Wirtschaft | Fremdenverkehr

„Fast wie im Krieg“

Der Tourismus ist heute eines der großen gesellschaftlichen Diskussionsthemen. Eine Dokumentation des WDR zeigt aber, dass auch vor über 100 Jahren schon über die Entwicklungen im Sektor geschimpft wurde. Und das nicht minder harsch.
Massentourismus in den Bergen
Foto: (c) pixabay
  • Was haben Mallorca, Venedig, Barcelona und Südtirol gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel, bei genauerer Betrachtung gibt es aber eine Schnittmenge: Es ist der Massentourismus. In einer Reportage-Dokumentation, ausgestrahlt am 9. Oktober 2024, bereist der ORF verschiedene Tourismus-Hotspots in Europa, darunter auch Südtirol. Die Berge in Italiens nördlichster Provinz stehen der Doku zufolge schon längst im Fokus der Touristen – sowohl im Sommer als auch im Winter. Hotspots werden überrannt, Autokolonnen stauen sich die Berge hinauf. Der Tourismus-Ökonom Oliver Fritz schätzt das wie folgt ein: „Die Alpen sind ökologisch ein sehr sensibles Gebiet. Wenn wir dort zu viele Touristen haben, müssen wir mit dem Verlust von Biodiversität rechnen.“ Das Problem sieht er vor allem bei Tagestouristen
    Dieses Problem teilen sich alle oben genannten Destinationen, so kommen auf Mallorca teils sechs Kreuzfahrtschiffe mit je 5.000 Gästen zugleich an. Dann stürmen 30.000 Besucher die Stadt. Zu viel, sagen die Einwohner Mallorcas. Beschwerden gibt es auch hierzulande über den Tagestourismus, das zeigt ein anderer Beitrag.

  • Der Pragser Wildsee: Wohl der bekannteste Ort in Südtirol. Foto: Othmar Seehauser
  • „Von Touristen überrannt“

    Auch in einer weiteren Dokumentation, erschienen am 28. August dieses Jahres, wird über Südtirols „Tourismusproblem“ gesprochen. Im Beitrag des Westdeutschen Rundfunks geht es um den Tourismus in den Alpen. Dabei wird aus einem Reisebericht des Jahres 1902 zitiert, der klarmacht, dass das Klagen über Touristen kein Phänomen von heute ist. So ist dort zu lesen: „Früher gab es noch gemütliche Hotels, aber keine ungemütliche Masse. Und der billige Reisepöbel von heute fehlte ganz.“ Beschwert wurde sich auch über die Errichtung von Seilbahnen und die schlichten Schutzhütten, die sich in komfortable Gasthöfe verwandelt hätten.

     

    „Überspitzt ausgedrückt, fühlt man sich fast wie im Krieg.“

     

    Der WDR zeigt den Vorzeige-Tourismushotspot Südtirols: den Pragser Wildsee. „Die Südtiroler fühlen sich von Touristen überrannt“, so der Sprecher der Dokumentation. Am Pragser Wildsee angekommen, sind bekannte Südtiroler Gesichter zu sehen, Claudia Plaikner, Präsidentin des Heimatpflegeverbands und Josef Oberhofer, Präsident des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz. Am See sitzend weisen die beiden darauf hin, dass Südtirol mit seinen 500.000 Einwohnern im vergangenen Jahr 37 Millionen Gäste empfangen hat. „Überspitzt ausgedrückt, fühlt man sich fast wie im Krieg“, kommentiert Plaikner. Oberhofer kritisiert die Bewerbung der Destinationen im Land. Der Pragser Wildsee zum Beispiel werde den Touristen als idyllischer See verkauft, doch eigentlich würden sie nur abgefertigt, kämen her für drei Fotos und seien dann wieder weg. 
    Auch der Bettenstopp wird im Film angesprochen. Oberhofer ist der Meinung, dass dieser dermaßen „zerredet“ wurde, dass es ihn eigentlich gar nicht gibt. „Wir werden noch tausende Betten bekommen, da diese bereits vor Einführung des Bettenstopps in der Genehmigungsphase waren“, fügt Plaikner hinzu. 

  • Claudia Plaikner: Die Präsidentin des Heimatpflegeverbands sieht den Bettenstopp kritisch. Foto: Othmar Seehauser
  • Vom Pragser Wildsee springt die Kamera nach Corvara, wo kein Geringerer als Michil Costa wartet. Der Abteier Hotelier ist bekannt für seine kritische Haltung gegenüber dem Tourismus. Seiner Meinung nach soll die einheimische Bevölkerung wieder glücklich sein, die Gäste hingegen sollen strengen Regeln folgen. „Gäste, die nach Südtirol und in die Dolomiten kommen, sollten sich sieben Jahre vorher anmelden“, meint Costa. Denn die touristischen Ströme müssten einfach besser geleitet werden. Weiters fordert er eine Gemeinwohlökonomiebilanz, keine neuen Betten mehr und die Sperrung der Dolomitenpässe, denn die Gäste sollten ihr Auto gar nicht erst benutzen, wenn sie in Südtirol sind.

    Neben Südtirol sind auch andere Destinationen im Alpenraum zu sehen. Vom Müchner Haus auf der Zugspitze bis nach Garmisch-Partenkirchen. Jeder Ort erzählt seine eigene Geschichte zwischen Besuchermassen, die mit der Gondel auf den Gipfel fahren, bis hin zu Orten, die kaum ein Touristenauge je erblickt hat – unterschiedlichste Realitäten, die am Ende doch geeint sind: Wenn der Tourismus von heute auf morgen wegfallen würde, hätten sie alle ein Problem.

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K V

Mittlerweile findet sich in den deutschen Medien auch Werbung mit der Überschrift:
Wo man in Südtirol noch abseits der Touristenmassen wandern kann.

Beworben werden die wenigen Täler, wo wir Einheimische uns noch entspannen können und wo man mit der Familie noch eine ruhige Wanderung machen kann. Wenns so weiter geht, werden meine Kinder in Zukunft auch diese wenigen Plätze meiden und am Wochenende zu Hause bleiben müssen.

Die Werbung wird übrigens auch von der IDM gemacht und von uns Steuerzahlern mitbezahlt:
https://reisevergnuegen.com/suedtirol-rueckzugsorte-entspannung/
https://www.suedtirol-kompakt.com/suedtirol-wandern-abseits-der-massen/
https://insiderei.com/listen/ruhige-almen-in-suedtirol

So., 13.10.2024 - 05:54 Permalink

Io ricordo documentari simili sul Sudtirolo già anni fa sia sulle reti televisive germaniche che francesi. A me sembra estremamente aumentato il turismo italiano, dall'Oriente e in parte dai paesi dell'Est, e sicuramente lì soprattutto attraverso i social o media arriva molta pubblicità. Germanici e austriaci o francesi mi sembrano sempre meno.

Di., 15.10.2024 - 10:24 Permalink