Airbnb
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Gesellschaft | Fritto Misto

Err Bi En Bi

Sei kein Depp, verkauf dein Bett: Von Reiz und Crux der privaten Zimmervermietung.
  • Neulich bin ich durch mein Lieblingsviertel in Meran spaziert und habe gestaunt: Da standen doch auf den Klingelschildern vermehrt halbseiden anmutende Gebilde wie Liberty View, Fantasy Suite, Cozy Residence. Es klang nach Softporno oder besonders po-freundlichem Toilettenpapier und weniger danach, was hier wirklich vor sich ging: nämlich der gar nicht so cozyge Entzug von Wohnraum und seine Zuführung an Touris, auch bekannt als Airbnb. 88.000 solcher Betten gibt es mittlerweile in Südtirol, das ist mehr als ein Drittel (!) des gesamten Übernachtungsangebots, und das Burggrafenamt scheint in dieser akzeptierten Disziplin des Wohnraumverknappens ein wahrer Meister zu sein: Laut ASTAT gab es 2018 560 Burggräfler Wohnungsinserate auf der Online-Plattform, 2022 dann waren es bereits 2.229 Ferienwohnungen (+ 300 %) im Meraner Raum, die dort von Privaten angeboten wurden. 
    Wow, dachte ich, und wurde stinkig  bei dem Gedanken an Bekannte, die seit Jahr und Tag vergeblich erschwinglichen Wohnraum ebendort suchen. Wow, dachte ich dann gleich nochmal, als ich die Preise sah, zu denen mehr oder auch minder aparte „Suiten“ angepriesen wurden: In einer Woche sind locker tausend Euro abzukassieren, das kann ein normaler Vermieter sonst pro Monat verlangen. Verständlich, dass da jeder mitnaschen will: Die Löhne steigen eh nicht, das Leben wird immer teurer (letzthin den Preis für Butter gesehen? Butter??), und bevor man sich wie eine Berufskollegin aufs Drogendealen verlegt, zieht man doch lieber eine legale Praxis in Betracht – solange sie noch möglich ist: Städte wie London, Amsterdam oder Barcelona haben Airbnb bereits einen Riegel vorgeschoben, Florenz will es verbieten; bei uns hinkt man freilich wie meistens hinterher, drum gilt es noch rasch zuzulangen. 

     

    „Bevor man sich wie eine Berufskollegin aufs Drogendealen verlegt, zieht man doch lieber eine legale Praxis in Betracht – solange sie noch möglich ist.“

     

    Meine Tourismusgesinnung hat sich seit dieser Erkenntnis schlagartig gewandelt: Unsere lieben Gäste empfinde ich plötzlich gar nicht mehr als störend. Der untersetzte Herr im Karo-Hemd, der mit dem Regenschirm fuchtelnd den Standort des „Freitachsmaakts“ zu erfahren begehrt, erscheint mir in Gestalt der edlen Handtasche, die ich immer schon haben wollte. 
    Die dauergewellte Endsechzigerin mit keckem Halstuch, die im Zug lauthals ein Videotelefonat mit ihrer Kaffeerunde führt, manifestiert sich mir als der ersehnte Kurzurlaub: Lauter Kühe, die es zu melken gilt, jawoll – if life gives you tourists, make Touristenunterkunft. Kienzl, sei kein Dolm, sagte ich mir also, die anderen machen’s ja auch (sogar Politiker, die sich öffentlich dagegen aussprechen https://www.tageszeitung.it/2024/06/16/der-airbnb-stunk/), und suche seither fiebrig nach Wohnraum, den ich auf die Plattform hochladen und zu Barem machen könnte. 

    Hier liegt nun aber das Problem: Ich hab halt leider „nur“ die eine Wohnung, in der ich selbst lebe. Für tausend Euro in der Woche wäre ich aber durchaus bereit, zwischenzeitlich mit Kind und Kegel in die Garage zu ziehen und mich nur für Dienstleitungen wie Handtuchwechsel und Small Talk („Waren Sie schon beim Dörgelen? Oh, sie tragen meine Unterwäsche?“)  nach oben zu wagen. Alternativ könnten wir uns bei meinen Eltern einquartieren und ihren Unmut mit einer in Aussicht gestellten Beteiligung am Gewinn besänftigen – die Renten sind ja auch nicht zum Jubeln. 

