Politik | EU-Wahl

Gesetzesbrecher VOG

Die Spitze des Verbandes der Südtiroler Obstgenossenschaften (VOG) macht Wahlwerbung für den SVP-Kandidaten Herbert Dorfmann. Ein klarer Gesetzesverstoß.
VOG
Foto: Messe Bozen/Helmuth Rier
  • Der Bauer tut, was er will.
    Nur so kann man das beschreiben, was der Verband der Südtiroler Obstgenossenschaften“ (VOG) anlässlich der EU-Wahlen nicht zum ersten Mal aufführt. „In Südtirol haben Verbände wie der VOG noch immer nicht den Unterschied zwischen dem berechtigten Stellen von politischen Forderungen und offener Wahlwerbung verstanden“, ärgert sich der Landtagsabgeordnete und Bauer Andreas Leiter Reber.
    Tatsache ist, dass die größte Erzeugerorganisation des Landes mit einem Jahresumsatz von rund einer halben Milliarde Euro bewusst und ohne mit der Wimper zu zucken, einen Gesetzesverstoß begeht, in dem man verbotene Wahlwerbung für einen Kandidaten macht. 
    Arroganter, selbstherrlicher und unfairer geht es wohl kaum mehr.

  • Kösslers Wahlempfehlung

    Das Schreiben, auf dem offiziellen VOG-Briefpapier ist datiert mit „Terlan, im Juni 2024“. Es es geht an Hunderte Genossenschaftsmitglieder in Südtirol. Der Betreff: Betreff: „Europawahlen 2024“. 

  • Der Brief des VOG-Obmanns: Wahlwerbung für Herbert Dorfmann. Foto: SALTO
  • Was dann folgt ist eine Wahlempfehlung für Herbert Dorfmann. Ausgesprochen von VOG-Obmann Georg Kössler, der den Brief aber auch  im Namen des gesamten Verwaltungsrates des Verbandes unterzeichnet.

    Kössler schreibt:

    „Die Europäische Union hat eine große Bedeutung in allen Bereichen unseres täglichen Lebens. Das gilt besonders für unseren Alltag in der Landwirtschaft. Vieles, was auf EU-Ebene beschlossen und durchgeführt wird, bestimmt in der Folge die allgemeine Landwirtschaftspolitik. 
    Am Samstag, 8. und Sonntag, 9. Juni finden die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Mit der Teilnahme an der Wahl haben wir die Möglichkeit, mitzubestimmen, dass die Belange der Landwirtschaft auch in den nächsten fünf Jahren angemessen vertreten werden.

     

    „Machen wir von unserem Wahlrecht Gebrauch und geben unserem bewährten Europaparlamentarier Herbert Dorfmann das Mandat.“

     

    Machen wir von unserem Wahlrecht Gebrauch und geben unserem bewährten Europaparlamentarier Herbert Dorfmann das Mandat, damit er sich weiterhin zuverlässig und kompetent für die Anliegen der Südtiroler Obstwirtschaft einsetzen kann.“

    Eine bessere Wahlwerbung kann sich der EU-Kandidat der SVP wohl kaum wünschen.

  • Gesetzliches Verbot

    Dieses Schreiben ist aber nicht nur politisch brisant. Sondern es ist auch ein klarer und augenscheinlicher Gesetzesverstoß.
    Denn im Südtiroler Wahlgesetz (Regionalgesetz vom 13. August 1998, Nr.7) heißt es unter dem Titel „Wahlwerbung von Verbänden, Vereinigungen und Gewerkschaften“ unmissverständlich:

    „Verbänden, Vereinigungen und Gewerkschaften, die gemeinnützigen Charakter haben, die Begünstigungen der Volontariatsbestimmungen in Anspruch nehmen, Patronatsdienste leisten oder in irgendeiner Form Mittel aus den öffentlichen Haushalten erhalten, ist ab dem sechzigsten Tag vor jenem, der dem für die Wahlen des Regionalrates festgelegten Tag vorausgeht, jegliche Werbetätigkeit für Kandidaten und für Parteien verboten.“

    Konkret ist hier zwar nur von der Regionalratswahl die Rede, die Bestimmung wird aber auch für die Landtagswahlen angewandt. Die Logik und das Rechtsverständnis besagen deshalb, dass sie zumindest in Südtirol für alle Wahlen gelten muss.

