Umwelt | Gastbeitrag

Das zweite Wunder von Mals

Ist der Malser Weg gescheitert? Nein, der Malser Weg ist der richtige Weg in die Zukunft. Herzlichen Glückwunsch zum 10. Geburtstag! Wir sind mehr als Ihr glaubt.
Mals 2014
Foto: Umweltschutzgruppe Vinschgau
  • Es war der Wallfahrtsort zahlreicher Menschen und Institutionen nicht nur aus Europa. Das Modell der „Pestizidfreien Gemeinde Mals“ wurde zur Hoffnung vieler, denen eine zukunftsfähige Entwicklung am Herzen liegt. Zahlreiche wissenschaftliche Publikationen, Filme, journalistische Beiträge, Tagungen mit hochrangigen Redner:inne, Exkursionen, Workshops und Kulturveranstaltungen folgten der Gründung der Bürgerbewegung „der Malser Weg“ im Jahr 2013 . 
    Die Pionier:innen konnten nicht ahnen, dass ihr legitimes Anliegen eines gesunden Lebens in den Folgejahren einen unvergleichbaren Kampf der mächtigen Agroindustrie und ihrer politischen Lobby lostrat. Verbale und physische Bedrohungen und Attacken, Verunglimpfungen und existenzbedrohende Gerichtsprozesse waren die Antworten dieser Macht.

    Der Vinschgau war und ist, wie viele landwirtschaftliche Zonen Südtirols, trotz seiner Höhe, seit den 1980er Jahren von agroindustriellem Apfel-Anbau geprägt, welcher mit hohem Pestizideinsatz verbunden ist. Der ständige Höhenwind in diesem Gebiet führt zu einer nicht kontrollierbaren Abdrift und Verbreitung. Eindrücklich wird dies dargestellt im Film „Das Wunder von Mals“ (2016). Das Ausmaß des Pestizideinsatzes wurde erst jüngst dokumentiert. Die Auswertung der „Giftbücher“ bestätigt, dass von März bis September täglich gespritzt wird. Eine Studie der Universität Kaiserslautern vom Mai 2024 fand heraus, dass 45% der Spielplätze in der Nähe von intensiv bewirtschafteten Flächen in Südtirol mit Pestiziden belastet sind. 

  • Foto: Umweltinstitut München
  • „Verbale und physische Bedrohungen und Attacken, Verunglimpfungen und existenzbedrohende Gerichtsprozesse waren die Antworten dieser Macht.“

     

    Zur Erinnerung: Das wachsende Bewusstsein der Bevölkerung des Obervinschgau für die gesundheitlichen Belastungen durch den starken Pestizideinsatz führte bereits am Ende der 1990er Jahre zu zahlreichen Veranstaltungen und Initiativen. Mit großer Beteiligung führte die 2013 gegründete Bürger:innenbewegung „Der Malser Weg“ im Jahr 2014 ein Bürger:innenbegehren für eine pestizidfreie Gemeinde durch, welchem 76% der teilnehmenden Bürger:innen (bei 70% Wahlbeteiligung) zustimmten. Pestizidfreiheit wurde als Primärziel zur Sicherung der Gesundheit benannt. Darüber hinaus aber fokussiert sich der Malser Weg auf eine ökologische, soziale, ökonomische, politische und kulturelle Transformation unter starker Einbeziehung der lokalen Bevölkerung. 

    2016 wurde als wirtschaftlicher Arm der Bewegung die Bürger:innengenossenschaft Obervinschgau gegründet. Die Vielfalt der Potentiale und Ressourcen des Tals, wird mit dem Ziel der Stärkung der regionalen Kreisläufe und lokalen Wertschöpfung eingesetzt. Die Bürger:innengenossenschaft ist heute tätig in den Bereichen Land- und Forstwirtschaft, wo sie die Umstellung auf nachhaltige biologische Wirtschaftsweise unterstützt, im Handwerk, in dem sie Vernetzung und neue Produkte fördert, im Bereich Handel und Dienstleistung, in Tourismus und Gastronomie, in Bildung und Kultur, in Forschung und Innovation, in der Regional- und Dorfentwicklung und im Bereich Soziales. Sie betreibt Märkte, eine Dorfsennerei, ein Kulturcafé und ein Streuhotel. 

