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Ein Nickerchen im Zentrum der Macht

US-Präsident Donald Trump macht genau das, was er seinem Vorgänger im Amt vorwirft - er schläft ein. Vor laufender Kamera. Und die ganze Welt sieht zu.
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Snoozy Don
Foto: Mg
  • Jeder Mensch hat das Recht, müde zu sein. Aber nicht jede Müdigkeit ist harmlos.

    Es gibt Augenblicke in der Geschichte, die nicht laut sind. Sie dröhnen nicht, sie erklären nichts, sie reißen keine Fahnen in den Wind. Sie sind still, fast verlegen. Und doch erzählen sie mehr über den Zustand eines Staates als jede Rede.

    Einer dieser Augenblicke war jener, in dem der Präsident der Vereinigten Staaten während einer Regierungssitzung vor wenigen Tagen die Lider senkte. Nicht aus Demut. Und schon gar nicht aus Verlegenheit. Sondern aus Erschöpfung. Oder aus etwas, das man im gemeinen Leben schlicht Müdigkeit nennt. Ausgerechnet er, der Mann der ständigen Selbstbehauptung, des permanenten Konflikts, ausgerechnet er senkte seine Lider. 

    Jeder Mensch hat das Recht, müde zu sein. Aber nicht jede Müdigkeit ist harmlos.

    Also sah ganze Welt zu, als ein Mensch für einen Augenblick dem Gewicht der eigenen Rolle unterlag. Er döste einfach weg.. Und kämpfte immer wieder dagegen an. Und die speichelleckenden Lakaien, die sich um ihn herum aufgereiht hatten, taten einfach so, als würden sie es nicht bemerken. Jene, die ihm tagein tagaus versichern, er sei das Zentrum eines Universums, das sich nur um ihn dreht. 

    Es ist fast zu banal, um politisch zu wirken, und zu politisch, um banal zu sein. Ein Nickerchen – das weiß ein jeder, der einmal in einem Amt, in einem Büro, in einem Klassenzimmer gesessen hat – ist keine Nachricht. Außer wenn es dort passiert, wo Wachsamkeit zur Form geworden ist, wo jede Geste Symbol trägt, jedes Zucken zum Kommentar gedeutet wird.

    Doch vielleicht liegt die Wahrheit ja auch darin, dass wir uns zu lange eingeredet haben, politische Macht sei eine Art Übermenschlichkeit jener Gestalten, die nicht müde werden dürfen, nicht schwach, nicht menschlich. Und so überrascht uns jedes Zittern, jedes Stocken, jede nach unten kippende Stirn, als wären sie ein Verrat an der Inszenierung.

    Was macht uns eigentlich so sicher, dass wir die Wachen sind, und nicht die Schlafenden?

    Doch hinter aller Komik, die man im Bild des einschlafenden Präsidenten erkennen mang, lauert noch etwas anderes. Etwas, das uns betroffen macht. Denn dieses Wegkippen ist für sich genommen noch kein Skandal. Aber es ist ein Zeichen. Und Zeichen sind es, aus denen Demokratien ihre Selbstprüfung beziehen.

    Unter normalen Umständen wäre es auch gar nicht der Präsident, über den wir uns mokieren. Wir würden – wie so oft – über uns selbst lachen. Über unseren Aberglauben an die Unermüdlichkeit der Macht. Über unsere Bereitschaft, in einer kleinen Müdigkeit sofort Verfall zu erkennen. Und darüber, dass ein einzelner Moment des kurzen Einnickens genügt, um uns zu verunsichern.

    Doch die Umstände sind schon lange nicht mehr normal. Sie sind außergewöhnlich. Der, der hier einschläft, ist der Mann, der – wenn es darauf ankommt - den roten Knopf drückt. Hier schlief nicht nur ein alter, müder Mann ein. Hier nickte ein ganzes System ein. Ein Land, das sich lange in der Überzeugung wiegte, Größe sei unerschöpflich und Unruhe ein Zeichen von Vitalität. Das selige Nickerchen des Präsidenten ist in Wahrheit eine Bruchstelle. Wir sehen jeden Tag, wie dieser Mann ein Stück mehr verfällt. Und mit ihm das System.