Gesellschaft | Privatfernsehen

"Kante tut auch Medien gut"

Neue Mission für Gernot Gruber. Warum es den Meinungsforscher in die Welt des lokalen Privatfernsehens verschlagen hat.

Vom Meinungsforscher und Politikbeobachter ins Mediengeschäft. Warum der Wechsel?
Es ist wieder mal Zeit für eine  neue Perspektive, das hält den Geist und das Gehirn jung und dynamisch. Außerdem habe ich beruflich immer schon Berührungspunkte mit Medien gehabt, wenn auch mehr auf der analytischen Seite. Auch deshalb finde ich es jetzt einmal spannend, nicht nur immer daneben zu stehen, und zu sagen, so wäre es richtig, sondern selbst umsetzen zu können.

Sie haben sich in Ihren politischen Analysen oft recht ungeschminkt geäußert. Wird das der Geschäftsführer von Südtirols privaten TV-Sendern so beibehalten?
Das wird auch hier Teil meiner Rolle sein. Ich werde bei SDF in gewisser Weise auch die Rolle eines Herausgebers übernehmen, der dann klarerweise seine Sichtweise hat. Im Gegensatz zu anderen Medien fehlte bei SDF bislang noch eine Herausgeberfigur, und auch die MitarbeiterInnen wünschen sich eine Persönlichkeit, die in manchen Bereichen eine Linie vorgibt. Solch klare Positionen sind in einem Medienunternehmen gefragt, ich  denke auch hier tut Kante gut. Und mein Vorteil war zumindest bisher: Meine Aussagen waren immer faktenbasiert.

Hinter SDF stehen bekannte Unternehmer wie Franz Senfter, die Familie Fuchs der Brauerei Forst und über die Euregio Finance sogar Michl Ebner. Haben Sie überhaupt genügend Spielraum, um Kante zu zeigen?
Absolut. Die Eigentümer lassen bei SDF absolute Freiheit in der redaktionellen Aufarbeitung der Themen, das können vor allem alle RedakteurInnen bestätigen, die hier schon länger tätig sind. Intervention ist bei SDF kein Thema.

Die Rosengarten Broadcasting Media GmbH ist einer der Youngster auf dem heimischen Medienmarkt. Wo sehen Sie seine größten Herausforderungen?
Für eine Antwort darauf ist es noch zu früh, ich bin erst seit dieser Woche operativ, und nun steht erst einmal die Analysephase an. Vorerst gilt es zu schauen, wo es Potentiale gibt, und meine Erfahrungen im Medienbereich und Ideen einzubringen. Ich habe auch eine kreative Seite, die bisher kaum jemand kennt, denn ein Marktforscher ist nicht kreativ.  Doch wir werden schon bald mit einigen Dingen überraschen, denn in der kurzen Zeit sind schon einige brillante Ideen geboren worden.

Ihr Eigentümer zeigt sich in einer Aussendung zu Ihrer Bestellung davon überzeugt, „einen Mann gefunden haben, der ganz genau weiß, was die Südtiroler Fernsehzuseher sehen wollen“. Stimmt das?
Ich habe als Marktforscher seit über acht Jahren intensiv den Medienkonsum im Land gemessen. Da heißt, das gibt es ein ziemliches Wissen darüber wo welcher Mitwerber stark ist, und wo die weißen Flecken sind, auf denen man sich positionieren kann. Es ist  sicher kein Schade, wenn man das in meiner neuen Position weiß.

Südtirols Medienmarkt wird immer vielfältiger, der Werbekuchen immer kleiner. Lautet die Antwort darauf Kooperation oder Konkurrenz?
Ich bin grundsätzlich immer für Kooperation, denn das Land ist einfach zu klein. Vor allem gibt es ohnehin eine unterschiedliche Zielgruppenorientierung der verschiedenen Medien. Das heißt, wenn jeder seine Nische hat und dort gut arbeitet, macht ein darüber gehender Austausch absolut Sinn. Denn miteinander kommt man eher weiter als gegeneinander. Ich bin daher dafür, offen mit allen Mitbewerbern zu reden und zu sehen, was eventuell gemeinsam möglich wäre.  

