Politik | Kommentar

Arnos Waterloo

Vor zehn Jahren ist Arno Kompatscher als liberaler Politiker angetreten, im Zweifelsfall eher links und grün. Davon ist jetzt nichts mehr übrig geblieben.
SVP, Magnago
Foto: Seehauserfoto
  • Am Samstag kurz nach Mittag redet vor allem Philipp Achammer. Arno Kompatscher steht daneben. Man braucht dem Landeshauptmann beim Auftritt vor der Presse nur ins Gesicht zu schauen, um seinen Gefühlzustand zu ergründen. „Das ist keine Liebeshochzeit“, diktiert  der SVP-Obmann in die Mikrophone. Der Gesichtsausdruck Kompatschers aber gleicht einer Beerdigung. 
    Und das ist auch angemessen. Arno Kompatscher ist an diesem Samstag Zaungast bei seiner eigenen politischen Beerdigung. Denn an diesem 2. Dezember 2023 wird auch eine politische Hoffnung zu Grabe getragen.

     

    "Arno Kompatscher ist an diesem Samstag Zaungast bei seiner eigenen politischen Beerdigung. Denn an diesem 2. Dezember 2023 wird auch eine politische Hoffnung zu Grabe getragen."

     

    2013 war Arno Kompatscher als junger, moderner Politiker angetreten, der keinen Hehl daraus machte, politische Sympathien für die Grünen zu haben, und immer wieder stolz daran erinnerte, ein Schüler von Poldi Steurer gewesen zu sein. Nach einem Vierteljahrhundert Luis Durnwalder wollte der Newcomer den "Muff aus tausend Jahren" unter dem blauen Schurz herausblasen. Endlich sollte ein neuer Stil in der Politik Einzug halten. Transparenz und Partizipation und ein neuer Umgang der Mehrheitspartei mit der Opposition schienen am Edelweiss-Himmel heraufzudämmern.
    Doch davon hat man zehn Jahre lang nichts gesehen. Im Gegenteil: Kompatscher hat die Opposition behandelt wie der Oberlehrer seine unartigen Schüler und aus Durnwalders Rolle als „guter Diktator“ wurde eine Herumgewurstel, bei dem die rechte Hand nicht weiß, was die linke tut.
    Jetzt aber hat Arno Kompatscher einen Tiefpunkt erreicht. Denn der amtierende Landeshauptmann steht mit dieser Regierungskoalition so weit rechts, wie es weder Silvius Magnago noch Luis Durnwalder jemals waren. 
    Ausgerechnet Arno Kompatscher wird in die Geschichtsbücher eingehen als der erste Landeshauptmann, der einer Rechts-Rechts-Regierung Tür und Tor geöffnet hat. Und das in einem Land mit einer ethnischen Minderheit.

     

    "Der amtierende Landeshauptmann steht mit dieser Regierungskoalition so weit rechts, wie es weder Silvius Magnago noch Luis Durnwalder jemals waren." 

  • Foto: Seehauserfoto
  • Seit Monaten steht das Argumentarium für diese Regierungskoalition. „Die Fratelli D’Italia haben völlig Kurs geändert und sich in Autonomiefragen uns angenähert“, verkündet Parteiobmann Achammer nach der Abstimmung im Parteiausschuss. Dort haben 41 Mitglieder für eine Koalition mit FdI und Lega gestimmt; nur 17 SVP-Funktionäre haben dagegengehalten. 
    Auch diese Mehrheit überrascht nicht. Innerhalb der SVP gab es immer eine rechte Seele und der politische Meridian hat sich in den vergangenen Jahren auch unterm Edelweiss - wie insgesamt in der Gesellschaft - noch einmal deutlich nach rechts verschoben. Der Südtiroler Bauernbund und die Wolfsjäger im Landtag haben sich schon lange in den Landwirtschaftsminister und Meloni-Schwager Francesco Lollobrigida verliebt, SVP-Senator Meinhard Durnwalder geht immer noch davon aus, dass PD für das Autokennzeichen von Padua steht und Europaparlamentarier Herbert Dorfmann lässt keine Rede aus, um gegen Linke und Grüne anzugrunzen. Das ist die SVP 2023 und das sind die Kräfte, die trotz einer Wahlniederlage noch immer das Sagen haben.
    Ich gehe davon aus, dass Arno Kompatscher einer der 17 im Parteiausschuss war, die in der geheimen Abstimmung gegen eine Koalition mit den Brüdern Italiens gestimmt hat. Doch das ist zu wenig. Kompatscher, der bei den Landtagswahlen die Volkspartei vor dem Totalabsturz gerettet hat, hätte sich auflehnen müssen. Er hätte sein ganzes Gewicht in der Parteileitung und im Parteiausschuss in die Waagschale werfen müssen. Er hätte im wahrsten Sinne der Wortes ein Machtwort sprechen müssen. Wahrscheinlich hätten sich die Meloni-Befürworter trotzdem durchgesetzt, der amtierende Landeshauptmann hätte damit aber wenigstens sein Gesicht gewahrt.

