O du hässliche…
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Für Siggi Hofer sind Titel keine Lektüreanleitung zur Ausstellung für sein Publikum, sondern ein kreativer Denkanstoß, der am Anfang des Arbeitsprozesses steht. Keine Angst, Siggi Hofer hasst Sie nicht und Sie sind im Spazio Cut als Besucher herzlich willkommen. So erging es auch uns, als wir in der fertig eingerichteten Ausstellung zu Besuch waren und uns von Weihnachtsmann Kritker Siggi Hofer in die Ausstellung einführen haben lassen. Als sich der Künstler gefragt hat, was er am meisten hasst, so galt seine Ungunst Sommer- und Weihnachtsausstellugen. „Der Grund für die Sommerausstellungen ist meistens, dass man für den Sommer noch eine Ausstellung braucht.“, kommentiert der Künstler. „Die ist dann meist nicht thematisch und eher ein Lückenfüller. Es hat eigentlich nichts mit dem Sommer zu tun, sondern mit der Betitelung „Sommerausstellung“, die dann auch noch einmal bezeichnend ist, weil man sich nicht mal einen Titel dafür ausgedacht hat.“
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Wen Siggi Hofer aber mit dem „Ti“ im Titel meint, welchem „Du“ sein Hass gilt, lässt sich nicht so genau sagen. „Das ist eigentlich nur ein Ausspruch, im Laufe der Entstehung war es ein Anhaltspunkt und ich muss das dann am Ende selber einordnen, welche Wichtigkeit der Titel hat, ob dieser „odio“ am Ende der Ausstellung innewohnt oder ob ich da dagegen gearbeitet habe.“, so Hofer. Was in der Ausstellung ein Zuhause findet, ist die für Hofer typische Geometrie, Rastermalerei, rekontextualisierte Zitate, sowie - neu für sein Œuvre - Weihnachtsmänner. Zu ihnen gleich mehr.
Die zerstückelten Zitate finden Platz auf Spruchbändern auf Plattformwägen, die Wortfetzen in drei Sprachen tragen und die variabel verschiebbar im Galerieraum stehen. Wie bereits in der Vergangenheit, liegt dem Text unter anderem ein geringfügig abgewandelter Schlagertext zu Grunde, der ein ernstes Thema, aber auch Übertreibung, jedoch keine schmerzhaften Paarreime in die Galerie bringt, in etwa „Mit dir streiten ist wie Krieg.“ Fixiert hat er hier nichts, alles ist beweglich und selbst die gewichtigen Männer, die doch irgendwie immer durch den Schornstein passen, sind nur an die Wand gelehnt. Die Ausstellung soll „wenn man pathetisch sein will, eine Leihgabe an den Raum sein“ und keine Spuren hinterlassen, wenn sie am 29. Februar abgebaut wird.
Zum Weihnachtsmann habe man phasenweise eine gute Beziehung, so Hofer. „Wobei es ihn als historische Figur so in meiner Kindheit nicht gegeben hat. Da war es schon das Christkind. Der Weihnachtsmann ist so eine komische Figur, die auch ein bisschen lächerlich ist mit ihrem Schlafanzug und so weiter. Er hat auch eine Geschichte hinter sich, aber eher eine jüngere.“ Für den Künstler „waren immer schon“ zu viele Geschenke eine Form von Gewalt. „Das Eingepackte wird damit fast zur Waffe und ich empfinde das eigentlich als recht dramatisch. Aber das soll in der Ausstellung hier nicht zu sehr Thema sein und schwingt nur so mit.“, meint er mit Blick auf seine Weihnachtsmänner, die minimale Unterschiede aufweisen und einen signifikanteren: einer von dreien ist schwarz. „Ich habe mich intensiv mit der Geschichte des Weihnachtsmannes beschäftigt, auch mit jener des schwarzen und was dieser so an Rassismus mit sich bringt, weil viele den Weihnachtsmann als historische Figur lesen, der unbedingt weiß sein muss.“ Ob das nicht im Widerspruch zum Geburtsort des „Vorbilds“ des heiligen Nikolaus in der heutigen Türkei stehe? Siggi Hofer trennt die Figuren klar. „Der Weihnachtsmann war wirklich eine Erfindung, hauptsächlich von Coca Cola, die ihn sehr populär gemacht hat.“
