Gesellschaft | Pop-up-Podium

Who cares? Frauen!

Sorgearbeit ein Frauenthema? Politikwissenschaftlerin Katharina Crepaz blickt auf das kommende VBB Pop-up-Podium „Who Cares? Was Frauen leisten“
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Was leisten Frauen Pop up Podium III der VBB
Foto: © Vereinigte Bühnen Bozen
  • Wie brechen wir nur mit der Konstante: Sorgearbeit, das ist doch Frauensache! Katharina Crepaz, Senior Researcher beim Center for Autonomy Experience an der Eurac sowie Privatdozentin für Soziale Determinanten der Gesundheit der Technischen Universität München, diskutiert mit Elisabeth Klatzer Ökonomin, Forscherin und Aktivistin, beim kommenden Pop-up-Podium III der Vereinigten Bühnen Bozen über das Thema: „Who Cares? Was Frauen leisten“. Ihr Arbeitsalltag enthält so ziemlich jedes Thema, das sich mit gesellschaftlicher Diversität auseinandersetzt, also Minderheiten im traditionellen Südtiroler Kontext sowie in den letzten Jahren vermehrt das Thema Gender. 2022 gründete sie zusammen mit Alexandra Tomaselli und Mirjam Gruber Gender-Dynamics, eine interdisziplinäre Forschungsgruppe mit Forscherinnen unterschiedlicher Institute der Eurac, die sich mit verschiedenen Ansätzen mit dem Thema Geschlecht auseinandersetzen. Im Oktober 2024 veröffentlichte die Forschungsgruppe den Gender Report. Wie relevant das Thema heute ist, warum uns der Norden Europa wieder einmal zehn Schritte voraus ist und was es zu diskutieren gibt, schildert sie uns im Ausblick.

  • Die Themen Geschlecht, Geschlechterrollen, geschlechtsbasierter Ungleichheiten etc. gehören zum Alltag der Politikwissenschaftlerin, da kommt man am Thema Sorgearbeit keinesfalls vorbei, so Crepaz. Foto: © Silbersalz
  • Könntest du das Thema “Care-Arbeit” in deine Forschungsschwerpunkte einbinden?

    Katharina Crepaz: Wenn wir von Gender sprechen, dann ist „Care-Arbeit“, also Sorgearbeit, natürlich ein zentrales Thema. Vor kurzem fand der Equal Care Day hier in Südtirol statt zur Sensibilisierung für die ungleiche Verteilung von Sorgearbeit, wobei Barbara Plagg das Thema als „die Mutter aller Gleichstellungsfragen“ bezeichnet hat. Dies gilt auch für die Forschung: Wenn man sich mit den Themen Geschlecht, Geschlechterrollen, geschlechtsbasierter Ungleichheiten etc. beschäftigt, dann kommt man an der Frage der Sorgearbeit eigentlich nicht vorbei.

     

    Wie bewertest du die Relevanz des Themas ‘Care-Arbeit’ im politischen Diskurs angesichts des weitreichenden aktuellen Rechtsrucks? 

    Die eingeschlagene Richtung ist keineswegs progressiv. Betrachtet man die Situation weltpolitisch, sehen wir, dass sich traditionelle Geschlechterrollen wieder festigen. Vorzeigebeispiele sind die italienische Regierung, die ganz gezielt gegen „nicht-traditionelle“ Familienbilder vorgeht, und auch beim demografischen Wandel eher an eine Re-Traditionalisierung appelliert, anstatt z.B. Betreuungsmöglichkeiten zu fördern, oder die USA. Auch auf Social Media scheinen sich Bewegungen wie die Trad-Wife-Influencerinnen zu formieren, welche die traditionelle Hausfrauenrolle zurückfordern. Wir bewegen uns also vermehrt wieder Richtung stereotype Rollenbilder, die bereits überwunden schienen. Sorgearbeit bleibt dabei also stets relevant, weil sie in diesem Rollenverständnis ganz klar den Frauen zugeschrieben wird. Menschen, die aus Arbeitsgründen keine oder weniger Sorgearbeit entrichten, sind in gleichem Maße hochgradig auf sie angewiesen, wenn es um die Pflege ihrer Eltern oder Kinder geht, um ihrer Arbeit überhaupt nachgehen zu können. Es ist genau jene Dynamik, die Sorgearbeit stets zum Rückgrat der Gesellschaft und der Arbeit macht.