  • Foto: Wunder von Mals
  • „Sollen nun die mächtigen Gegner den Kampf von David gegen Goliath gewonnen haben?“ 

     

    Und nun? Im Februar 2024 hat der Italienische Staatsrat „im Namen des Volkes“ die Umsetzung des Bürger:innenbegehrens von 2014 durch die Gemeinde Mals, welche eine Abstandsregelung von 50 Metern zu Pestizideinsätzen vorsieht, für unzulässig deklariert. Sollen nun die mächtigen Gegner den Kampf von David gegen Goliath gewonnen haben? 

    Nach vielen Jahren des Kampfes sind die Pionier:innen des Malser Weges müde. Einige haben sich zurückgezogen, was angesichts der Heftigkeit der Konflikte verständlich ist. 

    Doch Konflikt ist, wie wir aus der Geschichte wissen, das Feuer unter dem Kessel der Demokratie (Saul Alinsky). Trotz oder auch wegen des Entstehungshintergrundes im Konfliktszenarium hat der Malser Weg auch durch die Unterstützung zahlreicher namhafter Akteur:innen von außen, z. B. dem bayerischen Umweltinstitut, dem oekom Verlag sowie verschiedener Universitäten und Wissenschaftler:innen aus dem deutschsprachigen und internationalen Raum eine starke Position in Diskursen um Modelle der Nachhaltigkeit erlangt und genießt Bewunderung seitens der Gruppierungen mit vergleichbaren ökosozialen Interessen. Auch in Buch- und Filmdokumentationen sowie in Universitätsseminaren spielt Mals und das, wofür es steht, eine große Rolle. 

  • „Nach dem Besuch einer Gruppe von Agrarökolog:innen des Green Mountain College in Vermont (New England) in Mals, haben diese das Modell Malser Weg in einem Dorf kopiert.“ 

     

     

    Es gibt mittlerweile auch ein zweites Wunder von Mals: Nach dem Besuch einer Gruppe von Agrarökolog:innen des Green Mountain College in Vermont (New England) in Mals, haben diese das Modell Malser Weg in einem Dorf kopiert. 
    Ist der Malser Weg gescheitert? Nein, der Malser Weg ist der richtige Weg in die Zukunft.
    Herzlichen Glückwunsch zum 10. Geburtstag! Wir sind mehr als Ihr glaubt!

     

    Susanne Elsen, Brixen; Miriam Zenorini, Milland; Isidor Wallimann, Basel; Horst Stuffer, Vahrn; Brigitte Ferdigg, Mühlbach, Maxi Obexer, Felthurns; Niklas Klinge, Pinzagen; Franz Linter, Brixen; Oscar Kiesswetter, Kaltern

     

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Thomas Strobl Di., 15.10.2024 - 23:02

Manche meinen, Sieger und Verlierer kann man nicht velwechsern - werch ein illtum. (Frei nach Ernst Jandl) Dank und Gratulation den Wunder-Bürger*innen von Mals, schade um die verlorene Zeit bis dahin, da die Zeit erweisen wird, dass ihr der Zeit voraus, nein, eigentlich auf ihrer Höhe wart.

Di., 15.10.2024 - 23:02 Permalink
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Josef Fulterer Mi., 16.10.2024 - 06:15

Insekten + Pilz-Krankheiten treten in Mono-Kulturen häufiger auf, ("aber nicht immer!"), weil sie dort ideale Bedingungen für ihre explosive Vermehrung vorfinden. (Beispiel: die aus der Bibel bekannte "gelegentliche Heuschrecken-Plage auf Gras-Landschaften")
Die von der Chemie-Industrie bestens gepflegten Berater empfehlen, auch um Schadenersatz-Forderungen zu vermeiden, lieber volles Programm, denn die Magazine "ihrer spendablen Gönner" müssen von der kostspieligen Ware ...

