Gesellschaft | Kirche 2023

„Wir fordern die Gleichstellung“

Kürzlich wurde in Brixen das zehnjährige Jubiläum der Diözesansynode gefeiert. Heftige Kritik kam unter anderem vom Ex-Synodalen Robert Hochgruber.
Robert Hochgruber
Foto: Privat
  • SALTO: Herr Hochgruber, in Ihrer Stellungnahme erklärten Sie, dass die Kirche für den Menschen da sein müsse. Was meinen Sie damit?

    Robert Hochgruber: Ich bin überzeugt, dass die Aufgabe der Kirche in der spirituellen und seelsorgerischen Begleitung der Menschen liegt. Wenn dies – so wie es heute der Fall ist – nicht mehr möglich ist, dann muss sie sich verändern. Es nützt nichts, wenn Gottesdienste gefeiert werden, sich die Menschen dadurch aber nicht angesprochen fühlen, weil die Sprache nicht mehr der heutigen Zeit entspricht oder wenn die Begleitung der Menschen in ihrem alltäglichen Leben nicht mehr stattfindet, weil der Priester keine Zeit mehr dafür hat. 

    Können Sie Ihre Kritik an der „Sprache der Kirche“ konkretisieren?

    Verschiedene Ausdrücke sind für die Menschen heute nicht mehr verständlich, zum Beispiel wenn jemand von Gnade spricht oder wenn ständig von Opfer oder Schuld die Rede ist. Hier müssten insofern Veränderungen passieren, dass den Menschen verständlich gemacht wird, worum es geht – es muss sozusagen aus der Wirklichkeit der Menschen kommen. Ja, es gibt Schuld, aber man sollte vielmehr von Fehlern und vertanen Chancen sprechen. Man sollte Menschen nicht verurteilen oder ihnen ständig erklären, dass sie nicht gut genug sind. Das Opfer-Thema gehört meiner Meinung nach gestrichen, und zwar deshalb, weil hier von einem Gott gesprochen wird, der seinen Sohn geopfert hat, um unsere Sünden zu tilgen. Ich bin überzeugt, dass das heute nicht mehr verstanden wird. 

  • „Man sollte Menschen nicht verurteilen oder ihnen ständig erklären, dass sie nicht gut genug sind.“

  • Robert Hochgruber: „Ich leite in meiner Gemeinde selbst Wortgottesdienstfeiern, ich könnte aber noch sehr viel mehr tun – was aber ehrenamtlich geschehen muss, weil wir den Pfarrern nicht gleichgestellt sind.“ Foto: Privat

    Welche Sprache würden Sie verwenden?

    Die Eucharistiefeier ist ein Zeichen dafür, dass Gott anwesend sein möchte, und zwar in allen Lebenslagen – sowohl wenn es  ums Leiden geht, als auch wenn es um Freude geht. Kurzum: Wenn es um Dinge geht, welche die Menschen zutiefst berühren, wie beispielsweise Taufe, Hochzeit oder Beerdigungen. Hier sollte deutlich werden, dass die Frohbotschaft des Herrn eine Hilfe für den Menschen sein kann. 

  • In Ihrem offenen Brief sprechen Sie von einem Niedergang der Kirche, in der aufgrund des Priestermangels eine Seelsorge heute nicht mehr möglich ist. Nicht nur die katholische Kirche hat Nachwuchssorgen, sondern auch andere christliche Kirchen wie beispielsweise die Evangelische, obwohl dort Frauen sehr wohl Pfarrerinnen bzw. Superintendentinnen werden können und auch die Ehe erlaubt ist. 

    Ich bin sehr vorsichtig damit, die Krise der katholischen Kirche mit jener der evangelischen zu vergleichen. Beim Thema Frauen geht es um ein Menschenrecht. Unabhängig davon, wie groß der Zuspruch unter den Mitgliedern der Kirchengemeinde ist, sollten Frauen das Recht haben, gleichrangig und gleichwertig behandelt zu werden. Die evangelische Kirche ist in manchen Bereichen sehr verfestigt und auf die Erhaltung der eigenen Struktur bedacht. Ich hatte kürzlich Kontakt mit einer evangelischen Pfarrerin in Kärnten, die mir erklärte, dass sie eine zweite Pfarrei übernehmen muss, weil es auch in der evangelischen Kirche immer weniger Personal gibt und sie damit überfordert ist. Ich habe sie gebeten, nicht den gleichen Fehler wie die katholische Kirche zu machen. Fehlen die Priester, sollten Laien eingesetzt oder andere Personen zugelassen werden, die in der Pfarrgemeinde tätig sein möchten. 

