Busbahnhof: eine Annäherung
Seit nunmehr über eineinhalb Jahre ist das Busbahnhofsareal ein heiß diskutiertes Thema in der Südtiroler Hauptstadt und scheint nun dem Ende entgegen zu kommen. Es geht um ein Kaufhaus oder ein Erlebnishaus, auf jeden Fall ein Haus, in dem man einkaufen kann und dann noch vieles mehr. Wie genau das alles in Realität dann ausschauen wird, davon kann man sich bis heute nur sehr schlecht ein Bild machen. Der mediale Krieg zwischen den beiden Projektteams verhindert eine sachliche Auseinandersetzung mit der Thematik. Der Verlierer bei dieser Diskussion ist der Bürger, für den diese Diskussion immer intransparenter und unverständlicher wird. Dies ist der Versuch, dem Areal auf einer anderen Ebene zu begegnen: die politischen und wirtschaftlichen Zwänge werden um der Sache Willen außen vor gelassen und der Text widmet sich mehr den tatsächlichen Rahmenbedingungen und den daraus entstehenden, realen Potentialen und wie diese sich in den Projekten der Bewerber wiederspiegeln.
Das Areal genießt seit je her einen vor allem etwas verruchten Ruf, dabei sind dessen Nachbarn berühmt: Der gegenüberliegende Landtag ist der etwas überambitionierte Auftakt zu einem Ensemble von Verwaltungsgebäuden. Der Bahnhof, Relikt aus dieser unrühmlichen faschistischen Zeit, ist ein Gebäude von hoher architektonischer Qualität mit starker Präsenz im Raum. Er prägt die Zone mehr als alle anderen benachbarten Gebäude. Direkt anschließend findet man die unüberwindbare Barriere der Bahnhofsgleise, die die Stadt zerschneiden. Auf der anderen Seite sind Südtiroler Straße und Julius-Perathoner-Straße durch Stadthäuser und Bürogebäude unterschiedlicher Bauzeiten und Qualitäten geprägt. Der Waltherplatz ist nur einen Katzensprung entfernt und doch hat man das Gefühl in eine andere Stadt zu reisen, sobald man das Busbahnhofsareal in diese Richtung verlassen hat. Folgt man aber der Gabribaldi-Straße Richtung Loreto-Brücke zeigt sich Bozen von seiner hässlichen Seite: Der Verdi-Platz ist eine einzige große Verkehrskreuzung, von Platz kann keine Rede sein.
Das Bahnhofsareal liegt somit zwischen stark unterschiedlichen Welten: Regierungsviertel im Westen, No-Name Bauten und überdimensionalen Verkehrsknoten im Osten, Bahnhof und Bahngleise im Süden und attraktiver Altstadt im Norden. Das Busbahnhofsgelände trägt seinen Teil zu dieser städtebaulich heterogenen Situation mit all seinen unterschiedlichen Nutzungen bei: Da ist zuallererst der unattraktive Bahnhofspark: Es ist weit und breit die einzige Grünzone. Die Bahnhofsallee jedoch, die den Bahnhof mit dem Waltherplatz verbindet, zerschneidet der Grün-Raum und macht ihn zu einem Durchzugsgebiet anstatt zu einem Aufenthalts-Raum. Gleich dahinter befindet sich ein architektonisches Monster: der Busbahnhof, der in seiner Ausformung und Durchlässigkeit eine Barriere darstellt, von einer architektonischen Qualität kann keine Rede sein. Im Norden schließt ein Wohnblock mit Büros und Geschäften an die J.-Perathoner-Straße an, im Süden befindet sich das leerstehende Hotel Alpi, sanierungsbedürftige Wohngebäude und die unattraktive, ehemalige Handelskammer zum Park hin.
