse Werte vertrete. Mit SALTO kann man direkt - von Gesicht zu Gesicht - reden. Die Dinge sind schnell ausgemacht. Bei großen Verlagen wird alles viel komplizierter. Auch in rechtlichen Dingen. Für mich passt deshalb diese Zusammenarbeit.

    Im Mai 2024 sind Europawahlen. Gibt es dann eine Neuauflage des SALTO-Wahlstudios?

    Ich gehe davon aus. Auch wenn die EU-Wahlen natürlich deutlich anders gelagert sind und der Datensatz weniger konsistent ist. Grundsätzlich würde ich aber gerne wieder etwas machen. Und es laufen auch bereits die Vorbereitungen.

     

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Profil für Benutzer Lorenzo Vianini
Lorenzo Vianini Di., 31.10.2023 - 17:16

Strumento veramente utile e ben fatto, grazie!
Per la prossima volta, potrebbe essere utile metterlo a disposizione già qualche giorno in anticipo (magari con i risultati dell'elezione precedente?) per studiarne i dettagli e sapere come utilizzarlo al meglio una volta live.

Di., 31.10.2023 - 17:16 Permalink