  • Foto: Fabio Fieri
  • „Kienzl, sei kein Dolm, sagte ich mir also, die anderen machen’s ja auch und ich suche seither fiebrig nach Wohnraum, den ich auf die Plattform hochladen und zu Barem machen könnte.“


    Lieber wäre mir aber doch ein Objekt, mit dem mich nichts verbindet, und so spaziere ich wachen Auges durchs Dorf und suche Goldgruben: Der verranzte Stadel vielleicht, notdürftig mit Prietschen ausgestattet für die „Authentic Klauber Experience“? Oder das Gartenhäuschen vom Nachbarn einfach als minimalistisches Tiny House vermieten und hoffen, dass er nix merkt? Irgendwo im Keller müsste ich auch noch ein IKEA-Zirkuszelt aus dem Kinderzimmer haben: Mit ein bisschen guten Willen lässt sich darin bestimmt auch sehr gut auf unserer Terrasse nächtigen. Nur schimpfen darf ich dann nicht mehr über überfüllte Verkehrsmittel, verstopfte Städte an Regentagen, überrannte Attraktionen oder die Wohnungsknappheit. Weil ich dann nämlich selbst die Probleme befeuere, die ich beklage. Das muss den Airbnblern halt klar sein.     
     

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Günther Stocker Fr., 11.10.2024 - 18:14

Wir Südtiroler - und leider nicht nur- verkaufen uns unsere Heimat für ein paar schnelle Euro.
Dann jammern wir gemeinsam über die schlechte Luft, den vielen Verkehr und die gestiegenen Kosten.

Ach was sind wir doch für Deppen und Jammerlappen geworden.

ABER ja nur nichts an uns und unserem Lebenstil ändern!!
Könnte ja weh tun und könnte uns dann dannach besser gehen als heute.

Fr., 11.10.2024 - 18:14 Permalink
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K V Fr., 11.10.2024 - 19:10

Antwort auf von Günther Stocker

Wieso über den vielen Verkehr jammern? Erst kürzlich von Meran nach Naturns für einen Sonntagsausflug 2,5 Stunden im Stau gestanden. Und nein, es war nicht die Algunder Sonntagsprozession, die über die Töll gekrochen ist, sondern eine bundesdeutsche Blechkarawane.
Alles kein Problem, sagt der HGV, die Einheimischen nutzen ja auch die Straßen.
Bleibt nur ein "Tourists go home" oder besser stay at home.

Fr., 11.10.2024 - 19:10 Permalink
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Stefan S Mo., 14.10.2024 - 21:33

Antwort auf von K V

"Alles kein Problem, sagt der HGV,"
So lange IDM und HGV solche Werbung https://www.swr3.de/events/unsere-events/suedtirol-urlaub-gutschein-gew…
betreibt braucht sich niemand über eine "bundesdeutsche Blechkarawane" beschweren.
Außerdem würde ich am Sonntag von Meran nach Naturns garantiert kein Auto bewegen. Fahrrad und/oder Bahn sind garantiert smarter.

Mo., 14.10.2024 - 21:33 Permalink
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K V Mo., 14.10.2024 - 22:10

Antwort auf von Stefan S

Genau Hr. S, Schuld ist der Einheimische der sich in seiner Heimat normal bewegen will. Was für eine arrogante Ansicht, könnte direkt vom HGV Chef kommen.
Es gibt auch Situationen, wo man kaum eine Wahl hat. ZB. familiärer Sonntagsausflug mit anschliesender Geburtstagsfeier der Mutter und Auto voll mit Lebensmitteln für das gemeinsame Essen. Oder glauben Sie wirklich wir Einheimische wissen nicht, dass am Wochenende die Töll die Hölle ist?
Leider ist mittlerweile die Bewegungsfreiheit so eingeschränkt, dass die eigene Heimat fremd und wenig lebenswert geworden ist. Dem Tourismus sei Dank!

Mo., 14.10.2024 - 22:10 Permalink
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Stefan S Mo., 14.10.2024 - 23:19

Antwort auf von K V

So sehr ich Ihre Empörung auch verstehen kann ändert es nichts an der Tatsache und Realität das die Töll in der von Ihnen befahrenen Zeit mit Ansage, zu gefahren ist. Es gibt bestimmt sinnvollere Alternativen als sich mit Ansage 2 Std in einen Stau zu stellen.

Mo., 14.10.2024 - 23:19 Permalink
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K V Di., 15.10.2024 - 05:23

Antwort auf von Stefan S

Schon klar, wir Bürger sind Schuld an der Situation und nicht die scheiss Piefkes bzw die Touristiker. Natürlich gibt es sinnvolle Alternativen, wenn auch keine sinnvolleren. Priorität hatte in dem Moment die gemeinsame Zeit mit der Familie, auch wenn ich 2h davon verloren habe. Es wird noch deutlich mehr Unmut aus der Bevölkerung kommen und der Grund ist eine Geisteshaltung wie ihre. Die Politik und die Touristiker sind noch nicht bereit die Bedürfnisse der Bevölkerung ernst zu nehmen. Ist aber nur eine Frage der Zeit: ohne positive Tourismusgesinnung gehts nicht langfristig, das hat mittlerweile sogar der HGV kapiert.
In meinem Fall ist der Overtourismus ein lästiges Übel, das meine Lebensqualität einschränkt, in vielen anderen Fällen zerstört er die Zukunftsperspektive. Diese Menschen werden sich wehren, davon bin ich überzeugt.