Zusammenfassend kann man sagen, dass das Busbahnhofsareal in einem desolaten Zustand ist aber in einer vorteilhaften Lage zwischen Bahnhof und Altstadt liegt, sozusagen das Verbindungsglied darstellt, jedoch als solches nicht funktioniert. Es liegt nahe, dieses Areal aufzuwerten. Die teils unattraktiven angrenzenden Zonen wie Verdiplatz, Stadttheater und Garibaldi-Straße würden von einer Aufwertung des Busbahnhofareals aufgrund seiner Bindegliedfunktion direkt profitieren. Auf dem Areal selbst finden sich außer dem untergenutzten Parkflächen und den Wohngebäuden so ziemlich keine erhaltenswerten Strukturen, was einer integrierten Neuentwicklung des gesamten Areals zugutekommt. Niemandem in dieser Stadt ist aber das enorme Potential bewusst.
Doch dann kommt das Jahr 2010: die Stadt Bozen nähert sich behutsam dem Areal und nimmt es erst einmal mit in ihren neuen Masterplan auf. Dieser widmet sich den zahlreichen Problemstellen in der Stadt. Vom Großen ins Kleine wird versucht, ein ganzheitliches Konzept für Bozen zu erstellen, das sich den Richtlinien der ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Nachhaltigkeit verpflichtet. Der Plan ist der Versuch, der Stadt ein seit Jahrzehnten überfälliges Grünkonzept zu verordnen. Es ist ein interessanter Plan, der es wie nur wenige Masterpläne vermeidet, die Stadt mit neuen Großbauprojekten und einschneidenden, städtebaulichen Umstrukturierungen grundlegend zu verändern, sondern den Bestand der Stadt an markanten und wichtigen Stellen der Stadt zu stärken und die Potentiale der Stadt herauszuarbeiten, sozusagen Innenentwicklung vor Außenentwicklung stellt. Dieses Vorgehen ist bei einer wachsenden Stadt nicht selbstverständlich.
In diesem Masterplan kommt sowohl der Virgl als potentielles Naherholungsgebiet vor als auch das Busbahnhofareal mit Park. Und genau an dieser Stellen lassen sich einige Rahmenbedingungen für die Entwicklung dieser Zone ablesen: durch „Eine Chaussee durch den Bahnhofspark“ soll eine Verbindung von Bahnhofsvorplatz zu Südtiroler-Straße erfolgen. Eine komplette Überbauung des Areals scheint von der Stadt Bozen im Jahre 2010 nicht gewünscht zu sein, im Gegenteil, man will den öffentlichen Raum durch die neue Allee sogar eher vergrößern. Auf der anderen Seite versucht der Masterplan durch die Anordnung der neuen Baukörper den sich andeutenden Block im Süden zu schließen und durch die Verbindungen zu Südtiroler-Straße und Garibaldi-Straße vor allem die Durchlässigkeit und Offenheit des Areals zu stärken. Im Zuge dessen soll der Park auch aufgewertet werden. Alles in allem ein guter Ansatz, der zwar architektonisch und städtebaulich noch ziemlich ausbaufähig ist und viel Spielraum zulässt, jedoch auch Vorgaben und Ziele festlegt, die einer gänzlich willkürlichen Entwicklung Grenzen setzen soll.
Wir schreiben das Jahr 2014 und zwei Platzhirsche bekriegen sich nun medial um diese Entwicklungsfläche. Da ist René Benko, der David Chipperfield mit dem Entwurf für ein innerstädtisches Einkaufszentrums in Südtirol beauftragte. "Unten Kaufen und oben Wohnen" sind die Zugpferde des Konzepts, auf den dazugehörigen Bildern flanieren schöne Menschen in hellem Sonnenlicht durch die verheißungsvolle Zukunftsvision. Und wie das so oft bei so großen Neubauprojekten der Fall ist, war der Aufschrei groß. Vor allem lokale Handelsleute sahen in diesem Projekt eine große Gefahr für die heimische Wirtschaft. Und wer, wenn nicht Georg Oberrauch ergriff das Wort und gründete einen Gegen-Verein als Pendent zu Benkos „Kaufhaus Bozen“. Das „Erlebnishaus Südtirol“ stellte eilig zusammengeschusterte Perspektivbilder ins Netz um sich ins Spiel zu bringen. Später holte sich Oberrauch den Wiener Architekten Boris Podrecca ins Boot um aus einer Amateurzeichnung einen echten Entwurf machen zu lassen.
