Politik | Siegesdenkmal

Südtirols Anti-Faschisten

Die Dokumentationsausstellung im Siegesdenkmal ist für die selbsternannten Antifaschisten der Südtiroler Rechten ein unverdaulicher Brocken.

Der Antifaschismus kann in Südtirol auf keine glorreiche Vergangenheit zurückblicken. Während sich in Italien Zehntausende dem bewaffneten Kampf gegen die Diktatur anschlossen, begnügte man sich in Südtirol mit Katakombenschulen und illegalen Turnveranstaltungen auf der Seiser Alm. Die begeisterten Nazis des Völkischen Kampfrings lebten im Irrglauben, Antifaschisten zu sein, weil sie Mussolinis Politik in Südtirol bekämpften.

Die begeisterten Nazis des Völkischen Kampfrings lebten im Irrglauben, Antifaschisten zu sein, weil sie Mussolinis Politik in Südtirol bekämpften.

Tatenlos sah man der Deportation der Meraner Juden zu. Nach Kriegsende durften NS-Massenmörder wie Mengele und Eichmann in Südtiroler Klöstern untertauchen, wo ihnen Ausreisepapiere nach Südamerika beschafft wurden. Die wenigen echten Antifaschisten wie Hans Egarter oder Josef Mayr-Nusser blieben weitgehend unbekannte Randfiguren.

Nach dem Krieg änderte sich das nur unwesentlich: viele Jahre mußten etwa vergehen, bis die verachteten Dableiber Anerkennung erfuhren. Über Jahrzehnte war es  das Siegesdenkmal, das der Rechten als Vorwand diente , um sich mit antifaschistischen  Parolen zu schmücken. Die Freiheitlichen, die am ultrarechten Vokabular Straches nichts auszusetzen finden, ereifern sich  nach über 80 Jahren noch immer über  faschistische Symbole.

Der Heimatbund hält das neue Dokumentationszentrum unter dem Siegesdenkmal sogar für schädlich und verknüpft es geschickt mit dem verstaubten Lieblingsthema der Ortsnamengebung. Verständlich, daß die Front der Ewiggestrigen in der vorzüglich gestalteten  Dokumentationsausstellung im Siegesdenkmal keine Zäsur erkennen will. Doch für die hartnäckigen Krümelzähler ethnischen Dauerzwists stellt der Erfolg  der Initiative nach  jahrzehntelangen Bemühungen einen schweren Schlag dar.

Unglaubwürdig war das vergilbte Etikett des Antifaschismus schon lange. Jetzt wirkt es auch anachronistisch. Aufschlußreich, was Sven Knoll zu sagen hat: "Dieses Museum werde ich nicht besuchen, es interessiert mich gar nicht."  "Erkenntnis" - so die treffende Anmerkung des Historikers Hannes Obermair - "läßt sich nicht verordnen."

Es hat sicher zwischen 1933 und 1945 mehrere Südtiroler Nazis gegeben. Deutschsprachige Neonazis gibt es heute auch. Allerdings gibt es in Nordtirol heute kein Nazidenkmal das sogar in der Öffentlichkeit mit Kränze beehrt wird, und ober dem Eingang des Finanzamts in Innsbruck steht kein Bassrelief von Hitler.

Mo., 21.07.2014 - 20:38 Permalink

österreich ist ein sehr schlechtes beispiel, denn trotz kaum artifakte sichtbarer nationalsozialistischer kunstveräusserungen , besteht in österreich immer noch ein sehr beständiges netzwerk rechtsextremer bewegungen, die elitär organisiert sind in politik und wirtschaft, die im jahr 2000 sogar eine mehrheitsregierung bildeten, in italien in der form gar nicht denkbar. auf den dazugehörigen webseiten von burschenschaften findet man immer noch rassentheorien der nationalsozialisten. einschlägige kranzniederlegungen dazu gibt es in wien noch immer. alles was ich damit sagen will ist, dass das verschwinden lassen und niederreissen von denkmälern kein funktionierender antifaschismus ist, und so würde auch ohne dem siegesdenkmal die gesamte neustadt von bozen als geschichtsverweis bestehen bleiben, deren städtebauliche athmosphäre den geschichlichen bezug schlecht leugnen kann und mitunter durch architektonisch gute qualität auch noch irritiert.

