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Politik | Krieg in Nahost

Auf der Strecke bleibt das Völkerrecht

Die von Israel herbeigeführte Eskalation des Kriegs in Nahost wird weiter tausende Opfer fordern. Länger anhaltend Opfer sind aber heute schon das Völkerrecht und die UN.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
UNO HQ
Foto: UN
  • Immer wieder ruft UN-Generalsekretär Guterres verzweifelt die Konfliktparteien zu Verhandlungen auf. Sein Einfluss ist sehr begrenzt. Zuständig für die Kriegsverhütung wäre eigentlich der UN-Sicherheitsrat, der in beiden großen Kriegen dieser Jahre seine Unfähigkeit gezeigt hat, eine Verhandlungslösung anzubahnen. Nachdem bisher fast jegliche Beschlussfassung der UN-Organe zum Palästinakonflikt am Veto der USA gescheitert ist, war diese weitere Blockadestrategie nichts Neues, hat aber angesichts der israelischen Massaker in Gaza auch der arabischen Welt drastisch vor Augen geführt, was vom Westen zu halten ist, wenn er aufs Völkerrecht pocht.

    Die Katastrophe in Gaza und die von Israel provozierte Eskalation im Libanon und gegenüber dem Iran haben die UN das letzte Vertrauen gekostet. Das UN-System hat sich von Neuem blamiert, und zwar ganz klar wegen der Haltung der westlichen Staaten, den USA und ihren Verbündeten. Die immer wieder vom globalen Süden geforderte Reform der Architektur und der Entscheidungsverfahren der UN und vor allem des Sicherheitsrats sind erfolglos geblieben. Dies geht auch ganz klar aus dem Ergebnis der Abstimmung über die Palästina-Resolution in der UN-Generalversammlung im September 2024 hervor. Der Resolutionstext vom 13.9.2024 fordert nur die sofortige Beendigung der völkerrechtswidrigen Besatzung der palästinensischen Gebiete. Die USA und 13 US-Vasallen stimmten dagegen, die G-7 Staaten Frankreich und Japan dafür, aber das Vereinigte Königreich, Deutschland, Italien und Kanada enthielten sich, d.h. sie stimmten im Grunde gegen die Einhaltung des Völkerrechts. Niemand darf sich wundern, wenn immer mehr Staaten im Globalen Süden – 115 Staaten stimmten für die Palästina-Resolution – im Ukraine-Krieg das Beharren der G-7-Staaten auf dem Völkerrecht skeptisch sieht.

    So bleibt nach den Terrorakten der arabischen Milizen, den andauernden Genozidverbrechen Israels in Gaza und seinen terroristischen Angriffen auf Zivilisten im Libanon auch das Völkerrecht auf der Strecke. Das internationale humanitäre Völkerrecht ist von diesem Staat mit Unterstützung der USA mit Füßen getreten worden. Auch die großen europäischen Staaten wie Deutschland und Italien haben sich vor einem Bekenntnis zum Völkerrecht gedrückt. Wenn sie im Fall der Ukraine auf der „regelbasierten internationalen Ordnung“ beharren, mit welcher Glaubwürdigkeit?

    Die UN hat in ihrer eigentlichen Aufgabe, die Aggression zu stoppen, die Zivilbevölkerung zu schützen, die Geiseln auf beiden Seiten zu befreien und die Eskalation zu verhindern, kläglich versagt. Musste sie, weil die USA im Sicherheitsrat routinemäßig jede Verurteilung Israels verhindern. Mit diesem Vetorecht, vor allem aber mit der unbegrenzten militärischen und finanziellen Unterstützung Israels bestärken die USA diesen Staat mit seiner gewaltbesessenen Regierung in seiner Vorgangsweise. Dass in Gaza derweil Kriegsverbrechen begangen werden, hat auch der Internationale Strafgerichtshof in seiner Klage gegen Netanjahu und die Hamas-Anführer bestätigt. Eine aus der unbegrenzten Unterdrückung entstandene Miliz macht sich schuldig, aber wenn die größte Militärmacht der Welt den systematischen Bruch des Völkerrechts billigend unterstützt, macht das den Westen insgesamt unglaubwürdig.