Es liegt nahe nun die Ziele des Masterplans mit den beiden Projekten zu vergleichen: Was bleibt von den Grundaussagen aus dem Masterplan und was haben die Architekten davon übernommen? Ist überhaupt einer der beiden Entwürfe als Lösung für die heterogene, städtebauliche Lage des Busbahnhofareals geeignet oder sind es auf die Bedürfnisse der Investoren zurechtgeschnittene Bauvolumen ohne Verbindung zum eigentlichen Charakter der Stadt Bozen?
Benko überbaut praktisch das ganze Areal, schottet es ab, anstatt es zu öffnen und fegt einen großen Teil des öffentlichen Raumes und des Bahnhofparks weg. Zwar schafft Chipperfield durch die gegenüberliegende Anordnung der Eingänge am Park, der Bahnhosallee als auch an der J.-Perathoner-Straße eine Durchläsigkeit. Diese ist jedoch als halböffentlicher Konsumraum zu bewerten, der heutzutage videoüberwacht wird und nur zu bestimmten Öffnungszeiten nutzbar ist. Dies bewirkt das Gegenteil davon, was die Gesellschaft als öffentlichen Raum wahrnimmt. Dennoch kann man dem Projekt zu Gute halten, dass es städtebaulich versucht, die Bestandsgebäude mit in das Konzept einzubeziehen. Es werden Plätze an den Haupteingängen geschaffen, die an der richtigen Stelle eine städtische Qualität ermöglichen. Der übrig gebliebene Park wird umgestaltet, die Bahnhofsallee aufgewertet.
Oberrauchs Gegenprojekt ist ein dreiarmiges Gebäude, das sich in die durch den Abbruch des Busbahnhofes frei werdenden Zonen hinein entwickelt. Es ist als Eyecatcher entworfen, was bedeutet, dass es für sich alleine stehen will und auf allen Seiten viel Raum braucht, um seine Präsenz zu entfalten. Dagegen sprechen die engen Platzverhältnisse zu den Nachbargebäuden im Süden. Das Ergebnis ist, dass das Erlebnishaus in keinster Weise auf seine umgebenden Bestandsgebäude reagiert.
Auch dieses Konzept beschneidet den Park, wenn auch nicht ganz so radikal. Podrecca legt die Haupteingänge an die Südtiroler-Straße auf der einen Seite sowie an die Bahnhofsallee und an den übrigen Park. Die restlichen Fassaden, obwohl anders entworfen, sind als Nebenfassaden oder auch als die berühmte Rückseite zu verstehen: sie liegen dermaßen nahe am Bestand, dass die Gebäude sich gegenseitig schwächen und keinen hochwertigen Aufenthaltsraum schaffen können, es werden dunkle, enge Gassen entstehen. Was mit dem leerstehenden Hotel Alpi passieren soll wird nicht beantwortet. Es werden keine städtebaulich prägenden Elemente wie Plätze und Freiräume gesetzt, der übrig gebliebene Park aber soll immerhin großzügig umgestaltet und aufgewertet werden.
Was dem Betrachter sofort auffällt sind die stark unterschiedlichen Fassaden-Gestaltungen der beiden Entwürfe. Chipperfields Fassade ist geradlinig, sehr zurückhaltend und sehr strikt. Regionale Identität sieht anders aus, jedoch haben diese Gebäudehüllen große Vorteile: gleichmäßig strukturierte Fassaden garantieren höchstmögliche Flexibilität daher eine gewisse Grundfunktionalität.