Mo., 21.07.2014 - 21:25 Permalink

bislang begeisterten mich deine kommentare und ich konnte den großteil unterschreiben. deine obige kurzanalyse zur regierungsbildung 2000 irritiert mich jedoch ein wenig. zum ersten: das rechtsextreme elitäre netzwerk gibt es in der tat (stichwort gudenus, graf, stadler und wie sie alle heißen). bei der regierungsbildung 2000 war dieses aber nicht wirklich ausschlaggebend. vielmehr war es in der tatsächlichen regierungsmannschaft des kabinetts schüssel I gar nicht vertreten. das war mehr die buberlpartie. die populistische neue rechte, weniger die deutschnationalen. zum zweiten: wieso sollte das in italien nicht denkbar sein. in italien bekleiden "postfaschisten" ministerämter und bekennende faschisten sitzen im parlament (stichwort: meglio fascista che frocio). zudem ist der berlusconis koalitionspartner lega um keinen deut weniger xenophob als die fpö (und die ist sehr xenophob). ich rate dir die bücher des schweizer historikers aram mattioli als lektüre diesbezüglich.

Mo., 21.07.2014 - 21:49 Permalink

das ist mir alles bekannt. ich nehme aber trotzdem gefühlsmässig einen unterschied wahr. die rechtsextremen in österreich haben einen äusserst konsisten kern in form der deutsch-nationalen burschenschaften, ohne die die FPÖ nicht denkbar wäre. die sogenannte buberlpartie wurde ja durch den harten kern, den haider unterschätzt, hat weggeputscht. "die buberln" waren optisch und juvenil-ergeizige gut verkaufbare günstlinge aus dem kärntner dunstkreis. mittlerweiler geht die FPÖ aber mit den fragwürdigsten persönlichkeiten ihrer jüngeren geschichte in richtung 25-30%! in italien dagegen ist das bild viel diffuser. die lega nord ist zwar xenophop, aber die nehme ich mehr als opportunistische chauvinisten vorwiegend aus der wirtschaft war, die ausser ihrer regionalen padanischen folklore kein historisches ideologiebauwerk hat. der postfaschist fini viel schon mit positiven vorschlägen für mehr rechte für migranten und homosexuelle auf, die in der FPÖ niemals denkbar wären, während eine alessandra mussolini doch wirklich nur die unterhaltungsfigur der nation ist, sie wird respektiert, aber ernst nimmt die keiner, sie wurde ja sogar schon vom geistreichen ungeist vittorio sgarbi öffentlich verprügelt. alles in allem finde ich die situation in österreich subjektiv unheimlicher, es herrscht diesbezüglich allgemein bedrückte dauerstimmung bei offeneren, liberalen menschen, auch deshalb, weil die FPÖ eine grosse mediale dauerpräsenz hat, in der sie ihren kulturfaschismus durchexerziert und ständig nach akzeptanz auslotet, er ist ihr einziges thema. wie gesagt, das ist meine wahrnehmung und es schweift auch ein wenig vom thema ab.

Mo., 21.07.2014 - 23:09 Permalink

bin mir nicht sicher, wie sattelfest die deutschnationalen innerhalb der fpö sind. siehe mölzer. ich bin ziemlich zuversichtlich, dass es bald wieder einmal ein "knittelfeld" geben wird, es die fpö zerklaubt (sollten die nämlich wirklich mal wieder zum zug kommen, sind die personell so schwach aufgestellt und mit dubiosen opportunisten durchsetzt, dass es sie einfach zerlegen muss) und das ganze spiel von vorne wieder los geht.
zudem glaube ich, dass die grenzen des sagbaren und in weiterer folge auch machbaren in österreich enger gehalten sind als in italien. vor allem seit waldheim.