    Diese Heuchelei mit System wird obendrein von der NATO mitgetragen, und zwar im Fall Türkei, die seit Jahren im Grund dieselbe völkerrechtswidrige Aggression begeht wie Russland. Die permanenten Angriffe auf die Kurdenregionen in Syrien unterscheiden sich zwar im Ausmaß, aber nicht in der Qualität des Rechtsbruchs von den beiden großen Kriegsschauplätzen. Das NATO-Mitglied Türkei hat zusammen mit lokalen Milizen im Frühjahr 2018 die ganze Region Afrin erobert und ethnisch gesäubert, d.h. die meisten Kurden vertrieben: schwerer Bruch des Völkerrechts. Sie hat einen breiten Streifen der autonomen Region Rojava besetzt und greift mit Nadelstichtaktik laufend an, tötet Zivilisten, zerstört Infrastruktur. Das alles unter dröhnendem Schweigen der NATO-Partner, die die Türkei mit Waffen beliefern. Die NATO erlaubt einem Mitglied dasselbe, was sie in der Ukraine zu Recht seit zweieinhalb Jahren bekämpft. Der Kurdistan-Konflikt – völlig im Schatten der beiden großen Kriege – wird bei einer Tagung der GfbV und des Friedenszentrums der Caritas am Samstag, 5.10.24. und am Samstag, 12.10.24 in Bozen beleuchtet. Hier das Programm.

     

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Peter Gasser Fr., 04.10.2024 - 14:37

@ Christian I, Fr., 04.10.2024 - 13:53:

Ein Kommentar unter dem video: “Odiare Israele non é un diritto, ma un dovere per tutte le persone moralmente sane”.

Alles klar?

Fr., 04.10.2024 - 14:37 Permalink
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Peter Gasser Fr., 04.10.2024 - 14:41

Zitat: “Die Katastrophe in Gaza und die von Israel provozierte Eskalation im Libanon und gegenüber dem Iran ...”:

... darf ich mir zu diesen Worten erlauben, höflich an den Abgrund zu gemahnen, der sich auftut, wenn man sich auf das sehr dünne Eis der Täter-Opfer-Umkehr begibt und der (warum nur?) fehlenden Einordnung der Darstellung?

.

Zitat: “Immer wieder ruft UN-Generalsekretär Guterres verzweifelt die Konfliktparteien zu Verhandlungen auf”: das Bild, das UNO-Generalsekretär Guterres abgibt in Bezug auf die Ukraine und Israel erscheint mitnichten unparteiisch und objektiv, sehr wohl aber zuweilen erbärmlich und unrecht.

Fr., 04.10.2024 - 14:41 Permalink
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Peter Gasser Sa., 05.10.2024 - 09:12

Antwort auf von Stefan S

Diese UN unternimmt nichts gegen Russland und nichts gegen den Iran, welche für diese beiden aktuellen Angriffskriege gegen die Ukraine und gegen Israel verantwortlich sind.
Nichts.

Gerade eben hat sich erneut ein Mitarbeiter der UNRWA (Sharif) des palästinensischen Hilfswerks der UN (!!), das wir alle bezahlen, als Kommandeur der Terrorgruppe Hamas erwiesen, wie schon viele vorher als Sympathisanten und Mitglieder dieser militanten Terrorgruppe.

Sa., 05.10.2024 - 09:12 Permalink
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Stefan S Sa., 05.10.2024 - 09:44

Antwort auf von Peter Gasser

Um die UN in diesem Zusammenhang zu bewerten Bedarf es historisch einen viel größeren Blickwinkel. China, Russland und die USA haben die letzten Jahrzehnte erheblich dazu beigetragen das die UN immer weiter an Bedeutung verliert. Angefangen hat dies mit der Kontroverse zum Irak Krieg. Eines der Schlüsselereignisse bei der Demontage der UN. Uiguren, Tibet, Tschetschenien, Georgien, Irak, Syrien usw. Die Liste ist lang für die Verfehlungen der oben 3 gen. Hauptprofiteure.

Sa., 05.10.2024 - 09:44 Permalink
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Ludwig Thoma Sa., 05.10.2024 - 14:03

Antwort auf von Peter Gasser

Seit Russland die Ukraine angegriffen hat, werden Sie nicht müde zu betonen, dass es sich dabei um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg handelt.
Dass Sie auf die Frage, ob das auch für Israel gilt mit einem Zwinkersmiley antworten, lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass es Ihnen gar nicht um das Völkerrecht geht (oder Sie nicht verstanden haben, dass es für Israel gleichermaßen gilt wie für Russland).