Podreccas Fassade ist auf den ersten Blick eine nicht nachvollziehbare Durchmischung verschiedener Baustile und auf den zweiten Blick auch noch ein unverständliches Sammelsurium aus unterschiedlichsten Materialien und Strukturen. Da wird eine Glasfassade im Erdgeschoss mit einer Strukturfassade im Obergeschoss gemischt. Oben drauf wird völlig zusammenhanglos eine Lochfassade gesetzt. Am Ende ist es eine Dreiteilung der Fassade, bei der jedes Teil für sich annehmbar wäre, übereinander gestapelt jedoch ein verstörendes, sehr unruhiges Bild ergibt, um es mit moderaten Worten zu umschreiben.
Wenn man sich nun den Masterplan wieder vor Augen führt, fällt auf, wie wenig sich beide Projekte mit dem Plan von 2010 auseinandersetzen. Der Masterplan plädiert für die Schaffung von neuen Verbindungen, deutet die Öffnung des Areals an und mahnt die Aufwertung des Parks an, ohne ihn zu beschneiden. Die beiden Projekte setzen fast kein Merkmal um, sie weisen wenig bis gar keinen Bezug zu ihrer Umgebung auf. Die Potentiale, das Areal als Bindeglied und Impulsgeber für die angrenzenden Gebiete zu nutzen und die vorhandenen Strukturen einzubinden, werden von beiden Entwürfen nicht ausreichend genutzt. Dabei wirkt Chipperfields Konzept wesentlich stimmiger und durchdachter, Podreccas Entwurf schafft es mit keinem einzigen Aspekt seines Entwurfes zu überzeugen.
Was bleibt am Ende?
Man könnte sich auf ein kurzes Gedankenspiel einlassen: Um dem Park aufzuwerten wäre es denkbar, die Bahnhofsallee für den Verkehr zu schließen und die Allee als Flaniermeile anzulegen. Die zwei getrennten Parkhälften würden zu einem zusammenhängenden Grünraum werden, der öffentliche und der individuelle Verkehr könnten über die Südtiroler Straße geleitet werden. Von dort könnte auch ein neuer Zugang zur Parkgarage in der Julius-Perathoner-Straße erfolgen. Durch Einbindung und Umnutzung des leerstehenden Hotel Alpi und der angrenzenden Gebäude als auch durch den Abriss des Busbahnhofes und der Gebäude, die direkt an den Park grenzen, könnte auf dem frei werdenden Areal ein Konzept erarbeitet werden, das mit einem städtischen Platz an der Südtiroler Straße Ecke Perathoner-Straße und an der Garibaldi-Straße die städtischen Qualitäten herausarbeitet. Auf der zum Park gewandten Seite nimmt das Gebäude seine Prägnanz zurück und weicht einem vielleicht sogar etwas größeren öffentlicher Grünraum. Was für Nutzungen in dieses Gebäude kommt, das sollen die Bürger und Gemeinde gemeinsam mit Fachplanern entscheiden. Ob es am Ende ein internationales Kaufhaus mit Hotel, Wohnungen und Büros entsteht oder ein vermeintlich regionales Erlebnishaus mit Wohnungen muss dabei völlig offen bleiben. Doch dies ist nur ein Gedankenspiel.
In der Realität könnte man sich doch einfach mehr Zeit geben und einen ordentlichen Wettbewerb organisieren, ähnlich wie für den Bahnhof Bozen. Aus den Rahmenbedingungen des Masterplans und zusätzlichen Festsetzungen, die der Stadtrat mit Hilfe von Architekten und Stadtplanern erarbeiten könnte, wäre die Grundlage für einen erfolgreichen Wettbewerb mit mehreren interessanten Entwürfe gegeben, die qualitativ ohne Zweifel die aktuellen Projekte in den Schatten stellen würden.
