Weihnachtsstimmung zum Nulltarif?
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Am vergangenen Wochenende haben zehntausende vor allem italienische Gäste die Weihnachtsmärkte Südtirols besucht und für verstopfte Straßen gesorgt. Vor allem Bozen, Meran, Sterzing, Brixen und Bruneck waren die beliebtesten Reiseziele – allein in Meran sollen rund 45.000 Urlauber*innen vor Ort gewesen sein, schätzt die Kurverwaltung der Stadt. Auch viele Skigebiete verbuchten angesichts niedriger Temperaturen und Neuschnee hohe Besucher*innenzahlen. Am Abreisetag, den 10. Dezember, wurden dann auf der Brennerautobahn A22 Richtung Süden und auf weiteren Südtiroler Hauptverkehrsstraßen zahlreiche Staus verzeichnet.
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„Unzufrieden sind wir nicht, aber es hat schon bessere Zeiten gegeben, was die Kaufkraft betrifft“, erklärt der Meraner HDS-Ortsobmann Joachim Ellmenreich. „Der Online-Handel setzt uns schon seit Jahren zu, das wird natürlich nicht weniger und war auch an diesem Wochenende spürbar“, so Ellmenreich. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum haben Meraner Geschäfte bis zu 20 Prozent weniger Umsatz gemacht, 2022 fiel der Feiertag der Maria Empfängnis am 8. Dezember auf einen Donnerstag und viele nahmen sich vier und nicht nur drei Tage frei. Noch sei es aber zu früh, um eine Jahresbilanz zu ziehen, da noch das Weihnachtsgeschäft vor der Tür steht.
Unter der lokalen Bevölkerung freut sich nicht jede*r über den alljährlichen Zustrom der Gäste, um die Weihnachtsmärkte zu besichtigen. „Sie eröffnen die Märkte immer früher und schließen sie erst später. An Wochenenden wie diesen scheint sich das auszuzahlen, auch wenn ich ehrlicherweise nicht verstehen kann, wieso sich Gäste auf dem Weihnachtsmarkt versammeln und ob sie die Stimmung trotz des Durcheinanders genießen können“, erklärt CGIL/AGB-Generalsekretärin Cristina Masera, die die Lage als Bozner Bürgerin kennt.
„Ich würde als Italiener nie am 8. Dezember nach Südtirol fahren, um auf den Christkindl-Markt zu gehen, weil ich weiß, dass hier Chaos herrscht.“
Die Gewerkschafterin plädiert dafür, die Verkehrsflüsse von Bussen und Pkws besser zu regulieren und einzuschränken, um die Luftverschmutzung zu senken. „Die Staus zeigen uns, dass wir etwas für die nachhaltige Mobillität tun müssen“, so Masera. Außerdem sei es aus Sicht der Gewerkschaften wichtig, dass Angestellte im Tourismussektor an Feiertagen wählen könnnen, ob sie arbeiten oder nicht.
Für Joachim Ellmenreich vom HDS war die Kritik am Verkehrschaos am Wochenende absehbar, sie sei wie der Anstrom an Tourist*innen rund um den 8. Dezember ein jährlich widerkehrendes Phänomen. „Ich würde als Italiener nie am 8. Dezember nach Südtirol fahren, um auf den Christkindl-Markt zu gehen, weil ich weiß, dass hier Chaos herrscht“, so der Geschäftsmann. Um die Verkehrs- und Menschenflüsse besser zu regeln, sei es wichtig, dass die Gäste auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen.
Dieses Jahr hatte Trenitalia vier weihnachtlich dekorierte Sonderzüge für die Strecke Mailand – Bozen – Brenner zur Verfügung gestellt. „Damit das Auto daheimbleiben kann, gibt es an diesem, üblicherweise verkehrsintensiven Wochenende gleich vier zusätzliche Züge auf der Strecke Mailand-Brenner für eine bequeme, umweltfreundliche und staufreie Fahrt“, sagte Mobilitätslandesrat Daniel Alfreider im Vorfeld. Die Staus konnten leider nicht verhindert werden. „Die Alternativen werden bereits angeboten, aber meistens nicht unbedingt angenommen“, sagt Ellmenreich.
„Eine Stadt wie Meran kann nicht einfach abgeriegelt werden.“
Auch eine Zugangsregelung zu den Weihnachtsmärkten sind für den HDS-Funktionär denkbar, allerdings schwer umsetzbar. „Eine Stadt wie Meran kann nicht einfach abgeriegelt werden, das ist im Fall von Venedig leichter, weil es eine Insel ist“, so Ellmenreich. In Venedig gelten ab dem neuen Jahr an bestimmten Tagen Eintrittspreise für Tagestourist*innen. „Den Versuch einen Eintrittspreis zu verlangen, hat es in Meran beim Traubenfest bereits gegeben. Das Vorhaben ist aber am Protest der Einheimischen gescheitert, da sie nicht plötzlich dafür bezahlen wollten, um auf die Promenade zu kommen.“ Nächstes Jahr fällt der 8. Dezember übrigens auf einen Sonntag.
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Auch der Stau gehört anscheinend zum Erlebnispaket dazu. Man bewegt sich im Schneckentempo als Gruppe Gleichgesinnter oder als Teil einer Opfergemeinschaft. Es ist ein Abenteuer und man fühlt sich gut, wenn man statt 6 Stunden nur 5 Stunden 20 Minuten nach Hause gebraucht hat. Dann kann man sich auf die Schulter klopfen und zu sich sagen: "das hast du gut hinbekommen". Erfolgserlebnisse liegen anscheinend auf der Straße, man muss sie nur im Schritttempo auf der Autobahn aufsammeln.
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Unverständlich ist der Umstand, dass man solche Veranstaltungen immer noch mit öffentlichen Mitteln bewirbt.
Nachhaltig ist ganz etwas anderes, aber wie sagte man 2020/2021 ... nach Corona wird alles anders.
Es gab keine Probleme in der Coronaz-Zeit den Verkehr zu sperren, das könnte man jetzt genauso, was fehlt ist der Wille.
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Ich hatte die selten blöde Idee, am Sonntag nach San Michele a.A. zu fahren. MeBo ging noch, dann ausgewichen auf SS, dann über St. Jakob zur Weinstraße und auf dieser nach Mezzolombardo (meide das Wort Corona). Das haben sich die Standlbesucher auch gedacht. 2 Stunden statt ca. 30 Minuten. Rückweg auf der Autobahn, ungefähr halbe Stunde. Von Bozen bis unter Kronmetz war eine stillstehende Autoschlange, die natürlich noch viel länger war. Ich muss zugeben, ich habe es ihnen schon a bissl gegunnt.