Mo., 21.07.2014 - 23:33 Permalink

nun ja, momentan werden sowieso neue weichen gelegt, nachdem sich der rechtsextremismus als rechtspopulismus windelweich tarnt und selbst "schüchternde" junge leute gefallen an neuen/alten kulturkämpfen finden (identitäre). man beruhigt sich, indem man an die vernunft der masse glaubt. das leben ist schön und das denkmal mit museum hat jetzt eine komplimentäre schönheit, leicht aus dem fenster gelehnt gedacht.

Di., 22.07.2014 - 01:28 Permalink

den richtigen umgang mit rechtsextremismus hat aber leider noch niemand gefunden. was schlägst du vor? was die franzosen 2002 gemacht haben, kann's wohl auch nicht sein. herausgekommen ist, dass sie dann zwischen chirac und le pen "wählen" durften. in der opposition sind die rechten immer stark und werden stärker. müssen sie dann tatsächlich mal liefern, zerklaubt es sie nicht selten. würde mich echt interessieren, was dein ansatz diesbezüglich ist.

Di., 22.07.2014 - 12:36 Permalink

Herr Hacht. In Bozen waren es bis vor einigen Jahren die Vertreter der staatlichen Institutionen die am 4. November vor dem Denkmal standen und die Kränze hinstellten. Verstehen sie das ? Ich weiß nicht seit wann sie in Bozen leben, aber sie sollten mal erinnern was in der M.S.I.-Zeit und auch bis in den '90 Jahren am Siegesplatz los war.

http://zigorimedia.files.wordpress.com/2012/02/monumento-alla-vittoria-…

Mo., 21.07.2014 - 21:52 Permalink

ich weiss was los war. es hat sich aber sehr vieles schon zum positiven geändert. man muss es nur sehen. aber meine grössere sorge ist mittlerweile da schon eher der extreme nationalismus in teilen der deutschen bevölkerung, vorwiegend in der jugend. die übt zur zeit die grösser bedrohung für das land südtirol, weil es eine schwer sozial verträgliche generation kreiert, mit all seinen folgen.

Mo., 21.07.2014 - 23:23 Permalink

Gerhard Mumelter hat zwar die Chronologie etwas durcheinandergebracht (zur Zeit der Katakombenschulen und der illegalen Turnveranstaltungen auf der Seiser Alm haben sich in Italien keineswegs Zehntausende Italiener dem bewaffneten Kampf gegen die Diktatur angeschlossen, weil ihnen da der bewaffnete Kampf gegen arme Eingeborene in Libyen und Äthiopien noch wichtiger war), aber im Prinzip hat Mumelter doch recht: Der Antifaschismsus hat in Südtirol keine glorreiche Vergangenheit. Schade nur, dass seine Gegenwart noch weniger glorreich ist. Schade auch, dass ein echter Antifaschist wie Hans Egarter, der nach dem Krieg unter dem Hass der Partisanen gegen alles Tirolerische ebenso zu leiden hatte wie unter der Ablehnung durch viele seiner Landsleute, bis heute nicht ehrlich gewürdigt, sondern höchstens für politische Zwecke missbraucht wird. Unverständlich ist mir, wie Mumelter zum Schluss kommen kann, dass der Heimatbund das Dokumentationszentrum unter dem Siegesdenkmal für "schädlich" hält. Ein Zentrum zur Dokumentation der Untaten der beiden menschenverachtenden Diktaturen ist selbstverständlich sinnvoll, es reicht aber - zumal im Keller untergebracht - nicht aus, um ein auf Hochglanz gebrachtes faschistisches Denkmal, an dem nichts geändert werden durfte, zu entschärfen. Gerhard Mumelter hat nicht verstanden, dass es hier nicht um einen ethnischen Zwist geht (schließlich hat der Heimatbund auch italienischsprachige Mitglieder) sondern um einen Zwist zwischen den Verharmlosern des Faschismus auf der einen und den überzeugten Demokraten auf der anderen Seite.

