Benko und ich

"Bist du für oder gegen Benko"? Der vehemente Kaufhausstreit in Bozen artet zum
Glaubenskrieg aus, in dem jeder den Zwang spürt Partei zu ergreifen.

Nein, ich kenne René Benko nicht. Mein Verlangen, ihn kennenzulernen, hält sich in Grenzen. Und die seit Wochen tobenden Polemiken um sein Projekt irritieren mich. Ich gestehe gerne, dass ich als Bürger dabei überfordert bin. Baudichte, urbanistische Kontinuität, Baufluchtlinien, Kubatur, städtebauliche Aufwertung sind Themen, mit denen ich wenig vertraut bin. Was mich stört, ist das mäzenatische Wohltäter-Vokabular, mit denen beide Konkurrenten ihre Projekte anpreisen. Und die unbestreitbare Tatsache, dass die Frage "Bist du für oder gegen Benkos Projekt ?" nicht nur in der Landeshauptstadt zu einem regelrechten Glaubensbekenntnis entartet ist. Zu einem Offenbarungseid, dem sich niemand entziehen will.

Der Riss geht quer durch alle Schichten und Sprachgruppen, entzweit Parteien, Architekten und Familien, führt völlig heterogene Personen in bizarren Allianzen zusammen. Den von Werbestrategen gekürten Begriff "Erlebniskaufhaus" halte ich ebensofür unsinnig wie die Tatsache, dass Gegner von Benkos Projekt gerne in die Riege der Hinterwäldler abgeschoben werden. Dessen Konkurrent Georg Oberrauch verspricht gar ein "harmonisches Handelszentrum: "Unsere Handelsideen haben den Anspruch, auf europäischer Ebene total innovativ und zukunftsoriert sinnstiftend zu sein." Durch das Benko-Projekt gehe "das Feingefühl für eine harmonische Entwicklung der Stadt verloren." 

Nun sind Harmonie und Sinnstiftung keine Kategorien, die ich mit einem Kaufhaus assoziere.  Es liegt in der Natur der Sache, dass jeder der beteiligten Lobbyisten vorgibt, im Interesse der Bürger zu handeln und im Dienst einer "nachhaltigen Stadtentwicklung".  Geschäftsinteressen scheinen völlig nebensächlich. Jeder verweist auf sein "schlüssiges Konzept" und die dadurch mögliche "großräumige Umgestaltung des Areals." Die  Alto Adige-Schlagzeile "Benko: vince la SVP" verdeutlicht dagegen die politsch-ethnischen Scharmützel, denen der Kaufhaus-Streit lediglich als Vorwand dient. Logisch scheint, dass der SVP-Koordinierungsausschuss den heimischen Unternehmern näher steht als Benko.  Dass die  Handelsfläche auf 20.000 Quadratmeter fixiert wurde, während eine  letzthin von Vizebürgermeister Ladinser vorgestellte Studie des Forschungsinstituts GMA 30.000 Quadratmeter als Obergrenze nannte, beweist vor allem eines: In der Parteipolitik weiß die linke Hand nicht immer, was die rechte tut.  Nebensächlich scheint den verhärteten Fronten die Klärung  der Grenzlinien zwischen öffentlichen und privaten Interessen.

Ich persönlich kann Einkaufszentren wenig abgewinnen. Abgesehen vor der manchmal gefälligen Architektur halte ich sie für Konsumtempel, in denen von Singapur bis Barcelona dieselben Produkte derselben Firmen angeboten werden - von Nike bis Calvin Klein. Aber natürlich bin ich mir bewusst, dass meine Meinung von der Mehrheit kaum geteilt wird. Ich könnte mich für ein Kaufhaus in Bozen eher erwärmen, wenn es zum Beispiel einen schönen Frischmarkt beherbergen würde, in dem die Bürger Obst, Gemüse, Käse, Fleisch, Fisch und Südtiroler Qualitätsprodukte kaufen können. Nur: Über wichtige Inhalte wird in diesem absurden Stellungskrieg ja nicht diskutiert, sondern über Baudichte, Handelsfläche, Kubatur und Bauflucht. Und über Sinnstiftung und Harmonie.     


 

Ich bleibe bei meiner bereits kundgetanen Auffassung: Das Land möge alle Mietverträge kündigen, Immobilien im Eigentum verkaufen und dafür alle Ämter am und um den Bahnhof (Mobilitätszentrum) konzentrieren und hierfür investieren. Egal ob die Benko- oder die Erlebnisgesellschaft zum Zuge kommt. Wenn dann noch Platz übrig ist, ein paar Läden einzurichten - na dann bitte schön! Wenn nicht, werden wir deswegen weder nackt herumlaufen oder gar verhungern müssen.

