Verstärker für rechtsextreme Propaganda
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SALTO: Sie haben für Ihr jüngstes Buch den Politiker Herbert Kickl "beim Wort genommen". Wie glaubwürdig sind seine polemisch in den öffentlichen Raum geworfenen „Sager“ überhaupt? Wie viel ist nur heiße Luft?
Nina Horaczek: Natürlich kann Herbert Kickl, sollte er tatsächlich Kanzler werden, nicht einfach die Verfassung aushebeln und einen autoritären Staat implementierten. Wir haben in Österreich Demokratie und einen funktionierenden Rechtsstaat. Aber ich gehe davon aus, dass er als Kanzler alles tun wird, um das Land in Richtung illiberale Demokratische zu führen, so wie wir es schon in Ungarn beobachten konnten und können. Eines der ersten Opfer der FPÖ wird wohl der unabhängige öffentlich-rechtliche Rundfunk sein.
Die FPÖ ist in ihrem Wesen eine Partei der Vermögenden, auch wenn ihre Rhetorik sich an die sogenannten „kleinen Leute“ richtet.
Wie kann man Herbert Kickls offizielle Rede zum Regierungsauftrag einordnen? „Ausgestreckte Hände“ mögen Entgegenkommen signalisieren, erinnern aber auch – bewusst oder unbewusst – an viele ausgestreckte Hände, die einem Österreicher zujubelten. Wieviel Nazi steckt in Kickl?Ich bin stets sehr vorsichtig mit Nazi-Vergleichen. Kickl ist nicht Hitler, das wäre eine Verharmlosung der von den Nationalsozialisten verübten Menschheitsverbrechen. Aber Kickl und seine FPÖ sind rechtsextrem und haben auch keine Probleme, mit dem Rechtsextremismus der Straße zu kooperieren. Die FPÖ ist ausländerfeindlich, islamfeindlich und lehnt das Prinzip der universell gültigen Grund- und Menschenrechte ab. Und sie ist in ihrem Wesen eine Partei der Vermögenden, auch wenn ihre Rhetorik sich an die sogenannten „kleinen Leute“ richtet.
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Seit genau 30 Jahren ist Herbert Kickl aktiv bei der FPÖ tätig. Viele Jahre im Hintergrund, nun aber sehr im Vordergrund. Warum ist er für viele Menschen überhaupt wählbar? Was macht ihn so beliebt?
Die Persönlichkeit Kickl war kein zentrales Wahlmotiv, seine Vorgänger Jörg Haider und Heinz-Christian Strache waren weitaus beliebter. Kickl profitiert von der insgesamt pessimistischen Stimmung im Land, wegen zahlreicher Krisen von Corona bis zum russischen Überfall auf die Ukraine gibt es eine starke Verängstigung und Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Kickl verspricht den Leuten, wenn sie FPÖ wählen, bekommen sie die „gute alte Zeit“ zurück. Hinzu kommt, dass die FPÖ in sozialen Medien extrem aktiv ist und so einen guten Verstärker für ihre rechtsextreme Propaganda hat.
Als gebürtiger Kärntner hat Herbert Kickl auch eine besonders strikte Sichtweise auf Minderheitenthemen. Die dürfte im Hinblick auf die Kärntner Slowen*innen eine radikal andere sein, als jene auf die Minderheit der Südtiroler*innen in Italien. Was ist diesbzgl. zu erwarten?
Das letzte Mal 2017 bis 2019 wollte die FPÖ allen Deutschsprachigen in Südtirol die österreichische Staatsbürgerschaft verleihen. Damals scheiterte das Vorhaben nicht zuletzt daran, dass die FPÖ wegen des Ibizaskandals frühzeitig aus der Regierung flog. Diese Forderung könnte sich in einem neuen Regierungsprogramm wieder finden. Die Südtiroler Freiheit, die ein enger Partner der FPÖ ist, hat bereits gefordert, die FPÖ solle in Südtirol als „Schutzmacht“ in Verhandlungen mit Italien auftreten und begrüßte auch, dass sich die FPÖ unter Kickl „für die Amnestie der verbliebenen Freiheitskämpfer und für die Unabhängigkeit Süd-Tirols einsetzt“.
Er geht also gerne dort hin, wo er keine kritischen Fragen befürchten muss.
Wie gelang - und gelingt - es Herbert Kickl Fakten populistisch aufmerksamkeitswirksam zu verdrehen und dennoch Erfolge zu feiern?Das liegt wohl zum einen an einem österreichischen Boulevard, der mit der Angstberichterstattung über Kickl Auflage macht und die FPÖ dadurch hochschreibt. Es liegt wohl auch daran, dass mächtige Verlegerfamilien im Land kein Interesse an Vermögenssteuern, wie etwa von der SPÖ gefordert, haben und die FPÖ ein Garant dafür ist, dass Vermögende keine höheren Steuern zu befürchten haben. Der Erfolg der FPÖ begründet sich aber auch in einer sehr guten Medienstrategie der Partei, die soziale Medien dominiert und in den vergangenen Jahren auch zahlreiche rechtsextreme Online-Propagandakanäle entweder selbst aufgebaut oder massiv finanziell unterstützt hat. Und nicht zuletzt ist der Erfolg der FPÖ auch in der Schwäche der demokratischen Parteien in Österreich begründet.
