Gesellschaft | Klimaprotest

Blinde Politik

Für Extinction Rebellion South Tyrol ist der Klimaschutz der Landesregierung eine reine Marketingkampagne. Die Gruppe hat am Dienstagmorgen aus Protest verschiedene Statuen in Bozen mit roten Bandagen verhüllt. Die Politik soll endlich die Augen aufmachen.
Extinction Rebellion
Foto: XR BZ
  • Es sind keine harten Bandagen, mit denen die Gruppe Extinction Rebellion South Tyrol in der Nacht auf den 26. November zugeschlagen hat, sondern es ist ein politischer Protest, der fast schon die Poesie einer Kunstaktion hat.
    Unser Lebensraum steht auf dem Spiel! Die Klimakrise richtet bereits verheerende Schäden an. Wir fordern die Landesregierung von Südtirol auf, endlich konkrete Maßnahmen zum Schutz und Wohl der Zivilbevölkerung umzusetzen!“, schreibt die Gruppe der anonymen Klimaschützer und – schützerinnen in einer Presseaussendung,.
    Im frühen Dienstagmorgen wurden in der Landeshauptstadt Bozen verschiedenen Statuen die Augen verbunden und die Denkmäler mit Schildern versehen. „Die Bandagen symbolisieren metaphorisch die Blindheit der herrschenden Klasse gegenüber der fortschreitenden Umwelt- und Klimakatastrophe“ begründen die Aktivisten die Aktion.

  • Statue am Mazziniplatz: „Blindheit der herrschenden Klasse gegenüber der fortschreitenden Umwelt- und Klimakatastrophe“ Foto: XR BZ
  • So wurden etwa den Statuen an der Mariensäule im Marienpark vor der Goetheschule mit roten Binden die Augen verbunden. Oder eine Statue auf der Bozner Wassermauer. Auch das Bronzerelief des italienischen Freiheitskämpfers Giuseppe Mazzini am gleichnamige Mazziniplatz wurde so verschönert. 
    Zudem wurden farbige Schilder mit dem Text „Agire Ora/Jetzt Handeln“ aufgehängt. Die Grafik auf den Schildern zeigt die „Wärmestreifen“ (Climate Stripes), die Temperaturveränderungen in den letzten 100 Jahren visualisieren. Die Wissenschaft warnt bereits seit den 1990er Jahren davor, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel das Leben zunehmend beeinträchtigen wird, wenn nicht sofort gehandelt wird.

  • Mariensäule:: Verbundene Augen und farbige Climate Stripes. Foto: XR BZ
  • Verbunden ist die Aktion mit einer grundlegenden politischen Kritik.
    Für Extinction Rebellion South Tyrol arbeitet die Südtiroler Landesregierung seit Jahren zwar an Strategien, um theoretische Maßnahmen zur Klimakrise auf Papier zu verewigen, konkrete Maßnahmen zur Abschwächung der Auswirkungen und zum Schutz der Südtiroler Bevölkerung seien bisher aber nicht umgesetzt worden. Es habe sogar den Anschein, dass die Politik mit einer Gesetzesänderung die Wirksamkeit von Gutachten zur Folgenabschätzungen für Bauwerke anstrebe, so dass die Einschätzungen von Expertinnen und Experten zukünftig noch einfacher ignoriert werden können. „Dies sind weitere Rückschritte in einer Klimapolitik, die bisher ausschließlich aus Marketing-Kampagnen bestand“, so die Klimaschützer.

  • Morgendliches Staunen vor der Goetheschule: Grundlegende politische Kritik. Foto: XR BZ
  • Extinction Rebellion South Tyrol fordert die Landesregierung deshalb auf, „die Wahrheit zu sagen.“ 
    Große Südtiroler Unternehmen würden Berge an öffentlichen Geldern verschlingen, aber  kaum zum dringend notwendigen Wandel beitragen. Der Klimaplan 2040 und die erarbeiteten Verbesserungen müssten endlich umgesetzt werden. 