Mo., 21.07.2014 - 21:24 Permalink

"....haben sich in Italien keineswegs Zehntausende Italiener dem bewaffneten Kampf gegen die Diktatur angeschlossen, weil ihnen da der bewaffnete Kampf gegen arme Eingeborene in Libyen und Äthiopien noch wichtiger war"........sorry, das ist aber wieder ein letztklassiger untergriff. zeigt ebenfalls wenig von geschichtsverständnis als viel mehr vom politisch polemisch angehauchten anecken wollen. zeigt wieder nur, dass der "feind" gar nicht der faschismus ist.

Mo., 21.07.2014 - 21:50 Permalink

Wollen Sie etwa leugnen, dass in Italien die Zustimmung zum Faschismus und seine Verbrechen besonders in Afrika allgemein (unterstützt auch besonders von der katholischen Kirche) war und dass es zum bewaffneten Kampf gegen den Faschismus erst gegen Ende seiner 20jährigen Schreckensherrschaft gekommen ist, als das Ende des Faschismus schon feststand?

Mo., 21.07.2014 - 22:10 Permalink

Was die Ausreisepapiere nach Südamerika betrifft, wenden Sie sich doch bitte an die katholische Kirche.
Bei der dürfen wir heute nicht mit entscheiden und durften es auch vor 70 Jahren nicht!

Mo., 21.07.2014 - 21:35 Permalink

Oggi è una bellissima giornata, pur se piove. Bolzano ha fatto un piccolissimo passo per provare a diventare una piccola Stadt, da grande Dorf che è oggi.
Sono davvero molto fiero di Bolzano, di come sia stato fatto questo passo, di cosa abbiano detto molte persone di cultura. Tanti dimostrano di avere voglia di seppellire le antiche fissazioni, i nazionalismi e i populismi.
Quindi non mi rovinerò la giornata leggendo commenti imbecilli.

Domanda tecnica: ma Catalano è reale, o è stata una trovata di Salto per aizzare le polemiche nelle discussioni sotto gli articoli e così trovare nuovi lettori? Se la seconda, complimenti. Se invece Catalano è reale, io La ringrazio di cuore, perché ritengo sia molto importante poter leggere in pubblico commenti come i Suoi. Non si deve mai dimenticare infatti che il problema di questa epoca sia l'ignoranza, e Lei ce lo ricorda meravigliosamente in ogni riga.

Mo., 21.07.2014 - 21:54 Permalink

Antifaschischisten & und Nazigegner hatten es auch nach 1945 nichts zu lachen. Weder in Italien, Deutschland noch in Österreich. Und Südtirol macht da keine Ausnahme.
Vielleicht hätten sie mal die italienischen Antifaschisten fragen sollen, bevor alle verstorben sind, was mit diesem Monument geschehen soll, anstatt es mit horrenden Summen der Steuerzahler, politisch zu rehabilitieren und für ein provinzelles Stelldichein mit Ministerauflauflauf aus Rom aufzuhübschen.
Die Amerikaner hatten 1945 wohl anderes zu tun, als dieses Monument zu bombardieren oder in die Luft sprengen. Leider!

Mo., 21.07.2014 - 22:02 Permalink

Das Siegesdenkmal ist der lebende Beweis, dass es in Südtirol Faschismus und Nationalsozialismus gegeben hat. Wer heutzutage glaubt, dass die von rechter Seite angestrebte Vernichtung eines Beweismittels historisches Unrecht hätte tilgen können, möge einen Schritt vortreten!
Ich finde, die neue Konzeption mit a) dem leuchtenden Hinweisring oben, der das Denkmal ansonsten unangetastet lässt und b) den (momentan zu vielen und dadurch unüberschaubaren) Dokumentationen könnte es schaffen, dass das SIEGES!-Denk-mal! innerlich abgerüstet wird. Darauf käme es an. Zumindest ein Anfang ist gemacht.

Do., 24.07.2014 - 19:21 Permalink