Politik | Energie

Kompatschers Coup

Das Land kauft von der Enel den 40-Prozent-Anteil an der SE Hydropower zurück. Damit sind zehn Großkraftwerke endlich in Südtiroler Hand.

Die Einladung kam in letzter Minute und per SMS. Der Text der Nachricht: „Morgen PK um 9.45 Uhr im Kraftwerk Kardaun, mit ENEL-Spitze, Kompatscher, Theiner und SEL-Präsident Sparber. Freuen uns auf eure Teilnahme“.
Stefan Stabler, Pressechef der „SEL AG“ verschickte die Kurznachricht am Donnerstag Abend gegen 21.40 Uhr. Stabler selbst Journalist weiß, dass zu diesem Zeitpunkt in den meisten Südtiroler Redaktionsstube bereits das Licht aus ist. Genau das ist auch gewollt.
Denn hinter der unkonventioneller Einladung und dem kurzen Text verbirgt sich einer der größten wirtschaftspolitischen Coups der letzten Jahre.
Nach Informationen von salto.bz werden auf der Pressekonferenz am Freitag Vormittag in Kardaun Enel-Chef Francesco Starace, Landeshauptmann Arno Kompatscher, Energielandesrat Richard Theiner und SEL-Präsident Wolfram Sparber einen Jahrhundert-Deal bekanntgeben. Das Land bzw. die SEL übernehmen den 40-Prozentanteil der Enel an der SE Hydropower. Konkret heißt das: Zehn Südtiroler Großkraftwerke sind damit voll in der Südtiroler Hand.

Die Operation

Der SE Hydropower gehören die Kraftwerke Kardaun, Brixen, St. Anton, Lana, St. Pankraz, St. Walburg/Kuppelwies, Sarnthein, Lappach, Mühlen und Waidbruck. 60 Prozent am Unternehmen hält die SEL, 40 Prozent die Enel. Kompatschers Plan: Das Land soll über die SEL die 40 Prozent von der Enel erwerben.
Seit mehreren Monaten laufen unter strengster Geheimhaltung die Verhandlungen. Arno Kompatscher hat direkt mit der Enel-Spitze Kontakt aufgenommen. Und am Ende ging der Deal anscheinend schneller und leichter über die Bühne als man geglaubt hat.
Über den Kaufpreis herrscht bisher absolutes Stillschweigen. Doch man kann relativ klar schätzen, um wie viel Geld es geht.
2009 wurde der Wert des gesamten Kraftwerk-Paketes mit 850 Millionen beziffert. Demnach wird das Land rund 350 Millionen Euro für die SE Hydropower-Anteile der Enel ausgeben müssen.
Dass die Verhandlungspartner für den Freitag im Kraftwerk Kardaun zu einer Pressekonferenz laden, lässt darauf schließen, dass man handelseins geworden ist.

Der Erfolg

Fast ein Jahrzehnt lang hat die ehemalige SEL-Spitze das Bild von der „Heimholung der Energie" bemüht. Heute weiß man, dass es eine Operation mit einigen Schrammen war.
Es ist jetzt ausgerechnet Arno Kompatscher, der in seinem ersten Regierungsjahr genau diesen Schritt aber verwirklicht. Südtirol hat jetzt seine Hand nicht nur auf 10 Großkraftwerken, sondern es fließen auch endlich alle Steuern aus dem Stromgeschäft in den Südtiroler Landeshaushalt.
Zudem kommt man mit diesem Deal auch der Entwirrung eines anderen gordischen Knotens näher: Dem Problem der von der alten SEL-Führung erschwindelten Konzessionen. Denn es sind genau diese zehn Großkraftwerke bei denen Maximilian Rainer und Michl Laimer die Unterlagen ausgetauscht und damit widerrechtlich getrickst hatten.
Dass diese Konzessionen jetzt vollständig in der Hand der SEL sind, macht eine einvernehmliche Lösung unter den Südtiroler Mitbewerbern viel einfacher. Etwa um das Kraftwerk St. Anton, auf das die private „Eisackwerk GmbH“ ihren rechtlichen Anspruch erhebt.
Vor allem aber ist dieser Kauf eine Art Morgengabe für die geplante Stromhochzeit zwischen SEL und Etschwerken. Der kommunale Energiebetrieb kann nach diesem Coup wohl kaum mehr objektiv gegen die Zusammenlegung in einen neuen Südtiroler Energiebetrieb sein.
Denn das Kapital und der Wert der geplanten Gesellschaft erhöhen sich jetzt um ein Vielfaches.