     

    „Anhand der aktuellen politischen Situation und des autoritären Windes, der in diesem Land weht, kann man jetzt schon abschätzen, welche Folgen diese Aktion haben wird.“
     

    Extinction Rebellion South Tyrol: „Öffentliche Gelder für neue große Straßenbauprojekte und Skigebiete, die es in einigen Jahren vielleicht schon nicht mehr gibt, müssen gestoppt werden. Der Schutz der Zivilbevölkerung und der Lebensgrundlagen für künftige Generationen muss endlich an erster Stelle stehen.“
    Anhand der aktuellen politischen Situation und des autoritären Windes, der in diesem Land weht, kann man jetzt schon abschätzen, welche Folgen diese Aktion haben wird.
    Die politische Polizei DIGOS wird Ermittlungen aufnehmen, um die Urheber der Aktion ausfindig zu machen. Dann wird es polizeiliche Vorbeugemaßnahmen geben.
    Denn Protest ist in diesen Zeiten weder erlaubt noch gefragt. Auch nicht in Sachen Klima.

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Profil für Benutzer Franz Pattis
Franz Pattis Di., 26.11.2024 - 13:08

Lese oben: „Die politische Polizei DIGOS wird Ermittlungen aufnehmen, um die Urheber der Aktion ausfindig zu machen“.
Das ist total lächerlich da an den Statuen doch überhaupt kein Schaden entstanden ist?!
Ich finde die Aktion von Extinction Rebellion South Tyrol auf jeden Fall suuuper!!

Di., 26.11.2024 - 13:08 Permalink
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Profil für Benutzer Thomas Benedikter
Thomas Benedikter Di., 26.11.2024 - 16:18

Gut getroffen, Extinction, sowohl unsere lokalen politischen Entscheider:innen, aber noch mehr Tausende von offiziellen Regierungsvertreter:innen im fernen Baku beweisen gerade in Sachen Klima alles andere als Weitblick bzw. haben ein rotes Tuch oder halt ein Brett vor dem Kopf.

Di., 26.11.2024 - 16:18 Permalink
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Salto User
Peter Be Di., 26.11.2024 - 17:53

Volle Solidarität mit den Aktivist*innen! Eine Schande, dass jeglicher Protest und Dissens in Italien einfach so unterdrückt werden kann, ohne Aufschrei der Zivilgesellschaft.

Allerdings behaupte ich, dass den Politiker*innen sehr wohl bewusst ist, dass die Klimakrise eine ernste Gefahr für uns, generell als Spezies, nicht nur für die in Südtirol lebenden Menschen, darstellt, und dass ihre jeweilige Politik diese weiter verschärft.
Über die wahren Ursachen für die Untätigkeit der Politik in Bezug auf die Klimakrise könnte man hier ausgiebig diskutieren. Wichtig ist allerdings, festzuhalten, dass ein "grüner Kapitalismus" derzeit unvorstellbar ist, und im Landtag nicht die großen Fragen diskutiert werden, zB. wie alternative Möglichkeiten des Wirtschaftens, die es uns Menschen und den Tierarten, die die nächsten Jahrzehnte überleben werden, erlauben, langfristig auf diesem Planeten bleiben zu können, aussehen könnten. Die Wirtschaftspolitik aller Parteien (nicht nur) in Südtirol ist in etwa dieselbe.
Somit bin ich überzeugt, dass wir uns als Zivilgesellschaft "von unten" organisieren und uns darüber austauschen müssen, wie eine Alternative aussehen könnte, wie wir die Transformation schaffen können, wie wir Mehrheiten für Klimaschutz gewinnen können usw.
Die Mitarbeit und Kreativität von uns allen ist gefragt, alle paar Jahre wählen zu gehen ist nicht mehr genug.

Di., 26.11.2024 - 17:53 Permalink
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Salto User
Margot Wittig Di., 26.11.2024 - 18:26

super gemacht: wach rütteln ohne etwas zu beschädigen! Beschädigt wurde jedoch sicher nicht einmal das ruhige Gewissen jener, die am "weiter wie bisher" festhalten wollen...

Di., 26.11.2024 - 18:26 Permalink