  • Und das gilt auch für Italien bzw. Südtirol?

    Was die Sorgearbeit anbelangt, entwickeln sich die Dinge zwar in unserem Kontext, jedoch sehr langsam. Wir sind noch lange nicht, wo wir sein sollten. Es gibt eine enorme Kluft zwischen den europäischen Ländern. Die skandinavischen Staaten gelten als Vorbilder, während wir in Italien hinten nachhinken, was vor allem die egalitäre Verantwortung für die Kinderbetreuung oder die Erwerbstätigkeitsquote von Frauen betrifft. Da schneiden wir in Südtirol im Vergleich zum Rest von Italien auch deutlich besser ab, jedoch wird auch Teilzeitarbeit nicht gesondert bewertet, womit sich blinde Flecken für geschlechtsspezifische Altersarmut ergeben. Viele Baustellen sind hier noch offen, wohingegen die skandinavischen Länder es eigentlich geschafft haben, Männer wie Frauen gleichsam in die Kinderbetreuungsfrage zu integrieren. Wir sprechen von mehr Elternzeit, verpflichtender Vaterschaft, etc. Das bewirkt Umverteilung! Andererseits zeigt dies auch den Unternehmen, dass Angestellte geschlechtsunabhängig für Erziehungszeiten ausfallen können, was die Bevorzugung eines Geschlechts zunehmend ausschließt. Noch ein wichtiger sozialpolitischer Schritt: Es gibt flächendeckende Angebote an Kinderbetreuungseinrichtungen, anders als bei uns. 

     

    Die skandinavischen Staaten gelten als Vorbilder, während wir in Italien hinten nachhinken, was vor allem die egalitäre Verantwortung für die Kinderbetreuung oder die Erwerbstätigkeitsquote von Frauen betrifft. 

     

    Überschatten die Themen Migrationspolitik und demografischer Wandel die Problematiken in der Care-Arbeit oder könnten hier Lösungen Hand in Hand gehen?

    Die Migrationspolitik ist sicher ein Thema, das viele andere Themen überschattet. Es wird hoch-emotionalisiert und selten Daten- oder Fakten-basiert diskutiert. Man kann damit Leute gut aufregen, wenn gerade Wahlkampf ist. Ein derartiges Potenzial hat die Sorgearbeit wohl nicht, da das Problem schlicht an vielen Stellen gesellschaftlich unsichtbar bleibt. In Hinblick auf die Pflegearbeit jedoch überschneiden sich beispielsweise die Themen. PflegerInnen, die in Haushalten älterer Menschen oder sonstigen Pflegeeinrichtungen arbeiten, kommen häufig aus osteuropäischen Staaten. Sorgearbeit wird zu großen Anteilen an ausländische Kräfte ausgelagert. Da aber die Situation des demografischen Wandels in Richtung mangelnder Arbeitskräfte und alternder Bevölkerungen ein staatenübergreifendes Phänomen ist, schaden wir mit diesen Sorge-Importen eigentlich jenen Ländern, in welchen die Sorgekräfte, Mütter, Großmütter, etc. dann fehlen. Die niedrigen Geburtenraten wiederum hängen mit den mangelnden Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie mangelnder Kleinkindbetreuung zusammen, was wiederum in den demografischen Wandel hineinspielt. Ein Politikfeld, in dem viele dieser Entwicklung ganz stark miteinander vernetzt sind.

  • "Man ist als Mann, der sich vornehmend der Care-Arbeit widmet, immer noch ein Ausnahmefall", so die Politikwissenschaftlerin Foto: © Toa Heftiba/unsplash
  • Laut dem deutschem Statistikamt erbrachten Frauen 44,3 % mehr unbezahlte Care-Arbeit als Männer, Stand 2024. Kannst du einen Vorgeschmack darauf geben, wie die Politikwissenschaft die Durchbrechung der Ungleichheitsspirale versteht?