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Marco Dalbosco Fr., 07.11.2014 - 07:02

Diese "Nachricht" hätte vom Presseamt der Landesregierung nicht triumphaler geschrieben werden können. Dabei vergisst (oder verschweigt) Franceschini, dass es auch die Edison/SEL Kraftwerke gibt. Was man so hört, hat die Edison nicht vor, ihre Anteile zu verkaufen und die geplante "Hochzeit" zwischen SEL und AEW ist also doch problematisch. Weiters stellt sich die Frage, warum die Gemeinden ihre (eh schon begrenzte) finanzielle Autonomie aufgeben sollten. Das Argument der "südtiroler Hand" ist reiner Heimatpathos. Und wenn... sind Bozen und Meran nicht auch Südtirol? Welche "Synergien" würden sich aus der Hochzeit ergeben? Ganz klar ein mittelfristiger Stellenabbau. Das kann im Sinne einer Profitmaximierung und aus der Sicht eines Konzerns in Ordnung sein, wohl aber nicht im Sinne der sogenannten Volkswirtschaft. Wahrscheinlich auch ein Transfer von Knowhow von AEW an SEL. Wird das bei der Berechnung des Wertes berücksichtigt?
Zentral bleibt am Ende die Frage, was SEL bei noch ausstehenden Rekursen wert sein kann.

Fr., 07.11.2014 - 07:02 Permalink
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Willy Pöder Fr., 07.11.2014 - 08:11

Kompliment: Was 'Rai Südtirol' in seiner Presseschau um Dreiviertelacht noch als große Neuigkeit und 'exklusiv' der SWZ zuspielte (Georg Schedereit), war auf salto.bz. in einem Beitrag von Christoph Franceschini, dem Claus-Gatterer-Preisträger, schon Stunden zuvor unter dem Titel "Kompatschers Coup" zu lesen. Doch über so viel mediale Mobilität darf man von den Fall zu Fall zugekauften "Presseschauern" wohl nicht erwarten, obschon sie für diese Kurzarbeit recht ordentlich bezahlt werden.
Nach dem Kommentar von Marco Dalbosco soll es sich gar um eine Mitteilung aus dem Landespresseamt handeln. Wenn dem so ist, so ist diese selbstverständlich auch an die "Rai Südtirol" gegangen. Altrocchè Exklusivität! Vielmehr hat man in der eigenen Redaktion am Mazzini-Platz die Nachricht entweder verwurstelt, oder man wollte sie erst gar nicht selber aufarbeiten.

Fr., 07.11.2014 - 08:11 Permalink
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Martin Daniel Fr., 07.11.2014 - 10:43

Franceschini hat den Kaufpreis gut geschätzt: Laut Agenturmeldungen erhält ENEL 345 Mio. Euro für die 40% an der SE Hydropower und weitere 55 Mio. für "per la cessione della partecipazione detenuta da Enel Produzione in SF Energy", sodass die Gesamtsumme 400 Mio. beträgt. Diese SF Energy gehört zu gleichen Teilen ENEL Produzione, SEL GmbH und Dolomiti Energia.
Die Börse lässt keinen Schluss zu, ob der Deal für ENEL ein "affare" ist oder nicht.

Hier ein Link: http://www.agi.it/borsa/comunicati/notizie/enel_accordo_per_cessione_pa…

Fr., 07.11.2014 - 10:43 Permalink