Kultur | SALTO Gespräch

„Uns wird man nicht so schnell los“

Der Kulturarbeiter Thomas Kobler kennt den Ost West Club in Meran wie kaum ein anderer. Nun kommt es endlich zum Umzug in die neuen Räume. Ein Abschiedsgespräch.
Thomas Kobler
Foto: Stefanie Andergassen
  • SALTO: Wie haben Sie den vorvergangenen Samstag erlebt?

    Thomas Kobler: Die Abschlussveranstaltung im alten Vereinslokal hatte ja eigentlich und bereits ein Jahr zuvor stattgefunden. Aufgrund der Verzögerungen beim Umbau für das neue Vereinsheim, mussten bzw. durften wir unsere Tätigkeit noch einmal um ein Jahr in den alten Vereinsräumlichkeiten verlängern. Wie auch schon 2023 war es einer dieser unvergesslichen Abende im Club, wo sich die Menschen in den Armen gelegen und schlichtweg das Leben gefeiert haben. Diese Atmosphäre in Worte zu fassen ist eigentlich kaum möglich, man muss einmal dabei gewesen sein, um zu spüren, was diesen Ort und seine Menschen ausmacht. Der Respekt und die unglaubliche Herzlichkeit waren am vergangenen Samstag und wie eigentlich immer im ost west club mit Händen zu greifen. Ein Musikabend im Club ist glaube ich unbewusste, kostenlose Psychotherapie.  

  • Gute Seele im Auralicht: "Ehrlichgesagt, bin ich nicht der Typ, der schnell aufgibt." Thomas Kobler als Teil der Performance von Ursula Beiler Foto: Ost West Club

    Wie schwer fällt der Abschied vom alten Club? Welches Wandgraffito haben Sie hinterlassen?

    Ich denke, dass die allermeisten in unserem Team mit einem weinenden, aber auch mit einem lachenden Auge, Abschied von den alten Vereinsräumlichkeiten genommen haben. Mir geht es zumindest so. Die vergangenen 12 Jahre haben mich sehr geprägt und definitiv einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Der Club ist und war Wohnzimmer und Familie gleichzeitig und schlichtweg ein Ort wo jeder und jeder so sein darf, wie er oder wie sie sein mag, sowie ein Ort in welchem gesellschaftliche Konventionen, Barrieren und Vorurteile keine Rolle spielen. Genau dieser Umstand macht den Club meiner Meinung nach so einzigartig. Diese Eigenschaften, sind aber ortsungebunden und deshalb freue ich mich vor allem auch auf die neuen Herausforderungen und die schier unendlich neuen Möglichkeiten im neuen Vereinssitz. 
    Das letzte Wandgraffito, das ich im Club an die alten Gemäuer gekritzelt habe, ist relativ unspektakulär und daher auch nicht wirklich erwähnenswert. Viel mehr werde ich mich immer an einen Satz erinnern, den unser ehemaliges Vorstandsmitglied und langjähriger Kassier Florian Oberhuber einst formuliert hat und anschließend von unserer grenzgenialen Grafik-Frau Laura Zindaco an der Wand und in der Nähe unseres Tresens verewigt wurde: „Wenn ich könnte, würde ich den ost west umarmen.“
     

    Eine Art Sitzfleisch gepaart mit einer gewissen Sturheit und Rebellionsfähigkeit


    Seit 1996 hat der Kulturverein nun für insgesamt 28 Jahre seine Tätigkeit in der Meraner Altstadt ausgeübt. Die letzten 12 Jahre haben Sie aktiv mitgestaltet. Welche der unzähligen Veranstaltungen im Club wird Ihnen immer in Erinnerung bleiben?

