Gesellschaft | Protest

Blutiger Landtag

Auch in Bozen schränkt die Quästur die verfassungsmäßige Versammlungsfreiheit und das Demonstrationsrecht ein. Die Begründung: Wer für Palästina ist, verherrliche die Gewalt. Während Unbekannte in der Nacht den Südtiroler Landtag mit roter Farbe markieren.
Protest
Foto: SALTO
  • Wir haben Anzeige erstattet und warten jetzt auf die Polizei“, sagt Florian Zelger. Der Generalsekretär des Südtiroler Landtages wurde am Montagfrüh bereits im Morgengrauen aus dem Bett gerissen. 
    Der Grund: Unbekannten haben in der Nacht auf den Stiegen zum Südtiroler Landtag rote Farbe verschüttet. Weil es weder ein Bekennerschreiben noch sonstige Hinweise gibt, geht man davon aus, dass die Aktion mit dem Jahrtag des Hamas-Massakers in Israel zusammenhängt. Die politische Polizei Digos hat dazu Ermittlungen aufgenommen.
    In welchen autoritären Klima man inzwischen in Italien lebt, wird an diesem Tag mehr als deutlich. So hat die Regierung Meloni kurzerhand die verfassungsmäßige Versammlungsfreiheit und das Protestrecht außer Kraft gesetzt.

     

    „Die Regierung Meloni hat kurzerhand die verfassungsmäßige Versammlungsfreiheit und das Protestrecht außer Kraft gesetzt.“

     

    Es ist die Regierung, die bestimmt, welche politische Meinung zugelassen wird oder nicht.
    So hat das Innenministerium für den 7. Oktober jeden Protest verboten, der im Sinne des palästinensischen Volkes und gegen den Vergeltungsfeldzug Israels im Nahen Osten gerichtet ist. Auch in Bozen.

  • Gefahr für die öffentliche Ordnung

    Die „Assemblea solidale con il popolo palestinese – Bolzano“, freepalestine.bz und andere Gruppen haben für diese Woche zwei Protestveranstaltungen unter dem Titel „Un anno di genocidio, un anno di resistenza“ angesagt. 
    Quästor Paolo Sartori hat die für heute Abend angesagte Protestveranstaltung aber kurzerhand verboten. In der Verfügung der Bozner Quästur wird dieses Verbot so begründet:

    Der 7. Oktober markiert den ersten Jahrestag des von der Hamas in den israelischen Gebieten verübten Massakers, das den gewalttätigen Krieg im Nahen Osten auslöste. Nach Auffassung der Quästor macht die Übereinstimmung des Datums deutlich, wie die statische Demonstration tatsächlich ablaufen soll. Sie soll anlässlich des Pogroms vom 7. Oktober 2023 erfolgen und dürfte damit eine klare Rechtfertigung für die an diesem Tag verübte Gewalt sein. Daraus aber ergibt sich eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung. Deshalb verfügt die Quästur, dass die Protestveranstaltung an einem anderem Datum durchgeführt werden muss“.

  • Pro-Palästina-Kundgebung: Vom Quästor verboten. Foto: freepalestine.bz
  • Für die Organisatoren ist dieses Verbot nur eine weiterer Schritt in Richtung Polizeistaat. 
    Wenn man in einem Staat, der aktiv an einem Krieg teilnimmt, nicht mehr gegen diesen Krieg protestieren kann“, sagt die Organisatoren zu SALTO, „dann sind wir in einem autoritärem Regime“.
    Spätesten jetzt will man nicht mehr zuschauen. Auch deshalb wollen die Veranstalter dem Verbot der Quästur bewusst nicht Folge leisten. Sie laden zur Teilnahme an der Protestversammlung an der Kreuzung Museumstraße, Sparkassenstraße am Montag gegen 18 Uhr ein. Zudem soll am Samstagnachmittag ein Protestzug auf dem Dominkanerplatz folgen. 
    Neben dem Hauptanliegen Palästina geht es jetzt auch darum, gegen dieses Demonstrationsverbot aufzustehen.

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Salto User
Cicero Mo., 07.10.2024 - 10:39

Eine Beschneidung des Demonstrationsrechst muss man auf jeden Fall kritisch sehen, ABER auf vielen dieser Demonstrationen werden offen antiisraelische Parolen skandiert und zur Vernichtung des israelischen Staates aufgerufen. Noch dazu verschweigt jede dieser Kundgebungen das Massaker der Hamas oder den zigtausendfachen Raketenbeschuss aus dem Libanon oder Iran dem sich Israel seit Monaten ausgesetzt sieht. Das hehre Ziel sich für die Einhaltung verfassungsmäßiger Recht einzusetzen bekommt daher durch den, teils ziemlich widerlichen, Inhalt der Protest ein gehöriges Geschmäckle.

