Politik | eine vertane Chance

Die Regierung einer kleinen Minderheit

Wen vertritt die neue Landtagsmehrheit und die Landesregierung? Nicht mehr als ein Drittel der Wahlberechtigten!
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Wen vertritt die neue Landtagsmehrheit und die Landesregierung
Foto: Initiative für mehr Demokratie
  • Der Landtag hat die neue Landesregierung gewählt. Zum Ergebnis gibt die Initiative für mehr Demokratie folgendes zu bedenken: 
    Die gewählte Landesregierung vertritt wenig mehr als die Hälfte der Menschen (143.534 = 51%), die an der Landtagswahl teilgenommen haben (290.299). Von der wahlberechtigten Bevölkerung insgesamt aber, vertritt sie nur einen kleinen Teil: nicht mehr als 33,4 % der 429.841 Wahlberechtigten. Das ist aufgrund des geltenden Wahlrechts zwar rechtmäßig. Es wiegt aber für unsere Demokratie schwer. Größenordnungsmäßig 280.000 Menschen von insgesamt 430.000 wissen sich von dieser Regierungsmehrheit nicht vertreten. Sie haben Parteien gewählt, die nicht in der Regierung vertreten sind (130.406) oder es nicht in den Landtag geschafft haben (7.305). Oder sie haben überhaupt nicht gewählt (122.505) und zwar wohl überwiegend, weil sie sich von diesem politischen System nichts mehr erwarten. Zudem muss angenommen werden, dass auch viele SVP-WählerInnen sich mit dieser Regierungsmehrheit nicht identifizieren können.

    So ist bei uns nicht nur Direkte Demokratie gewollt nicht anwendbar, sondern selbst die Vertretungsdemokratie erfüllt kaum ihren eigenen Anspruch.
    Wir leben in einem Demokratiesystem, in dem so gut wie ausschließlich nur die Regierungsmehrheit politische Entscheidungsgewalt ausübt. Ohne sie geht nichts. Die Minderheit ist hingegen darauf reduziert, die Vorlagen der Mehrheit zu kontrollieren und ohne Möglichkeit der Verhinderung zu kritisieren. Die Erwartungen der großen Mehrheit der Wahlberechtigten (bei uns jetzt mindestens 66,6%) sind in der Regierungsmehrheit nicht vertreten. Niemand von dieser Regierungsmehrheit kann für sich beanspruchen und behaupten, diese 66,6 % der Wahlberechtigten zu vertreten. In dieser Tatsache finden sich alle Erklärungen für die sogenannte Politikverdrossenheit. Wer eine solche Regierung bildet, kann darüber nur immer wieder Krokodilstränen vergießen.
         
    Die Initiative für mehr Demokratie hat angesichts der vielfachen Krisensituationen, mit der diese Legislaturperiode von Anfang an konfrontiert ist, alle Landtagsabgeordneten mit einem Offenen Brief (mit mittlerweile über 700 Unterschriften) eindringlich zur Bildung einer breiten Regierungsmehrheit aufgefordert. Eine Regierung, die die größten Parteien einschließt, wäre möglich gewesen. Damit hätten sich über 50 % der wahlberechtigten Bevölkerung von der Regierung vertreten wissen können. Die Gegensätze in der Regierung hätten sich die Waage gehalten und sich im Sinne der Zusammenarbeit und des Kompromisses ergänzt und ausgeglichen.

    Die Tragödie dieser Regierung ist ihre Einseitigkeit und die vollkommene Ausgrenzung eines Großteils der Bevölkerung aus ihren Lösungsvorstellungen zur Bewältigung der Krisensituation. Das alles wiegt umso schwerer, als der Bevölkerung nach wie vor die Ausübung des Initiativ- und Kontrollrechts mittels Volksabstimmungen vorenthalten wird, obwohl es ihr vom Autonomiestatut zugesprochen ist. Folglich herrscht eine Scheinmehrheit. Sie kann sich vor diesem Vorwurf nur dann halbwegs retten, wenn jene Parteien der Regierungsmehrheit, die sich vor den Wahlen verpflichtet haben, mit zwei Gesetzentwürfen Direkte Demokratie endlich anwendbar zu machen, diese, wie versprochen, zusammen mit den anderen Parteien des Bündnisses für Mehr Demokratie im Landtag weiter bringen und beschließen. Ansonsten wird Demokratie weiter beschädigt und das Vertrauen in sie weiter untergraben und es bleibt einzig weiter für eine Demokratie zu kämpfen, die diesen Namen verdient.

