Feministische Rollenbilder?
Mit einer „Streitschrift“ greift der österreichische Standard das zwiespältige Verhältnis junger Frauen zum Feminismus auf.
Dieser habe sich geändert, so Redakteurin Saskia Jungnikl in ihrem Text. Das Bild der Frau, welche die Welt des Mannes erobert, sei passé. Es gehe nun um andere Grundrechte, etwa dem, „ihr Leben nach ihren Vorstellungen gestalten zu können, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen“. Zudem: Während die Erwerbstätigenquote der Frauen in den letzten Jahren gestiegen sei, sei jene der Männer gesunken; „das sind Fakten, keine Umfragen“, schreibt Jungnikl. Was sage es schon aus, dass sich über fünfzig Prozent der Frauen zwischen 14 und 24 vorstellen könnten, der Familie zuliebe auf eine Karriere zu verzichten?
Es braucht Feminismus – den radikalen, undiplomatischen, provokanten und sehr, sehr unbequemen, es braucht Frauensolidarität.
Sehr viel – leider sehr viel. Der Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit führt nicht nur zu mehr Zeit für Familie (was ja durchaus begrüßenswert ist!), sondern gleichzeitig zu einer finanziellen Abhängigkeit – gegenwärtig und vor allem im Alter. Altersarmut, das zeigt sich heute mehr denn je, ist – wenn auch nicht ausschließlich – ein Frauenproblem.
Auch wenn die Erwerbstätigenquote der Frauen in Österreich (laut Artikel 53 Prozent) im Steigen begriffen ist, während jene der Männer sinkt, so liegt sie immer noch über zehn Prozentpunkte unter jener der Männer (laut Artikel 64,3%). In Betracht zu ziehen ist dabei vor allem auch, dass eine Erwerbstätigkeit noch keine Sicherheit gibt. Laut Statistik Austria lag 2013 die Teilzeitquote der Erwerbstätigen in Österreich bei Männern bei 10 Prozent, jene der Frauen bei 45,5 Prozent. Nein, ich verlange von niemandem, sich für eine Situation zu rechtfertigen, für die er oder sie sich in vollem Bewusstsein über die Folgen entschlossen hat.
"Wir fordern ein Leben neben dem Job, das die Bezeichnung 'Leben' verdient."
Aber auch das sind Fakten – und sie gehören erwähnt, wenn Sätze fallen wie etwa: „Generationen von Frauen haben sich in harten Kämpfen den Weg in die Büros, die Leitungsebene von Unternehmen und die Politik geebnet. Damit wurden die Meinungen von Frauen wie selbstverständlich sichtbar gemacht.“
Selbstverständlich sichtbar? Leider reicht es längst nicht, Interessen und Meinungen sichtbar zu machen, wenn sie dann nicht durchgesetzt werden (können). Die ewige, leidige Diskussion um Frauenquoten in der österreichischen Politik zeigt das beispielsweise. Wenn die Autorin der „Streitschrift“ Diskriminierung, präpotentes Belächeln, das Absprechen von Fähigkeiten, eherne Männerrunden, Gehaltsunterschiede und ungleiche Aufstiegschancen anprangert, dann hat sie recht. Die Frage ist, wie Frauen unter diesen Umständen ihr Leben „selbstbestimmt und nach eigenen Vorstellungen“ leben sollen. Dazu braucht es Feminismus – den radikalen, undiplomatischen, provokanten und sehr, sehr unbequemen, dazu braucht es Frauensolidarität.
Heute gehe es um andere Grundrechte, etwa dem, „ihr Leben nach ihren Vorstellungen gestalten zu können, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen“.
Selbstbestimmtheit und Unabhängigkeit – wie sie Saskia Jungnikl fordert – stellen sich nicht ein, indem frau auf Erwerbstätigkeit verzichtet. Um es mit den Worten Lidia Menapaces auszudrücken, die einmal ihre eigene Mutter zitierte:
„Ragazze siate indipendenti e poi fate quel che volete, prendete marito, non lo prendete, lo tenete, lo mollate: sappiate però che è importante che non dobbiate mai chiedergli i soldi per comprarvi le calze, perché non si può essere indipendenti nella testa se si dipende nei piedi.“
Nein, ich fordere von keinem Menschen dieser Welt, fünfzig oder sechzig Stunden in der Woche zu arbeiten. Ich fordere das Gegenteil – von Männern wie von Frauen. Der Punkt ist nicht der, dass die Karriere unter der Familie leidet oder umgekehrt. Der Punkt ist der, dass dieser „Interessenskonflikt“ immer noch von Frauen ausgetragen wird – auf Kosten ihrer (auch finanziellen) Unabhängigkeit. Anstatt zu fordern, dass Männer sich ihrer familiären Verantwortung genauso stellen – die Zahl der Väter in Karenz steigt zwar, aber sie steigt sehr langsam, anstatt zu fordern, dass – wenn schon 60 Prozent der Hochschulabsolvent/innen Frauen sind – dies auch in der Vergabe der Professuren sichtbar ist, fordern wir ein „Leben neben dem Job, das die Bezeichnung 'Leben' verdient“.
