Teurer Lebensretter

Petra* trägt die Krankheit seit fast drei Jahrzehnten in sich. „Es ist eine Art Zeitbombe“, sagt die Südtiroler Unternehmerin. Petra ist mit Hepatitis C infiziert. Sie ist damit eine von über 1.000 Südtirolerinnen und Südtirolern, die an dieser besonderen Art von Gelbsucht leiden.
Hepatitis C wird durch Bluttransfusionen, aber auch durch nicht ordnungsgemäß gereinigte Instrumente bei der Pediküre, beim Zahnarzt übertragen. Die Krankheit wird in 80 Prozent der Fälle chronisch. 20 Prozent der Infizierten entwickeln eine Fibrose und danach eine Zirrhose der Leber, bei bis zu vier Prozent kommt es zu einem Leberkarzinom.
Weltweit sind fast 200 Millionen Menschen davon betroffen. Allein in Österreich gibt es rund 80.000 Infizierte. In Italien sind es zwischen 300.000 und 500.000. Hepatitis C zählt auch heute noch mehr Todesfälle als Aids.
„Jetzt gibt es endlich eine Heilungschance“, sagt Petra, „nur ist sie für mich unbezahlbar und die Krankenkassen und die Versicherungen wollen nicht zahlen“. Für sie als Betroffene ist eines klar: „Hier ist die Politik gefragt, die große aber auch die kleine“. Gemeint ist damit auch die Südtiroler Gesundheitspolitik.
Seit knapp einem Jahr gibt es ein Wundermittel, das den Infizierten und Erkrankten nicht nur Hoffnung macht, sondern nachweislich Menschen von Hepatitis C heilt. Das Medikament heißt Sovaldi und enthält den neu entwickelten Wirkstoff Sofosbuvir.
Das Medikament wurde erst im Dezember 2013 von der amerikanischen Arzneimittelbehörde freigegeben und im Jänner 2014 auch in Europa zugelassen.Verabreicht in Kombination mit einem anderen erst kürzlich entwickelten Medikament mit dem Namen Simeprevir sind die Patienten den Hepatitis-C-Virus innerhalb von zwölf Wochen los. In 95 Prozent der Fälle konnte die Krankheit so geheilt werden. Ohne Nebenwirkungen.
Entwickler des Medikaments ist das kanadische Biotech-Unternehmen Pharmasset, das 2011 von dem US-amerikanischen Konzern Gilead Sciences um elf Milliarden Dollar übernommen wurde. Der Pharmariese Gilead mit Sitz in Kalifornien hat prominente Aktionäre wie etwa den ehemaligen US-Aussenminister George Shultz oder Ex-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der jahrelang auch des Aufsichtsratspräsidenten des Unternehmens war.
Sovaldi hat den Konzern jetzt einen neuen Rekordgewinn beschert. Seit das neue Hepatitis-C-Medikament auf dem Markt ist hat sich der Aktienwert von Gilead Sciences praktisch verdoppelt. Allein im zweiten Quartal 2014 hat das Unternehmen 3,4 Milliarden Dollar Rendite gemacht.
Das liegt vor allem an der Tatsache, dass das Medikament für die Patienten ein Vermögen kostet. Eine Schachtel Sovaldi kostet aus unerklärlichen Gründen 19.200 Euro. Der Spiegel hat erreichnet, dass eine kleine Pille somit 700 Euro kostet. Eine Zwölf-Wochen-Therapie über 60.000 Euro. Wendet man die Kombinationstherapie an, so kostet die Behandlung gut 120.000 Euro.
Wer aber kann diese Kosten tragen? Krankenkassen und Versicherungen winken derzeit überall ab. Auch das öffentliche Gesundheitssystem gibt sich überfordert.
In Österreich und Deutschland zahlen die Krankenkassen erst dann, wenn die Leber bereits so geschädigt ist, dass es zu einer Zirrhose kommen kann. „Das ist doch absurd, man bekommt das Medikament erst, wenn man einen dauerhaften Schaden davongetragen hat“, versteht Petra die Welt nicht mehr.