Bei einer Wahlbeteiligung bei den Landtagswahlen 2023 von 71,5 % und der daraufhin nach den Vorgaben der Verfassung, des Autonomiestatuts und des Wahlgesetzes ordnungsgemäß gebildeten und gewählten Landesregierung von einer "Scheinmehrheit" (sic!) zu schreiben, ist ein starkes Stück und grenzt an Demokratieverachtung.
Ich darf an die Wahlbeteiligung beim letzten in Italien abgehaltenen Referendum (12. Juni 2022) erinnern: 20,49 %.

Mo., 05.02.2024 - 12:59 Permalink

Wie Sie „Demokratieverachtung“ ableiten können, wo es uns darum geht, dass sich möglichst viele Menschen vertreten fühlen, können wir nicht verstehen. Außer, Sie reduzieren „Demokratie“ auf das, was bei uns „Demokratie“ genannt wird und in der u.a. eben eine Regierungsmehrheit herrscht (!), von der sich nur ein Drittel der Wahlberechtigten vertreten fühlt. Aber selbst diese „Demokratie“ verachten wir nicht, sondern wir nutzen alle Möglichkeiten, die sie bietet: wir haben die kümmerlichen direktdemokratischen Instrumente genutzt bis die Kompatscher-Regierung sie unanwendbar gemacht hat und haben zuletzt ganz auf die Wahlen gesetzt (setzen müssen, weil nichts anderes mehr übrig geblieben ist) und hoffen immer noch, dass mit diesem Wahlergebnis und dem Parteienbündnis von Mehr Demokratie, etwas anders werden kann. Wer so mit demokratischen Mitteln arbeitet, dem wird man nicht gerecht, wenn man ihm „Demokratieverachtung“ vorwirft.

Di., 06.02.2024 - 14:48 Permalink

Ich schicke voraus, das die aktuelle Regierungsmehrheit für mich persönlich schwer verdaulich ist, aber Sie können doch die Nicht-Wähler nicht zu denen zählen, die sich von der Landesregierung nicht vertreten fühlen. Das wäre nur dann schlüssig, wenn die Bevölkerung und nicht der Landtag, über die Koalition abgestimmt hätte. Nicht-Wähler sind höchstens solche, die diese Landesregierung mitverschuldet haben.

Mi., 07.02.2024 - 07:09 Permalink

Das Wischi-Waschi dass die Initiative für mehr Demokratie anstrebt, ist mMn nicht zielführend. Denn solange es das System der repräsentativen Demokratie gibt, sind hier und da eingeschobene Volksabstimmungen nicht zielführend. Denn entweder entscheiden die Volksvertreter, die jemand genau deshalb wählt, oder es entscheidet grundsätzlich das Volk. Denn wenn ich Volkvertreter wähle dann erwarte ich auch dass sie in meinem Interesse entscheiden, denn das Argument, jeder der zur Volksabstimmung geht, entscheidet halt, diejenigen die zu Hause bleiben überlassen die Entscheidung denjenigen die hingehen, ist nicht stichhaltig. Denn wenn es das System vorsieht dass die Volksvertreter entscheiden, dann muss ich keineswegs zur Volkabstimmung gehen, ich habe ja schon delegiert und möchte dass diese entscheiden.
Anders in einem System in dem GRUNDSÄTZLICH das Volk entscheidet, da sparen wir uns die Volkvertreter und das Entscheidungsrecht liegt KLAR direkt beim Volk.
Auch ich bin der Meinung dass das System der repräsentativen Demokratie nicht mehr das Richtige ist, die Politik ist viel zu massiv in den Sog des Großkapitals geraten, das die Politik dahingehend drängt, ihre Interessen durchzusetzten. Da wird dann nicht mehr im Interesse der Bürger gehandelt, sondern dieses nur vorgeschoben, in Wirklichkeit aber die Interessen der großen Player bedient. Um diese durchzusetzen werden alle Register gezogen (z.B. Angst-und Panikmache vor versch. Szenarien) um die Leute gefügig zu machen. Ich wäre für ein System wir es in der Schweiz gehandhabt wird. Denn bei einem solchen habe ich meine Entscheidungsgewalt nicht schon vorher an die Volksvertreter abgegeben und jeder der will kann hingehen und seine Entscheidung treffen.
In der gegenwärtigen Situation bin ich nicht für Volkbefragungen, denn die Politiker werden gewählt und bezahlt sich zu informieren und zu entscheiden auch wenn dies seine Tücken hat. Wennschon muss das System geändert werden.

