Politik | Landesregierung

„Es war mir eine Freude“

Paukenschlag in der SVP. Waltraud Deeg nimmt das Amt als Landesrätin für Personal und Arbeit nicht an. In einem Schreiben an die Partei erklärt sie ihre Beweggründe.
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Foto: SALTO
  • Das Schreiben ging gegen Mittag an den Landeshauptmann, an den SVP-Obmann und an die Mitglieder der SVP-Parteileitung.
    Absenderin ist Waltraud Deeg. Die Pusterer SVP-Landtagsabgeordnete gibt in der Depesche eine Entscheidung bekannt, die seit gestern in der Luft liegt. Deeg wird das ihr zugewiesene Amt als Landesrätin für Personal, Arbeit und Europa nicht annehmen. 
    In dem Schreiben begründet die SVP-Arbeitnehmer-Politikerin diesen eklatanten Schritt.

     

    Sehr geehrter Landeshauptmann, sehr geehrter Parteiobmann, liebe Mitglieder des SVP-Ausschusses,

    wie gestern in der SVP-Fraktion und im SVP-Ausschuss von mir angekündigt, habe ich mir aufgrund der Vorgehensweise und der vorgeschlagenen Kompetenzzuteilung zur Bildung der neuen Landesregierung eine Bedenkzeit zur Annahme des Vorschlages vorbehalten. Dies, um inhaltlich und auch persönlich eine kurze Zeit zum Nachdenken zu haben und zu bewerten, ob dem Vorschlag des Landeshauptmannes und des Parteiobmannes entsprechend, die Voraussetzungen für eine gute und sinnstiftende Arbeit für mich in der nächsten Landesregierung gegeben sind. 
    Die Entscheidung habe ich mir nicht leicht gemacht.
    Zum besseren Verständnis derselben darf ich stellvertretend für viele Überlegungen einige Gründe meiner Entscheidung anführen:
    Zur Kompetenz Personal und Kollektivvertragsverhandlungen: Wie gestern richtigerweise in der Diskussion im Parteiausschuss angeführt wurde, sind diese Bereiche äußert wichtig, denn gute und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die Voraussetzung für eine gut funktionierende öffentliche Verwaltung und für bürgernahe und effiziente Dienstleistungen. Richtigerweise ist diese Zuständigkeit derzeit bei der Generaldirektion angesiedelt und genau dorthin gehört sie auch! Aus diesem Grund und aufgrund der erworbenen Erfahrungen in diesem Bereich macht die Ausgliederung der Zuständigkeit Personal aus der Generaldirektion keinen Sinn. Um diese Kompetenz gut verwalten und gestalten zu können, muss dieser Bereich vielmehr Teil der Generaldirektion bleiben, weshalb eine Ausgliederung der Personalkompetenz meines Erachtens und meiner Überzeugung nach inhaltlich absolut nicht zweckmäßig wäre.

     

    „Es ist, wie ich gestern feststellen musste, so, dass ich als einzige Landesrätin und für mich inhaltlich und persönlich unverständlich, nun alle bisher verwalteten Kompetenzbereiche Familie, Soziales und Wohnbau abgeben muss“.

  • SVP-Parteiausschuss (am Präsidiumstisch vorne Waltraud Deeg): "Die Entscheidung habe ich mir nicht leichtgemacht". Foto: Seehauserfoto
  • Zur Kompetenz Arbeit: Auch diese Zuständigkeit ist in Zeiten der rasanten Entwicklungen am Arbeitsmarkt, des Fachkräftemangels, der Abwanderung der klugen Köpfe und des demografischen Wandels eine sicher wichtige Aufgabe, die sinnvollerweise und angesichts der vielen Herausforderungen immer in einer Kombination mit anderen Zuständigkeitsbereichen war und auch sein sollte. Dabei ist ein Zusammenschließen der Zuständigkeit Arbeit und Beschäftigung mit einem der Zuständigkeitsbereiche Soziales, Familie, Wirtschaft oder Bildung sicher sinnvoll, um dem Landesrat/der Landesrätin inhaltlich positive Gestaltungsspielräume und Handlungskraft im Thema zu geben. Ohne diese Verknüpfung wäre auch die Verwaltung dieses Bereiches nicht zielführend.
    Zu diesen Überlegungen kommt hinzu, dass ich die Bereiche Familie, Senioren, Soziales und Wohnbau sehr gern gestaltet und zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen in der Landesregierung und im Südtiroler Landtag wichtige Gesetzesvorhaben ein- und durchgebracht habe, wie das Gesetz zur Gewaltprävention, das Landesgesetz zum Aktiven Altern, den Landessozialplan, das Gesetz zum öffentlichen und sozialen Wohnbau, deren Umsetzung ich mit einem klaren Wählerauftrag als Sechstgewählte auf der Liste der Südtiroler Volkspartei natürlich gern weiter begleitet hätte. Es ist, wie ich gestern feststellen musste, so, dass ich als einzige Landesrätin und für mich inhaltlich und persönlich unverständlich, nun alle bisher verwalteten Kompetenzbereiche Familie, Soziales und Wohnbau abgeben muss, was mir sehr leid tut und in der Sache nicht im Sinn von Kompetenz, Konsequenz und Kontinuität ist, die es in komplexen Themen braucht, um größere Entwicklungen einzuleiten und auf den Weg zu bringen.

  • Arno Kompatscher und Waltraud Deeg: Angespanntes Verhältnis Foto: Salto.bz
  • All dies vorausgeschickt bin ich in den letzten Stunden, auch nach Rücksprache mit meiner Familie, zur Entscheidung gelangt, dass mit den gestern mir vom Landeshauptmann in der Fraktionssitzung mitgeteilten Zuständigkeiten, die Voraussetzungen für ein sinnvolles Arbeiten in der nächsten Landesregierung inhaltlich und angesichts der Vorgehensweise auch persönlich nicht gegeben sind. Ich teile mit vorliegendem Schreiben daher mit, dass ich unter diesen Umständen für das Amt als Mitglied der neuen Landesregierung nicht zur Verfügung stehe.
    Es ist und war mir eine große Freude und Ehre, dass ich in den vergangenen zwei Legislaturen in der Südtiroler Landesregierung meine Kompetenzen und Fähigkeiten einbringen und mit euch, für die Bürgerinnen und Bürger und für das Land Südtirol in dieser Funktion arbeiten durfte, und ich werde meine Fähigkeiten und erworbenen Erfahrungen mit Einsatz und gemäß Wählerauftrag nun im Südtiroler Landtag fortführen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Waltraud Deeg"

    Es ist ein durchaus überraschender Schritt. Wie eine Vertreterin des SVP-Arbeitnehmerflügels allerdings Kernkompetenzen ausgerechnet ihrer Parteirichtung als "zu wenig" abtun kann, wird Waltraud Deeg vor allem ihrer Wählerschaft und den SVP-Arbeitnehmern erklären müssen.
    Jetzt liegt der Ball wieder bei Arno Kompatscher. Dabei gibt es eine naheliegende Lösung, an die man innerhalb der SVP bereits gedacht hat. Der Platz in der Landesregierung von Waltraud Deeg wird durch Magdalena Amhof besetzt.
    Möglich wäre auch eine Berufung von Außen. Doch dafür braucht es im Landtag eine Zweidrittelmehrheit. 
    Und diese werden Arno Kompatscher & Co. derzeit kaum bekommen.