  • Die Beiträge

    Es muss dazugesagt werden, dass die VOG seit mehreren Jahren keine Landesbeiträge mehr erhält. Das hat der ehemalige Landesrat für Landwirtschaft, Arnold Schuler, im Landtag auf mehrere Anfragen hin mitgeteilt. So wollten die Grünen und die Südtiroler Freiheit in Erfahrung bringen, welche Beiträge der mächtige Verband bekommt. Die Antwort: Die VOG bekommt keine Landesbeiträge.
    Es ist ein Antwort, die nur zum Teil stimmt. Denn die Tochtergesellschaft „VOG Products Landwirtschaftliche Genossenschaft“, erhält jährlich sehr wohl Landesbeiträge. Aber auch bei der VOG selbst hat sich das inzwischen geändert. So hat der Erzeugerverband per Dekret am 20. Februar 2024 von der Familienagentur des Landes 9.831,78 Euro an Landesbeitrag zugesprochen bekommen.

  • VOG-Sitz in Terlan: Über 18 Millionen Euro an EU-Beiträgen jährlich. Foto: Stuga
  • Dass die VOG aber öffentliche Millionenbeiträge genau aus jenem Bereich erhält, für den Sie jetzt einseitige Wahlwerbung macht, wird aus einem Blick auf die EU-Beiträge deutlich.
    Die VOG erhält jährlich EU-Förderungen über das Operationelle Programm im Sinne der EU-VO 1308/13. Diese Beiträge werden über die staatliche Agentur für die Landwirtschaftsförderung AGEA ausgezahlt und werden hauptsächlich für Investitionen, Umweltmaßnahmen, Personalkosten und Dienstleistungen zur Absatzförderung zugesprochen. Die Beiträge werden dabei anhand des Umsatzes errechnet. 
    So fließt für die VOG aber auch die Vinschger Erzeugerorganisation VIP viel Geld. Die VOG erhielt bereits im Jahr 2017 17,7 Millionen Euro aus diesem Fördertopf. Inzwischen sind diese Beiträge bei der VOG noch einmal angestiegen.
    Demnach erhält die Erzeugerorganisation eindeutig „Beiträge aus öffentlichen Haushalten“.

  • Fehlende Strafen

    Dass Georg Kössler und die VOG sich um diese gesetzlichen Vorgaben kurzerhand scheren, liegt an einer Absurdität. Im Wahlgesetz sind keinerlei Sanktionen vorgesehen. 
    Es waren die Südtiroler Grünen, die mit einem Gesetzentwurf 2018 solche Strafzahlungen für Verbände einführen wollten, die offenen Wahlwerbung machen. Der Plan: Diesen Verbänden sollten die Beiträge gestrichen werden. 

  • Kritiker Andreas Leiter-Reber: „Es fehlt uns nach wie vor an demokratiepolitischer Bildung und Reife.“ Foto: Seehauserfoto
  • Doch die SVP stimmte den Vorschlag bereits im Gesetzesausschuss im Landtag nieder. Somit bleibt bis heute die Absurdität aufrecht, dass es zwar ein Wahlwerbeverbot gibt, aber keine Sanktionen.

    „Die SVP hat im Landtag die Einführung von Sanktionen verhindert. Das macht den Kössler-Werbebrief für Dorfmann erst möglich.“

    Das macht den Kössler-Werbebrief für Dorfmann erst möglich.
    Andreas Leiter Reber nimmt aber nicht nur die Verbandsführung in die Pflicht, sondern auch die Mitglieder der Genossenschaften. „Offen eine Gesetzeswidrigkeit zu begehen und damit den Verband samt seiner Mitglieder zu einer Vorfeldorganisationen zu degradieren, können sich Verbandsobleute wie Kössler nur deshalb leisten,“, sagt der freie Landtagsabgeordnete,  „weil ihre Mitglieder wohl nicht anders ticken, wie die meisten Südtiroler und das alles tolerieren. Es fehlt uns nach wie vor an  demokratiepolitischer Bildung und Reife.

  • Update:

    Im ursprünglichen Artikel hat sich ein Fehler eingeschlichen. Es wurde ein Foto abgedruckt, das den Sitz der VOG Products und nicht jenen der VOG zeigt. 
    Zudem legt die VOG Products Wert auf die Richtigstellung, dass „VOG Products keine Tochtergesellschaft von VOG“ ist und „ kein Zusammenhang zwischen VOG Products und dem Schreiben des VOG besteht“.

    Tatsache ist, dass die VOG Products den beiden Erzeugerorganisationen VOG und VIP sowie weiteren 17 Südtiroler Obstgenossenschaften gehört. Außerdem sitzt VOG-Präsident Georg Kössler im Verwaltungsrat der VOG Products und umgekehrt der Verwaltungsratspräsident der VOG Products Johannes Runggaldier im Verwaltungsrat der VOG.

    Aber natürlich hat das eine mit anderen nichts zu tun.