Immer mehr drängt sich die Frage auf, warum der Stadtrat, also die politischen Entscheidungsträger und Vertreter der Bevölkerung, sich keine Luft verschaffen konnte, um seine eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen. Warum lässt die Stadt Bozen einen Masterplan erarbeiten, wenn sie sich am Ende nicht an dessen Festsetzungen hält? Was mit diesem Areal passiert, steht und fällt mit der Kompetenz und dem Entscheidungswillen des Stadtrates und des Bürgermeisters. Sie müssen sich verantworten für das, was am Busbahnhosareals entwickelt wird. Den beiden Unternehmern kann man im Grunde keinen Vorwurf machen. Sie machen das, was ihrer Natur entspricht und suchen nach Möglichkeiten zu investieren. Dass dabei oft die Belange der Stadt und ihrer Bürger nicht berücksichtigt werden, nebenbei noch gestalterische Unfähigkeit und kurzfristiges Denken den Vorrang haben, kann man in anderen europäischen Städten bereits als gebaute Beispiele gut beobachten. Einkaufzentren wie das so genannte „Gerber“ in Stuttgart (http://www.das-gerber.de/bauprojekt/projekt.html) sind das Ergebnis einer Stadtpolitik, die sich von einer Investorenschaft nach der anderen überzeugen lässt und nun einen Konsumtempel nach dem anderen in der Stadt realisieren lässt.
Genau deswegen müssten die politischen Instanzen der Stadt wachsam sein und bereits im Vorfeld auf die zukünftigen Entwicklungsflächen der Stadt besonderes Augenmerk legen und sie in einen bindenden Maßnahmenplan einarbeiten, an den sich jeder, ob er nun René Benko oder Georg Oberrauch heißt, halten muss. Im Jahre 2o10 hat Bozen alles richtig gemacht. Der Masterplan war der erste Schritt in eine richtige Richtung. Und dann ignoriert man seine eigenen Errungenschaften plötzlich, lässt sich einwickeln von zwei Investoren, einer schlauer als der andere und beschliesst völlig willkürliche Rahmenbedingungen. Was für eine Enttäuschung.
Man hat richtig angefangen und macht falsch weiter. Falls sich Städte wie Bozen nicht selbst einige verbindliche Rahmenbedingungen für die Stadtentwicklung setzen, wird die Chance für eine langfristige und adäquate Aufwertung der Stadt für Jahrzehnte begraben. Investoren und Geschäftsleute können die Stadtentwicklung vorantreiben, können als Initialzündung agieren, um eine Entwicklung in die eine oder andere Richtung zu schieben. Welche Richtung aber eingeschlagen wird, muss die Stadtregierung vorgeben. Diese Entscheidung hängt wesentlich von dem ab, wie sich eine Stadt selbst definiert und nicht wie der Investor die Stadt definiert. Die Entscheidungsträger der Stadt müssen die Interessen der Bewohner vertreten, was bedeutet, dass sie in Entscheidungen über die Entwicklung ihrer Stadt mit einbezogen werden müssen. Anstatt sich blind auf die Versprechungen von Investoren zu verlassen, sollte die Stadt die Bürgerschaft zu Wort kommen lassen und ihre Bedürfnisse hören und in einen verbindlichen Rahmenplan einarbeiten. Stadtentwicklung über den Köpfen der Bürger hinweg zu entscheiden kann heute zu bösen Überraschungen führen. Man denke an die Demonstrationen gegen Stuttgart 21 und deren politischen Folgen für die regierenden Parteien und Persönlichkeiten. Ganz zu schweigen von den gesellschaftlichen Folgen, die tiefe Gräben zwischen den Befürwortern und Gegner aufgerissen haben, die über Jahre nicht mehr überwunden werden.
Eine sehr gute Analyse, die
Eine sehr gute Analyse, die ich teile.
Was die Grundfrage angeht, warum die Stadt nicht selber ihre Entwicklungslinien setzt und dann die Ausschreibung macht, so liegt die Antwort in dem Gesetz, das eigens für diesen Anlass gemacht wurde.
Schlecht und in aller Eile. Denn das besagt eben, dass ein Privater, "auch in Ermangelung einer vorherigen Ausweisung der Gebiete für die städtebauliche Umstrukturierung" einen Vertrag mit dem Bürgermeister schließen kann, auf den die Gemeinde dann innerhalb kürzester Zeit reagieren muss.