Mi., 16.10.2024 - 06:15 Permalink
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Salto User
nobody Mi., 16.10.2024 - 20:38

Dann gehe ich davon aus, dass die Malser nur biologisch und nachhaltig produzierte Ware zu einem fairen Preis und unter menschenwürdigen Bedingungen produziert einkaufen, von der Apfelsine bis zum Ziegenfleisch. Doch, auch wenn alle Malser dies so schön und brav handhaben, so geben europaweit immer mehr Biobetrie auf. Schon komisch. Kann das der Malser Weg erklären? Allerdings: Bin schon dafür, dass sich der Malser Weg zumindest in Teilen durchsetzen sollte, leider spielen Handel und Konsument zu oft nicht mit.

Mi., 16.10.2024 - 20:38 Permalink
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Johannes A. Mi., 16.10.2024 - 23:41

Den Malsern ging es ja auch nicht primär um die Umwelt bzw. sind sie nur solange dafür, bis sie selbst dafür nichts hergeben müssen und die bösen Bauern dadurch bestraft werden können.

Umweltpolitik geht immer leicht auf dem Rücken und mit der Brieftasche der anderen. Würden es die Malser ernst meinen, würden sie auf die umweltschädlichen Handys und Autos verzichten. Aber siehe da.

Mi., 16.10.2024 - 23:41 Permalink
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Peter Gasser Do., 17.10.2024 - 09:23

Antwort auf von Martin Daniel

Zitat: “Den Malsern ging es in erster Linie um ihre Gesundheit und die ihrer Kinder. Und um eine harmonische Beziehung zwischen Mensch und Natur. Allen What-about-ismen und interessengetriebenen Anfeindungen zum Trotz”:

... wenn dies so wäre, hätten die Malser bei sich selbst ansetzen müssen:
kein Handel und kein Konsum im Dorf von Lebens- und Genussmitteln, welche mit chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln erzeugt worden sind.

Haben Sie aber nicht.
Auch der Abrieb der Autoreifen und die Abgase von Gasheizungen sind egal: kein Verbot von chemisch-synthetischem Reifengummi, kein Verbot von LKW im Dorf, kein Verbot von Gasheizung... alles Dinge, die alle treffen würden - auch jene, die es so bestimmen. Auch kein Verbot das irgendwie den Tourismus, den Handel oder den normalen Angestellten trifft, sehr sorgsam ausgewählt nur die eine Berufsgruppe, den Obstbauern.

Es ist nicht “heilig” (“Wunder von Mals”), wenn ich vom anderen etwas verlange, aber selbst nichts beitrage:
also, ihr Landwirte erzeugt das nicht mehr, und wir Händler verkaufen es nicht mehr und wir Verbraucher konsumieren das nicht mehr: DAS ist (wäre) Glaubwürdigkeit.

Der Mut zur Selbstbeschränkung der Malser war und ist nicht gegeben. Während man es selbst “nutzt”, zeigt man mit dem Finger empört auf den anderen: nennt sich im Volksmund ‘scheinheilig’

Aber das hatten wir schon, leider gibt es keine Diskussion dazu:

Ich habe einen…

Die Malser wollen das nicht, die Schweizer haben es letzthin mehrfach in der direkten Demokratie abgelehnt...

Do., 17.10.2024 - 09:23 Permalink
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Stefan S Do., 17.10.2024 - 11:07

Antwort auf von Peter Gasser

"kein Handel und kein Konsum im Dorf von Lebens- und Genussmitteln, welche mit chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln erzeugt worden sind"
Auch wieder so ein Whataboutismus
Ich kann mich nicht erinnern beim Obst und Gemüse Einkauf jemals eingewilligt zu haben, dass diese Produkte unbedingt mit Pestiziden erzeugt werden müssen. Ebensowenig habe ich dem Bauer in der Nachbarschaft erlaubt mit seiner Abdrift meinen Vorgarten zu benebeln. Es gibt auch keine Warnhinweise. Ich muss das einfach so hinnehmen.

Do., 17.10.2024 - 11:07 Permalink
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Peter Gasser Do., 17.10.2024 - 11:50

Antwort auf von Stefan S

Es erscheint billig, statt argumentativ zu antworten, völlig deplatziert von Whauaboutismus zu sprechen.

Der Bauern hat Ihnen auch nicht erlaubt, um bei Ihrer Argumentation zu bleiben, mit dem Abrieb Ihrer chemisch-synthetischen Autoreifen Grundwasser, Fluss und Meer mit Mikroplastik zu verseuchen, auch hat der Bauer Ihnen nicht erlaubt, mit Gas und Benzin die Luft zu verpesten - und trotzdem tun Die es.