 

Hintergrund

Südtirols Privatfernseh-Pool

Das Kürzel SDF steht nicht nur für deutschsprachiges Privatfernsehen. Zur Südtirol Digital Fernsehen – Rosengarten Broadcast Media GmbH gehört darüber hinaus noch der italienischsprachige Sender VB33 sowie seit 2013 das Internetportal goinfo.it.  Ausschlaggebend für die Entstehung des Privatfernseh-Pools war der Verkauf des von Rolando Boesso gegründeten Senders VB33 an die Euregio Finance im Jahre 2008.  Im Zuge der damals stattfindenden Digitalisierung erhielten die neuen Eigentümer die Möglichkeit, aus einer analogen Lizenz mehrere digitale zu machen – und nutzen sie zur Gründung von Südtirols erstem privatem TV-Sender in deutscher Sprache.

Wichtigster Eigentümer der Rosengarten Broadcast Media ist der Innichner Unternehmer Franz Senfter, der nicht nur größter Anteilseigner der Euregio Finance ist, sondern zusätzlich über die Senfter Holding an der Betreibergesellschaft der TV-Sender beteiligt ist.  Über die Euregio Finance mit im Boot ist auch die Familie Ebner. Bedeutendere Anteile halten unter anderem die Familie Fuchs (Brauerei Forst) und seit kurzem Josef Unterholzner  (Autotest). Der Bruder des einstigen Baulöwen Serafin sitzt auch im Verwaltungsrat der Rosengarten GmbH und ist deren Sprecher. Zum neuen Geschäftsführer wurde mit 1. September Gernot Gruber bestellt. 

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Willy Pöder Fr., 05.09.2014 - 09:08

Die Mutation vom analytischen Meinungsforscher zum ananalytischen Meinungsmacher überrascht bei Dr. Gernot Gruber schon, liebte er es doch, sich auf wissenschaftlichem Parkett zu bewegen. Zugegeben, dass dieser Boden in Südtirol nicht auf Hochglanz poliert ist. Trotzdem begibt sich Gruber nun auf noch schlüpfrigeres Parkett. Und wenn ihm die Redaktion des SDF versichert hat, in totaler Unabhängigkeit vom Kapital arbeiten zu können, so ist das durchaus glaubhaft. Allerdings ist diese Unabhängigkeit in dem absolut kantenlosen Kontext zu sehen, den sich die Redaktion zu eigen gemacht hat bzw. der ihr zu eigen gemacht worden ist.
Grubers Traum nach einem kantigen Medium, den muss man daher erst verwirklicht sehen, um daran glauben zu können. Außerdem ist es höchst unwahrscheinlich, das Gruber nur deswegen in den dornenreichen "Rosengarten" gesetzt wurde. Er dürfte bei Bewährung vielmehr eine entscheidende Figur im erkennbaren Prozess hin zu einer erweiterten Medienkonzentration auf privater Ebene werden, gleichsam als Gegengewicht zur Athesia und zur Rai Südtirol gedacht, selbstverständlich immer unter Wahrung der Interessen der Eigentümer, die allerdings wiederum mit denen der genannten Konkurrenten teilweise deckungsgleich sind.
Die Trauben sind also reif. Die Zeit, die Frucht von der Rebe zu schneiden und zu keltern ist gekommen, bevor die Essigfliege die Weinbeeren ungenießbar macht. Übrigens: Generaldirektor der Rosengarten 'Broatkostn' GmbH ist Gottfried Beikircher, der ehemalige Mitbesitzer von Radio Holiday, das bekanntlich von der Pustertaler Zeitung um die Jahrtausendwende gekauft worden ist.

Fr., 05.09.2014 - 09:08 Permalink