Politik | Klimaschutz

EURAC: Südtirol nicht auf Kurs

Die territorialen Treibhausgasemissionen sollten bis 2030 gegenüber 2019 halbiert werden. Laut EURAC-Monitoring geht es in die Gegenrichtung: sie steigen immer noch an.
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  • Foto: Thomas Benedikter
  • Seit 18.7.2023 hat Südtirol einen offiziell in Kraft gesetzten Klimaplan mit klarem Ziel: Klimaneutralität bis 2040. Genauer gesagt: null Treibhausgasemissionen abzüglich der durch CO2-Senken abgeschiedenen Gase. Ein einerseits ambitioniertes Ziel, weil wir dann 10 Jahre früher klimaneutral wären als die meisten anderen EU-Regionen; andererseits aber nicht vollständig, weil die indirekten Emissionen (die aus dem Import stammenden Emissionen aus „grauer Energie“, nicht regional zuordenbare Emissionen) darin nicht enthalten sind. Mit dem Klimaplan 2040 sind bei Mobilität und Energieversorgung wichtige Weichen gestellt worden, betonte LH Kompatscher in seiner Haushaltsrede am 3.1.2024 im Landtag. Der Ausbau des ÖPNV und der Kapazitätszubau bei der erneuerbaren Energie läuft, doch hat der Klimaplan beim zentralen Maßstab des Klimaschutzes, den CO2-Emissionen, die Wende schon eingeläutet? Geht es jetzt Jahr für Jahr in Richtung Nullemissionen?

    Das EURAC-Institut für erneuerbare Energie, vom Land beauftragt mit dem Monitoring des Südtiroler Klimaplans, kann noch keinen echten Kurswechsel beobachten. Bei der Vorstellung der Ergebnisse des Klimabürgerrats im Landtag am 4.1.2024 lieferten Wolfram Sparber und Steffi Misconel einen ernüchternden Zwischenbericht. „On track“ ist Südtirol zwar bei den Emissionsminderungen von Industrie und Stromerzeugung, nicht „on track“ bei den größten Emissionstreibern, der Mobilität (44%) und der Gebäudewärme (17%). Hier einige zentrale Erkenntnisse aus dem EURAC-Monitoring:

    • Insgesamt ist der Verbrauch fossiler Brennstoffe von 2022 gegenüber 2019 um nur 1% gesunken.
    • Der Erdgasverbrauch hat 2019 bis 2023 um nur -4% abgenommen. Tatsächlich werden noch Jahr für Jahr an die tausend alte Gasheizungen mit neuen ersetzt, die ihrerseits eine Lebensdauer von 20-25 Jahren haben.
    • Im Verkehrssektor sind die Emissionen bei den größten Fahrzeuggruppen (PKW, LKW, Kleintransporter) 2023 gegenüber 2019 gestiegen. Dabei sollten gerade diese Emissionen bis 2030 gegenüber 2019 halbiert werden.
    • Der durchschnittliche Tagesverkehr hat in diesen 4 Jahren seit 2019 um +3% zugenommen. Nur 7% der neu zugelassenen Kfz sind vollelektrisch (2023: 1.034 auf ca. 15.000). Zwar nehmen die Ladevorgänge an den E-Säulen zu, andererseits zirkulieren auf Südtirols Straßen immer mehr Fahrzeuge.
    • Bei der Gebäudeheizung hat die staatliche Energiebehörde ENEA ihre Messmethode verfeinert und den realen Verbrauch in Südtirol nach oben korrigiert. 2022 und 2019 seien nicht ganz vergleichbar. Im Ergebnis liegen die Emissionen höher als 2019 und ihre angestrebte Halbierung bis 2030 erscheint unrealistisch.
    • 2023 scheinen erst 11% des Gebäudebestands als voll saniert auf. Mit 1.000-1.500 Sanierungen pro Jahr liegt die Rate viel zu niedrig.
    • Im Industriesektor liegt man auf Kurs, doch was die EURAC-Beobachter gar nicht auf dem Radar haben: bei der Landwirtschaft und im Tourismus tut sich in der Emissionsminderung so gut wie nichts. Sie werden von Klimaplan-Maßnahmen weitgehend ausgespart.

    Somit scheint der Klimaplan 2040 nicht nur die Latte zu hoch gelegt, sondern auch die Maßnahmenpalette zu wenig robust angelegt zu haben. Die Photovoltaik wird zu Recht kräftig gefördert, demnächst auch in Form der Agri-Photovoltaik und wird den Zubau von mindestens +800 MWp wohl planmäßig bis 2040 schaffen. Doch bei der Gebäudewärme wären bis 2040 rund 80.000 fossil betriebene Heizungen zu ersetzen, also 5.000 pro Jahr im Schnitt, während heute die im Land verheizte fossile Energie noch steigt. Laut Gebäudeeffizienzrichtlinie der EU müssen die Gebäude bis 2030 mindestens die Energieklasse E und bis 2033 die Energieklasse D erreichen. Zumindest ist die Förderung neuer Gasheizungen durch steuerliche Absatzbarkeit mit dem Staatshaushalt 2025 ausgelaufen.

