Make tourists pay or tourism shrink?

-
Vorab: wenn sich junge Leute gegen die immer noch steigende touristische Überbeanspruchung unseres Landes wenden, ist das löblich. Kostenlosen Nahverkehr könnte sich das reiche Südtirol aber auch ohne Ortstaxenverteuerung leisten. Es würde genügen, die Direktsubventionen an die Tourismusbetriebe (70 Mio. Euro in 2023) und die steuerfinanzierten Ausgaben der IDM für die Tourismuswerbung (20 Mio. Euro in 2024) zu halbieren. Damit wäre der Verzicht des Landes auf die 45 Mio. Euro an jährlichen Einnahmen aus Tickets und Abos schon gegenfinanziert. 80% der Betriebskosten des ÖPNV trägt ohnehin schon der Steuerzahler.
Doch ändert sich damit irgendwas am Übertourismus in Südtirol, der tourismusintensivsten Region der Zentralalpen? Ändert sich was in der Verkehrsbelastung, bei den hohen Lebenshaltungskosten und im Immobilienmarkt, wo der Tourismus laut Studie der Uni Bozen von der Mehrheit der Bevölkerung negativ oder sehr negativ wahrgenommen wird? Nein, aus verschiedenen Gründen.
Zunächst der Bereich Verkehr. Südtirol ist mit mehr als 600.000 zugelassenen Kfz übermotorisiert, hat gleichzeitig eine Unmenge an Transitverkehr (Schwerlast und Urlauber-Kfz) zu ertragen und mindestens 26% des Südtirol-internen Verkehrs ohne Transit ist touristischer Freizeitverkehr (vgl. Hanspeter Niederkofler, Zu viel Erreichbarkeit, in: Heimatpflegeverband, Heimat oder Destination Südtirol? Arcaedizioni 2024). Kostenloser ÖPNV für alle ändert an diesem Übermaß an Straßenverkehr zunächst nichts, weil das eigene Fahrzeug zu billig bleibt. Zielführender wäre eine deutlich höhere Landesautosteuer (gestaffelt nach Leistung), eine Bemautung von Landesstraßen in vielen landschaftlich sensiblen Gebieten (gesetzlich jederzeit möglich gemäß L.G. Nr.16 von 2000, Art. 11/bis) und ein höherer Spritpreis. Gratis-Öffis für alle löst auch nicht das Problem der Masse der bald 9 Mio. touristischen Anreisen, davon 80-86% mit dem eigenen Kfz. Jeder Gast kann weiterhin mit seinem SUV anreisen, eine Menge CO2-Emissionen in die Luft pusten, und dann in kostenlosen Öffis die einheimischen Pendler an den Rand drängen. Auch eine höhere Ortstaxe wäre in keiner Weise an den Anreisemodus geknüpft. Klimapolitischer Unsinn.
Mit dem South Tyrol-Pidgin „Make tourists pay for free Öffis“ ändert sich auch nichts an der touristischen Belastung des Immobilienmarkts. Gut die Hälfte der heute über 8000 mit airbnb kurzzeitig vermieteten Wohneinheiten befinden sich in urbanen Zentren. Renditegetriebene Wohnungseigentümer drängen weiterhin in diesen Markt, einheimische Mietinteressierte werden von zahlungskräftigen Touristen verdrängt, während zwei Meter weiter Hotelbetten leer bleiben. Eine von der Politik zu verantwortende Fehlentwicklung. Warum gehen die Demonstranten nicht nach dem Muster der Jugendlichen in Teneriffa, Florenz, Barcelona, Palma de Mallorca gegen diesen Missstand auf die Straße?
„Make tourists pay for Öffis“ stellt einen unpassenden Zusammenhang zwischen Tourismus und ÖPNV her. Wenn Gäste ihn nicht nutzen, sollen sie ihn nicht zahlen. Wenn ja, angemessen vergüten wie überall sonst in Europa. Doch muss der Tourismus als solcher einen angemessenen Beitrag zur Deckung der Infrastrukturkosten leisten. Die Ortstaxe kann in Südtirol getrost auch auf 4 oder 5 Euro angehoben werden wie in Florenz, Rom, Mailand üblich. Die Einnahmen müssen dann verstärkt den Gemeinden zufließen, die wegen des Tourismus höhere Kosten tragen, und nicht nur der Tourismuswerbung dienen wie bisher. Eine allgemeine Tourismusabgabe wäre angesagt, wie im Autonomiestatut, Art. 72, vorgesehen.