    Ich glaube, wir können uns dahingehend an den skandinavischen Ländern orientieren. Der Gender-Pay-Gap veranschaulicht, dass Männer im Schnitt immer noch mehr verdienen, aufgrund dessen es meist die Frau ist, die mit den Kindern zu Hause bleibt, wobei hierzulande auch noch traditionelle Rollenvorstellungen ihren Beitrag dazu leisten. Man ist als Mann, der sich vornehmend der Care-Arbeit widmet, immer noch ein Ausnahmefall. Dem kann man mit sozialpolitischen Maßnahmen insofern entgegenwirken, als man die Elternzeiten besser finanziert und längere bzw. verpflichtende Elternzeiten für Männer einführt. In skandinavischen Ländern herrscht auch eine andere soziale Wahrnehmung der Familienzeit, was auch in Unternehmen bzw. im Arbeitsalltag abzeichnet. So ist es etwa ein Tabu nach 16:00 Uhr Meetings anzusetzen, da der Nachmittag als Familienzeit gilt. Man kann den Nord-EuropäerInnen nicht vorwerfen, dass sie weniger arbeiten möchten, sondern da ist einfach die Familienzeit ein sozial anerkannter und wichtiger Bestandteil des Alltags.

     

    Um anderen Gutes zu tun, musst du auch dir selbst Gutes tun. 

     

    Stichwort: “Fair-Sorgen”, was könnten diesbezüglich interessante Diskussionspunkte zwischen deiner Gesprächspartnerin, der Ökonomin und Aktivistin Elisabeth Klatzer und dir sein?

    Elisabeth Klatzer gründete die Initiative fair sorgen!, die sich für Netzwerkarbeit in Bezug auf geschlechtergerechte Budget- und Wirtschaftspolitik einsetzt, in der sie selbst sehr aktiv ist. Dabei finde ich Klatzers Betonung des Aspekts sehr interessant, dass die ‚Sorge um sich selbst‘ von substanzieller Relevanz ist, wenn es um das Thema der Sorgearbeit geht. Viele kennen sicherlich das Gleichnis: Um anderen Gutes zu tun, musst du auch dir selbst Gutes tun. Ich denke, das wird angesichts des aufopfernden Ideals, auf dem Sorgearbeit gerade von Frauen häufig besteht, häufig vergessen. Ich bin skeptisch gegenüber der Bezahlung von Sorgearbeit mit einem eigenen Einkommen, da ich denke, dies könnte ungerechte Verteilung von Sorgearbeit und auch von Verdienst- und Karrieremöglichkeiten weiter zementieren, vor allem, wenn sie weiterhin nicht angemessen vergütet wird. Umverteilung der Sorgearbeit durch sozialpolitische Maßnahmen, die am Arbeitsplatz ansetzen, das ist meines Erachtens der richtige Weg!

     

    Gibt es noch etwas, auf das du dich freust oder einen Gedanken, den du deinen LeserInnen mitgeben willst?

    Ich freue mich sehr auf den Austausch mit Elisabeth Klatzer, die auch jene ökonomische Perspektive miteinbringen wird, die bei der Kerndebatte häufig vergessen wird. Die enorme ökonomische Bedeutung des Care-Sektors ist ein exzellenter Ansatzpunkt, um auch jenen das Thema zu verdeutlichen, die dessen Wichtigkeit und Dringlichkeit noch nicht wirklich verstanden oder erfahren haben.

     

    By DO

    • Pop-up-Podium III: Who CAREs? Was Frauen leisten.

      • am 10.03.2025, um 19.30 Uhr, im Innenhof Palais Widmann, Landhaus 1, Bozen.
      • Eintritt frei

      Das Pop-up-Podium wird von den Vereinigten Bühnen Bozen mit Unterstützung des Landesbeirats für Chancengleichheit für Frauen organisiert.

      Was hat es mit den Pop-up-Podien auf sich? Hier geht's zum einführenden Beitrag. Detailliertere Informationen und Updates zur Veranstaltungsreihe und den Vereinigten Bühnen Bozen finden sich auf der Facebook und Instagram sowie auf der offiziellen Website.

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Profil für Benutzer Simonetta Lucchi
Simonetta Lucchi Sa., 08.03.2025 - 06:44

Ma in che senso in Sudtirolo le cose vanno molto meglio che nel resto d'Italia? Non servirebbe guardare ai paesi scandinavi ma basterebbero quelli confinanti: in Slovenia le donne vanno in pensione a 60 anni e ci sono ottime scuole a tempo pieno; anche in Austria le "offene Schulen" e servizi dedicati all'infanzia; in Germania da 50 anni sostegno alle famiglie e alla maternità in tutti i sensi. Ormai qui le ragazze non si sentono più di affrontare tanti sacrifici. Per il lavoro di cura nessun tipo di riconoscimento o permessi lavorativi. Situazioni inaccettabili.

Sa., 08.03.2025 - 06:44 Permalink