Wirtschaft | Reiseverhalten

Von den "unbeliebtesten Touristen der Welt"

Um Europa machen russische Urlauber derzeit einen Bogen. In Italien und Südtirol haben sich die Gäste aus Russland verdoppelt. Und sie buchen auch heuer zahlreich.

Die anti-russische Stimmung in Europa stößt dem hiesigen Tourismus bitter auf. Viele Russen verzichten aufgrund der angespannten Beziehungen zwischen EU und Russland derzeit auf ihren Urlaub in Europa. In Wien etwa, wo die Russen die drittwichtigste Urlaubergruppe darstellten, sind die Nächtigungszahlen der russischen Gäste seit Beginn der Ukraine-Krise und den EU-Sanktionen gegen Moskau stark zurück gegangen. Von Umsatzeinbußen bis zu 30 Prozent berichtet Die Presse.

"Die Russen sind sehr emotional. Wenn sie das Gefühl haben, irgendwo nicht gerne gesehen zu sein, beeinflusst dies das Reise- und Einkaufsverhalten", weiß ein Wiener Geschäftsmann.

Auch die Schweiz bekommt dies zu spüren: Ein Viertel weniger Touristen und Geschäftsleute aus Russland sind etwa im Mai angereist, so die NZZ.

Szenenwechsel: Rimini. In der Hochburg des adriatischen Massentourismus haben die russischen Touristen bereits 2013 die Deutschen zahlenmäßig überholt. An der Riviera hat man sich angepasst, ein russischsprachiges Webradio eingerichtet, Schilder und Menükarten auf Russisch gestaltet und Zeitungen in kyrillischer Schrift abonniert. Von eisiger Stimmung oder Spannungen nichts zu spüren, Buchungen und Flüge sind bestätigt. Es habe bisher noch keine Stornierungen gegeben, beteuert Emanuele Burioni, Direktor des Tourismusverbandes der Emilia Romagna.

Vorsichtshalber gibt man den russischen Gästen aber doch ein paar Benimmregeln mit auf den Weg. Der Managing Director des "Hotel Byron" (Toskana), Salvatore Madonna, und die in Italien lebende russische Künstlerin Ludmilla Radchenko haben ein To-Do-Video ausgearbeitet. Blickkontakt bei der Ankunft im Hotel und bitte keine High-Heels am Pool.

Immer mehr Russen entdecken auch Südtirol für sich. Laut Zahlen der SMG hat sich der Anteil russischer Touristen in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Ein "riesiges Potential für den Wintertourismus" stellen die Gäste aus dem Osten dar.

Durchschnittlich 170 Euro pro Kopf und Tag gibt ein russischer Tourist in seinem Italien-Urlaub aus, das sind ganze 65 Prozent mehr als andere ausländische Touristen.

Gerne quartieren sie sich vor allem in den Wintermonaten in den 4-5-Sterne-Betrieben unseres Landes ein, vorzugsweise in den Schitourismus-Hochburgen Gröden und Alta Badia. Und machen sich dabei zu den "unbeliebtesten Touristen der Welt".

Laut einer Umfrage eines deutschen Reiseveranstalters verbinden 65 Prozent der Deutschen ungute Erlebnisse mit den Russen im Urlaub, sie seien "unsympathisch", "zu unhöflich", "prassen zu viel", hätten "schlechte Manieren beim Essen".

Davon hat man im Trainingslager des Profi-Eishockeyclubs Vityaz nichts gespürt. Vom 12. bis 26. Juli war die Mannschaft, die in der zweitbesten Eishockeyliga der Welt spielt, in Brixen, um sich auf die kommende Saison vorzubereiten. Und die Organisatoren zeigen sich zufrieden, sie hoffen auf ein Wiedersehen mit den Russen und auf den Werbeeffekt in dem Land, in dem die Regierung die Bevölkerung seit Neuestem zu Ferien im eigenen Land aufruft. Und damit dem russischen Nationalstolz neuen Nährboden liefert.

Bild
Profil für Benutzer Willy Pöder
Willy Pöder Do., 07.08.2014 - 18:08

"Laut Zahlen der SMG hat sich der Anteil russischer Touristen in den letzten fünf Jahren verdoppelt", steht im Bericht darüber geschrieben. Die Aussage brächte nur dann wirklich was, falls die SMG die absoluten Zahlen gleich mitgeliefert hätte. Ohne diese zu kennen, besagt die "Verdoppelung" überhaupt nichts. Eine solche läge nämlich auch schon von eins auf zwei vor. Salüsc.

Do., 07.08.2014 - 18:08 Permalink