Mo., 05.02.2024 - 16:54 Permalink

Wir streben genau das an, was Sie sich wünschen: ein politisches System, wie wir es aus der Schweiz kennen und das eine gute Grundlage ist, in Richtung wirklicher Souveränität der Bürgerinnen und Bürger weiter entwickelt zu werden. Das „Wichi-Waschi“ von dem Sie schreiben, ist zwangsläufig, weil wir nicht von heute auf morgen ein gutes politisches System einrichten können und wollen, sondern es nur ein evolutiver Prozess sein kann, der uns dahin führt. Allerdings werden die Voraussetzung in unserem politischen System dafür immer schlechter. Sie begünstigen den Demokratieabbau und die Entwicklung hin zu gewaltbestimmten Verhältnissen. Aber sie haben recht: Es ist das politische System zu ändern und die Frage ist, wie das friedlich und von der Bevölkerung geteilt, geschehen kann.

Di., 06.02.2024 - 14:49 Permalink
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Salto User
wartl

Das aus meiner Sicht Bedenklichste an der Regierungskoalition (gilt für Südtirol wie auch für Italien insgesamt) ist die Konzentration auf die Interessen der Reichen - so wie sich in Östereich aus nämlichem Grund die VP an die FP anbiedert.

Mo., 05.02.2024 - 19:05 Permalink

Sorry, so mit der Wahlbeteiligung zu jonglieren ist nicht seriös. Gestern haben die Pariser mit einer Mehrheit von 54,5% dafür gestimmt, die Parkgebühren für SUVs zu verdreifachen. Direkte Demokratie, inhaltlich m.E. zukunftsweisende Entscheidung. Würdet ihr da auch sagen, dass bei der 6%-igen Wahlbeteiligung nun etwas gegen den Willen von 96,7% der Bevölkerung durchgezogen wird?

Mo., 05.02.2024 - 19:46 Permalink

Die Wahlbeteiligung ist zu berücksichtigen, weil auch sie eine politische Willensbekundung ist, die um Willen der Demokratie sehr ernst zu nehmen ist. Hier wird nicht jongliert, sondern das zur Sprache gebracht, was andere aus gutem Grund unter den Teppich kehren. Eine Mehrheit von 51% der Wähler? Wenn man damit zufrieden ist, dann geht es einem eben nicht um die Vertretung von möglichst vielen Menschen im Land, sondern um den einfachsten und billigsten Weg, weiterhin über möglichst viele Köpfe hinweg zu regieren und nur bestimmte Interessen zu vertreten. Eine Regierung, die 60% der Wahlberechtigten vertritt, wäre selbst mit dem geltenden Wahlsystem möglich gewesen, aber auf eine solche politische Arbeit verstehen sich die politischen Akteure ja nicht. Sie kommen jetzt schon mit den unsicheren Mehrheitsverhältnissen ins Schlingern (Kontrolle der Wahlzettel im Landtag!). Dieses politische Personal kann nur, was es bisher getan hat: herrschen. Was sie absolut nicht können - von ihren charakterlichen Eigenschaften her - ist gleichberechtigt mit Menschen zusammen zu arbeiten, die andere Positionen vertreten. Zu einfach, wenn man die Kunst des Regierens auf die Bildung solcher Mehrheiten reduziert und sie nicht in der Fähigkeit sieht, Verschiedenheit und Vielfalt von politischen Positionen als einen Mehrwert zu erkennen, mit dem bessere Lösungen zustande kommen können.
Der Vergleich, den Sie mit der Direkten Demokratie anstellen ist unzulässig. Die Bedeutung der Beteiligung an Wahlen und Abstimmungen ist genauso verschieden wie Wahlen und Abstimmungen verschieden und deshalb nicht vergleichbar sind. Mit einer Wahl entscheidet man über die Ausrichtung aller politischen Entscheidungen, die in einer Legislatur getroffen werden, mit einer Volksabstimmung hingegen über eine einzige Frage. Im ersten Fall gehe nicht zur Wahl, weil ich entweder diese Delegierung grundsätzlich ablehne oder ich nichts und niemanden finde, woran und an den ich meinen Willen delegieren will. Wir leben in einem politischen System, das über diesen Dissens hinweg geht. Tragischerweise, weil es ihn nicht ernst nimmt und die Gründe dafür nicht nur nicht beseitigt werden, sondern für immer mehr Menschen triftig werden, nicht mehr zur Wahl zu gehen.
In einer Volksabstimmung sind die Verhältnisse ganz anders. Da wird über eine einzige Frage/Sache entschieden. Die kann mir wichtig sein oder auch nicht, zu dieser kann ich etwas sagen oder nicht. Indem ich mich daran nicht beteilige, drücke ich nicht grundsätzlich meinen Dissens darüber aus, wie Direkte Demokratie funktioniert, sondern ich kann oder will nicht meine Position zu einer spezifischen Frage ausdrücken oder sie ist mir einfach gleichgültig, und es ist klar, dass andere dann für mich entscheiden, was ich akzeptiere, wenn ich mich nicht beteilige. Wohl kaum jemand ist deshalb in der Schweiz für die Einführung eines Beteiligungsquorums, obwohl im Schnitt nur 40% teilnehmen, innerhalb von 4 Jahren aber zwischen 80 und 90%.
Also bitte nicht politische Handlungen vergleichen und gegeneinander ausspielen wollen, die unvergleichbar sind.