Bei seinem ersten großen Auftritt am Dienstag wurden keine Fragen von Journalistinnen und Journalisten zugelassen. Was weiß man zu Kickls Umgang mit den Medien?
Kickl gibt nur selten und nur ganz ausgewählten Medien Interviews. Dafür spricht er gerne im parteieigenen Kanal FPÖ TV und gibt rechtsextremen Onlineplattformem Interviews - er geht also gerne dort hin, wo er keine kritischen Fragen befürchten muss.
Neuwahlen?
Schließe ich nicht völlig aus, schließlich gibt es Themen, etwa die Frage, wie die weitere Ukraine-Politik Österreichs aussehen soll, in denen FPÖ und ÖVP extrem unterschiedliche Standpunkte haben. Die FPÖ hat ihm Wahlkampf extrem viel versprochen, und es wird nicht zuletzt angesichts des großen Budgetdefizits erst zeigen, was davon überhaupt umgesetzt werden kann. Wir wissen auch noch nicht, wie viel von ihren Inhalten die ÖVP bereit ist, für eine Koalition mit der FPÖ über Bord zu werfen. Dass die ÖVP sehr flexibel ist, hat sie bereits bewiesen. Schließlich nannte sie Kickl bis vor kurzem noch ein Sicherheitsrisiko für die Republik. Nun sind sie bereit, dieses Sicherheitsrisiko zum Bundeskanzler zu wählen. Aufgrund dieser unglaublichen Bereitschaft der ÖVP, sich für den Verbleib an der Macht zu verbiegen, gehe ich davon aus, dass eine Regierung mit Kickl als Bundeskanzler mehr als wahrscheinlich ist.
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Nina Horaczek über die FPÖ…
Nina Horaczek über die FPÖ zu befragen ist als würde man Gerald Grosz über die Grünen befragen.
Mich würde auch interessieren, wie Rechtsextremismus von den Leuten definiert wird, für die alles rechtsextrem ist.
Wenn ein Moslem einen Juden auf der Straße körperlich angreift und der Jude daraufhin "Tod dem Islam!" ruft, wären das dann wohl auch zwei rechtextreme Straftaten für die Kriminalitätsstatistik.
Migrationskritisch zu sein ist nicht gleichbedeutend mit rechtsextrem.
Antwort auf Nina Horaczek über die FPÖ… von Oliver Hopfgartner
"Migrationskritisch zu sein…
"Migrationskritisch zu sein ist nicht gleichbedeutend mit rechtsextrem".
Wenn du damit die Wähler der FPÖ meinst, ok. Wenn du aber Kickl und seine Kameraden meinst, solltest du dir vielleicht nochmal einige Interviews dieser Bagage anhören.
Antwort auf Nina Horaczek über die FPÖ… von Oliver Hopfgartner
@Oliver Hopfgartner Ihre…
@Oliver Hopfgartner Ihre Reaktion auf diesen Artikel sagt ja schon mal viel über Sie aus.
Was genau haben Sie an der Analyse von Horaczek auszusetzen? So eine plumpe Aussage ist total unnötig.
Der Ex-Fpöler Grosz ist wahrlich im ganzen Land Österreich für seine fundierten, sehr differenzierten und genialen Analysen zu politischen Themen bekannt. - nicht
Sie werfen da mit Phrasen um sich, kaum zu glauben.
Was Sie da machen ist nichts als Kleinreden und Bagatellisieren rechtsextremer Gewalt, ich könnte kotzen.
Im von Ihnen geschilderten Beispiel geht es um Körperverletzung, möglicherweise um Volksverhetzung, möglicherweise um Hassrede, aber nur anhand Ihrer Angaben und ohne nähere Untersuchungen der Gründe für diese Gewaltakte macht dies insgesamt 0 rechtsextreme Straftaten für die Kriminalitätsstatistik. Sorry
Antwort auf Nina Horaczek über die FPÖ… von Oliver Hopfgartner
Kleine Hilfestellung zur…
Kleine Hilfestellung zur Definition von Rechtsextremismus:
https://www.demokratie-bw.de/rechtsextremismus#c24897
Was dem Umbau des…
Was dem Umbau des österreichischen Rechtsstaat angeht, wenn man Kickl nochmals zu Zug lässt, habe ich im SPIEGEL Podcast Inside AUSTRIA weit bedenklichere Stimmen gehört.
Angesichts des fragwürdigen…
Angesichts des fragwürdigen Kommentars von OH, rege ich Salto an, neben den Schaltflächen "Antworten" und "Melden" auch eine Schaltfläche "Achtung Blödsinn" einzufügen.
Nach dem 1. Weltkrieg wollte…
Nach dem 1. Weltkrieg wollte Mussolini den Italienern + 15 Jahre später, der Hitler in Deutschland "ihrem Volk die allein selig machende Zukunft verschaffen."
Ihr -b i t t e r e s - E N D E- sollte eigentlich reichen, "um die -r e c h t s - l a s t i g en- Plapperer in die Besenkammer der Geschichte zu stellen!"
Haben die Österreicher "die Brandwunden, die -i h n e n- der Hayder aufgezwungen hat, schon vergessen?"