    So wird ein Grundmangel am Klimaplan Südtirol 2040 deutlich. Nirgendwo ist durchgerechnet worden, wieviel die angegebenen Maßnahmen an CO2-Emissionsminderung bringen; nirgendwo wird ein quantifizierter und sektoral differenzierter Reduktionspfad Jahr für Jahr vorgegeben. Wäre dies vorhanden und würde er nicht eingehalten, müssten verpflichtend und rasch Kurskorrekturen greifen. Ist nicht der Fall. Dies wird bei der anstehenden Heizungswende am deutlichsten: der Ausstieg aus der fossilen Energie durch Heizungsaustausch, vor allem beim Erdgas, kann nur mit klaren gesetzlichen Vorgaben, Zeithorizonten und Förderungen gelingen. Dieser müsste für alle Wohnungseigentümer sozial gestaffelt vom Staat gefördert werden, wie z.B. in Österreich. Doch Italien hängt hier zurück und damit auch Südtirol, weil noch nicht mal das Auslaufdatum von Ölheizungen vorgeschrieben wird. So greift der Klimaplan in seiner jetzigen Fassung zu kurz, nicht vollständig und nicht durchgerechnet, nicht verpflichtend. Um einen Qualitätssprung zu erreichen, kommt man um eine gesetzliche Grundlage nicht herum: ein nationales Klimaschutz-Rahmengesetz und ein Landesklimagesetz. 

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Peter Gasser So., 22.12.2024 - 11:39

Zitat: “Die territorialen Treibhausgasemissionen sollten bis 2030 gegenüber 2019 halbiert werden. Laut EURAC-Monitoring geht es in die Gegenrichtung: sie steigen immer noch an”:

... ein gutes Beispiel dazu:

https://salto.bz/de/comment/154955#comment-154955

Wer Dieselbusse zu Nullemission-Bussen erklärt, darf sich nicht wundern, dass seine RECHNERISCH verringerten (irgendwann RECHNERISCH halbierten) Treibhausgase an der Wirklichkeit steigender Emissionen scheitern!

So., 22.12.2024 - 11:39 Permalink
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Peter Gasser So., 22.12.2024 - 11:45

Zitat 2: “Der durchschnittliche Tagesverkehr hat in diesen 4 Jahren seit 2019 um +3% zugenommen. Nur 7% der neu zugelassenen Kfz sind vollelektrisch (2023: 1.034 auf ca. 15.000). Zwar nehmen die Ladevorgänge an den E-Säulen zu, andererseits zirkulieren auf Südtirols Straßen immer mehr Fahrzeuge”:

Wenn ich fossile Brennstoffe im Benzin- oder Dieselmotor verbrenne, um das Auto anzutreiben erreiche ich keine Verbesserung damit, dass ich die fossile Verbrennung vom eigenen Auto auslagere in Kohle- und Gaskraftwerke, und den dort fossile erzeugten Strom im Auto verwende:

... ist wie bei den oben beschriebenen “Hybridbussen”, in denen der Elektromotor vom Dieselmotor (!) angetrieben wird... und keiner will’s merken...

So., 22.12.2024 - 11:45 Permalink
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Thomas Benedikter Mi., 25.12.2024 - 17:52

Batterieelektrische Autos, aber auch Busse, haben den entscheidenden Vorteil, dass sie die Energie effizienter nutzen. Auch wenn nur ein Teil des Stroms für diese Autos aus erneuerbarer Energie stammt, ergibt sich damit schon eine wichtige CO2-Emissionsminderung. Immerhin wird in der EU seit 2024 gut die Hälfte des Stroms mit erneuerbarer Energie erzeugt, in Italien sind es erst knapp 40%. In Südtirol liegt der Anteil des erneuerbar erzeugten Stroms am gesamten Stromverbrauch dank der Wasserkraft höher. Doch, richtig, in der "Dunkelflaute" im Herbst und Winter importieren wir auch viel Strom mit ital. Strommix. Wenn das E-Auto in der Regel zuhause vom eigenen PV-gespeisten Batteriestrom aufgeladen wird, ist das klimapolitisch gesehen schon von Vorteil. In diese Richtung gilt es zu investieren. Auf jeden Fall richtig, Peter, endlich die Dieselbusse mit E-Bussen ersetzen (aber nicht mit den teuren und weniger energieeffizienten Wasserstoffbussen)!

Mi., 25.12.2024 - 17:52 Permalink
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Peter Gasser Mi., 25.12.2024 - 19:09

Antwort auf von Thomas Benedikter

Zitat: “... in der "Dunkelflaute" im Herbst und Winter importieren wir auch viel Strom mit ital. Strommix”:
zu letzten “Dunkelflaute habe ich Folgendes gelesen, was daran denken lässt, dass diese zwecks Gewinnes ‘erzeugt’ worden ist:
- es wird der Strompreis des teuersten Einspeisers verwendet;
- man nahm bei sichtbar werdender Knappheit einige Kraftwerke, besonders billig arbeitende Kraftwerke vom Netz;
- man nahm ein besonders teuer produzierendes Kraftwerk in Betrieb;
—> so konnte man bei “Flaute” und hohem Preis gut verdienen.
Diese Vorgehensweise wird zur Zeit untersucht.

Mi., 25.12.2024 - 19:09 Permalink
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Stefan S Mi., 25.12.2024 - 21:05

Antwort auf von Peter Gasser

"Dunkelflaute" der Gegenpol ist die Hellflut 😊 bzw. im Sommer wenn Strom aus Erneuerbaren im Überfluss vorhanden ist und in der Luft verpufft. Genau hier würde das Speichermedium Wasserstoff greifen welches von der Speicherkapazität um ein vielfaches effizienter ist als die derzeitigen E-Fahrzeug Batterien.

Mi., 25.12.2024 - 21:05 Permalink
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Ludwig Thoma Mi., 25.12.2024 - 18:32

Solange der globale Co2 Ausstoß zu einem guten Teil auf die Kappe einer handvoll Superreicher geht und Frau von der Leyen ab und zu von Brüssel nach Straßburg fliegt, ist es relativ sinnbefreit über die Umstellung des Individualverkehrs auf Elektro zu diskutieren.

Mi., 25.12.2024 - 18:32 Permalink