Di., 06.02.2024 - 14:54 Permalink

Dann vergleichen wir Gleiches mit Gleichem:
In Deutschland regiert eine Koalition, deren 3 Mitglieder bei der Bundestagswahl 2021 zusammen 52% der (Zweit-)Stimmen erhalten haben. Bei einer Wahlbeteiligung von 76,6% vertritt diese Regierungsmehrheit somit 39,8% der Wahlberechtigten.
In Österreich wären es zurzeit 38,8%, in Italien 27,9% (Verhältniswahlrecht Abgeordnetenkammer ohne Ausland und Aosta).
In Wien (Bundesland/Stadt) regieren SPÖ und NEOS mit 31,9% der Stimmen aller Wahlberechtigten, in Tirol ÖVP und SPÖ mit 33,9%, in Berlin (Bundesland/Stadt) CDU und SPD mit 29,4%. Südtirol liegt mit seinen 33,4% also ungefähr in der Mitte dieser Werte.
Das heißt nicht, dass sich Politik nicht für höhere Beteiligung einsetzen soll. Dass diese Koalition mit der größten Anzahl an Parteien, die eine Landesregierung je umfasste, auf weitere ausgeweitet wird, ist nicht nur unrealistisch, sondern kam durch diverse Vorab-Veti gar nicht in Frage. Natürlich könnte die Südtiroler Freiheit die Freiheitlichen ersetzen oder sich gar hinzugesellen und so den Prozentsatz der von Ihnen in Zahlen ausgedrückten Repräsentativität erhöhen, wenngleich zu bezweifeln ist, dass Ihr Beitrag darauf abzielte. Aber Grüne und Team K hatten apriori eine Zusammenarbeit mit jener FdI ausgeschlossen, mit der unser Landeshauptmann Geschichte schreiben will. Und letzten Endes, welchen politischen und programmatischen Sinn sollte eine Regierung, die von Galateo bis Foppa reicht, ergeben?

Di., 06.02.2024 - 18:22 Permalink

Sie hätten sich nicht die Arbeit antun müssen zu belegen, dass wir in diesem Punkt im europäischen Mittelfeld liegen. Das war anzunehmen. Das macht die Sache aber nicht besser. Interessanter ist, bekannt zu machen, dass die Schweiz genau von einer solchen Regierung der Gegensätze regiert wird, die bei uns als unrealistisch gilt. Wir können uns sehr wohl vorstellen, dass eine solche Konkordanzregierung bei uns möglich gewesen wäre, wenn Kompatscher angeboten hätte, eine solche Regierung zu bilden. Da wären solche Veti, die eher zaghaft und unsicher geklungen haben, wahrscheinlich schnell verhallt. Köllensperger z.B. hat mehrmals auch wissen lassen, dass er eine Konkordanzregierung befürworten würde. Der Punkt ist, dass die SVP das weder will noch kann. Der beste Weg dahin wäre ein neues Wahlgesetz, wie wir es vorgeschlagen haben. Eine Volksinitiative dazu haben wir uns abschminken können, nachdem die Kommission dekretiert hat, dass es über Regierungsformgesetze keine Volksinitiativen geben kann. Man will nicht (aus gutem Grund) und nimmt damit eine langsame Demontage der Demokratie in Kauf.
Welchen politischen und programmatischen Sinn sollte eine solche Regierung haben? Denselben, den ein ausgeloster Bürgerrat immer wieder mit großer Genugtuung und Begeisterung realisiert: Dass wir alle aufgerufen sind, nicht gegeneinander, sondern endlich miteinander zu arbeiten und Lösungen zu suchen. Die ausgelosten Bürgerräte können es, obwohl die Verschiedenheit ihrer Mitglieder um Vieles größer ist, als in einer parlamentarischen Versammlung. Das Problem liegt im Wesen der Vertretung selbst, die ihre Rechtfertigung in der Trennung und im Gegeneinander der Positionen hat. Bekanntlich beruht Macht auf Teilung – "teile und herrsche" - und um nichts anderes als um Macht geht es, nicht um das Wohl der Menschen.