Sie erkennen den Leerlauf Ihrer Argumentation?

Do., 17.10.2024 - 11:50 Permalink
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Peter Gasser Do., 17.10.2024 - 12:57

Antwort auf von Manfred Gasser

Vorschlag:

- Referendum zum Verbot von Lebens- und Genussmitteln, welche mit chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln hergestellt werden?

- Dafür sorgen, dass die Politik aktiv wird - Bürgerräte zum Verbot von Handel und Konsum auf dem gesamten Gemeindegebiet von Lebens- und Genussmitteln, welche mit chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln hergestellt werden?

- in Mals: Volksabstimmung zum Verbot von Handel und Konsum auf dem gesamten Gemeindegebiet von Lebens- und Genussmitteln, welche mit chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln hergestellt werden.

Alles möglich...

Do., 17.10.2024 - 12:57 Permalink
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Stefan S Do., 17.10.2024 - 12:58

Antwort auf von Peter Gasser

Wenig plausibel was Sie hier anbieten.
Nehmen wir nur Ihr Auto Beispiel. Hier ist jeder Hersteller dazu verpflichtet den Schadstoffausstoss anzugeben. Außerdem gibt es Europäische Grenzwerte für die Feinstaubbelatung ebenso, wie erst kürzlich beschlossen, eine Verpflichtung zur Reduzierung.
https://germany.representation.ec.europa.eu/news/parlament-und-rat-eini…
Überall in den Städten gibt es Feinstaubmessstationen welche die Kommunen zwingen Maßnahmen gegen die von Ihnen genannten Verschmutzungen zu unternehmen.
Also erst informieren und nicht einfach die Phrasen der Agrarlobby hinaus posaunen.

Do., 17.10.2024 - 12:58 Permalink
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Peter Gasser Do., 17.10.2024 - 13:04

Antwort auf von Stefan S

Ich bitte Sie! - Die Verwendung der Pflanzenschutzmittel ist wesentlich strenger und engmaschiger gesetzlich vorgegeben (Grenzwerte, Ausbringmengen, Ausbringzeiten, Rückstände, Arbeitssicherheit...) und kontrolliert, als der Autoverkehr oder die Heizung.

Der Vorwurf, sich zu informieren, fällt auf Sie zurück.

Aber zum Sachlichen, was sagen Sie nun inhaltlich zu meinen Gedanken?

Do., 17.10.2024 - 13:04 Permalink
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Stefan S Do., 17.10.2024 - 14:31

Antwort auf von Peter Gasser

"Die Verwendung der Pflanzenschutzmittel ist wesentlich strenger"
Auch wieder so eine Behauptung. Da brauch ich mir nur den Weinberg um die Ecke anschauen um darüber milde zu lächeln. Und da dies ja so toll für die Biodiversität ist hat man die Zulassung von Glyphosat gleich noch verlängert. Einträgliches Geschäft für Bayer und Co. Mosantos liefert die genveränderte Monokultur und Bayer das passende Pestizide. Das ganze lässt man sich patentrechtlich sichern. Und den Bauern lässt man gar keine andere Wahl mehr als dieses manipulierte Saatgut zu kaufen welches unter normalen Bedingungen sofort eingeht.
Mir geht auch gar nicht um ein striktes Verbot von Pestiziden etc. sondern um einen nachhaltigen Umgang und vor allem um die Unterbindung für kurzfristige Gewinnoptimierung welche nachhaltig und unwiederbringlich die Biodiversität zu zerstört.

Do., 17.10.2024 - 14:31 Permalink
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Peter Gasser Fr., 18.10.2024 - 08:27

Antwort auf von Stefan S

Zitat: „Die Verwendung der Pflanzenschutzmittel ist wesentlich strenger". Auch wieder so eine Behauptung“:

Bitte höflich um korrektes Zitieren:
„Die Verwendung der Pflanzenschutzmittel ist wesentlich strenger und engmaschiger gesetzlich vorgegeben (Grenzwerte, Ausbringmengen, Ausbringzeiten, Rückstände, Arbeitssicherheit...) und kontrolliert, als der Autoverkehr oder die Heizung“.
Deren Abgase sind überall vorhanden und haben ebenso Grenzwerte.
Die Zeit der Ausbringung ist wesentlich länger, Grenzwerte werden oft überschritten.

