Das Fluide und Ausfransende
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„Die ganze Welt ist eine Bühne und alle Frauen und Männer bloße Spieler. Sie treten auf und gehen wieder ab, sein Leben lang spielt einer manche Rollen.“, so wusste schon Shakespeare in seiner Komödie „Wie es euch gefällt“ die Welt zu beschreiben. Dabei dürfte es nicht in erster Linie - sehr wohl aber unter anderem und im weiteren Sinne - um Geschlechterrollen gegangen sein, aber der Satz passt auch gut zur zehnten Ausgabe der Summer School Südtirol, die sich unter dem Motto „Geschlechter werden & wieder loswerden | Quale Genre? Generi in Camino“ gestern Abend auf den Weg gemacht hat. Entlang der Strecke beim ersten Teilabschnitt zeigt sich dabei auch, wieviel wir von anderen - auch gänzlich anderen - Lebensrealitäten lernen können.
Auf dem Programm stand nach Grußworten von Leo Andergassen, Direktor von Schloss Velthurns (der zusicherte, dass auch das derzeit regenbogenfarben-dekorierte Schloss nächstes Jahr in die Initiative Museums x Pride, aufgenommen werden wird), der Vorsitzende im Bildungsausschuss Feldthurns, ebensolchen von Mariano Paris (inklusive „AI-Gedichten“ auf Deutsch und Italienisch), sowie Anna Heiss im Namen des Summerschool-Teams mit vielen Danksagungen, zuerst die Rede von Maxi Obexer.
Die Eröffnungsrede der Theater- und Romanschriftstellerin, die künstlerische Leiterin und Gründerin der Summer School in einem ist, stellte Obexer unter den Titel: „Wohin zielt die Diffamierung des Queeren?“. Ausgehend von der Jugendzeit im Dorf, wo sie beim Hexensessel, einer natürlichen Formation auf Felsblöcken und Kiefern von Hexenversammlungen als Kind, als Jugendliche von der Hexenverschwörung des „Macbeth“ träumte, erinnerte sich Obexer an die einzige nicht mit den großen Kategorien „Männlich“ und „Weiblich“ zu fassende Person im Dorf. Mit „ Kordhosen mit Schlag mit Klappe vorne am Schritt“, kariertem Hemd, braunem Lockenkopf und einer Zigarette im Mund. Sie - als „Person“ von Maxi Obexer im grammatikalisch weiblichem Geschlecht gefasst - war ein Mann, sie verschwand eines Tages, ohne dass der Autorin der weitere Lebensweg oder Namen der Person bekannt wäre. „Den Jungs war sie zu sehr Frau, den Frauen war sie zu sehr Mann“, fasst Obexer zusammen, warum diese Person im Dorf totgeschwiegen wurde.
Heute, wo ein Verständnis der Geschlechter mehr als Positionierung auf einem Spektrum, denn eine Zuschreibung zu einem von zwei statischen, altehrwürdigen Geschlechtspolen entgegentritt, wird diese Auffassung gerne auch zur Projektion von Ängsten missbraucht. Maxi Obexer sieht darin eher Chancen zu lernen und den eigenen Horizont zu erweitern. Etwa am Beispiel der Wissenschaftlerin Ursula LeBlanc, die sich fragt, ob nicht der Beutel - statt Feuer und Faustkeil - vielleicht die erste Erfindung der Menschheit war. Eine Vervollständigung des Kanons durch vermehrt auch weibliche Positionen wünscht sich die Autorin nicht nur auf dem Dorf und in der Menschheitsgeschichte, sondern gerade auch in der (Theater-)Literatur und erinnert daran, dass das „Canceln, noch bevor es zum Vorwurf an die Woken gemacht wurde“ bereits zur Unterdrückung weiblicher und marginalisierter Perspektiven gebraucht wurde. Etwa mit dem, vor allem jungen Mädchen angedrohten Satz: „Wenn du nicht aufhörst zu spinnen, dann kommst du nach Pergine.“
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Auch greift die Autorin der Frage, was denn nun Tiere mit Geschlechter-Identitäten zu tun hätten, vorweg und weist darauf hin, dass das Studienfeld der Human Animal Studies seinen Ausgang bei den Gender Studies hatte und einen analogen Blick auf die Mensch-Tier-Beziehung wirft. Nachdem Maxi Obexer mit der sogenannten „Transvestigation“ und Online-Hasskampagne gegen die Algerische Goldolympionikin Imane Khelif aufgeräumt hatte, die obwohl sie bei ihrer Geburt dem weiblichen Geschlecht zugeordnet wurde, mit den Unterstellungen ein „biologischer Mann“ zu sein konfrontiert wurde. Den Tieren ist dies egal. Alexander Graeff nahm sich daher mit seiner Rede „Tentakel ausbilden. Ein Plädoyer für ein queeres Denken und Handeln“ tierische Vorbilder in Oktopus und Schwamm.