Also nein... Ausruhen können wir uns, wenn wir unsere Ziele erreicht haben. Feministin zu sein, ist ein schweres Erbe angesichts dessen, was der Feminismus geleistet hat – und doch kann ich mich der Verantwortung nicht entziehen. Zu wichtig erscheinen mir die Anliegen, die noch auf der Tagesordnung unserer Generation stehen.
Es gibt noch einen Punkt, in dem ich mit Frau Jungnikl vollkommen d'accord gehe: Es gibt nicht einen Feminismus, daher halte ich es auch für inkonsequent, wenn die Autorin in der „Wir-Form“ von „uns Frauen“ schreibt. Was es aber gibt, ist eine gemeinsame Grundeinstellung, eine gemeinsame Grundhaltung. Kurz und knapp auf drei kurze Punkte reduziert: Feminist/innen sind sich darin einig, dass Frauen und Männern dieselben Rechte und Pflichten zustehen. Sie sind sich darin einig, dass dieser ideale Zustand nicht erreicht sind. Und sie sind sich darin einig, dass sich dieser Zustand von selbst nicht einstellen wird, sondern dass aktives Handeln gefragt ist.
Gut auf den Punkt gebracht.
Gut auf den Punkt gebracht. Solange sich ein Arbeitgeber (öffentlich oder privat) sicher sein kann, dass der junge Mann den er gerade angestellt hat, nicht in Karenz gehen wird oder Teilzeit anfordert, müssen Frauen diesen Interessenskonflikt zwischen Job und Familie durchstehen. Das wäre nicht notwendig. 80% für beide nach dem ersten Jahr. 6 Monate abwechselnt zu Hause bei den Kindern. Das ist nicht so schlimm, im Gegenteil!
>Feministin zu sein, ist ein
>Feministin zu sein, ist ein schweres Erbe angesichts dessen, was der Feminismus geleistet hat<
Ich verstehe diesen Satz nicht. Und so wie ich ihn verstehe, kann er nicht gemeint sein. :-)
Hallo Oliver, danke für die
Hallo Oliver, danke für die Anmerkungen. Ich versuche mal, ein bisschen darauf einzugehen:
1. und 2. fasse ich zusammen, da es in beiden Fällen um die "damals andere Zeit" geht. Bei allem Respekt, das Argument lasse ich 2014 nicht mehr gelten. Beide Probleme gibt es nicht erst seit gestern, auf beide Probleme wird seit Jahrzehnten hingewiesen - es ist schon sehr bequem, zu sagen, die Umstände werden sich von selbst ändern. 1921 gab es die erste Professur für eine Frau (Elise Richter am Institut für Romanistik der Universität Wien). Tut mir leid, das ist bald 100 Jahre her, und wir haben immer noch keine Gleichberechtigung an den Unis? Dann sind wir sehr spät dran. (Das hohe Durchschnittsalter der Professor/innen hängt leider unter anderem auch mit den prekären Arbeitsbedingungen junger Wissenschaftler/innen an den Unis zusammen, keineswegs aber mit deren Kompetenzen und Qualifikationen.)
3. Welcher Probleme sich der Feminismus annimmt, ist eine Frage von dessen Auslegung. Ich sehe Feminismus als Bestreben nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung - auch in finanzieller Hinsicht. Daher befasst sich der Feminismus sehr wohl mit dem Faktum, dass die Tatsache, dass eine Frau ein Kind zur Welt bringt, zu einer finanziellen Abhängigkeit führt - was nicht so sein müsste, wie Maximilian Benedikter bereits angeführt hat. Wir leben nur derzeit in der Situation, dass Frauen ohnehin schon schlechter Bezahlt werden als Männer - das heißt, wer wird dann zwangsläufig zu Hause bleiben? Die Lohnschere wird durch die sexistischen Mechanismen unserer Gesellschaft größer - auch damit muss sich Feminismus befassen. Das Problem lösen können letztendlich nur wir, indem wir Transparenz fordern, Frauen fördern und Klischees aufbrechen.