    Wenn ich in meiner Funktion als künstlerischer Leiter eine einzige Veranstaltung herausheben würde, würde ich das als Geringschätzung für all die anderen wunderbaren Künstlerinnen und Künstler empfinden, weil sich eigentlich immer und ausnahmslos alle Menschen große Mühe gegeben haben, unseren Mitgliedern etwas Besonderes und Bleibendes zu hinterlassen. Mir sind aber vor allem jene Veranstaltungen in Erinnerung geblieben, wo junge oder noch gänzlich unbekannte Künstlerinnen und Künstler zum ersten Mal überhaupt auf unserer kleinen Holzbühne aufgetreten sind und die Besucherinnen und Besucher mit ihren Auftritten begeistert und erstaunt haben. Aber auch die vielen gemeinsamen Abende, die wir zusammen mit anderen Vereinen und Kollektiven organisiert haben, möchte ich auf keinen Fall missen. 

  • Umarmende Wertschätzung: Abschiednehmen von Südtirols legendärsten Club-Räumlichkeiten Foto: Ost West Club
  • Wann haben Sie eigentlich zum ersten Mal den Club betreten?

    Daran kann ich mich noch gut erinnern. Das war im Frühjahr 2005 und bei einem Auftritt einer Band mit dem Namen I folletti del grande bosco. Ich erinnere mich deshalb so gut daran, weil mir nicht nur die Musik und Texte dieser Band sehr gut gefallen haben, sondern weil ich begeistert von den Lampenschirmen im Veranstaltungssaal war, welche damals vier kleine, rote Kübel waren.

    Wie oft wollten Sie das Handtuch werfen?

    Ehrlichgesagt, bin ich nicht der Typ, der schnell aufgibt. Im Gegenteil. Ich glaube von mir behaupten zu dürfen, dass ich schon eine Art Kämpfertyp bin, der gerade dann zur Hochform aufläuft, wenn es besonders schwierig und aussichtslos scheint. Und solche Situationen gab es im ost west club in den vergangenen 12 Jahren und wahrscheinlich auch vorher zuhauf. Vor allem die immer relativ schlechten finanziellen Rahmenverhältnisse und teils prekären Arbeitsbedingungen waren manchmal sehr kräfteraubend und zehrend, aber bis zum Schluss haben wir es als Team und Verein, zusammen mit unseren vielen Mitgliedern und Unterstützern immer wieder geschafft, auch die schwierigsten Situationen zu umschiffen oder zu lösen. Das ist, glaube ich, auch eine Eigenschaft, die den Club und seine unzähligen, dort tätigen Menschen ausmacht. Eine Art Sitzfleisch gepaart mit einer gewissen Sturheit und Rebellionsfähigkeit, das uns in all den Jahren zäh und ausdauernd gemacht hat. Uns wird man definitiv nicht so schnell los. 
     

    Ich glaube aber, dass es nicht die Mauern, sondern eben die Menschen sind, die so ein Projekt gestalten und letztlich ausmachen.

  • "Das Ex-Bersaglio": Das denkmalgeschützte Gebäude vor dem neuen Anstrich Foto: Heimatschutzverein Meran

    Ein denkmalwürdiger Verein zieht mit einem Sportclub in ein denkmalwürdiges Gebäude. Das kann eigentlich nur gut gehen. Oder?

    Ich bin der festen Überzeugung, dass es gut gehen wird! Natürlich gibt es auch immer kritische Stimmen, die Angst haben, mit dem Umzug in ein neues Vereinsheim würde der Club einen Teil seiner Identität verlieren. Ich glaube aber, dass es nicht die Mauern, sondern eben die Menschen sind, die so ein Projekt gestalten und letztlich ausmachen. Die Graffitis und die gemütliche, ein wenig „abgefuckte“ Atmosphäre, die viele Mitglieder an unserem alten Vereinssitz ja so schätzen und es deshalb auch immer ihr „Wohnzimmer“ nennen, werden wir im Laufe der Zeit und mit viel ehrenamtlichem Einsatz und vielleicht der ein oder anderen Sause schon wieder hinbekommen. Es gibt so viele ehrenamtliche und freiwillige Hände, die sich angeboten haben mitzuhelfen und ihr Vereinsheim selbst mitgestalten wollen. Ein unschätzbarer Wert bzw. Umstand für den gesamten Verein. Und, dass ein historisch so bedeutsames und schönes Meraner Haus wie das ehemalige Schießstandgebäude durch den Zusammenschluss aus Kultur und Sport für die Meranerinnen und Meraner erhalten werden konnte, ist, ein Umstand, der auf jeden Fall zu begrüßen ist und wo die zuständigen politischen Verantwortlichen der Provinz Bozen und der Gemeinde Meran Weitsicht bewiesen haben. 