Do., 26.06.2014 - 02:14 Permalink

.... und weil vom Mobilitätszentrum die Rede ist, darf ich darauf hinweisen, dass für den Bahnhof Bozen eine MOBILITÄTSZENTRALE vorgesehen wäre, also eine Servicestelle für die Fahrgäste mit Information, Café und anderen Dienstleistungen. Das Projekt wurde vor 12 Jahren vom Bozner Expertenteam Qnex im Auftrag der Umweltschutzgruppe Vinschgau erstellt und liegt seither in einer Schublade des Mobilitätsressorts. Noch mit Hans Glauber vom Ökoinstitut in Bozen der Öffentlichkeit vorgestellt, wäre es als ein wichtiges Bindeglied in der Südtiroler Mobilität zwischen Betreiber und Fahrgast gedacht gewesen und hat ganze 30.000 Euro gekostet. Eigentlich schon deshalb zu schade für die Schublade.

Do., 26.06.2014 - 08:22 Permalink

Ich weiß nicht, wieviel Umsatz auf 20.000 Quadratmeter Handelsfläche per Anno im günstigsten Falle summa summarum erzielt werden kann: 20 Millionen? mehr? weniger? Mir eine Unbekannte. Bekannt dürfte hingegen allgemein sein, dass die Summe, welcher Größenordnung auch immer, wohl kaum zusätzlich ausgegeben, sondern anderswo abgezogen wird. Darauf zu vertrauen, so ein Tempel wäre ein derartiger Magnet, dass er soviel Kaufkraft zusätzlich aus anderen Regionen anziehen würde, erscheint mir doch sehr gewagt zu sein. Er wird Kaufkraft abziehen - ganz sicher. Jedoch nicht aus anderen Regionen, sondern vielmehr aus Bozens Innenstadt und der Peripherie im Umkreis von wenigstens 60 Kilometern.
Da wurde über Jahre hinweg die Nahversorgung mit fletschenden Zähnen verteidigt. Nun vernimmt man aus selbem berufenen Munde plötzlich Zustimmung für ein konsumfreundliches Freudenhaus, mit dem Vorbehalt, dort würden keine Waren angeboten, die anderswo bereits im Schaufenster stünden. Na daran wird man sich selbstverständlich halten. Denkste!!! Vielleicht sollte man sich mal etwas näher in Lienz umschauen. Dort hat man den Eindruck, als würde der Kaufhausrausch derweil den Rausch ausschlafen. Wenn das nicht eine Lehre ist! Warum sollten wir uns dann einen ansaufen? Sind wir vielleicht schon schläfrig?

Fr., 27.06.2014 - 14:28 Permalink
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Martin B.

Also ich muss sagen mir geht diese Diskussion am A.... vorbei. Ich kann gut ohne Megakonsumtempel in Bozen, Innsbruck, Trient, Affi, Verona, usw. leben. Weniger gut kann ich leben, wenn ich lokale und zentraleuropäische Produkte von Familienbetrieben immer schwieriger kaufen kann, da Ketten immer Massenware und Industrieproduktion bevorzugen.

Sa., 28.06.2014 - 22:27 Permalink

frage: gibt es so etwas wie einen stadtentwicklungsplan für bozen? denn wie passen die pläne für die nutzung des bahnhofareals mit jenen des busbahnhofs und des bahnhofspark zusammen? noch ein einkaufszentrum? (z.b. wiener westbahnhof? wie abgestimmt sind die verkehrslösungen für bahn, bus, auto? ...

So., 29.06.2014 - 11:16 Permalink

Diesmal bin ich ganz deiner Meinung, Gerhard. Noch weiter geschichtlich zurückgreifend - verdanken wir es manchen ach-so-alteingesessenen Laubenkönigen, wenn die Lauben heute benettonig ausgestattet sind wie eine beliebige shopping- Meile in Mailand oder München. Ob die einen oder anderen an ihrem Rewak arbeiten kann uns egal sein. Wogegen wir Bozner Normalbürger uns aber schon wehren müssen: dass die Öffentlichen Grünzonen als Gratis-Köder für die Mammonträume der Lobbies dienen!

Mo., 30.06.2014 - 16:26 Permalink