     

    "Die Wiederherstellung der Kompetenzen und der Ausbau der Südtiroler Autonomie sind die politische Vision Kompatschers, der alles untergeordnet wird. Auch die eigenen politischen Grundsätze. Wer aber sagt, dass Giorgia Meloni hier Wort hält?"

     

    Es ist eine Binsenweisheit, dass Arno Kompatscher eitel ist. Auch deshalb läuft der Südtiroler Regierungschef einem Traum nach. Giorgia Meloni hat versprochen, dass sie in Absprache mit Österreich jene Autonomiekompetenzen wiederherstellen wird, die der Verfassungsgerichtshof und der Staat dem Land Südtirol seit 2001 entzogen haben. Das ist die politische Vision Kompatschers, der alles untergeordnet wird. Auch die eigenen politischen Grundsätze.
    Das wurde in den vergangenen Monaten deutlich, als Arno Kompatscher allen Ernstes die Errichtung eines „Centro per il Rimpatrio“ (CPR) gefordert hat. Dass diese Abschiebelager gegen jede Vorstellung eines würdigen Umgangs auch mit straffällig gewordenen Menschen verstoßen, wird dabei anscheinend völlig außer Acht gelassen.
    Arno Kompatscher hat auch hier die Hosen heruntergelassen. Für das große Ganze, oder was er eben darunter versteht. Er sieht sich als jemand, der in größeren Zusammenhängen denkt. Vielleicht wird ja der erhoffte Autonomie-Erfolg als Fußnote im nächsten Buch von Oskar Peterlini oder im nächsten Beitrag von Karl Zeller vorkommen, doch der Südtiroler Landeshauptmann ist dabei, seine Seele zu verkaufen.
    Vor allem aber: Wer sagt, dass Giorgia Meloni hier Wort hält?

     

    "Giorgia Meloni und ihre Regierung auf die Autonomiezugeständnisse zu beschränken, heißt mit verbundenen Augen durch die Welt zu taumeln." 

     

    Giorgia Meloni und ihre Regierung auf die Autonomiezugeständnisse zu beschränken, heißt mit verbundenen Augen durch die Welt zu taumeln. Die Regierung FdI-Lega setzt die Orbanisierung Italiens schrittweise um. Meloni und Salvini sägen emsig an den Säulen des Rechtsstaates. Demokratische Grundwerte werden in Italien tagtäglich mit Füssen getreten, und das schon seit Jahren.
    Das wahre Gesicht der neuen Koalitionspartner der SVP zeigt sich in der Hetzjagd in Stürmer-Manier auf die Richterin Iolanda Apostolico, an den Aussagen von Verteidigungsminister Guido Crosetto zu einer angeblichen politischen Verschwörung von Richtern und Staatsanwälten, oder indem man keine 300 Kilometer von Bozen entfernt gleichgeschlechtlichen Paaren das Elternrecht aberkennen will. 
    In welcher politischen Gesellschaft sich die Südtiroler Volkspartei mit dieser Entscheidung einreiht, wird exemplarisch auch am amtierenden FdI-Vizeminister für Infrastrukturen und Transportwesen Galeazzo Bignami sichtbar. Der militante Abtreibungsgegner und Anti-LGBTQ-Kämpfer hat seinen Ausstand in Nazi-Uniform mit Hakenkreuzbinde gefeiert.
    Das sind die Brüder Italiens.

     

    "Die Regierung FdI-Lega setzt die Orbanisierung Italiens schrittweise um. Meloni und Salvini sägen emsig an den Säulen des Rechtsstaates. Demokratische Grundwerte werden in Italien tagtäglich mit Füssen getreten." 

  • Arno Kompatscher und Philipp Achammer: Das sind die Brüder Italiens.: Foto: Seehauserfoto
  • Arno Kompatscher stellt die Weiterentwicklung der Südtirol-Autonomie über alles und merkt dabei nicht, dass er mit dieser Entscheidung seine persönliche Autonomie aufgibt.
    Denn Marco Galateo und Christian Bianchi werden kaum jene politischen Schoßhündchen sein, die die beiden amtierenden Lega-Landesräte in den vergangenen 5 Jahren waren. 
    Die Entscheidung, auch mit den Freiheitlichen zu koalieren, hat zu einer - trotz Angelo Gennacaro - hauchdünnen Regierungsmehrheit geführt. Das Erpressungspotential sowohl der italienischen Koalitionspartner als auch der Kompatscher-Gegner innerhalb der SVP ist damit enorm angestiegen.

     

    "Es dürfte jetzt der Zeitpunkt gekommen sein, an dem Arno Kompatscher ernsthaft darüber nachdenken sollte, ob es für ihn persönlich nicht besser wäre, in Völs zu bleiben."
     

