Politik | Österreich

„Alarm für die Republik“

Nach dem Regierungsauftrag an Kickl protestierten Tausende in Wien und anderen Städten gegen eine FPÖ-geführte Regierung. Organisiert von NGOs, forderten sie den Schutz der Demokratie und des Rechtsstaats, äußerten Bedenken über einen autoritären Kurs.
Österreich Anti-Kickl Demos
Foto: AlexanderPollack/Facebook/SOS-Mitmensch
  • Am Montag, dem 6. Januar 2025, beauftragte Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen FPÖ-Chef Herbert Kickl mit der Regierungsbildung. Die ÖVP signalisierte unter der neuen Führung von Christian Stocker ihre Bereitschaft zu Koalitionsgesprächen. Diese Entscheidung stieß auf Proteste: Bereits am Montagmorgen versammelten sich hunderte Menschen vor der Wiener Hofburg, um gegen eine FPÖ-geführte Regierung zu demonstrieren.

    Unter den Protestierenden waren unter anderem die Jüdische österreichische Hochschüler:innenschaft (JöH), SOS-Mitmensch, die „Omas gegen Rechts“ sowie Mitglieder der Alternativen, Grünen und Unabhängigen GewerkschafterInnen (AUGE). Slogans wie „Alle zusammen gegen den Faschismus“ und „Nazis raus“ waren auf Plakaten zu lesen und zu hören. Ein Teilnehmer erklärte, man müsse „ein Zeichen setzen“, um deutlich zu machen, dass keine rechtsextreme Partei in die Regierung komme, so berichtet der Falter am 7. Januar. Eine Regierung unter Kickl werde eine „absolute Katastrophe“ für die Demokratie sein, so ein weiterer Demonstrierender.

     

    „We’re Going to Ibiza.“

     

    Laut Verfassungsjurist Heinz Mayer habe Van der Bellen kaum eine andere Wahl gehabt, da eine Koalition zwischen der FPÖ und der ÖVP als einzige realistische Option für eine Regierung galt. Nach einem rund einstündigen Gespräch mit Kickl erklärte Van der Bellen, dass er diesen Schritt nicht leichtfertig getan habe, versicherte jedoch, dass die Prinzipien der Republik gewahrt bleiben würden.

    Laut dem Newsportal Puls24 sei bei dem Protest das Lied „We’re Going to Ibiza“ als eine Anspielung auf den Ibiza-Skandal gespielt worden. Ein weiterer humorvoller Moment sei die Ankunft eines Pferdetransporters zur Hofreitschule gewesen, was bei  Demonstrierenden Spott ausgelöst habe. In Anspielung auf Kickls umstrittene Polizeipferdestaffel rief ein Teilnehmer: „Jetzt bringen’s eam scho seine Pferderln“.

  • Fortsetzung der Demonstrationen

    Aufruf zur Demonstration: Kurzfristig, am 8. Januar, riefen die Veranstalter die Demonstration gegen eine FPÖ-Bundesregierung auf ihren Kanälen aus. Foto: Facebook/Volkshilfe Österreich

    Am Donnerstag, den 9. Januar gingen die Demonstrationen unter dem Motto „Alarm für die Republik“ in die nächste Runde. In mehreren österreichischen Städten, gingen Zehntausende auf die Straßen, nachdem die Koalitionsgespräche zwischen ÖVP, SPÖ und Neos gescheitert waren. Allein in Wien versammelten sich laut Veranstaltern rund 50.000 Menschen am Ballhausplatz, während Behörden von etwa 25.000 Teilnehmern berichteten.

    Die Protestierenden forderten, eine FPÖ-geführte Regierung zu verhindern, da sie die Demokratie und den Rechtsstaat gefährden könne. Organisatoren und Redner warnten vor einer autoritären, minderheitenfeindlichen und nationalistischen Politik, die von der FPÖ vertreten werde. Susanne Scholl von „Omas gegen Rechts“ betonte, dass Österreich keinen „rechtsextremen Kanzler“ verkraften könne.

  • „Omas gegen Rechts“: Ist eine zivilgesellschaftliche Plattform die seit 2017 aktiv ist und ihre Stimme zu Problemstellungen und Fragen der Zeit äußert. Foto: Lea Sonderegger/ Omas gegen Rechts
  • Auch in anderen Städten wie Graz, Salzburg und Innsbruck fanden Proteste statt. In Graz, wo die „Offensive gegen Rechts Steiermark“ zu einer Kundgebung aufgerufen hatte, versammelten sich rund 200 Menschen. Der Vorsitzende des Studierendenverbands Graz, Nicolas Burger, betonte die Notwendigkeit, genug Menschen zu mobilisieren, um Gehör zu finden. In Salzburg protestierten mindestens 700 Personen, und in Innsbruck versammelten sich rund 500 Demonstrierende.

     

    „Zäsur in der Zweiten Republik.“

     

    Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger kritisierte das Scheitern von Koalitionsgesprächen zwischen den anderen Parteien und sprach von einer „Zäsur in der Zweiten Republik“. Die Protestierenden drückten ähnliche Bedenken wie die Veranstalter aus. So sind Bedenken über die Gefahr einer Einschränkung der Medienfreiheit, Rückschritte im Klimaschutz sowie im Sozialstaat, Veränderungen in der EU-Politik sowie den Einfluss auf die Justiz nur einige davon.

    Die Demonstrationen könnten den Auftakt für ein Wiederaufleben der „Donnerstagsdemos“ markieren, die in der Vergangenheit gegen Koalitionen der FPÖ mit der ÖVP stattfanden. In Graz seien wöchentliche Donnerstagsproteste bereits etabliert und es ist zu erwarten, dass sich die Bewegung in den kommenden Wochen weiter verstärken wird.