Fr., 18.10.2024 - 08:27 Permalink
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Martin Ancient Fr., 18.10.2024 - 15:49

Antwort auf von Peter Gasser

Es ist müßig immer wieder benennen zu müssen, was es ist: Whataboutism und Diskursverschiebung. Punkt.
Leerlauf ist am Ende diese Diskussionsstrategie, denn wenn es argumentativ nicht weiter geht, dann wird ein neues Fass aufgemacht. Ich schätze Ihre Meinung bei vielen anderen Dingen, aber hier ist die Herangehensweise ein Sackgasse.

Fr., 18.10.2024 - 15:49 Permalink
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Martin Daniel Do., 17.10.2024 - 18:15

Antwort auf von Peter Gasser

Geehrter Hr. Gasser, die Sache ging, wie sich sicher wissen, folgendermaßen los: Durch den Klimawandel kann in immer höhere Lagen Obstanbau betrieben werden, in den letzten 1-2 Jahrzehnten bis an und auch knapp über die Tausend-Meter-Grenze. Rund um Mals, wie sie sicher auch wissen, befanden sich damals nahezu alles Wiesen mit Grünlandwirtschaft. Wie sie ebenfalls sicher wissen weht auf der Malser Haide und rund um das Dorf häufig ein ordentliches Lüftchen - der berühmte Vinschger Wind. Nun gab es sich, dass es durch die lukrativere Bewirtschaftungsweise des Apfelanbaus, der - falls nicht biologisch - mit erheblichem Pesitizideinsatz einhergeht, zu Nachbarschaftskonflikten kam. Denn die durch den Wind verursachte Abdrift landete immer öfter auch auf angrenzenden Grundstücken, deren Heu bspw. mit Pestiziden verunreinigt wurde. Da die Beweisführung bzgl. des Ursprungs der unrechtmäßigen Einträge für die geschädigten Grundbesitzer äußerst schwierig bis unmöglich war und die Pestizideinträge auch öffentliche Flächen wie Spielplätze von Schulen betrafen, haben sich Bürger zusammengetan, um sich und eben ihre Kinder vor diesen unrechtmäßigen Fremdeinträgen von chemisch-syntethischen Pestizid-Cocktails zu schützen.
Und ja, man hört, einige von ihnen, sollen auch versucht haben, auf das Atmen zu verzichten, um nicht den Reifenabrieb und die Abgase des Straßenverkehrs einzuatmen. Anscheinend haben sie nicht lange durchgehalten... Sie verlangen von normalen Menschen, die sich vor neuen Gefahren schützen wollen, dass sie das nur dürfen, wenn sie Jesus, Maria und Josef und den ganzen Rest der Dreifaltigkeit in sich vereinen und auf einen Schlag die ganze Welt retten. Whataboutism at its perfect!

Do., 17.10.2024 - 18:15 Permalink
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Peter Gasser Fr., 18.10.2024 - 08:06

@ Martin Daniel, Do., 17.10.2024 - 18:15 Uhr:

Ja, Veränderungen gibt es seit Adams Zeiten immer wieder und überall mal, die einen bekommen eine Straße, eine Autobahn, einen Flugplatz, einen Stausee, eine Handwerker- oder eine Industriezone, einen Schilift, einen Großmarkt, Windräder, ein Klärwerk, ein Tierheim, eine Wohnbauzone, einen Tierzuchtbetrieb - und hier war bzw. ist es Obstbau.
Der erste Teil dieses Kommentars erzeugt ja im bestimmten Maße Verständnis und Mitgefühl, aber auch ein Bauer darf mit der Zeit gehen und seine Kultur anpassen, so wie dies jeder andere Wirtschaftstreibende auch tut - sofern er sich an geltendes Recht hält.

Oben steht von „... unrechtmäßigen Einträge für die geschädigten Grundbesitzer“: nun, „unrechtmäßig“ bedeutet, dass gegen das Gesetz verstoßen wurde, und dadurch „geschädigte Grundbesitzer“ Ihr Recht einklagen können.
Meines Wissens aber wurden die gesetzlichen Grenzwerte bei all den Proben nie überschritten, oder gibt es da bessere Informationen? Ist die Situation in Mals tatsächlich schlimmer als in anderen Obstbaugebieten in Südtirol oder in anderen europäischen Obstbaugebieten?

Der Konflikt zwischen traditionellen und biologischen Betrieben durch Abdrift besteht leider, hier ist meines Wissens schon viel Positives erreicht und gemeinsam wird man Lösungen finden.

Den Zynismus im 2. Teil des Kommentars finde ich völlig fehl am Platz, er dient der Sache nicht.
Schon einmal gesagt: eine vertiefte und umfassende Betrachtung ist kein Whataboutismus (der Vorwurf des Whataboutismus hier selbst aber - ist ein solcher!).

Auch dieser Kommentar geht auf die Argumentation in der Sache nicht ein, was ich sehr schade finde.
Meinerseits befürworte ich eine Volksbefragung zum Verkauf von mit chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln erzeugten Genuss- und Lebensmitteln und würde dieser zustimmen (mit Ausnahme von klimatisch ungünstigen Jahren, welche die Versorgungssicherheit gefährden), da ich darin eine große Chance für die regionale Landwirtschaft sehe, sie würde an Wert (und an Preis) gewinnen können.

Zur Argumentation selbst steht im obigen Kommentar leider nichts: dass man in Mals dem Bauern das Erzeugen von Lebens- und Genussmitteln mit chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln verbieten möchte, selbst aber täglich genau diese Produkte, die in jedem Haushalt, in jedem Geschäft, in jedem Betrieb und in jedem Hotel in Mals vorhanden sind, konsumiert.
Es geht offensichtlich, und das zeigt dieser Kommentar oben anschaulich, NUR darum, dass der BAUER VOR ORT nicht das produziert, was Lastautos Tag für Tag zu den Konsumenten nach Mals karren.

In Mals lebt die Bevölkerung offensichtlich nicht anders als im Rest des Landes, ich sehe kein „Wunder“ und keine „Heiligen“...

Fr., 18.10.2024 - 08:06 Permalink
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Sigmund Kripp Fr., 18.10.2024 - 09:21

Antwort auf von Peter Gasser

@Gasser: Das Problem ist die Gleichzeitigkeit von legal und nicht mehr legal:
Ein Obstbauer auf der Malser Heide, der im Juli ein Pestizid ausbringt, ist legal unterwegs.
Die Abdrift treibt das Pestizid auf die daneben liegende Futterwiese.
Ein Biobauer, der dieses Futter auch im Juli schneiden will, ist nicht mehr in Ordnung, weil sein zu diesem Zeitpunkt geernetetes Futter chemisch belastet ist.
DAS war das Hauptproblem in Mals.

Fr., 18.10.2024 - 09:21 Permalink
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Martin Daniel Fr., 18.10.2024 - 11:38

Antwort auf von Peter Gasser

Es gilt, zwei Profile auseinanderzuhalten. Eines sind die gesetzlichen Grenzwerte, die die EU (unter anderem unter Beteiligung der Chemie-Industrie) für die menschliche Gesundheit festlegt. Diese Werte wurden bspw. für die Gefahrenbewertung für Kinderspielplätze und Schulhöfe herangezogen und die Proben ergaben, wenn ich mich recht erinnere, eine Belastung unter diesen Grenzwerten.
Etwas anderes ist der zivilrechtliche Aspekt eines Schadens für das Privateigentum Dritter. In der Bewirtschaftung als Grünflächen haben deren Eigentümer, selbst Bauern vor Ort, z.B. Brotklee für Bäckereien oder Gras und Klee als Viehfutter angebaut, das an biologisch arbeitende Bauern verkauft wurde. Die Vorschriften für biologische Lebensmittel erlauben bekanntlich nicht einmal Spurenelemente von chemisch-synthetischen Stoffen im Produkt, wodurch diesen Bauern ein vermögensrechtlicher Schaden entstanden ist. Um diesen erstattet zu kriegen, hätten sie den Verursacher dieser unrechtmäßigen Einträge in sein Privatgrundstück zweifelsfrei identifizieren und den entsprechenden Beweis erbringen müssen. Eine probatio diabolica angesichts des ortstypischen Windes und der kleinteiligen Grundstücksverhältnisse.
Ich kenne beileibe nicht alle Personen, die sich an dieser Aktion beteiligt hatten und weiß nicht, was genau sie konsumier(t)en. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass nicht wenige Kernmitglieder der Initiative bio konsumieren und auf regionale Produktion achten. Manche von ihnen sind in einer sozial und ökologisch nachhaltig arbeitenden Genossenschaft Vinterra engagiert, die lokalen Gemüseanbau und -vermarktung sowie ein dazugehöriges gastromisches Angebot betreibt. Weiters gibt es in Mals die Bürger-Genossenschaft Obervinschgau, die sich für lokale Kreisläufe und sozialen Zusammenhalt stark macht, Bio-Betriebe sind auch dabei - ob alle Bio sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Außerdem wird in der Gegend Regio-Korn angebaut. Die Dichte dieser Initiativen, die von Menschen vor Ort getragen werden, zeugt davon, dass in Mals und Umgebung möglicherweise eine besondere Verantwortung für regionale Kreisläufe und möglichst biologischer Produktion unter sozial guten Bedingungen gespürt und gelebt wird.