    Christoph Franceschini

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Salto User
Cicero Di., 04.06.2024 - 14:30

Ich würde das ganze Thema nicht so hoch hängen. Ist der Brief ein äußerst plumper Versuch Wahlwerbung zu machen? Ja, definitiv! Verstößt man damit gegen ein anscheinend sanktionsloses Gesetz? Laut Einschätzung von Franceschini, die wohl stimmen wird, auf jeden Fall. Aber wenn die letzten Landtagswahlen etwas gezeigt haben, dann das Verbandskandidaten, so stark sie auch beworben wurden, meist schlecht bis sehr schlecht abgeschnitten haben. Im konkreten Fall denke ich auch, dass sich die VOG Bauern nicht wirklich in ihrer Wahlentscheidung von einem Brief des Obmanns umstimmen lassen. Wir sind nicht mehr im Jahr 1984. In 2024 ist die Südtiroler Bevölkerung definitiv weiter. Ich würde die Aussage von Leiter Reber also umdrehen. Die Südtiroler Bevölkerung toleriert diese Schreiben nicht, weil es uns an demokratiepolitischer Bildung und Reife fehlt. Gerade weil wir diese haben lässt man so etwas unkommentiert ins Leere laufen und lacht bestenfalls über den unbeholfenen Versuch.

Di., 04.06.2024 - 14:30 Permalink
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Profil für Benutzer Manfred Klotz
Manfred Klotz Di., 04.06.2024 - 15:58

Diesen Passus "Konkret ist hier zwar nur von der Regionalratswahl die Rede, die Bestimmung wird aber auch für die Landtagswahlen angewandt. Die Logik und das Rechtsverständnis besagen deshalb, dass sie zumindest in Südtirol für alle Wahlen gelten muss" verstehe ich nicht. Er ist eigentlich falsch. Seit der Verfassungsreform wird der Regionalrat ja nicht mehr direkt gewählt. Die Wahl fällt praktisch mit der Wahl der beiden Landtage von Bozen und Trient zusammen. Klar, dass die Bestimmung für die Landtagswahlen angewandt wird, es wird ja nur der gewählt. Davon eine Gültigkeit für alle Wahlen in Südtirol abzuleiten, finde ich weit hergeholt.

Di., 04.06.2024 - 15:58 Permalink
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Klemens Riegler Do., 06.06.2024 - 22:05

Antwort auf von Manfred Klotz

Zustimmung, denn das Regionalgesetz regelt in diesem Sinne Landtags- und Regionalwahlen. Also keine EU- oder Parlamentswahlen. Letztere sind ja auch eigens geregelt und gelten auch nicht für Landtagswahlen. Es wäre also in der Tat an der Zeit näher hinzuschauen ob es womöglich im EU-Wahlgesetz irgendwas gibt, was solche "Wahlwerbung" verbietet. Wobei hier leider wieder die staatlichen Wahlgesetze gelten dürften ?!?
Vielleicht wäre das eine Aufgabe für den alten und neuen Südtirol-Vertreter Dorfmann: einheitliches Wahlwerbungsgesetz für EU-Wahlen

Do., 06.06.2024 - 22:05 Permalink
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Salto User
nobody Di., 04.06.2024 - 21:26

Die VOG-Spitze möchte den Dorfmann wieder drin haben. Bei den Bauern wär ich mir da nicht so sicher. Bin schon gespannt auf das Wahlergebnis. Bis jetzt verspüre ich keinen Drang, zu dieser Wahl zu gehen. Die Idee eines vereinten Europa ist faszinierend, bin aber nicht überzeugt, dass wir alle ehemaligen Ostblockländer inkl. Türkei dabei haben müssen. Bei der Sicherung der Außengrenzen und bei der gemeinsamen Verteidigung hapert es gewaltig. Was hat der normale Bürger davon? Die oberen Zehntausend profitieren von diesem System.

Di., 04.06.2024 - 21:26 Permalink
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Salto User
nobody Do., 06.06.2024 - 22:25

Der Glaube versetzt Berge. Wer glaubt wird selig. Leichtgläubig, gutgläubig, ... . Bin Bürger und nicht Politiker und deswegen schreib ich, was ich denke. Politiker und Parteifritzen sollten sich hier outen. Diese Parteiwerbung ist ja teilweise wirklich nervig.

Do., 06.06.2024 - 22:25 Permalink
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Profil für Benutzer Hartmuth Staffler
Hartmuth Staffler Do., 06.06.2024 - 23:02

Dass die Obstbauern, und nur an diese ist der Brief wohl gegangen, den Dorfmann wählen, ist wohl einleuchtend. Da hätte sich der Kössler auch die Kosten für die Briefkampagne sparen können. Selbstverständlich wollen die Obstbauern einen Vertreter in Brüssel, der sich für ihre Glyphosat-Spritzereien einsetzt. Sonst müssten sie ja wieder mühsam mulchen. Ein Grund mehr natürlich für alle Nicht-Obstbauern, den Dorfmann nicht zu wählen.

Do., 06.06.2024 - 23:02 Permalink