Politik | Landtag

Ein Katalog des Schreckens

Als Tiefpunkt in der Geschichte des Südtiroler Landtages bezeichnete Landeshaupt Kompatscher die heutige Diskussion zu einem Begehrensantrag der Süd-Tiroler Freiheit.
Kompatscher, Landtag
Foto: Seehauserfoto
  • Bereits vor der Behandlung des Begehrensantrages war klar, dass die Diskussionen heftig werden würden, schließlich ging es um ein sehr emotionsgeladenes Thema. In seinem Begehrensantrag forderte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) nichts weniger als den sofortigen Aufnahmestopp für Asylbewerber in der Europäischen Union zur Verhinderung islamistischer Zuwanderung. Nach Aufzählung von über einem Dutzend Schreckensereignissen, die in Zusammenhang mit islamistisch motivierten Straftaten stehen, fügte der Sprecher der patriotischen Partei einen Katalog an, mit welchen der sofortige Aufnahmestopp für Asylbewerber gefordert wird, deren strikte Sicherheitsüberprüfung, ein hartes Durchgreifen gegen islamistischen Extremismus sowie den sofortigen Entzug von Sozialleistungen für kriminelle Ausländer. „Ein Katalog des Schreckens“, meinte SVP-Parteisprecher Harald Stauder, der den Menschenrechten, den staatlichen Bestimmungen und den Werten, auf die Europa aufgebaut sei, widerspreche. Die SVP stehe zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und könne daher keinem einzigen Punkt des Antrags zustimmen. „Ein klares Nein von unserer Seite“, so Stauder. 

  • Madeleine Rohrer, Landtagsabgeordnete der Grünen: „Diese Attacke auf Menschenrechte ist für uns inakzeptabel.“ Foto: Seehauserfoto
  • Madeleine Rohrer von den Grünen wurde noch deutlicher und sagt Richtung Sven Knoll gewandt: „Die Süd-Tiroler Freiheit driftet mit diesem Antrag definitiv ins rechtsextreme Lager ab. Sie zeigen, dass Sie sich längst von allen demokratischen Grundwerten verabschiedet haben.“ Dass Knoll die anderen rechten Parteien noch einmal rechts überholen wolle, sei ein gefährliches Signal. „Diese Attacke auf Menschenrechte ist für uns inakzeptabel“, so Rohrer, die weiters darauf hinwies, dass nicht alle aufgezählten Tathergänge mit Islamismus in Verbindung gebracht werden können, sondern auch auf psychische Probleme zurückzuführen seien. „Wer so viel Hass schürt wie Sie, gefährdet auch den gesellschaftlichen Frieden“, so die Grüne Abgeordnete abschließend. 

     

    „Wir diskutieren hier im Landtag über die Abschaffung eines Menschenrechtes.“

     

    „Wir diskutieren hier im Landtag über die Abschaffung eines Menschenrechtes“, schlug Paul Köllensperger vom Team K in die gleiche Kerbe und stellte die Frage, ob so ein Antrag überhaupt zulässig sei. Zudem verwundere es ihn, wie jemand, der das Minderheitenrecht auf die Fahne geschrieben habe, so gegen die Menschenrechte agieren könne. Die Süd-Tiroler Freiheit habe sich offensichtlich zu einer neuen Version der AfD gewandelt. Für Brigitte Foppa (Grüne) habe die STF in ihrem Antrag Dinge gesagt, die vor wenigen Jahren noch als unsagbar galten, Dinge, die nun auf keine Kuhhaut mehr gingen. Renate Holzeisen von der Liste Vita trat für eine differenzierte Sichtweise ein. Wer Asyl brauche, dem müsse es auch gewährt werden, das sei internationales Recht. Vieles sei in den Jahren aber auch aus dem Ruder gelaufen, bestimmte Organisationen würden mit Schleppern zusammenarbeiten, um Migranten ins Land zu schleusen. Man müsse die Probleme ansprechen und die Ursachen transparent ermitteln. Sie könne nachvollziehen, warum dieser Antrag bei einem großen Teil der Bevölkerung Anklang finden werde. Auch Andreas Colli (Wir Bürger) trat für eine sachlichere Debatte ein und fand bei einigen Punkten positive Aspekte, wie etwa bei einer Sicherheitsüberprüfung bei Asylverfahren oder dem Durchgreifen gegen Islamismus. Der Freie Fraktionär Andreas Leiter Reber gab Colli teilweise recht, warf der Süd-Tiroler Freiheit aber Unredlichkeit vor. In den Antrag werde vieles gepackt, die Formulierung zeige aber, dass es nicht um die Umsetzung der Forderungen gehe, sondern um die Aufmerksamkeit bei den Wählern. Ein Begehrensantrag sei ein zahnloses Instrument, außerdem würden Dinge gefordert, die sich nicht umsetzen ließen. Hier gehe es nur um Schlagzeilen in den Medien, dafür sollte man nicht den Landtag missbrauchen. Jürgen Wirth Anderlan (JWA) unterstützte den Antrag und wiederholte seine bekannte Forderung nach einem Migrationsstopp und Remigration.

     

    „Das ist ein Tiefpunkt des Südtiroler Landtages – und nein, wir machen bei diesem Spiel nicht mit.“

     

    „Das ist ein Tiefpunkt des Südtiroler Landtages – und nein, wir machen bei diesem Spiel nicht mit“, sagte Landeshauptmann Arno Kompatscher in seiner Stellungnahme. Es funktioniere vieles nicht, auch bei der Einwanderung, aber deswegen könne man nicht das Asylrecht abschaffen, das in Europa zum Schutz der europäischen Auswanderer erlassen wurde. Der Antrag vermische Migration und Asylsuche, er nehme abscheuliche Anschläge zum Anlass, um ein Menschenrecht abzuschaffen. Das Asylrecht sei bereits zeitbegrenzt, die Überwachung der Außengrenzen gehöre bereits zu den Aufgaben der EU. „In Wirklichkeit zieht man eine Show ab, um ein Menschenrecht abzuschaffen“, so Kompatscher – er hoffe, dass sich die Leute draußen nicht davon blenden lassen werden. „Ich glaube, wenn die Bevölkerung etwas satt hat, dann ist es das Blabla von euch Schönwetter-Politikern“, erwiderte Knoll in seiner Replik. Die Menschen in Südtirol hätten Angst und das Asylrecht, das in den Sechzigern konzipiert wurde, habe nichts mehr mit der heutigen Situation zu tun. Der Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt.