Späte Spesenabrechnung genehmigt
Die Regel sah folgendermaßen aus, verschriftlicht ist sie in einem Landesgesetz aus dem Jahr 2013, über das anscheinend nicht alle Betroffenen ausreichend informiert waren. Alle zur Landtagswahl antretenden Parteien müssen ein Limit von 40.000 Euro an Wahlkampfausgaben einhalten. Damit dies auch kontrolliert werden kann, waren alle KandidatInnen angehalten, die Ausgaben für die Wahlwerbung vorzulegen.
Stichtag war der 3. Januar 2013, angedrohte Strafe: 120.000 Euro. "Wenn wir jetzt nicht eingreifen stehen hundert Südtiroler Familien vor dem Bankrott oder zumindest vor massiven finanziellen Schwierigkeiten", erklärte Landtagspräsident Thomas Widmann am 9. Juli. Und ein Rettungsanker wurde ausgworfen. Die Formulierung sei im Gesetzestext zu wenig deutlich gewesen, zudem gab es Unterschiede zwischen der deutschen und der italienischen Textversion.
Et voilà: die Rettung
Und da ist sie auch schon, die sogenannte "authentische Interpretation" des Wahlgesetzes. Mit 27 Ja-Stimmen wurde sie mehrheitlich angenommen, nur Sepp Noggler enthielt sich der Stimme. Er sei zwar auch für die "Maßnahme",gleichzeitig aber befangen, weil ein Verwandter seines Schwagers betroffen sei. Neutral wollte sich Noggler verhalten, "medial ist wieder einmal der Eindruck entstanden", erklärt Sven Knoll, "die Politiker wollen sich selbst ein Gesetz machen." Dabei sei es diesmal wirklich anders. Brigitte Foppa sagt gegenüber der Neuen Südtiroler Tageszeitung: "Nur vier von den 96 Betroffenen sind tatsächlich PolitikerInnen. Die Strafe von 120.000 Euro steht in keinem Verhältnis zum Vergehen."
Die FüllkandidatInnen
Mehrheitlich sind die, die die Strafe zahlen müssten "Unterstützungs- bzw. Füllkandidaten", die niemals eine konkrete Chance hatten in den Südtiroler Landtag einzuziehen. Mit der Neuinterpretation wurde den Nicht- oder Späterklärern ein Spielraumvon 20 Tagen eingeräumt um ihre Spesen darzulegen. Eine Mitteilung des Landtagspräsidiums wird sie darauf aufmerksam machen.
Säumig sind als namhaft bekannte Politiker Christoph Gufler von der SVP, Robert Bizzo vom PD, Bozens Gemeinderat Rudi Benedikter sowie Peppi Stecher und Lukas Geiser von den Freiheitlichen.
"Nicht ausreichend informiert
"Nicht ausreichend informiert..." La legge non ammette l'ignoranza. Sinngemäß übersetzt: "Das Gesetz duldet dessen Unkenntnis nicht". Umso mehr, denke ich, gilt dieser Grundsatz bei Politikern oder solchen, welche es werden möchten. Freilich sind unter den Kandidaten auf den Wahllisten die allermeisten nur Steigbügelhalter für die jeweilige Partei und deren privilegierten Kandidatenkreis. Das entlässt die Parteivasallen jedoch nicht aus ihrer Verantwortung. Zu überprüfen bliebe lediglich eine etwaige Mitverantwortung der Parteien und deren Funktionäre, welche die "Füllkandidaten" angeheuert haben. Es erhebt sich nämlich die Frage, haben die Kandidatenjäger die Listenfüller über die Ladung informiert, welche auf sie bei Nichteinhaltung bestehender Regeln abgefeuert werden könnte? Haben Kandidatenwerber die Informationen darüber absichtlich zurückbehalten, um die Anzuheuernden nicht abzuschrecken? Könnte es außerdem so sein, dass die Füllkandidaten auch für die Ausgaben "erfüllter" Kandidaten der Ordnung halber herhalten mussten? Denn welches Interesse sollten bekannt Cancenlose wohl an Werbeausgaben haben? Fragen über Fragen, die einer gründlichen Aufklärung bedürften. Doch so viel Transparenz darf man sich wohl nicht erwarten, trotzdem im Zuge der Wahlkampagne gerade dieser Aspekt von allen, aber insbesondere von der Edelweißpartei geritten wurde. Allen voran der spätere Präsident der Provinz und dessen Parteigenosse und heutige SVP-Obmann, Philipp Achammer. Noch ein Satz zur authentischen Interpretation: Eine solche ist nur dann möglich und erforderlich, wenn der Gesetzestext widersprüchliche Auslegungen zulässt. Das scheint hier aber nicht der Fall zu sein.
Und was bitte hat das
Und was bitte hat das Bildmotiv aus einem Plakat der Österreichischen Lotterien GesmbH aus dem fernen Jahr 2008 (entwickelt von Lowe GGK) mit diesem Bericht zu tun?