Di., 15.10.2024 - 05:23 Permalink
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Stefan S Di., 15.10.2024 - 11:06

Antwort auf von K V

"Schon klar, wir Bürger sind Schuld an der Situation und nicht die scheiss Piefkes bzw die Touristiker. "
Da ist aber jemand gefrustet. Keine Ahnung wie Sie auf solchen dumpfen Unsinn kommen. Fakt ist, dass weder Sie noch ich diese Situation ändern können. Ich kenne das Verkehrsaufkommen im Vinschgau seit Jahrzehnten bestens inkl. den schon selbst genutzten Schienenersatzverkehr. Und zwischen Meran und Naturns gibt es nichts besseres als die Bahn oder bei entsprechender Witterung das Fahrrad.
Und wer sich zu den Hauptverkehrszeiten am Alpenhauptkamm bewegen will muss dies einfach einplanen, ganz egal vorher ich komme. Gotthard, St. Bernadino, Arlberg, Fernpass,Reschen, Brenner, Felberntauern, Tauern, Karawankentunnel ist alles mehr oder weniger gleich belastet. Wer im Stau stehen will fährt mit der Masse oder sucht sich die Zeitfenster mit weniger Verkehr.
Italien/Südtirol ist genauso Autoafine wie Deutschland. Da braucht niemand mit dem Finger auf andere zeigen.

Di., 15.10.2024 - 11:06 Permalink
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Christian I Mo., 14.10.2024 - 22:06

Antwort auf von K V

Höhere Preise haben wir hier seit längerer Zeit, als overtourism noch kein Thema war! Oder als in meinem Heimatdorf die Hotels nur 2 oder 3 Sterne hatten und wir noch im Winter auf der Hauptstrasse rodeln konnten...
Es wäre schon mal etwas, wenn endlich die Gehälter angepasst würden!

Mo., 14.10.2024 - 22:06 Permalink
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m s Mo., 14.10.2024 - 18:51

Nicht meine Meinung. Hotels sind eine eigene Kategorie und müssen unzählige Vorschriften einhalten (wenn es mittlerweile auch zuviele sind). 10 Err Bi En Bi's sind aber effektiv 10 Wohnungen weniger für das Grundbedürfnis "wohnen" (Unterkunft haben).

Mo., 14.10.2024 - 18:51 Permalink
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m s Mo., 14.10.2024 - 18:56

Der link im Text "des gesamten Übernachtungsangebots" funktioniert nicht mehr bzw. wurde der Artikel entfernt. Kann man diese Info sonst noch wo finden?

Mo., 14.10.2024 - 18:56 Permalink
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Salto User
Oliver Hopfgartner Mo., 14.10.2024 - 23:58

Die Situation ist ambivalent: Einerseits ist es aus meiner Sicht zu befürworten, wenn auch "normale" Leute sich durch AirBNB eine Scheibe vom Tourismuskuchen abschneiden können, man kann ja z.B. zumindest die eigene Wohnung oder einen Teil davon (z.B. wenn die Kinder außer Haus sind) auf diese Art vermieten. Man wird mit AirBNB auch nicht reich, weil es extrem viel Arbeit ist und große Teile der Einnahmen ohnehin wieder als Einkommensteuer an den Staat fließen.

Andererseits verstehe ich natürlich, dass sich Leute aufregen, die selber keine Wohnung finden. Allerdings glaube ich auch, dass wir uns da selbst Prügel vor die Beine werfen, indem wir meiner Meinung nach zu restriktiv bei der Bauzonenausweisung sind und man vielleicht auch bei der Bauqualität sparen könnte. Wenn sich eine Familie mit zwei Mittelstandsberufen nicht mehr eine Wohnung leisten kann, sollte man nämlich auch hinterfragen, wie wir Wohnungen bauen.

Ein weiterer Faktor ist die Mobilisierung von Vermietobjekten. Die Mietrenditen für Vermieter sind einfach zu niedrig, wenn man mit Anleihen relativ einfach 4-7% relativ sichere Rendite erzielen kann, verstehe ich voll und ganz, dass Wohnungseigentümer ihre Wohnungen lieber an Zweitwohnungsinteressenten verkaufen und das Geld anlegen, als es für 1-3% Mietrendite (wenn überhaupt) und Scherereien zu vermieten.

Mo., 14.10.2024 - 23:58 Permalink
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Stefan S Mi., 16.10.2024 - 08:10

"als es für 1-3% Mietrendite (wenn überhaupt) und Scherereien zu vermieten."
Das bezweifle ich stark, insbesondere wenn man die Preisentwicklung am Immobilienmarkt der letzten 20 Jahre betrachtet kommt man auf erheblich höhere Renditen.
Wenn man allerdings auf die Spekulantenebene springt und nur die letzten 5 Jahre betrachtet reduziert sich die Rendite entsprechend.

Mi., 16.10.2024 - 08:10 Permalink