Damit liefert man sich unweigerlich aus.
Unterschätzt wurde wohl der Druck, der durch Marketing und Lobbying auf der einen Seite und politische Unfähigkeit (anders kann ich es nicht ausdrücken) auf der anderen entstanden ist. Auf jeden Fall bleiben so viele offene Fragen! Warum werden die 12,1 Millionen, mit denen die Ex-Handelskammer saniert wurde, in den Sand gesetzt? Was passiert mit dem Busbahnhof (die Landesregierung hat auf meine Anfrage geantwortet, dass sie bis 2020 keine Ausgaben für die Verlegung des Busbahnhofs tätigen wird)? Vor allem aber, und das ist die wichtigste: Wird die Umgestaltung des Bahnhofareals noch finanzierbar sein?
Auf all diese Fragen wurde in der ganzen Debatte nie eine Antwort gegeben. Ich hoffe, dass die Stadtväter wissen was sie tun - auch wenn sie es uns nicht sagen.
Antwort auf Eine sehr gute Analyse, die von Brigitte Foppa
Die Stadt hat sich doch
Die Stadt hat sich doch selber ihre Entwicklungslinie gegeben und die sind in den Grundzügen außerordentlich gut: Masterplan 2010. Das ist es ja, was einen so wundert!
Und genau an folgendem Satz liegt das Problem: "Ich hoffe, dass die Stadtväter wissen was sie tun". Dann kommt genau das dabei heraus, was wir jetz hier haben. Frau Foppa, bei allem Respekt, sie haben eine der Kernaussagen des Artikels nicht verstanden. Ich versuche es anders: der Bürger ist es, der sich mit engagieren muss, der Bürger ist es, der den Stadtvätern die Leviten lesen muss, wenn er nicht offen und ehrlich sagt, was er vor hat, der Bürger muss sich bei solchen Projekten einbringen und seine Bedürfnisse einfordern.
Wissen wir denn, was die Bozner von dem Ganzen halten? Gab es denn mal Bürgerveranstaltungen, wo die Bürger ihre Sichtweise auf die Stadt und ihre Probleme geschildert haben, wo die Bürger an einem Konzept mitgewirkt haben, das die Stadt wirklich braucht? Stichwort "Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept" oder sowas in der Richtung? Frau Foppa, sowas gab es noch nie in Bozen und genau da liegt das Problem.
Wie soll des denn sonst enden? Etwa so, wie in Baden-Württemberg, wo die seit 50 Jahren (ziemlich erfolgreich!) regierende CDU abtreten musste und einen in Skandale verwickelten Ministerpräsidenten stellte, der heute sogar in der CDU keine Freunde mehr hat, was zur Folge hatte, dass sich eine Gesellschaft teilweise radikalisiert, teilweise resigniert, aber mit Sicherheit immer weniger Vertrauen in die Politik hat?
Wenn wir als Bürger nicht hinterfragen, was die da oben tun, dann wird es am Ende nur Verlierer geben. Bis auf die, die durch solche Projekte ihr Geld vermehrt haben, denen ist es egal, Hauptsache der Profit stimmt...
Antwort auf Die Stadt hat sich doch von Lorenz Brugger
Mah? Ich war immer schon für
Mah? Ich war immer schon für ein Referendum in dieser Sache. Die Bozner Grünen haben dies auch gefordert.
An anderer Stelle hab ich den BürgerInnen-Haushalt für Bozen durchgebracht (nie umgesetzt), wieder anderswo für direkte Demokratie gekämpft. Mein Curriculum in Sachen Partizipation spricht für sich.
Bloß liegt jetzt der Ball bei den Stadtvätern - jenen, die diesen Passus im Gesetz gewollt haben. Darauf wollte ich verweisen.