Di., 06.02.2024 - 21:50 Permalink

Sie bringen - natürlich - das einzige relevante Beispiel einer Konkordanzregierung, nämlich jenes der Schweiz. In der Schweiz konnte seit 1979 bei keiner Nationalratswahl eine Beteiligung von über 49% erreicht werden, zuletzt (2023) waren es 46,6%.
Darauf kann man entgegnen: kein Problem, es ist ja sowieso die ganze Bandbreite der Bevölkerung in der Regierung vertreten. Vielleicht fragen sich viele Wahlberechtigte aber auch, warum sie noch wählen sollen, wenn der Bundesrat eh alle repräsentiert und es allerhöchstens minimale Verschiebungen in seiner Zusammensetzung gibt.
Der Vergleich einer Regierung mit einem Bürgerrat erscheint, mit Verlaub, nun doch auf mehr als einem Bein zu hinken. Rolle und Aufgaben der beiden Gremien sind zu unterschiedlich.

Mi., 07.02.2024 - 11:18 Permalink

Erst einmal ein Dankeschön für die sachliche Diskussion und für die Ausdauer!
Die niedrige Wahlbeteiligung in der Schweiz, die sie im internationalen Demokratieranking nicht an vorderster Stelle stehen lässt, erklären wir uns anders, nämlich mit der Existenz einer wirklich gut anwendbaren und wirksamen Direkten Demokratie. In den Demokratien rundum hängt alles von der Zusammensetzung der Parlamente und der daraus gebildeten Regierungen ab. Auf Wohl und Weh der politischen Vertretung ausgeliefert, gibt es einen triftigeren Grund zur Wahl zu gehen, als dort, wo man sich jederzeit gut wehren kann gegen die Entscheidungen der politischen Vertretung und wo man selbst gesetzgebend tätig werden kann, wo die politische Vertretung aber auch unter der direkten Kontrolle durch das Volk ganz anders, ich würde sagen ernsthafter und zuverlässiger, arbeitet. Also, einen Teil der politischen Entscheidungen erledigt direkt und indirekt (indem es immer ganz anders präsent ist als in einer rein repräsentativen Demokratie) das Volk selbst, die politische Vertretung ist dort tatsächlich nicht so absolut wichtig. Und das ist ja wunderbar: Es versachlicht die Politik und schützt sie vor dem ärgsten Theater der Selbstdarstellung. „Die beste Regierung ist die, die sich überflüssig macht“ (Wilhelm von Humboldt und m.W. auch Goethe)! Sozusagen auf dem richtigen Weg also. Und wegen der Zusammensetzung des Bundesrates geht wohl ohnehin niemand wählen. Die Zusammensetzung ändert sich im Rhythmus von Jahrzehnten, da alle politischen Ausrichtungen in ihm vertreten sind. Es geht in der Wahl wohl ausschließlich um die Zusammensetzung des Nationalrates, der in der Schweiz eben nicht unter Kuratel der Regierung steht (sie ist dort tatsächlich „nur“ Exekutive und nicht auch Gesetzgeber, wie bei uns), sondern der tatsächlich frei und vollkommen parteiübergreifend arbeiten kann. Und damit ist das Schweizer Parlament schon viel näher an der Arbeitsweise des ausgelosten Bürgerrates, somit produktiver und ernsthafter, was an sich gewiss auch wieder eine bessere Auswahl gewährleistet.
Der einzige wirklich relevante Unterschied, allein bezogen auf die „Rolle und Aufgabe“, zwischen Parlament und Bürgerrat, ist die Verbindlichkeit der Ergebnisse des ersteren. Ich denke, der ausgeloste Bürgerrat würde nicht anders arbeiten, wenn seine Entscheidungen verbindlich wären.

Mi., 07.02.2024 - 13:40 Permalink
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Salto User
nobody

Andererseits, wie könnte direkte Demokratie ausschauen? Eine Gruppe ist gegen Tourismus, eine andere gegen Landwirtschaft, eine dritte gegen Verkehr, Industrie usw. usf.. Das würde dann kompletten Stillstand bedeuten. Wie regelt man Partizipation so, dass eine sinnvolle Regierungsarbeit möglich wird?

Sa., 10.02.2024 - 21:07 Permalink