Ein ähnliches Geschmäckle wie die unverhohlene Ablehnung Israels durch Alt-Linke, die auch Herr Franceschini gerne in seinen Texten ausdrückt.

Mo., 07.10.2024 - 10:39 Permalink
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Felix von Wohlgemuth Mo., 07.10.2024 - 10:57

Ich möchte und muss vorausschicken, dass das Vorgehen der Israelischen Streitkräfte im Gazastreifen nur schwer bis gar nicht mit dem Völkerrecht in Einklang zu bringen ist. Zehntausende tote Zivilisten sind inakzeptabel und Erinnerung und Protest sind mehr als angebracht.

Aber, und auch das muss gesagt werden, der Angriff der Hamas am 07.10.2023 war kein Akt des Widerstandes! Es ist nicht Widerstand, wenn Baby getötet, wenn Frauen vergewaltigt und verstümmelt werden. Es ist kein Widerstand, alte und gebrechliche Menschen zu erschlagen, zu erstechen, zu erschießen.

Die Hamas ist eine Terrororganisation und was am 7. Oktober geschehen ist, war das schlimmste Pogrom an Jüdinnen und Juden seit dem zweiten Weltkrieg. Es war ein Angriff mit einem klaren Ziel: Zivilisten zu ermorden, um einen großen Krieg auszulösen.

Vor diesem Hintergrund finde ich es befremdlich, ja eigentlich beschämend, wenn genau an diesem Tag eine Pro-Palestina Kundgebung abgehalten werden soll. Warum wurde genau dieser Tag dafür gewählt? Hat der Krieg in Gaza, gegen den ja protestiert werden soll, nicht viel mehr am 10 Oktober begonnen? Oder wurde dieses Datum etwa bewusst gewählt, um zu provozieren oder gar zu relativieren und so die Opfer eines Verbrechens mit jenen eines anderen Verbrechens „aufzurechnen“.

Womöglich erreichen diese Zeilen ja die Organisatoren dieses angedachten Protests, oder der Autor dieser Zeilen fragt bei ihnen nach und ich erhalte so eine Antwort auf meine Frage.

Denn, wie geschrieben, der 7. Oktober 2023 war kein Tag des palästinensischen Widerstandes – dieser Tag wird für immer der Tag eines grausamen Verbrechens bleiben; ein Tag der Erinnerung an ein Massaker an über 1.200 unschuldigen Menschen.

Mo., 07.10.2024 - 10:57 Permalink
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Stefan S Mo., 07.10.2024 - 15:58

Antwort auf von Felix von Wohlgemuth

Die Einordnung von Herr Wohlgemuth bringt es sehr gut auf den Punkt. Wer dafür keine Empathie hat schadet vor allem auch dem Anliegen der Palistinänser für einen eigenen Staat.
Auch das verweisen auf einen Polizeistaat ist in diesem Fall eine völlig unangemessene Krücke.

Mo., 07.10.2024 - 15:58 Permalink
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Stefan S Di., 08.10.2024 - 20:14

Antwort auf von Ludwig Thoma

"eine Demokratie hält das auch aus"
Nein eine Demokratie ist nicht dazu da eine zutiefst menschenverachtendes Massaker von empathielosen Gruppen negieren zulassen. Da gibt es weitere 364 Tage im Jahr um seine Meinung kund zu tun. Die ganzen populistischen Lügen welche unter der sog. Meinungsfreiheit sich immer tiefer in Mitte unserer Gesellschaft graben müssen unterbunden werden. Wenn die wehrhafte Demokratie nicht zur hohlen Phrase verkommen soll wird es höchste Zeit den Worten geeignete Maßnahmen folgen zu lassen.

Di., 08.10.2024 - 20:14 Permalink
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Peter Gasser Mo., 07.10.2024 - 12:40

Zitat: “... gegen den Vergeltungsfeldzug Israels im Nahen Osten”:

Du meinst das (“Vergeltungsfeldzug”) wirklich ernst, Christoph, grad noch dazu am heutigen Tag???

Mo., 07.10.2024 - 12:40 Permalink