Alexander Graeff, Schriftsteller und Philosoph sprach von seinen Erfahrungen der Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit in queeren Kreisen, etwa wenn er auf der Straße zusammen mit einer „weiblich gelesenen Person“ gesehen wird und das Gerücht der Heterosexualität und einer geheimen Familie samt Kindern im Umlauf ist. Graeff ist geoutet bisexuell und spricht, ausgehend vom Vorwurf, in seinen Ausführungen oft „zu schwammig zu sein“, darüber, wie Schwämme uns ein Vorbild sein können. In dieser aufgezwungenen Dualität zwischen der Inneren Sexualität, die Graeff nicht getrennt sondern als verbunden erlebt, die ihn zu Geschlechtern gleich und verschieden zum eigenen sieht und der Zuschreibung von außen, die ihn als hetero- oder homosexuell frankiert und selten als Bisexuellen wahrnehmbar sieht. Alexander Graeff fühlt sich zum „Fluiden und Ausfransenden“ hingezogen.
Erica Fischer (als Vertretung für die erkrankte Sabine Scholl eingesprungen), Autorin und Schriftstellerin mit Wohnsitz in Barcelona, fragte sich zuerst, nachdem Summer School Stipendiatin Lena Simonetti ihren Landesmeister:innenschafts-Qualifikations-„Tuffo“ mit mehr Zeit und Französisch wiederholt hatte, was sie zum Thema Geschlechter beizutragen hätte. „Spät lieben gelernt. Mein Leben“ ist ein Geschenk der Autorin an sich selbst. Zum 80. Geburtstag 2023 erschien der Band mit autobiografischen Essays im Berlin Verlag („Eigentlich hätte es ja ‚Nicht lieben gelernt‘ heißen sollen, aber in Deutschland sind alle so harmoniebedürftig…“)
Aus dem Vortrag heraus ergaben sich dann jedoch spannende Parallelen in den doch eher verschiedenen Leben von Fischer und Graeff. Gemeinsam ist ihnen nicht nur der Wunsch, gesehen zu werden sondern auch die Erkenntnis, dass man Geschlechter - etwa im Alter - auch wieder loswerden kann. Wie bei Graeff sind dabei die Sicht von außen und die eigene Lebenswirklichkeit ausgesprochen ungleich. Nicht nur die eigene, erlebte Unsichtbarwerdung nach den Wechseljahren kommentiert Fischer scharf, sondern auch etwa jene von Schauspielerinnen: Eine Studie an 2000 Filmen machte aus, dass die Redezeit weiblicher Schauspielerinnen ab 40 im Schnitt abnimmt und bei männlichen Schauspielern dagegen zunimmt. „Am liebsten wird Frauen also zugehört, wenn sie noch gar nicht so viel zu sagen haben.“, kritisiert Fischer scharf.
Ausklingen ließ man den Abend anschließend im kühlen Freien, wo neben Gesprächen mit Pizza und Wein gelockt wurde.
Die Summerschool geht weiter, neben den Textwerkstätten auch heute wieder mit Vorträgen, diesmal rund um das Themenfeld der Intersektionailtät, der Überschneidung und Durchdringung von verschiedenen Studienfeldern. Der Eintritt ist frei, Voranmelden braucht man sich nicht.
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Zitat: “... sondern auch die…
Zitat: “... sondern auch die Erkenntnis, dass man Geschlechter - etwa im Alter - auch wieder loswerden kann...”:
ach? ... und wie werden Sie Ihr biologisches Geschlecht, mit dem Sie als Säugetier (spezies homo sapiens) geboren worden sind wie dies seit 100.000den von Jahren geschieht, plötzlich “wieder los”?
Sie haben immer ein Geschlecht, ja, auch Sie:
zu 90 - 95 % ist ihr Geschlecht bei der Geburt sonnenklar (nicht “zugewiesen”, sondern manifest, empirisch festgestellt; es ist wie es ist), dann gibt es wie immer bei allem Natürlichen einige wenige Ausnahmen mit männlichen Geschlechtsorganen und weiblicher Prägung bzw. weiblichen Geschlechtsorganen und männlicher Prägung und einige ganzganz wenige Zwitterwesen.