     

    „Fehlen die Priester, sollten Laien eingesetzt oder andere Personen zugelassen werden, die in der Pfarrgemeinde tätig sein möchten.“

     

    Wie sie mir erklärte, hätten die evangelischen Diözesen beschlossen, dass nur Pfarrer eine Gemeinde seelsorgerisch leiten dürfen. Hier haben wir also das gleiche Problem wie in der katholischen Kirche. Eine allgemeine Aussage zur evangelischen Kirche kann ich jedoch nicht treffen, denn die Gemeinden in Bozen und Meran beispielsweise wählen ihren Pfarrer oder ihre Pfarrerin. Ich kann diesbezüglich nur für die katholische Kirche sprechen: Ich möchte in der katholischen Kirche bleiben und bin überzeugt, dass in der katholischen Kirche einige Versuche unternommen werden sollten, um bestimmte Dinge zu verändern, damit mehr Menschen angesprochen werden. Aus eigener Erfahrung als Religionslehrer kann ich sagen, dass ich gemeinsam mit den Jugendlichen Gottesdienste organisiert habe, natürlich in ihrer Sprache und nicht im festgelegten Ritual der Eucharistiefeier. Meine Erfahrung war, dass zumindest die Hälfte der jungen Menschen den Gottesdienst besucht haben, einige sogar zum ersten Mal.

  • Kirche in der Krise: Könnte eine Gleichstellung der Laien mit den Priestern und ein „volksnaher“ Glauben an der Situation etwas ändern? Foto: Pixabay
  • Sie sprachen davon, dass Laien verstärkt miteinbezogen werden sollen. Aufgrund des Priestermangels ist diese Entwicklung bereits in vollem Gange. So haben beispielsweise heuer 22 Frauen und 12 Männer den Kurs zum Wort-Gottes-Dienstleiter erfolgreich abgeschlossen. 

    Ich leite in meiner Gemeinde selbst Wortgottesdienstfeiern, ich könnte aber noch sehr viel mehr tun – was aber ehrenamtlich geschehen muss, weil wir den Pfarrern nicht gleichgestellt sind. Kein Pfarrer arbeitet ehrenamtlich, aber wir Laien sollen ehrenamtlich arbeiten? Und diese Aufgaben sollen wir neben unserem Beruf ausüben? In unserer Freizeit? Wenn die Pfarrer ihre Tätigkeit ehrenamtlich ausüben, dann wären auch die Laien dazu bereit, aber in der derzeitigen Struktur ist es notwendig, dass die Laien wie die Pfarrer eine fixe Anstellung erhalten. 

    Sie fordern die Gleichstellung?

    Ja, natürlich. Damit muss auch der Priester von seinem hohen Ross heruntersteigen. Derzeit erlebe ich die Situation in den Pfarreien so, dass man zwar den Einsatz der Laien schätzt, aber nur bis zu dem Punkt, wo das Selbstverständnis der Priester infrage gestellt wird. Wortgottesdienste und Eucharistiefeiern werden nicht als gleichwertig angesehen. Für die Menschen ist eine gute Wortgottesfeier und eine Eucharistiefeier dasselbe. Allerdings hat Bischof Ivo Muser noch nie gesagt, dass beide Feiern gleichwertig sind. Als Laie muss ich zur Erkenntnis kommen, dass ich dazu benutzt werde, um dieses klerikale System aufrechtzuerhalten. Und das möchte ich nicht. 

     

    „Kein Pfarrer arbeitet ehrenamtlich, aber wir Laien sollen ehrenamtlich arbeiten?“

     

    Welche Gleichstellung fordern Sie? Nur auf der Gehaltsebene oder auch im Empfang der Weihe?

    Es gibt einige Theologen und Theologinnen wie beispielsweise Paul Zulehner, der bereits verschiedene Abstufungen des Priestertums vorgeschlagen hat. Ein einfacher Priester würde dabei maximal zwei Jahre Studium benötigen, um die Leitung einer Gemeinde übertragen zu bekommen und damit alle sakramentalen Funktionen. Priester, die dagegen das fünfjährige Theologiestudium absolvieren, könnten im Bereich der kategorialen Seelsorge eingesetzt werden. Ich bin überzeugt, dass es hier mehrere Möglichkeiten geben müsste, um zum Priestertum zu gelangen und zugleich sollte es so sein, dass nicht nur Priester eine Gemeinde leiten können. Es muss eine gemeinsame Leitung aller sein. Es passt nicht mehr in die heutige Zeit, wenn ich zwar als Laie mitarbeiten darf, aber letztendlich nicht mitentscheiden kann. 

    Sie waren auch im Pfarrgemeinderat vertreten?