4. Das übliche Argument zur Frauenquote... Problem an der ganzen Sache: Die freie Berufswahl ist nicht so frei, wie sie dir vielleicht scheint. Dass Frauen selten technische oder naturwissenschaftliche Fächer in Betracht ziehen, liegt auch an der Sozialisation von Mädchen, liegt auch an den kaum kommunizierten Vorbildern, liegt auch an biologistischen Bildern wie etwa "eine Frau ist doch viel zu schwach, einen Bagger zu lenken" - um beim Baggerbeispiel zu bleiben (wobei du dazu ja kein Studium brauchst). Niemand will Frauen dazu zwingen, Elektrotechnik oder Chemie zu studieren. Es geht nur darum, ihnen aufzuzeigen, dass sie das genauso können, dass es vor ihnen schon Frauen gab, die das geschafft haben und viel erreicht haben - wenn das Selbstbewusstsein und die entsprechende Förderung da sind, brauchst du sie nicht einmal mehr bitten, das zu studieren.
Das Problem an der ganzen Sache ist, dass so viele Mechanismen so unterschwellig laufen und funktionieren, dass es natürlich sehr einfach ist, ihnen die Existenz abzusprechen. Viel zu vieles läuft im Unterbewussten über Bilder und gängige, von den Medien transportierten Klischees ab. Ich habe aufgehört in diesen Bereichen an Zufälle zu glauben. Es gibt Gründe, warum unsere Gesellschaft so ist, wie sie ist.
In Hinblick auf deinen letzten Satz, kann ich mir das jetzt nicht verkneifen: Es ist nicht Sinn und Zweck des Feminismus, dass Männer ihn sympathisch finden oder mit ihm einverstanden sind, im Gegenteil. ;-) Nichts für ungut!
Das einzige was der „radikale
Das einzige was der „radikale, undiplomatische, provokante Feminismus“ in der heutigen Zeit erreicht, ist Frauen gegeneinander aufzuhetzen. Kein Wunder, dass ich schon aggressiv werde, wenn ich das Wort Feminismus nur höre. Schließlich durfte ich mir jahrelang von allen möglichen selbsternannten Feministinnen anhören, dass ich zu einer benachteiligten Gattung gehöre, dass die bösen Männer und die böse Gesellschaft schuld daran sind, dass ich es nie zu etwas bringen werde… Trotzdem sollte ich als Frau versuchen Karriere zu machen, auch wenn es ohnehin aussichtslos ist, weil sich Frauen ohne Quote ja nie gegen Männer durchsetzen werden.
Dann gibt es da noch die Forderung mehr Frauen sollten technische Berufe ergreifen, interessanterweise meist vorgebracht von Frauen, die sich selbst für ein geisteswissenschaftliches Fach, Pädagogik, Lehramt oder Psychologie entschieden haben. Oder die Forderung nach mehr weiblichen Professoren, bei der gern übersehen wird, dass Universitätsprofessor meist die letzte Stufe in der Karriereleiter ist und man erst darauf warten muss, dass eine Generation in den Ruhestand geht, bevor man die Stellen neu besetzen kann. Die klassischen Argumente von Feministen gehen heute einfach immer mehr an der Realität vorbei.
Für mich bedeutet Gleichberechtigung nicht eine erzwungene 50-50 Verteilung, sondern dass ich persönlich (genauso wie jeder andere) das aus meinem Leben machen kann, was ich selbst möchte, unabhängig von meiner Herkunft und meinem Geschlecht. Aus meiner Erfahrung kann ich Saskia Jungnikl nur zustimmen: für eine junge Frau in Mitteleuropa ist das heute kein Problem mehr. Man muss nur bereit sein, Entscheidungen für sich selbst zu treffen statt sich hinter Ausreden über die angebliche Männerdominierte Gesellschaft zu verstecken.
Antwort auf Das einzige was der „radikale von Ulrike .
Kann allem voll zustimmen.
Kann allem voll zustimmen.