Man muss da wirklich etwas die Kirche im Dorf lassen und darf den Boden des Tatsächlichen nicht verlassen: beim Menschen werden, wie bei allen Säugetieren, zwei körperlich differenzierbare Geschlechter mit sichtbarem Geschlechtsdimorphismus unterschieden - so das gesicherte biologische Wissen.
Was dann jemand SEIN MÖCHTE, weil er sich das so vorstellt, ist eine andere und individuelle und private Angelegenheit, so meine Sicht auf die Thematik.
Wurde auch die…
Wurde auch die Querverbindung von "affirmative action" und dem Thema hergestellt?
MInderheiten genießen heute besonderen Schutz und sind etwas besonderes - sie sind eine bunte Bereicherung.
Nachdem wir die Hautfarbe nicht ändern können, ist die Änderung des Geschlechts und der sexuellen Ausrichtung ein elegantes Mittel, um aus der Gewöhnlichkeit auszubrechen und auch zu etwas Besonderem und Schützenswerten zu werden.
Heute werden Homosexuelle mit wenigen Ausnahmen als "normal" wahrgenommen. Paradoxer Weise gibt es eine Teilgruppe die diese Wahrnehmung als "normal" dann "fehlende Sichtbarkeit" nennt und als Diskriminierung umdeutet. Damit wären wir beim eingangs erwähnten Phänomen: Wem geht es wirklich nur darum, als normaler Teil der Gesellschaft wahrgenommen zu werden und wem geht es eher darum, etwas "Besonderes" zu sein? Die meisten Homosexuellen und Transsexuellen, die ich beruflich oder privat kenne, fallen in die erste Kategorie. Die meisten Homosexuellen und Transsexuellen, die ich aus Medien oder aus der Aktivistenszene kenne, ordne ich eher in die zweite Kategorie ein. Ich denke die zweite Kategorie ist die laute Minderheit und sollte entsprechend weniger Aufmerksamkeit bekommen.
Antwort auf Wurde auch die… von Oliver Hopfgartner
Ausnahmsweise sehen wir…
Ausnahmsweise sehen wir einen Sachverhalt mal konform - ich hatte denselben Gedanken.
Antwort auf Wurde auch die… von Oliver Hopfgartner
Wollte genau das Gleiche wie…
Wollte genau das Gleiche wie Hopfgartner schreiben. Danke.
Zum Thema Queerness und…
Zum Thema Queerness und Diskriminierung eine Doku, die unter die Haut geht:
https://www.arte.tv/de/videos/117258-000-A/sportlerinnen-zu-stark-um-fr…
Antwort auf Zum Thema Queerness und… von Elisabeth Garber
Das ist nicht Diskrimiierung…
Das ist nicht Diskrimiierung sondern Schutz für Frauen. Man kann ja auch die Unterteilung der Kategorien nach Männer und Frauen aufheben, aber dann ist es bis auf marginale Bereiche das Ende des Leistungssports für Frauen.
Diese Obsession mit dem sog. "Queeren" und der Androgynität sind das Verfallssyndrom einer Zivilisation.
Der Westen hat seine Strahlkraft verloren, weil niemand mehr glaubt, dass sich unsere Freiheiten und unser Wohlstand aufrecht erhalten lassen können.
Und dass wir junge Menschen verwirren und sie von ihrer Geschlechtlichkeit entfremden, wird auch nicht förderlich auf die Geburtenrate wirken.
Aha, zum ,Schutz für Frauen'…
Aha, zum ,Schutz für Frauen' (die es nicht ertragen können, zu verlieren, oder wie?). Ein seltener Stuss: Sie müssen als überheblich- patriarchaler Mann noch lernen, was Diskriminierung von Frauen bedeutet.
PS: Man kann nur hoffen, dass sie mit Schüler_innen ,gerechter' und toleranter umgehen, Herr Philosoph.
Antwort auf Aha, zum ,Schutz für Frauen'… von Elisabeth Garber
>Aha, zum ,Schutz für Frauen…
>Aha, zum ,Schutz für Frauen' (die es nicht ertragen können, zu verlieren, oder wie?). <
Das ist Misogyn und Ignorant. Dann kann man gleich den Frauensport aufgeben.
>Ein seltener Stuss: Sie müssen als überheblich- patriarchaler Mann noch lernen, was Diskriminierung von Frauen bedeutet.
PS: Man kann nur hoffen, dass sie mit Schüler_innen ,gerechter' und toleranter umgehen, Herr Philosoph.<
Das ist einfach nur peinlich.
Antwort auf >Aha, zum ,Schutz für Frauen… von gorgias
Nein, peinlich sind sie,…
Nein, peinlich sind sie, Herr Zelger.