Antwort auf Mah? Ich war immer schon für von Brigitte Foppa
Alle Ehre den Einsatz der
Alle Ehre den Einsatz der Grünen für mehr direkte Demokratie (aber bitte dann kein Nase rümpfen bei Referenden wie in der Schweiz)! Nur müssen Sie Frau Foppa schon eingestehen, dass es als Oppositionpolitiker mehr als einfach ist solche Stellungnahmen zu schreiben. Ich verstehe ja, dass Sie (ihre Partei) vom Anfang an die Sache anders angegangen wären, aber lassen wir die Vergangenheit mal kurz ruhen, was würden Sie jetzt tun wenn sie Stadtmutter wären?
Stimme den Artikel zu,
Stimme den Artikel zu, überhaupt der Teil der die Interessen der Unternehmer in Betracht nimmt. Manche Gemeinderäte sollten sich in klaren werden, dass die Gestaltung der Stadt in Mitarbeit mit privaten Unternehmen nur funktioniert wenn sich daraus ein Win-win-Situation für beide Seiten ergibt. Ein Masterplan mit viel Grün und hauptsächlich öffentlichen Flächen ist im Interesse der Gemeinde, Kubatur und private Baufläche im Interesse der Unternehmer. Wenn man zu keinen Handel bereit ist, dann lässt man es lieber und holt sich das Geld für die eigenen Ideen (Luftschlösser?) durch Steuern beim Bürger. Das wollen die netten Politiker aber auch nicht, denn so werden sie ja nicht wiedergewählt. Das Resultat sehen wir nun in Bozen...
Wundervoller Beitrag: Salto
Wundervoller Beitrag: Salto braucht einen Architekturkritiker, wie Philippe Daverio in Rai3 oder Dusini im Wiener Falter: Brugger, übernehmen sie!
Es gab schon einmal ein
Es gab schon einmal ein "Erlebnishaus" in Bozen - la "casa dei fiori".
danke, auf solch eine
danke, auf solch eine ausführliche und fundierte analyse habe ich schon lange gewartet
Vielen Dank für die
Vielen Dank für die ausgezeichnete Analyse! Ich stimme der Kernaussage zu: wir Bürger ("wir" !!) müssen uns des Projekts annehmen, die Überlegungen dieser Analyse und andere Überlegungen weiterspinnen, gemeinsam mit Fachplanern, die ja auch Bürger sind, verschiedene Entwürfe entwickleln. Nicht am Anfang aber zum Schlusss kann auch mit einem Referendum über verschiedene Entwürfe abgestimmt werden.
Endlich ein Artikel, der sich
Endlich ein Artikel, der sich mit dem Thema sachlich auseinandersetzt. Nur so kann die Bevölkerung kompetent informiert werden und dann auch an der Diskussion teilnehmen. Bisher gab es nur Stellungnahmen für oder gegen den einen oder anderen Investor.
Zur Substanz hat sich kaum jemand zu Wort gemeldet (außer Arch. Mayr Fingerle, der dafür aber nur böse Kommentare geerntet hat).
Im Grunde sollte es nicht darum gehen, die architektonische Qualität des eines oder des anderen Vorprojektes zu beurteilen (in dieser kurzen Zeit kann, wie schon gesagt wurde, weder der eine noch der andere Projektant ein gutes Projekt erstellen), es sollten eigentlich zur Zeit nur folgende Dinge geklärt werden:
- weshalb dient der Masterplan für Bozen von 2010, der auf dem Strategischen Plan (Ideen für Bozen 2015) fußt und an dem sich sehr viele Bürger Bozens beteiligt hatten, nicht als Ausschreibungsgrundlage für einen Verbauungsvorschlag dieses Areals,
- warum will man das Haus vom Dach her bauen? Es gibt ein teuer bezahltes gutes Projekt für das neue Stadtviertel „Bahnhofsareal“. Da wäre es nur logisch, dass alle möglichen Investoren in dieses Projekt geleitet würden, um so das neue Mobilitätszentrum bauen zu können und den Busbahnhof von der heutigen Stelle dorthin zu verlegen, ohne unnötige Kosten für eine provisorische Verlegung einrechnen zu müssen. Kein Investor kann etwas schenken, irgendwie werden auch Versprechen wie unterirdische Verbindungen und weitere Infrastrukturen finanziell eingefordert, die dann schlussendlich die Bürger bezahlen müssen. In Zeiten des Sparens wohl nicht sehr logisch...