Sa., 05.10.2024 - 14:03 Permalink
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Peter Gasser Sa., 05.10.2024 - 14:11

Antwort auf von Ludwig Thoma

zu Satz 1: richtig - ist Allgemeinwissen über die laufende Zeitgeschichte.

zu Satz 2, erster Abschnitt: kommen Sie, das “Zwinkersiley” haben Sie sich jetzt erfunden (bei mir ist öffentlich sichtbar: keines), sowas machen Sie ganz gerne, ich weiß!

zu Satz 2, zweiter Abschnitt: da es kein “Zwinkersiley” gibt, ist dieser Teil von selbst ‘erledigt’.

.

Konten Sie sich Ihre rhetorische Frage von vorhin inzwischen selbst beantworten (ich möchte allerdings nicht zu neugierig erscheinen)?

Sa., 05.10.2024 - 14:11 Permalink
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Ludwig Thoma So., 06.10.2024 - 09:45

Antwort auf von Peter Gasser

Wir waren über nichts übereingekommen, das ist Ihre Meinung. Sie kriegen es einfach nicht auf die Kette, die Völkerrechtsverletzungen Israels zu verurteilen. Das ist alles. Keine Ahnung wie Sie reagieren würden, wenn z.B. ein russischer Politiker sagen würde, die Bevölkerung z.B. der Krim gehörte ausgehungert. Sie würden vermutlich x-Kommentare und Artikel schreiben. Wenn das ein israelischer Politiker über die Palästinenser in Gaza sagt, kommt von Ihnen nichts. Auf Wikipedia, wo Sie Völkerrecht studiert haben, steht doch bestimmt nicht, dass Menschenrechte und das Völkerrecht nur für bestimmte Menschen und Völker, z.B. europäische gilt.
Also, wenn Sie das nächste Mal über die Kriegsverbrechen der Russen in der Ukraine schreiben, lassen Sie das Völkerrecht und die Menschenrechte einfach weg, das kommt sonst ziemlich scheinheilig rüber.

So., 06.10.2024 - 09:45 Permalink
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Peter Gasser So., 06.10.2024 - 10:21

Antwort auf von Ludwig Thoma

Hatten Sie grad schlechten Kaffee?
Tipp: immer genügend Pulver in den Filter geben, sonst wird das nichts!

Wie ist es nun - kennen Sie Columbo?

Ach ja, zwecks fragen, ich hatte Sie gestern kurz nach Mittag gefragt:
“Konnten Sie sich Ihre rhetorische Frage von vorhin inzwischen selbst beantworten (ich möchte allerdings nicht zu neugierig erscheinen)?”

So., 06.10.2024 - 10:21 Permalink
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Peter Gasser So., 06.10.2024 - 10:52

Antwort auf von Ludwig Thoma

Da sind wir im selben Boot: Sie sind ein Meister im “nicht beantworten”.

Wie ist es nun mit Ihrem Kaffee?

... und mit Columbo?

Und meiner Frage an Sie:
“Konnten Sie sich Ihre rhetorische Frage von vorhin inzwischen selbst beantworten (ich möchte allerdings nicht zu neugierig erscheinen)?”

Kommen Sie, Sie “schaffen das”!

So., 06.10.2024 - 10:52 Permalink
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Stefan S Sa., 05.10.2024 - 14:54

Antwort auf von Ludwig Thoma

"dass es für Israel gleichermaßen gilt wie für Russland)."
In dieser Hinsicht zu vergleichen ist wenig zielführend. Die einzige Parallele welche es vermutlich gibt. Die Eskalation in Nahost findet nicht zufällig im Schatten des barbarischen russischen Feldzugs statt.
Und grundsätzlich findet im Nahost Konflikt nichts zufälligerweise oder überraschend statt. Die Sicherheitsdoktrin Israels ist seit vielen Jahrzehnten erfolgreich und basiert auf dem Grundpfeiler, dem Gegner mindestens 1-2 Schritte voraus zu sein. Bedeutet, der Hamas Überfall kam nicht überraschend und unerwartet. In der von mir verlinkten Doku wird dies auch von israelischen Stimmen mit eindeutigen Anhaltspunkten genannt.