Das Problem geht weit über Südtirol hinaus. In ganz Europa versuchen Interessensgruppe jetzt die Öffentlichkeit auf dieses Dilemma aufmerksam zu machen.
In Österreich hat die Hepatitis Hilfe Österreich (HHÖ) eine breite Kampagne gestartet und im Millionenshow-Moderator Armin Assinger einen prominenten Unterstützer gefunden. HHÖ-Präsidentin Angelika Widhalm sagt im Nachrichtenmagazin profil: „Die neue Medizin gegen Hepatitis C ist schließlich mit der Erfindung des Penicillins vergleichbar.“
Auch in Italien haben mehrere Interessengruppen und Onlus-Vereine eine bezahlten Aufruf in den großen Tageszeitungen lanciert. Premier Matteo Renzi, Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan und die gesamte Regierung werden in der Annonce ersucht für die nächsten zehn Jahren 700 Millionen Euro für die Therapie zur Verfügung zu stellen.
Tatsache ist aber, dass derzeit in Italien und Südtirol niemand die Therapie zahlt. „Entweder man hat viel Geld oder man kann nur Warten“, meint Petra. Dabei bezieht sich das Warten weniger auf die Hoffnung, dass die Politik schnell grünes Licht für die Übernahme der Behandlungskosten geben wird.
Experten hoffen auf einen andere Entwicklung, die man bei ähnlich teuren Medikamenten bereits erlebt hat. Es kommen relativ schnell Konkurrenzprodukte auf den Markt, die billiger sind. Und damit fällt der Preis für diese Medikamente deutlich. Zu diesem Zeitpunkt wird dann auch die Übernahme der Kosten einfacher.
Eine grundlegende Frage aber bleibt: Wie viele Menschenleben kostet dieses Warten?
* Name von der Redaktion geändert.
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Ist das der Preis des
Ist das der Preis des Neoliberalismus?
Ich verstehe, dass die Entwicklung solcher Medikamente teuer ist; was mir entgeht ist, dass so ein Medikament nicht durch WHO (emblematische Abkürzung, wa?) entwickelt und vertrieben wird. Immer müssen bereits Überreiche noch mehr Profit machen. So ein Patent muss enteignet und veröffentlicht werden. Sofort!
Antwort auf Ist das der Preis des von Andrea Terrigno
Das hat mit Neoliberalismus
Das hat mit Neoliberalismus rein gar nichts zu tun. Bei der Zulassung wird vom Staat der Preis bestimmt. Ich kann das interessante Buch vom ehemaligen Pharmareferenten John Virapen Nebenwirkung Tod empfehlen der eine Schlüsselfigur bei der Weltweiten Einführung von Prozac hatte.
Nebenbei Frage ich mich ob es sinnvoll ist einfach Patente zu Enteignung. So kann man sich sicher nicht erwarten dass ein Pharmaunternehmen eine Milliarde Euro in die Entwicklung steckt.
Auch wird sowas in Zukunft auch nicht mehr möglich wäre ohne hohe Kosten für die Allgemeinheit durch den Investorenschutz der uns durch TTIP oder CETA.
Ich kann dir zum Teil
Ich kann dir zum Teil zustimmen, aber ich frage mich schon wieso die Forschung und Weiterentwicklung der Pharmazie als solche zum Großteil in Händen von multinationalen Konzernen ist. Wäre es nicht sinnvoller gewisse Bereiche in den Universitäten zu lassen damit dort Forscher und Professoren ihr Wissen für die Allgemeinheit einsetzen?
Oft klagen Regierungen über die Kosten von Universitäten und Studenten, der Staat gibt für jeden Studenten mehr aus als dieser z.B. in Italien an Steuern zahlt, dann sobald der Student seinen Abschluss hat, ist er Weg. Da könnte man doch diese Investition doch für einige (wieso nicht die besten?) nutzen und mehr Forschungsplätze einrichten, da hätten alle was davon. Die Pharmaindustrie könnte sich dann komplett auf Haarwuchsmitteln, Abnehmpillen und Potenzmittel konzentrieren, wie sie es sowieso schon zum Großteil macht.