    Welche einschneidenden Veränderungen sind mit dem Umzug in die neuen Räumlichkeiten des Bersaglio-Gebäudes für euch zu erwarten?

    Für uns als Team werden die Veränderungen hin zu einem professionelleren Arbeiten auf jeden Fall spürbar und positiv sein. Schließlich haben wir unsere Arbeit in den Büroräumlichkeiten in den vergangenen 10 Jahren in einem alten Laubenhaus, teils ohne richtige Fenster und Lichteinstrahlung verrichtet. Dazu mussten wir das Vereinslokal in der Altstadt in den Sommermonaten immer für 3-4 Monate schließen, weil es dort einfach zu stickig war und wir die Nerven unserer Nachbarn nicht zusätzlich strapazieren wollten. Auch wenn die vergangenen sieben Jahre in der Sommerresidenz „ost west country Club“ im Marconi Park unglaublich schön waren, sind wir nun sehr froh darüber, dass der Verein seine Arbeit und Tätigkeit ganzjährig an einem Ort ausüben kann. Für Außenstehende ist und war dieser organisatorische Mehraufwand, mit dem dies alles in den vergangenen Jahren verbunden war, nicht immer direkt einsehbar. Und, dass die viel größere Struktur mehr Entfaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten für den Verein bietet, und dieser Umstand sehr motivierend ist, ist, denke ich, selbstredend. 
     

    Je mehr es also kulturelle Initiativen in Meran gibt, umso besser und vor allem gesünder. 

  • Der ehemalige Präsident Klaus Niederstätter und Thomas Kobler: Der Blick mit Genugtuung zurück und optimistisch nach vorne Foto: Ost West

    Und für die Mitglieder?

    Die Mitglieder dürfen sich vor allem auf das Herzstück im neuen Vereinshaus freuen. Einen eigenen Konzertraum für 100-150 Personen im Untergeschoss, der Raum und Möglichkeiten bietet, die wir vorher und in dieser Form einfach nicht hatten. Zusätzlich wird es natürlich und wie immer einen einladenden Barbereich geben, einen Raum für eine Reparaturwerkstatt, einen Spieleraum, einen weiteren Medien- und Veranstaltungsraum sowie natürlich die wunderschöne große Terrasse, welche in unseren eigenen Garten führen wird. Weiters gibt es im ersten und zweiten Stock noch zusätzliche kleinere Räume, deren Nutzung zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht einmal endgültig feststeht. Persönlich könnte ich mir dort eine Art Medienraum oder kleinen Kinosaal und ein Mini-Proberaum oder ein Tonstudio und eine Übernachtungsmöglichkeit für Künstlerinnen und Künstler sehr gut vorstellen. Das ganze Haus ist außerdem barrierefrei zugänglich, was uns bei der Konzipierung auch sehr wichtig war. Wie die einzelnen Räumlichkeiten im Detail dann genutzt werden, ist also jetzt zwar noch nicht gänzlich entschieden, aber gerade dieser Umstand ist auch spannend und regt sicherlich zum Kreativ-Sein an. 

    Welche Zukunft steht eigentlich den alten Räumlichkeiten im Steinach-Viertel bevor?