- weshalb wird die Grundforderung des Masterplans vergessen, welche die verschiedenen Stadtviertel stärken wollte und nicht wieder neue verkehrsfördernde Strukturen im Zentrum vorsah?
in seinem ersten Beitrag hatte es Lorenz Brugger bereits klar ausgesprochen: „Ob es nun ein Erlebnishaus oder ein Einkaufszentrum mit Hotel und Wohnungen ist: Beides sind Kommerztempel, die darauf abzielen, den Konsum zu steigern und das Einkaufsverhalten der Bevölkerung stark zu beeinflussen, die aber ganz gezielt öffentlichen Raum vernichten und den kleinteiligen Einzelhandel zerstören. Das lässt sich in allen großen europäischen Städten beobachten.“
Es braucht fundierte Analysen wie städtebauliche Analysen, Verkehrsanalysen, Nutzungserhebungen, usw. um zu wissen, ob ein derartiges Projekt an dieser Stelle in Bozen oder auch an anderer Stelle geeignet wäre, nachhaltige Veränderung für die Stadt zu bringen. ...diese wurden bisher nicht geliefert, bzw. nicht berücksichtigt. Das kann nicht im Laufe von 60 Tagen oder ein paar Monaten geschehen, für gründliche, unabhängige Untersuchungen braucht es mehr Zeit.
außerdem finde ich als Bozner Bürgerin dieses bestehende Areal nicht so extrem heruntergekommen, dass es von heute auf morgen erneuert werden muss. Es wäre sinnvoll, auf dieses Viertel in einem zweiten Moment zurückgreifen zu können, wenn definitiv klar ist, welche Strukturen hier noch gebraucht werden, nachdem das neue Stadtviertel ARBO in Schwung kommt. Die Behauptung, Bozen sei eine verschlafene Stadt, in der sich nichts bewegt, ist nicht nachzuvollziehen. Große Veränderungen müssen sorgfältig hinterfragt und geplant werden und können nicht einem einzigen privaten Investor überlassen werden.
In diesem Sinne hoffe ich, dass nun die Debatte zur Stadterneuerung auf eine neue - kompetente - Diskussionsebene gehoben wird, welche für alle nützliche Erkenntnisse bringen möge.
Ich seh das ein kleines
Ich seh das ein kleines bisschen anders: das Milaneo liegt in einem zwar Innenstadt-nahen Lage aber in einem kompletten Neubaugebiet, das erst wachsen muss.. Es ist tatsächlich eher mittelfristig ausgerichtet, da die Betreiber sogar zugeben, dass die ersten Jahre nicht mit einem großen Gewinn zu rechnen sei. Erst wenn das neue Viertel weiter gewachsen ist wird sich das Milaneo, laut Betreiber, erst rentieren.
Das Gerber auf der anderen Seite ist deswegen vergleichbar, weil es tatsächlich innerstädtisch ist, ähnlich wie der Königsbau in der Königstraße. Die Größe, die Lage und die architektonische Qualität des Gerbers muss man stark in Frage stellen. Es liegt ca. 1 km von den Königsbau-Passagen entfernt. Dadurch wird der kleinteilige Einzelhandel flächenmäßig geschwächt. Das kann man aktuell bereits durch die Schließung renommierter Läden z.B am Marktplatz in Stuttgart beobachten. Die Größe ist gewaltig, ein kompletter Block wird zum Einkaufszentrum, innerstädtisch ist das eine ziemlich Prägung. Aber es stimmt, dass die hinführenden Teile aufgewertet wurden bzw. werden. Jedoch wären die wahrscheinlich auch ohne Gerber gekommen (etwa Tübinger Straße).