Fr., 18.10.2024 - 11:38 Permalink
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Peter Gasser Fr., 18.10.2024 - 12:50

Antwort auf von Martin Daniel

Meines Wissens definieren sich biologische Produkte vorwiegend durch die Art der Produktion, und nicht über Inhaltsstoffe; zudem bin ich der Ansicht, dass diese generelle Aussage („... biologische Lebensmittel erlauben BEKANNTLICH nicht einmal Spurenelemente von chemisch-synthetischen Stoffen im Produkt...“) falsch ist.

Mir ist dies nicht „bekannt“: kann diese belegt werden?

Fr., 18.10.2024 - 12:50 Permalink
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Martin Daniel Fr., 18.10.2024 - 18:04

Antwort auf von Peter Gasser

Mit den "Vorschriften für biologische Lebensmittel" beziehe ich mich auf die Vorgaben der Öko-Kontrollstellen, die den Produkten des Anbauers die Zertifizierung gewähren. Geschäfte und Handelsketten, die wie die Kontrollstellen ihren Ruf und Geschäftswert gefährdet sehen, nehmen seine Produkte bei Verstoß aus den Regalen. Der Schaden besteht in der Unverkäuflichkeit der Erzeugnisse auf dem Markt, also in Umsatzeinbußen. Ein Kräutererzeuger aus Goldrain kann Ihnen ein Lied davon singen.

Fr., 18.10.2024 - 18:04 Permalink
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Stefan S Fr., 18.10.2024 - 12:52

Antwort auf von Peter Gasser

"Zur Argumentation selbst steht im obigen Kommentar leider nichts: dass man in Mals dem Bauern das Erzeugen von Lebens- und Genussmitteln mit chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln verbieten möchte, selbst aber täglich genau diese Produkte, die in jedem Haushalt, in jedem Geschäft, in jedem Betrieb und in jedem Hotel in Mals vorhanden sind, konsumiert."
Diese Argumentation ist eine Krücke weil zum einen überhaupt gar keine Transparenz beim Verkauf von Obst und Gemüse gegeben ist in Bezug auf die Menge des jeweilig verwendeten Pflanzenschutzmittel und zum anderen kann ich als Verbraucher auch darauf bestehen es in Zukunft besser zu machen. Klar ist Verzicht/Boykottierung das einfachste Mittel dies setzt aber voraus das der Verbraucher eine homogene Masse in Bezug auf das Kaufverhalten ist und dadurch Druck auf den Erzeuger ausüben kann aber dies ist nur mit einer dementsprechenden Information bzw. Medienkamapgne erreichbar. Der Mangel an Transparenz gilt übrigens für die ganze Lebensmittelbranche. Könnte man bei einfacher und klarer Kennzeichnung auf den jeweiligen Produkten eine viel gesündere und ausgewogner Ernährung erreichen. Z. B. Ampelkennzeichnung bei stark zuckerhaltigen Lebensmittel.

Fr., 18.10.2024 - 12:52 Permalink