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Klimaschutzziele: War da was?

Die EU hat neue Klimaziele erlassen: Fauler Kompromiss oder Realpolitik? Die Kritik ist jedenfalls da, viele EU-Länder sind längst weiter, auch Südtirol sagt LR Theiner.

Wieder nur ein bisschen Klimaschutz oder doch das realistisch mögliche Ziel angepeilt? Der EU-Gipfel vom Freitag, 24. Oktober hat sich bis 2030 auf neue Ziele in der Klima- und Energiepolitik geeinigt: Der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid CO2 soll im Vergleich zu 1990 verbindlich um mindestens 40 Prozent sinken. Der Anteil der erneuerbaren Energien aus Wind oder Sonne soll auf mindestens 27 Prozent steigen. Auch dieser Wert ist verbindlich. Damit erklärte man sich in Brüssel gerüstet für den Weltklimagipfel 2015 in Paris.

"Nur Riechsalz statt der nötigen Schocktherapie" schimpft Greenpeace in der Neuen Zürcher Zeitung, man habe nicht die Stärke gehabt, die Energie- und Klimapolitik in Richtung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit umzuorientieren, kritisiert der Unternehmer-Dachverband Business Europe. Dabei werden die anvisierten Ziele von vielen gerade in den derzeit schwierigien wirtschaftlichen Zeiten als vernünftiger Kompromiss betrachtet, schreibt die Frankfurter Allgemeine: 

Es mag sein, dass die viel beschworenen „grünen Technologien“ großes wirtschaftliches Potential haben. Kurzfristig aber belastet ihre Einführung Haushalte und Wirtschaft. Zum anderen wäre es unklug für die EU gewesen, noch stärker in Vorleistung für die internationalen Klimaschutzverhandlungen zu gehen.

Eine besondere Position nimmt der Emissionshandel ein, gerade für die Ost-Länder der EU. Sie erhalten mehr Emissionszertifikate, das heißt Verschmutzungsrechte als andere und können diese bei Bedarf verkaufen; der Grund seien die höheren Modernisierungskosten ihrer Stromnetzwerke, so die EU. Weiters dürfen EU-Staaten mit einem Pro-Kopf-BIP unter 60 Prozent des EU-Durchschnitts ihrem Energiesektor bis 2030 weiterhin Gratiszertifikate für den Emissionshandel gewähren. Unter 60 Prozent lagen im Vorjahr laut Eurostat Bulgarien, Tschechien, Estland, Lettland, Litauen, Ungarn, Polen, Rumänien und die Slowakei.

Mit dem Kompromiss sei die EU insgesamt den Klimaschutzbremsern wie Polen und Großbritannien entgegengekommen und habe jene Staaten links liegen lassen, die wie Deutschland deutlich ehrgeizigere Ziele für den Klimaschutz und die Energiepolitik anpeilten.

Deutlich ehrgeizigere Ziele Südtirols mit dem Klimaplan 2050

Auch Südtirol hat sich bis 2050 einen Klimaplan gegeben, der mehr sein will als ein Feigenblatt:  51 Prozent der im Land erzeugten Energie stammen laut der letzten Energiebilanz des Landesinstitutes für Statistik (ASTAT) aus erneuerbaren Energieträgern. Der Klimaplan des Landes sieht vor, dass der Anteil an regenerativen Energieträger bis 2020 mindestens 75 Prozent und bis 2050 über 90 Prozent betragen soll.  "In den letzten 30 Jahren hat die Landesregierung rund 500 Millionen Euro Beiträge für den Einsatz erneuerbarer Energien und für Maßnahmen zur Energieeinsparung gewährt," lässt Energielandesrat Richard Theiner wissen. Der EU-Klimaschutzgipfel sei für ihn eine Enttäuschung.

Auch in der Reduzierung der CO2-Emissionen verfolgt Südtirol ehrgeizige Ziele. Bis 2020 sollen die CO2-Emissionen laut Klimaplan auf unter vier Tonnen und bis spätestens 2050 auf unter 1,5 Tonnen pro Person jährlich gesenkt werden.  Im Jahr 2008 betrug das Ausmaß an CO2-Emissionen pro Einwohner in Südtirol 4,9 Tonnen. Davon entfielen allein 2,63 Tonnen pro Einwohner auf den Verkehrssektor.

Und die nachhaltige Energie brächte Resultate: Durch die 7.610 Photovoltaikanlagen im Lande könnten jährlich 140.000 Tonnen Kohlendioxid eingespart werden. Die 20.800 thermischen Solaranlagen ermöglichten eine Einsparung von 40.000 Tonnen Kohlendioxid jährlich. Mit einer Fläche von 439 Quadratmetern an Solaranlagen pro 1000 Einwohner liegt Südtirol deutlich über dem europäischen (84 m2  Fläche pro 1000 Einwohner) und italienischen Durchschnitt (56 m2  Fläche pro 1000 Einwohner). 

Hier die Beschlüsse des EU-Klimagipfels in der Übersicht:

CO2-Emissionen: Der Ausstoß an Treibhausgasen in der EU soll bis 2030 um mindestens 40 Prozent bezogen auf 1990 reduziert werden. In den nicht vom Emissionshandel erfassten Bereichen wie Verkehr, private Haushalte oder Landwirtschaft sollen die Einsparungen 30 Prozent betragen.

Energieffizienz: Die EU will Einsparungen im Verbrauch um 27 Prozent erreichen. Dieses Ziel ist aber nicht verbindlich. Ursprünglich hatte bei diesem Ziel 30 Prozent stehen sollen, doch dagegen hatten sich Großbritannien und Polen gestemmt.

Erneuerbare Energien: Die EU insgesamt soll den Anteil der Erneuerbaren Energien auf mindestens 27 Prozent im Jahr 2030 steigern. Es werden aber
keine verbindlichen nationalen Ziele festgelegt. Die EU-Förderung dieser Energien soll auch dann erhalten bleiben, wenn nationale Staaten über die 27 Prozent hinausgehen.

Emissionshandel: Die Zahl der Zertifikate soll ab 2021 jährlich um 2,2 statt 1,74 Prozent gekürzt werden. Künftig soll es eine neue Reserve von zwei Prozent an Verschmutzungsrechten geben, die für ärmere Länder gedacht sind, die besonders hohe Modernisierungskosten etwa ihrer Stromversorgung haben.

Die EU behält sich vor, nach dem Abschluss der Weltklimakonferenz in Paris im Dezember 2015 die Beschlüsse neu zu bewerten. Die Zielvorgaben dürfen aber nicht gesenkt werden.

Das größte Problem scheint zu sein, dass den Mitgliedsstaaten ein Veto eingeräumt wird und daher nur so Klimaschutz betrieben werden kann, wie das am meisten bremsende Land (z.B. Polen) zulassen will. Bis manche das Feuer unter dem Hintern spüren, könnte es zu spät sein.

Sa., 25.10.2014 - 09:37 Permalink