     

    Jetzt fehlt nur noch, dass der Landeshauptmann auch noch der Forderung nach einer Elfer-Regierung nachgibt. Dann würde Arno Kompatscher einen weiteren seiner Grundsätze über den Haufen werfen. 
    Angetreten, um Politikkosten zu sparen, gab es 2013 genau dieselbe Diskussion mit dem Mitte-Links-Block. Damals blieb Kompatscher hart. Er und seine Partei werden dann erklären müssen, warum man zehn Jahre später anders entscheidet.
    Kommt es zu einer Regierung mit elf Mitgliedern, sind auch die „Freunde im Edelweiss“ am Ziel angelangt. Ihre Taktik: Wir bekommen Kompatscher vor der Wahl nicht weg, deshalb werden wir ihn nach der Wahl in der Partei und in der Regierung in die Minderheit versetzen. Genau das hat man am Samstag getan. Und in der Landesregierung mit elf Mitgliedern wird das seine wöchentliche Fortsetzung erfahren.
    Deshalb dürfte jetzt der Zeitpunkt gekommen sein, an dem Arno Kompatscher ernsthaft darüber nachdenken sollte, ob es für ihn persönlich nicht besser wäre, in Völs zu bleiben.
    Dann würde er zumindest seine Glaubwürdigkeit behalten.

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ueli wyler Di., 05.12.2023 - 10:58

Antwort auf von Stefan S

lieber stefan s
ich bin weder banker, noch habe ich der frau weidel eine wohnung verkauft. und weshalb soll ich die hände still halten nur weil ich, wie sie richtig vermuten, schweizer bin. meinerseits bin ich stolz auf meinen roten pass.
aber es passt zur südtiroler-kultur gegen alles fremde etwas zu haben. ob schweizer, syrer, nordafrikaner usw. spielt absolut keine rolle.

Di., 05.12.2023 - 10:58 Permalink
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Johannes Engl Mo., 04.12.2023 - 21:11

LH Kompatscher und sein Team im Landtag könnte doch den rechten Gesprächspartnern so viele grüne, sozial-gerechte, diverse, inklusive, gemeinwohlorientierte, klimaschützende, grausige Kröten auftischen, dass die niemals mitspielen könnten, ohne sich komplett verkaufen zu müssen.
Dann müssten die Rechten "Nein so nicht!" schreien und wären die Doofen.
Dann könnte die grün-gelbe Alternative plötzlich ins Spiel kommen als die rettende Alternative.
Ok - ich bin ein Träumer, politisch unerfahren und unverbesserlich optimistisch, dass die Vernunft doch noch was zählt.

Mo., 04.12.2023 - 21:11 Permalink
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Salto User
nobody Mo., 04.12.2023 - 22:13

Ein Leader führt, wie ein Kapitän seine Mannschaft. Im Fußball wird der Trainer schnell ausgetauscht, wenn die Spieler keinen Respekt mehr zeigen. Allerdings, diese Mannschaft spielt nicht aufs gleiche Tor, da verlieren auch die Fans die Lust, sich das faule Spiel länger anzuschauen.

Mo., 04.12.2023 - 22:13 Permalink
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Salto User
nobody Mo., 04.12.2023 - 22:46

Gerade gelesen, "wir" haben es in die FAZ geschafft.
Franceschini ist beleidigt, er muss sich auch eingestehen, dass er dem Sirenengesang verfallen ist. Trotzdem eine richtige und wichtige Analyse.

Mo., 04.12.2023 - 22:46 Permalink
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Josef Fulterer Di., 05.12.2023 - 08:19

Nach der b r a u n e n VERIRRUNG der SVP - Parteiführrung und der gestrigen R A I - Sendung, leibt trotz des Grabgeasngs von Franceschini, wohl nur die Möglichkeit die vom Johannes Engl vorgeschlagene Möglichkeit, mit genug K R Ö T E N die b r a u n e SOßE etwas ab-zu-drängen, "um endlich" zur eigentlichen Aufgabe zu kommen, "SÜDTIROL vernünftig zu verwalten."

Di., 05.12.2023 - 08:19 Permalink
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Josef Fulterer Di., 05.12.2023 - 08:22

Nach der b r a u n e n VERIRRUNG der SVP - Parteiführrung und der gestrigen R A I - Sendung, leibt trotz des Grabgesangs von Franceschini, wohl nur die Möglichkeit die vom Johannes Engl vorgeschlagene Möglichkeit, mit genug K R Ö T E N die b r a u n e SOßE etwas ab-zu-drängen, "um endlich" zur eigentlichen Aufgabe zu kommen, "SÜDTIROL vernünftig zu verwalten."

Di., 05.12.2023 - 08:22 Permalink
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Profil für Benutzer G. P.
G. P. Di., 05.12.2023 - 13:17

"Die Wiederherstellung der Kompetenzen und der Ausbau der Südtiroler Autonomie sind die politische Vision Kompatschers, der alles untergeordnet wird."

Na gut, wenn das mit den "Fratelli" so schnell geht, wie die Verlängerung der Autobahnkonzession, dann bin ich ja beruhigt ...

Di., 05.12.2023 - 13:17 Permalink