Sa., 05.10.2024 - 14:54 Permalink
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Andreas Ploner Sa., 05.10.2024 - 18:27

Antwort auf von Stefan S

“Und grundsätzlich findet im Nahost Konflikt nichts zufällig statt”
Was man sät, erntet man !
Das gilt für beide Seiten: die Massenmorde / das Gemetzel der Hamas und der Genozid Israels am palästinensischen Volk sind aber/auch in keinster Weise zu rechtfertigen. Es gilt nicht sich auf die eine oder die andere Seite zu positionieren, sondern Gewalt und die “ungerechtfertigte” Logik dahinter zu verurteilen und für den Frieden einzutreten. Stopp der Gewalt (Der Slogan ist hier passend, in der Dolomiten ist er ein Zeichen von “Schundblattpropaganda”).

Sa., 05.10.2024 - 18:27 Permalink
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Martin Daniel Sa., 05.10.2024 - 19:45

Lieber Thomas, deine Fakten-Rekonstruktion ist wie immer passend, nichtdestotrotz einige Bemerkungen zu ihrer Bewertung: Wer Völkerrecht studiert, dem wird (leider) klar vermittelt, dass dessen Durchsetzung von den geopolitischen Machtverhältnissen abhängt. Hier werden die USA zitiert, die anderen Großmächte verhalten sich (leider) genauso. Russland (letztens mit der Hinrichtung von 16 ukrainischen Kriegsgefangenen, die sich ergeben hatten, und der dauernden Bombardierung ziviler Einrichtungen mit unzähligen Toten) und China (im Südchinesichen Meer gegenüber Vietnam und die Philippinen; Taiwan; Uiguren; Tibet) pfeifen genauso und noch mehr auf das Völkerrecht und die Menschenrechte. Und holen sich für ihre Belange die Unterstützung des "globalen Südens" (den es so in dieser Geschlossenheit gar nicht gibt), weil manche aufstrebende Länder sich gegenüber dem Westen emanzipieren wollen. Diese neue Achse (mit Lulas Brasilien und ansonsten alles lupenreinen Demokraten aus Nordkorea, Kuba, Nicaragua, Venezuela und Südafrika) kondensiert sich derzeit im Nahen Osten. Aber was ist mit den arabischen Brüdern der Palästiner, jenen in Saudi Arabien, Jordanien und Ägypten? Sie, ebenfalls eifrige Verteidiger des Völkerrechts, bleiben auffällig still. Wollen keine Palästinser aufnehmen, ihnen keine Heimat anbieten. Oberste Regel Ägyptens: Rafah bleibt in seine Richtung zu! Da scheinen manche sunnitischen Freunde den Druck auf dem Kessel hochhalten zu wollen. Dann noch die Verbindungen vieler Mitarbeiter des UN-Hilfswerks für Gaza UNRWA zur Hamas. Da hatte die UN ihre Legitimation als unparteiischer Schiedsrichter abgegeben.
Nun ist es meine letzte Intention, den von den Ultrarechten getriebenen Netanjahu mit seinen autoritären Anwandlungen zu verteidigen. Und ja, die Reaktionen Israels erscheinen unverhältnismäßig und rachenehmend, wie aus dem Alten Testament. Aber dieses Land muss in einem unvorstellbaren Dauer-Ausnahmezustand leben: Von Gaza aus überfallen, vom Süden Libanons aus mit Raketen beschossen, vom Yemen aus mit Marschflugkörpern ins Visier genommen und vom Iran aus mit Drohnen und Raketen beschossen. In diese Realität eines kleinen demokratischen Staates mit der Einwohnerzahl Österreichs muss man sich erst mal hineinversetzen. Und dies vor dem Hintergrund, dass die Hamas, die Hisbollah und der Iran ganz offen die Auslöschung des Staates Israel anstreben, der per UN-Resolution geschaffen wurde, um den Überlebenden der Schoah eine sichere Heimstatt zu geben.
Die israelische Armee warnt die Bewohner und fordert sie vor Angriffen auf, ihre Häuser zu verlassen. Wer tut das sonst? (Dass sie das bei der Tötung Nasrallahs vorher nicht machen konnten, liegt auf der Hand.) In Nahost ist (leider) vieles relativ, auch das Völkerrecht.

Sa., 05.10.2024 - 19:45 Permalink
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Salto User
nobody Sa., 05.10.2024 - 20:31

Wer wacht über die Einhaltung des Völkerrechts? Wie können die USA, Russland und China gezwungen werden, dieses einzuhalten?

Sa., 05.10.2024 - 20:31 Permalink