Wenn hier Kirchen-Historie und Kapitalismus-Ikone klar getrennt werden, wäre man dann 2023 schon weit genug für eine Weihnachtsfrau? „Natürlich. Die Diskussion gibt es und Pädagogen empfehlen natürlich, verschiedene Figuren den Kindern vorzustellen.“ Dabei und auch bei der Ausstellung als solcher spielen die Präsentation und die Umgebung eine entscheidende Rolle. Klar, Bozen in der Vorweihnachtszeit lässt sich nur schwer ignorieren und wenn der Wind günstig geht, dann riecht man beim Verlassen der Galerie bereits gebratenen Speck und Käse, sowie aus gleichen Teilen Zucker und Alkohol bestehenden Glühweindunst vom nahen Waltherplatz. „Die Präsentation einer Ausstellung ist sehr wichtig und braucht einen ähnlichen Fokus wie die Arbeiten selbst. Ich würde dabei nicht sagen, dass ich mich am Besucher orientiere.“, so Siggi Hofer. „Der Mensch ist aber schon mitgedacht, weil die Anordnung schon auch performativ gedacht ist. Es bleibt alles mobil und eine Änderung wäre auch leicht möglich.“
Im Grunde kann es nun wirklich jeder.
Die Spruchbänder sind dem Künstler zugeflogen, hat er doch gerade beim Eintrag zum „Spruchband“ in der Online-Enzyklopädie Wikipedia - „wo eine gute Recherche nicht beginnen oder enden sollte“ - bei den drei Beispielbildern auch den Bozner Dom wiedergefunden. Das Stifterbild der Eheleute Konrad und Irmgard Chrille aus dem frühen 14 Jahrhundert zeigt, dass das Medium, das hier auf ein geometrisches Minimum reduziert wurde, schon lange in der Region zum Einsatz kommt. Bei Hofer haben wir es mit einem Denkanstoß statt mit einer erklärenden Beigabe zu tun. Was aber, wenn sich Siggi Hofer mit dem Vorwurf „Das könnte ich auch!“ konfrontiert sieht? Er zeigt sich gelassen. „Ich spiele ja damit, weil ich mit dem Raster das Nachzeichnen vereinfache. Im Grunde kann es nun wirklich jeder. Da würde ich sagen: Ja, bitte. Ich hindere niemanden daran.“ Die Größe der Bilder ist dabei am ehesten noch jenes Element, das uns den Werken -anders als üblichem Weihnachtskitsch - aufmerksam und kritisch begegnen lässt. Der Künstler merke aber, dass selbst das System Raster fehleranfällig sei. Bei der Zusammenarbeit mit einem Malermeister in Zirl hatte das einfache Motiv einer Trommel „mit ganz wenigen Rastern“ für Verwirrung gesorgt. „Da hat man sich ständig verzählt und die eine Hälfte hat ein wenig anders ausgesehen als die andere. Das Chaos war perfekt.“ Man sollte meinen, dass sich im Raster ein gemeinsamer Nenner zwischen exakter Geometrie und der Interpretierbarkeit von Kunst finden ließe. Oft ist es, wie beim Weihnachtsmann, eben nicht nur reine Formsache, was sonst noch wichtig ist, kann sich jeder selbst ausmalen.
Die Ausstellung im Spazio Cut (Via della Rena/Raingasse 17, im Obergeschoss des Frisseursalons Cocò) kann von Montag bis Freitag, zwischen 10 und 17 Uhr und noch bis zum 29. Februar besucht werden.
Der Herr Hofer kann ja von…
Der Herr Hofer kann ja von mir aus hassen wie viel er will und wen er will, aber als Journalist empfinde ich eine Berichterstattung über einen hasserfüllten Menschen vollkommen überflüssig. Es gibt auch Menschen, die nicht hassen, sondern lieben und Gutes tun. Einen Bericht darüber finde ich wertvoller.