Politik | Kultur

„Was die Menschen ausmacht“

Sollte es in Südtirol einen Kulturplan geben? Ja, sagt Zeno Oberkofler. Der Landtagsabgeornete der Grünen bringt demnächst mehrere Anträge in den Landtag ein, die den Stellenwert der Kunst- und Kulturschaffenden unterstreichen sollen.
Zeno Oberkofler
Foto: Gruppo Verde
  • In Südtirol ist ein bedeutender Gesetzesentwurf zur Zusatzrente für Kunst- und Kulturschaffende in Planung. Verantwortlich dafür zeichnen Zeno Oberkofler, Landtagsabgeordneter der Grünen, und SVP-Landesrat Philipp Achammer, zuständig für den Bereich Kunst und Kultur. Wie Oberkofler SALTO gegenüber erklärt, arbeite er zudem an einer Anfrage zur Verbesserung des Fair-Pay-Gaps in der Künstlerszene. Weiters fordert er eine bessere Förderung der Jugend- und Nachtkultur. Diese benötige dringend eine geregelte Unterstützung.

     

    „Kunst und Kultur erinnern uns daran, was wirklich wichtig ist im Leben.“

     

    „Kunst und Kultur brauchen mehr Wertschätzung!“, unterstreicht Oberkofler die essenzielle Bedeutung von Kunst und Kultur für die Gesellschaft. Er beschreibt den Lebensweg von Künstlern als intensiv und oft prekär, geprägt von harter Arbeit, Unterbezahlung und schwierigen Machtdynamiken. Kontinuierliches Lernen und Verbessern seien ein notwendiger Teil der Arbeit und sehr zeitaufwändig.

    Oberkofler appelliert an die Gesellschaft, ein größeres Bewusstsein für die Arbeit hinter künstlerischen Aufführungen zu entwickeln und die Unterstützung für Kunst- und Kulturschaffende zu verstärken. Kunst und Kultur seien essenzielle Bereiche des Austauschs, der Entspannung und der Persönlichkeitsentwicklung, besonders in einer gewinnorientierten Welt. „Kunst und Kultur erinnern uns daran, was wirklich wichtig ist im Leben: Schönheit, Zusammengehörigkeit und Menschlichkeit. Sie zeigen uns, was den Menschen ausmacht“, sagt Oberkofler. Er fordert die Politik auf, die Arbeitsbedingungen für Künstler zu verbessern und das Bewusstsein für Kunst und Kultur in der Gesellschaft zu stärken.

  • Neue Maßnahmen für Zusatzrenten

    Zeno Oberkofler: „Die Erhöhung der Zusatzrente ist ein wichtiger Schritt, um Altersarmut bei Kunst- und Kulturschaffenden vorzubeugen.“ Foto: Seehauserfoto

    Im eingangs erwähnten Gesetzesentwurf soll eine finanzielle Absicherung von Kunst- und Kulturschaffenden durch eine erhöhte Zusatzrente vorgesehen werden. Dieses Modell funktioniert momentan so, dass bei einer Einzahlung von 500 Euro in einen offenen Pensionsfonds die Region weitere 500 Euro beisteuert, wodurch jährlich insgesamt 1.000 Euro in die Zusatzrente fließen. Der neue Gesetzentwurf sieht eine Verdopplung dieses Beitrags vor, sodass bis zu 1.000 Euro jährlich in die Zusatzrente eingezahlt werden können, wobei die Region dann ebenfalls 1.000 Euro beisteuern soll. „Diese Maßnahme soll die Attraktivität und Nutzung der Zusatzrente erhöhen“, erläutert Oberkofler.

     

    Es ist unbedingt notwendig, dass die öffentliche Hand versucht, auch für die Rentenvorsorge Kunst- und Kulturschaffende zu unterstützen.“

     

    Ein weiterer zentraler Punkt des Entwurfs ist die Anhebung der Einkommenshöchstgrenze für den Zugang zur Zusatzrente von bisher 35.000 Euro brutto jährlich auf 45.000 Euro. Dies soll den schwankenden Einkommen von Künstlern gerecht werden, die in Jahren mit vielen Projekten höhere Einnahmen erzielen und in anderen Jahren weniger verdienen. „Es dient als Anreiz, um  Kunstschaffende dazu zu motivieren, eine Zusatzrentenversicherung abzuschließen, und somit Altersarmut vorzubeugen”, betont Oberkofler.

    Oberkofler sieht gute Chancen für eine Zustimmung zu dieser Initiative: „Der Gesetzentwurf soll voraussichtlich im Herbst im Regionalrat diskutiert und wahrscheinlich noch in diesem Jahr beschlossen werden.“ Dazu bedarf es aber vor allem an Unterstützung von Seiten der Politik: „Es ist unbedingt notwendig, dass die öffentliche Hand versucht, auch für die Rentenvorsorge Kunst- und Kulturschaffende zu unterstützen.“

  • Fair-Pay-Gap

    Unterschiedliche Realitäten: Die verschiedenen künstlerischen Disziplinen existieren in unterschiedlichen Realitäten, wodurch ein wesentlicher Unterschied entstanden ist. Foto: Foto von David Yu: (pexels)

    Inspiriert von einem österreichischen Fairnessprozess, in dem Künstler um ihre Rechte, den Erhalt der Kunst und Kultur sowie eine Veränderung der bisherigen nicht tragfähigen Strukturen kämpfen, arbeitete Oberkofler an einer Anfrage zum Fair-Pay-Gap in Südtirol. Dabei gehe es vor allem darum zu klären, wie in Südtirol Grundregeln etabliert werden könnten, die eine ungerechte Bezahlung, Machtmissbrauch, sexuelle Belästigung und andere Probleme vermindern könnten. In Zusammenarbeit mit PERFAS, der „Performing Artists Association South Tyrol“, wurde die Fair Pay-Initiative in Südtirol ins Leben gerufen.