Schließlich passt auch das angepeilte Ziel „free Öffis“ nicht. Soeben hat das Land das 250-Euro-Jahresabo eingeführt, wesentlich günstiger als das in Deutschland propagierte 58-Euro-Monatsticket. Das Jahresabo+ kostet noch weniger. Die Ticketgebühren für Bahn und Bus sind auch ein Zeichen der Wertschätzung der Bevölkerung des ÖPNV. Südtirol hat einen im Vergleich zu Nordtirol 40% dichteren Busdienst in Proportion zur Bevölkerung, kostet aber weniger. Das Land stemmt jetzt bis 2040 ein Rieseninvestitionsprogramm vor allem für die Bahn, auch für die Umrüstung der Busse. Dafür können auch die Nutzer gleich ob Einheimische oder Gäste was beitragen.
Make tourists pay? Sorry, ist nicht zu Ende gedacht und löst nicht das Hauptproblem: die touristische Überbelastung unseres Landes insgesamt.
Interessante erweiterte…
Interessante erweiterte Ansichten des Themas
Sehr interessant, danke.
Sehr interessant, danke.
Treffende Analyse! Ein…
Treffende Analyse! Ein stärkerer Beitrag der Touris am ÖPNV ändert nichts an der Situation. Ich halte die Initiative eher für kontraproduktiv, da sie an den Kernproblemen des Overtourismus vorbei geht. Bin schon gespannt auf neue Aktionen Richtung "Tourists go home".
Guter Beitrag, kann ich nur…
Guter Beitrag, kann ich nur zustimmen!
Ich glaube es ist nicht die…
Ich glaube es ist nicht die primäre Aufgabe der Initiative das Problem Overrtourism zu lösen, da braucht rs schon ganz andere Massnahmen!
Hier geht es darum den öffentlichen Nahverkehr attraktiver zu gestalten ohne den Landeshaushalt sprich Steuerzahler zusätzlich zu belasten.
Das Problem des Overtourism…
Das Problem des Overtourism ist hausgemacht. Dass Südtirol zur tourismusintensivsten Region der Zentralalpen geworden ist, ist kein Selbstläufer. Südtirol hat es darauf angelegt, von Touristen gestürmt zu werden, und nun zeigen sich eben die Folgen.
Richtig, Herr Dellago, um…
Richtig, Herr Dellago, um den Overtourismus in den Griff zu kriegen, braucht es andere, weitreichende Maßnahmen. Wenn nun die Gäste eine gebührende Ortstaxe von mindestens 5 Euro pro Nacht zahlen (wie anderswo in tourismusintensiven Regionen und Städten), muss das Geld natürlich den Kommunen und Land zugute kommen. Ein Beispiel: das Land muss jährlich einen hohen Aufwand für die Instandhaltung des Straßennetzes tragen. Das gilt auch schon in anderen Regionen. Wie im Artikel ausgeführt kann das Land einen freien ÖPNV heut schon gegenfinanzieren. Aber ist es sinnvoll?
Antwort auf Richtig, Herr Dellago, um… von Thomas Benedikter
Wenn man den individuellen…
Wenn man den individuellen Autoverkehr reduzieren und den ÖPNV stärken möchte, dann auf jeden Fall. Es würden Zugangshürden und unsinnige Kosten wegfallen und der Tourismus würde auf akzeptable Weise an den Kosten beteiligt. Sie bräuchten dann auch nicht mehr herausfinden wie sie an den Automaten abstempeln müssen, was immer wieder für Verspätung sorgt, und können den ÖPNV dann ja auch ohne weiters nutzen. Um den Overtourismus zu stoppen bräuchte es primär den effektiven politischen Willen und ein Verzicht bzw. eine Einschränkung für die Tourismuswerbung die ja massiv betrieben wird und ein Stop weiterer Hotelburgen (ob nun für die Reichen oder andere).
Erhöhung von Autosteuer,…
Erhöhung von Autosteuer, Spritpreisen u.a. Aktionen um das Auto möglichst unattraktiv zu machen, sind gern geäußerte Maßnahmen zur Eindämmung des Verkehrs. Leider kommen diese meist von urbanen Eliten, die weit weg von der Lebensrealität der Menschen im peripheren Raum sind, die am Ende den Hauptpreis einer solchen Politik zu zahlen hätten.
Antwort auf Erhöhung von Autosteuer,… von Cicero
Genau. Leute, die alles was…
Genau. Leute, die alles was sie brauchen in 3 Minuten mit dem Fahrrad erreichen. Und natürlich einen Wagen in der Garage haben.