(K)Ein etwas anderes Hufeisentheorem
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Die politische Mitte - ein historisches Artefakt
Dieser kompakte Text möchte ein Analyseangebot zu den rezenten Dynamiken im europäischen Parteienspektrum in den Diskurs einführen.
Das Parteienspektrum leidet meiner Meinung nach zurzeit an einem Phänomen, das ich als „zentrifugalen Affekt“ bzw. „zentrifugalen Effekt“ definieren möchte. Wenn eine Partei der gemäßigten Mitte (-Rechts oder -Links) ob der Realitäten oder dem Druck der politischen Ränder in einem Politikfeld nach außen rückt, so besetzt das Pendant nicht den freigewordenen Raum in der Mitte, sondern rückt demonstrativ selbst weiter nach außen. Ein konkretes Beispiel. Die CDU/CSU der Post-Merkel-Ära adaptierte die Ressentiments gegen Geflüchtete. Anstatt für eine restriktivere, aber humane Migrationspolitik zu plädieren und dem Vakuum in der Mitte damit habhaft zu werden, rückte die SPD nach links und antwortete mit unreflektierter, geradezu naiver Philanthropie, die sich argumentativ auf den Taschenspielertrick relativer Wahrheiten stützte.
Dieser neuartige Reflex ist ein zeitgenössisches Phänomen, für den es in der Geschichte des deutschsprachigen Raumes seit dem 2. Weltkrieg wenige, bis keine Referenzen gibt. Im Gegenteil. Betrachtet man die Bonner Republik oder die österreichische Zeitgeschichte, lässt sich ein anhaltender Wettbewerb, um die Besetzung der Mitte erkennen. Alle politischen Topoi mussten sich in diesen Rahmen einfügen, dafür zurechtgestutzt oder argumentativ eingepflegt werden.
Heute ist leider ein politisches Grenzgängertum en vogue - was letztlich nur zu Polarisierung und einer Verschiebung der öffentlichen Debatte führt. Diese Initiative kommt nicht zwingend von Rechts- oder Linksaußen, sondern entsteht nicht unwesentlich aus der guten alten Mitte heraus. Die "Mitte" ist zu nichts als einer Worthülse verkommen, die sich jeder gerne ans Revers heftet, der jedoch keiner mehr in politischer Theorie und Praxis gerecht wird.
Der Grund dafür ist meiner…
Der Grund dafür ist meiner Meinung nach der Wandel der Medienlandschaft:
Journalisten haben heute aus meiner Sicht deutlich niedrigere Standards als vor 40 Jahren. Verstärkt wird der Trend durch Clickbait. Eine qualitativ hochwertige Reportage über 10-15 Seiten wird deutlich weniger Leser finden als ein Meinungsartikel, der die Realität verkürzt und zugespitzt widergibt und somit eigentlich ein verzerrtes Bild bei den Lesern erzeugt.
Beispielhaft ausgedrückt: Wer in einer Talkshow 10 Minuten über echte Reformen redet wird weniger Zustimmung vom gemeinen Wähler bekommen als jemand der auf Polemik setzt.