Paradox ist heutzutage , dass Frauen im Westen immer selbstbestimmter sind und diese sich gleichzeitig immer mehr als unterdrückt bezeichnen. Ich glaube dies hat unter anderem auch Erich Fromm in seinem Werk Furcht vor der Freiheit beschrieben, wo Menschen nicht mit mehr Freiheit umgehen können und die Verantwortung lieber an eine Autorität abgeben und sei es eine negativ besetzte.
und dass man der Gesellschaft die Schuld gibt sich nicht für technische Berufe zu interessieren weil zu wenig getan wird kann ich auch nicht mehr hören : http://www.golem.de/news/studie-maedchen-interessieren-sich-quasi-gar-n…
Ich finde dieser Kommentar
Ich finde dieser Kommentar von Robin Detje bringt den Stand der Debatte auf den Punkt:
http://www.zeit.de/kultur/2014-11/lann-hornscheidt-feminismus-gender-ma…
Antwort auf Ich finde dieser Kommentar von David Unterholzner
Meiner Meinung ist
Meiner Meinung ist Antifeministischer Untergrund eine gezielte Anspielung die weit unter der Gürtellinie geht.
Hallo Oliver, deine Zahlen
Hallo Oliver, deine Zahlen können durchaus stimmen. Damit ist es relativ einfach zu argumentieren: 2000/2001 waren laut unidata 50,3% der Absolvent/innen weiblich. 2013 haben wir bei der Vergabe von Professuren aber eine Frauenquote von 22%. Wo ist da die Relation? Natürlich kann ich mich auf die faule Haut setzen und sagen, dass das schon irgendwann besser wird. Aber dafür habe ich leider keine Garantie - deshalb nehme ich es lieber in die Hand und setze mich dafür ein.
Ich verstehe deine Quotenargumentation nicht ganz. Ich habe ja nie behauptet, dass ich in Studiengängen eine Quote fordere. Mir ging es im Artikel um die Frauenquoten in der österreichischen Politik. Anders als in Südtirol gibt es in Österreich ausschließlich die von den Parteien selbst festgesetzten Quoten - und an die halten sich nicht alle (siehe Prammer-Nachfolge im Nationalrat).
Es liegt mir fern, jemandes Entscheidungsfreiheit einzuschränken. Ich glaube nur, dass es Gründe gibt, warum Frauen bestimmte Studienrichtungen und Berufe wählen und Männer andere.
Hallo, das wäre sehr schön.
Hallo, das wäre sehr schön. Nur müssten wir dieser Logik folgend heute schon sehr viel weiter sein - und nicht erst darüber nachdenken, warum es dieses Ungleichgewicht gibt. Wir haben all jene ausgeblendet, die nach dem Bachelor-Studium die Uni verlassen, die ihr Studium wegen mangelnder Vereinbarkeitsmöglichkeiten abbrechen, die sich nicht bewerben, weil sie den Kriterien einer ausgeschriebenen Stelle nur in Teilen und nicht zur Gänze entsprechen, die Sexismus und Übergriffe erleben und daher der akademischen Welt den Rücken kehren. Und davon gibt es viele - Dunkelziffer unbekannt... Nein, jetzt zu sagen, das wird sich schon von selbst erledigen, ist schon mehr als bequem. Ich will heute gleichberechtigt leben, nicht erst in 80 Jahren (in "Schwarzbuch Männer. Weißbuch Frauen" führen Sibylle Hamann und Eva Linsinger eine Studie an, derzufolge sich die Lohnschere - je enger sie ist - immer langsamer schließt. Demnach werden wir vielleicht 2095 in den Bereich der Gleichberechtigung vorstoßen, daher die 80 Jahre).
Antwort auf Hallo, das wäre sehr schön. von Marita Gasteiger
Dass eine Dunkelziffer
Dass eine Dunkelziffer unbekannt ist, ist wohl eine Tautologie.
Ich werde jetzt nicht ein Buch nach dem Titel beurteilen, aber wenn ich mir vorstelle mit welcher Geisteshaltung man so ein Titel ansprechen finden kann hinterlässt es kein gutes Gefühl.
Antwort auf Hallo, das wäre sehr schön. von Marita Gasteiger
(in "Schwarzbuch Männer.
(in "Schwarzbuch Männer. Weißbuch Frauen" führen Sibylle Hamann und Eva Linsinger eine Studie an, derzufolge sich die Lohnschere - je enger sie ist - immer langsamer schließt. Demnach werden wir vielleicht 2095 in den Bereich der Gleichberechtigung vorstoßen, daher die 80 Jahre).
Eigentlich ist es lächerlich zu glauben dass sich die Schwere perfekt asymptotisch verhält. Für soziale Phänomene mit Projektionen bis ins Jahr 2095 sind wohl sehr gesagt. Wie gut die mathematisierung von Sozialwissenschaften funktioniert kann man an der neoklassischen Ökonomie sehen.