Gesellschaft | WM 2014

Oh wie ist das schön!

Das gestrige Spiel gegen Argentinien hat einen neuen Weltmeister hervorgebracht. Ein Blick nach Deutschland.

Weltmeisterschaften sind doch etwas Schönes! Sie lenken ab von innenpolitischen Problemen, liefern reichlich Gesprächsstoff für Smalltalk und allem voran sind sie ein hervorragendes Auffangbecken für all die nationalistische Idiotie, die in der Vergangenheit auch schon mal in handfesten Kriegen ausgelebt wurde. Außerdem verleiten sie zu philosophischen Überlegungen, um wie viel besser eine Welt sein könnte , wenn die Menschen für wirklich wichtige Dinge auch nur ein Zehntel der Begeisterung aufbringen würden, die sie einem Ball schenken.

Aber jetzt ist erst mal genug kritisiert – Deutschland ist Fußball-Weltmeister. Man könnte vieles über dieses Spiel sagen. Dass es zwei Gegner auf Augenhöhe waren. Oder dass  der Schiedsrichter auf dieser Augenhöhe oft nicht mithalten konnte. Aber das alles ist  mittlerweile unwichtig, Hauptsache Weltmeister. Erstmals wieder seit 24 Jahren. Zehn Minuten vor Spielende, als Götze das entscheidende Tor schießt, weiß Deutschland, dass dies eine lange Nacht werden wird. Wildfremde Menschen fallen sich in den Arm, Skinheads und Einwanderer feiern denselben Sieg,  und was noch unglaublicher ist: Das Gemeinschaftsgefühl im Land ist so hoch, dass selbst in München kein einziger „BVB Hurensöhne“-Ruf zu hören ist. Und das kommt selten vor.

Kurz nach Abpfiff gleicht der Andrang der Massen einer Völkerwanderung, die die Münchner Leopoldstraße erobert. Überall Chöre, Jubelrufe, Ambulanzsirenen. Während einige Übermütige ein Straßenschild aus dem Boden reißen, sieht die Polizei amüsiert zu. Andere klettern auf Autos oder sogar auf Dächer. Indes wird der Rest der Stadt von hunderten hupenden Autokorsos gesäumt.

Egal, zu wem (oder gegen wen) man gehalten hat. Einen solchen Ausnahmezustand des puren Chaos mitten in Deutschland, dem Land der Ordnung und Disziplin, zu sehen, das ist vieles wert. Und die ganze Nacht tönt es weiter „Oh wie ist das schön! So was hat man lange nicht gesehn! So schön!“

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Benno Kusstatscher Mo., 14.07.2014 - 11:08

Was für ein erhabenes Gefühl muss denn das sein, ausgerechnet das Schild des Geschwister-Scholz-Platzes ungestraft aus der Verankerung reißen zu dürfen. Am Odeonsplatz mündet die Leopoldstrasse in die Feldherrnhalle. Bei so viel räumlicher Nähe zu unrühmlichen Geschichtsplätzen muss man schon ausgelassen feiern dürfen. Im Sport ist bekanntlich ausgelassen-fröhliches Feiern eines: unschuldig. Oder doch nicht?

http://de.wikipedia.org/wiki/Hitlerputsch

Mo., 14.07.2014 - 11:08 Permalink
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Franz Pugl -r Di., 15.07.2014 - 09:38

‚‚dass der Schiedsrichter auf dieser Augenhöhe oft nicht mithalten konnte.‘‘
Aus reiner Neugier: Mir war nichts in der Richtung aufgefallen, gibt es da Belege?

Di., 15.07.2014 - 09:38 Permalink
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Franz Pugl -r Di., 15.07.2014 - 10:49

Antwort auf von Teseo La Marca

Danke! Dabei geht es aber nicht gezielt um die Leistung Rizzolis bei dem Finale, sondern verallgemeint um eine gewisse Neigung (bzw. Richtlinie?) der Schiris bei dieser WM, die gelben Karten im Zweifelsfall stecken zu lassen: ‚‚Ein Verhalten, das sich bei vielen Referees wie ein roter Faden durch das Turnier zog, heftige Kritik provozierte und einen Tiefstwert von 2,8 Gelben Karten im Durchschnitt pro Spiel seit 1986 ergab‘‘. Klagen aus dem argentinischen Lager kann man freilich nachvollziehen, das lässt aber noch lange keine Verschwörung wittern: http://bit.ly/1p16ZDv :)

Di., 15.07.2014 - 10:49 Permalink