    Ja, sogar mehrmals. In meiner Jugendzeit sowie in den 70er und 90er Jahren. Ich habe dabei die Erfahrung gemacht, dass man bis zu einem bestimmten Punkt ein gewisses Mitspracherecht hat und ab dann der Priester alleine entscheidet. Diese Erfahrung haben wir auch während der Synode in den Jahren 2013 bis 2015 gemacht, wo der Bischof sich das Recht herausgenommen hat – laut Kirchenrecht kann er das –, dass Beschlüsse nicht angenommen werden. Das sollte in der heutigen Zeit nicht mehr möglich sein. Beim ersten Mal ging es darum, dass in der Synode über Laienpredigt, das Diakonat, Diakonat der Frau sowie die Aufhebung des Zölibates gesprochen werden sollte. Es wurde abgestimmt und es wurde darum gebeten, dieses Ergebnis nach Rom weiterzuleiten. Der Bischof hat allerdings erklärt, dass darüber nicht abgestimmt werden darf. Das zweite Mal ging es um eine Kleinigkeit, und zwar um die Bezeichnung des Amtes für Ehe und Familie. Die Mehrheit war dafür, dieses in Amt für Partnerschaft, Ehe und Familie umzubenennen. In der Kirche darf es jedoch nur Ehe und Familie geben. 

     

    „Der Pfarrgemeinderat hat an Bedeutung gewonnen, allerdings sind jene, die Hoffnung auf Veränderung hatten, gegangen.“

     

    Aufgrund des Priestermangels ist der Pfarrgemeinderat, wo mittlerweile mehr Frauen als Männer vertreten sind, zu einer tragenden Säule in einer Gemeinde geworden. Ist der von Ihnen gewünschte Wandel insofern bereits eingetreten?

    Der Pfarrgemeinderat hat an Bedeutung gewonnen, allerdings sind jene, die Hoffnung auf Veränderung hatten, gegangen. Weil sie gemerkt haben, dass derzeit keine wirklichen Reformen umsetzbar sind, nicht einmal von Papst Franziskus, der auf der einen Seite vom synodalen Weg spricht und auf der anderen Seite den synodalen Weg in Deutschland massiv kritisiert. Es hängt sehr stark vom jeweiligen Pfarrer in einer Gemeinde ab, für manche ist es kein Problem, für manche ist es nach wie vor ein sehr großes Problem. Es gibt Gemeinden, wo der Pfarrer massiv auf seinen Status beharrt und darüber bestimmt, wohin die Reise geht, auch wenn die Leute nicht mitgehen. Zum Teil sind nur mehr jene geblieben, die dem Pfarrer nach dem Mund reden. Die allgemeine Situation ist jene, dass die Kirche in Südtirol immer mehr an Bedeutung verliert, weil man zu stark auf die klerikale Schiene setzt, weil neben den Priestern kaum Laien eingestellt werden, weil es nach wie vor keine Regelung für die diözesanen Anstellung für haupt- und nebenamtlichen Pastoralassistenten gibt, weil nach wie vor der Bischof wie auch die Diözesanleitung hoffen, dass man den bisherigen Weg fortsetzen kann, indem in einigen Gemeinden Priester aus Tansania und Indien eingesetzt werden. 

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Peter Gasser Sa., 09.12.2023 - 12:34

Der Dampfer “Kirche” wird wohl nur beweglich, wenn reichlich Ballast aus vergangenen Jahrhunderten über Bord geworfen wird.
Ob das mit von/mit greisen Kardinälen am Ruder gelingt, erscheint eher unwahrscheinlich - diese Verknöcherung des Lebens, dieses Fossil - wie soll sie aufweichen, wie soll es erwachen?

Sa., 09.12.2023 - 12:34 Permalink
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Karl Trojer Di., 12.12.2023 - 13:19

Es ist höchst an der Zeit, dass die katholische Kirche (der ich gerne angehöre) ihr Patriarchat über Bord wirft und den Frauen diesselbe Würde und Befähigung zum Priesteramt zuerkenn, wie die Herren sie genießen ! Es ist absurd, Maria zu verehren und ihre Schwestern abzuwerten. Welcher Herr da sagt, "ja aber Maria war unbefleckt empfangen", der bedenke dass auch er nicht unbefleckt empfangen war. Wer behauptet, Jesus hätte nur Männer berufen, vergisst, dass Frauen unterm Kreuz standen nachdem Männer ihn verraten hatten , und Frauen die ersten waren, denen der Auferstandene sich gezeigt hat. Zur Zeit Jesu waren Frauen nicht öffentlichkeitstauglich, weshalb sie in den Schriften auch nicht gebührend erwähnt wurden.
Ich ersuche die kirchliche Obrigkeit eindringlich, wo immer möglich, dafür einzutreten, dass Frauen künftig gleichberechtigt werden !

Di., 12.12.2023 - 13:19 Permalink