    Seit einigen Monaten gibt es das Gerücht, dass sich ein paar Menschen zusammentun wollen, um einen neuen Verein zu gründen und die alten Räumlichkeiten nicht aufzugeben. Ich freue mich natürlich, wenn in der Altstadt kein zusätzliches Franchise System oder eine Ferienwohnung einzieht und unsere Stadt weiter dem Ausverkauf preisgibt. Je mehr es also kulturelle Initiativen in Meran gibt, umso besser und vor allem gesünder. 
     

    Wir möchten und werden natürlich weiterhin ein Ort sein und bleiben, in welchem jede und jeder, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Sprache, Religion oder Sexualität willkommen ist. 

  • Innere und äußere Haltung: Solidarisch und antifaschistisch Foto: Ost West Club

    Nun geht es vom Osten Merans in den Westen. Nomen est omen für den Ost West Club Est Ovest? Bzw. wie wird nach links und nach vorne geblickt?

    Unser Ziel ist es, die Vereinstätigkeit in Zukunft weiter auszubauen und vor allem auch für das dortige Stadtviertel Maria Assunta ein Begegnungsort zu werden, an dem sich Jung und Alt treffen können, um gemeinsam mit uns das Kulturprogramm und die Tätigkeit des Vereins zu gestalten. Wie schon erwähnt, möchten wir vor allem mit unseren neuen Nachbarn im Stadtviertel Maria Assunta viele spannende Initiativen und neue Ideen umsetzen und in unser Programm aufnehmen. Dazu hat es bereits in den vergangenen Monaten einige interessante Treffen und Initiativen gegeben. Außerdem möchten wir weiterhin mit vielen Vereinen und Kollektiven gemeinsame Projekte auf den Weg bringen. 

    Und die Jugend?

    Allein die räumliche Nähe zum Jugendzentrum Jungle mit denen der Club bereits seit vielen Jahren in engem Austausch steht, bietet sich hierfür natürlich sehr gut an. Vielleicht schaffen wir es ein Projekt auf die Beine zu stellen, das bereits vor zwei Jahren einen regen Zulauf von jungen Künstlerinnen und Künstlern sowie Kreativen zur Folge hatten. Außerdem arbeiten wir schon seit Monaten im Hintergrund an einer Zusammenarbeit mit der Sozialgenossenschaft Promos und der Firma Schweitzer. Der Club sieht sich als eine Art Plattform, auf der die verschiedensten Dinge und Initiativen Platz haben sollen. Neue Ideen und Menschen sind immer und stets willkommen! Natürlich möchten wir auch unsere Kerntätigkeit der vergangenen Jahre mit ins das neue Vereinsheim bringen und von Konzerten, Tanz- und Spieleabenden, Podiumsdiskussionen, Theater, Literatur, Chorsingen, Repair Café ein buntes Monatsprogramm auf die Beine stellen. Und wir möchten und werden natürlich weiterhin ein Ort sein und bleiben, in welchem jede und jeder, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Sprache, Religion oder Sexualität willkommen ist. Unsere Wertehaltung ist ein unverrückbarer Umstand, der unsere Identität als Verein seit Anbeginn ausmacht und definiert.

  • Geschlossen/Chiuso: Der alte Club schließt endgültig Fenster und Türen. Foto: Patrick Schwienbacher

Sehr spannend zu sehen, wie aus dem Verein für ein Jugend- Kommunikationszentrum in der Schillerstraße, dann in den Lauben und später in der Passeiergasse, sich dieser zum Ost-West-Club entwickelte. Der Verein aus wenigen Outsidern mit der Vereinszeitung "Out" hat sich professionalisiert und ist nun etabliert.
Kobler hat recht. All diese Entwicklungen des oft totgesagten Vereins wären ohne Resilienz, Widerständigkeit und Zähigkeit über all die Jahrzehnte wohl kaum vorstellbar.
Ad multos annos. Auf viele Jahre!

So., 05.05.2024 - 07:02 Permalink