     

     „Dieser Unterschied existiert in Südtirol auch zwischen der deutschen und italienischen Kulturinstitution.“

     

    Unterschiedliche Realitäten der Branchen führen zu einem Fair-Pay-Gap zwischen den künstlerischen Disziplinen. „Dieser Unterschied existiert in Südtirol auch zwischen der deutschen und italienischen Kulturinstitution“, betont Oberkofler. Die deutsche Kulturinstitution habe den Prozess zur Verminderung des Fair-Pay-Gaps bereits gestartet und einiges vorangebracht, wohingegen in der italienischen weniger verändert worden sei. Dadurch seien die Unterschiede in der Bezahlung zwischen den Kulturinstitutionen immer auffallender geworden. Oberkofler merkt dazu an: „Das ist ein Problem. Der Sinn meiner Anfrage an den Landesrat ist es, herauszufinden, ob dieser Gap ausgeglichen werden soll, um auch in der italienischen Kultur Fair-Pay voranzubringen.“ Die sprachliche Trennung zwischen den Gruppen führe zu wesentlichen und konkreten Unterschieden. „Es ist schwierig, wenn man sagt, die Italiener kümmern sich um die italienische Kultur und die Deutschen um die deutsche Kultur. Im Gegenteil, es wäre eine Chance, von beiden Welten das Beste herauszuholen“, so Oberkofler weiter.

  • „Ein Landesjugendkulturplan“

    Der NOI Techpark: Die Events des NOI sind ein wesentlicher Beitrag, um Raum für Kunst und Kultur zu schaffen. Foto: Fanni Fazekas

    In Städten wird die Jugend- und Nachtkultur sowie Subkultur teilweise blockiert, weil man ihre Bedeutung für die Gesellschaft und die jungen Menschen nicht versteht und die Interessen der Anrainer im Konflikt stehen“, erklärt Oberkofler. Junge Menschen benötigen Orte, an denen sie sich treffen, austauschen, Spaß haben und laut sein können. Dies sei wesentlich, um Jugendkriminalität und -gewalt vorzubeugen, da Jugendliche Räume zur Entfaltung und zum Ausdruck benötigen.

    Trotz dieser Schwierigkeiten gibt es positive Entwicklungen. Initiativen wie das NOI, das Sommerveranstaltungen wie den Aperitivo Lungo organisiert, oder der neu wiedereröffnete Ost-West-Club seien bedeutende Errungenschaften für die Kulturszene. Dennoch gibt es einen Mangel an Möglichkeiten und Orten, an denen sich die Nacht- und Jugendkultur entfalten kann. 

     

    Die Arbeit der Kulturinitiativen ist wichtig, und wir als Landespolitik müssen sie unterstützen.“

     

    Daher bereitet Oberkofler einen Beschlussantrag für den Landtag vor, der einen Plan für Jugend- und Nachtkultur beinhaltet. „Wir brauchen einen Landesjugendkulturplan, ähnlich dem Landessozial- oder Landesklimaplan. Das Land muss ein Zeichen setzen, dass Jugend- und Nachtkultur für uns als Gesellschaft und Politik wichtig sind“, betont der Grüne Abgeordnete. Ziel sei es, mehr Treffpunkte zu schaffen, die Genehmigungsverfahren für Veranstaltungen zu verbessern und sicherzustellen, dass Events nicht in letzter Minute abgesagt werden können. 

    Ein solcher Plan soll gemeinsam mit Stakeholdern und Akteuren der Szene erarbeitet werden, um den Initiativen Sichtbarkeit und Unterstützung zu bieten. „Die Arbeit der Kulturinitiativen ist wichtig, und wir als Landespolitik müssen sie unterstützen“, fügt Oberkofler hinzu. Dies umfasst auch die Frage, wie man mit Lärmbelästigungen und anderen Konflikten umgehen kann. Insgesamt bleibe die Balance zwischen den Bedürfnissen der Anwohner und den Ansprüchen der Jugend eine Herausforderung, die nur durch gemeinsames Engagement und klare Richtlinien bewältigt werden könne. Ein Beispiel für eine mögliche Lösung sei die Einführung eines Nachtbürgermeisters, wie es in Trient oder Bologna praktiziert wird. Diese Figur sammelt Anliegen, vermittelt zwischen Interessengruppen und hilft, praktikable Lösungen zu finden. „Natürlich werden Probleme nicht vollständig verschwinden, aber es ist möglich, einige Verbesserungen zu erreichen“, so Oberkofler abschließend.