Politik | Rückblick

(M)Ein Jahr als Landeshauptmann

2014 war sein erstes Jahr an der Spitze der Landesregierung. Arno Kompatscher zieht Bilanz. Und lässt auch heiße Eisen nicht unangetastet.

Ganze zwei Stunden hat sich Landeshauptmann Arno Kompatscher am Montag Vormittag Zeit genommen, um über sein erstes Jahr an der Spitze des Landes Bilanz zu ziehen. Ein Überblick. 


Bürokratieabbau und Transparenz: “Information und Dialog”

Ein ganz zentrales Anliegen im heurigen Jahr war Kompatscher der offene Dialog und die Einbindung der Bevölkerung sowie der Interessengruppen in die Entscheidungsprozesse. Als Beispiele nannte er die Reform des Gesundheitswesens: “Im Vorfeld – also bevor endgültige Entscheidungen getroffen wurden – wurde die Öffentlichkeit über den Vorschlag von Gesundheitslandesrätin Stocker informiert, um dann einen konstruktiven Dialog starten zu können. Es sollte keine ‘Pseudo-Beteiligung’ werden, sondern eine wirklich ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema.” Die anfangs sehr emotional geführte Diskussion sei nun einer sachlichen Debatte gewichen, um auch alternative Vorschläge zu jenen Stockers zu finden. “Zum ersten Mal haben sich die Sanitätsbezirke – Brixen und Sterzing, Bruneck und Innichen, Meran und Schlanders – zusammen an einen Tisch gesetzt und es freut mich besonders, dass gute Fortschritte gemacht werden”, zeigt sich der Landeshauptmann erfreut. Spätestens Mitte Februar sollen dann die ausgearbeiteten Reformpläne auf dem Tisch liegen. Weiter gebracht werden soll auch die gestartete Reform der Verwaltung, welche die Landesregierung bis 2018 beschäftigen wird. Daneben seien 2014 wichtige Schritte zur Vereinfachung bei der öffentlichen Auftragsvergabe gemacht worden: “Bisher mussten alle Ausschreibungsteilnehmer alle Unterlagen einreichen. Jetzt reicht es, wenn dies der Zuschlagsempfänger bei der Vertragsunterzeichnung macht.” Ein wichtiges Etappenziel sei auch die Öffnung der Verwaltungs- und Aufsichtsräte sowie der Bildungsdialog, der “außerordentlich gut” funktioniert habe, so Kompatscher.


Entlastung und Unterstützung für die BürgerInnen: “Themen bewusst in den Mittelpunkt gestellt”

Aufgrund des derzeit unsicheren wirtschaftlichen Umfelds in Südtirol, Italien und Europa seien verschiedene Maßnahmen gesetzt worden, um BürgerInnen und Unternehmen gleichsam finanziell zu unterstützen und zu entlasten: Es sei mehr Geld – etwa 170 Euro im Monat – für etwa 1600 bezugsberechtigte Mindestrentner bereitgestellt, der Mietbeitrag überarbeitet und für die Alleinerziehenden um etwa 80 Euro pro Monat erhöht worden, knapp zehn Millionen Euro Sanierungsvorschüsse wurden gewährt und das Bausparen für Jahresanfang 2015 startklar gemacht. „Bewusst an letzter Stelle“ nannte der Landeshauptmann die steuerlichen Entlastungen für Bürger und Unternehmen im Ausmaß von über 250 Millionen Euro. Diese umfassen unter anderem Reduzierungen von 55 Millionen Euro bei der Gemeindeimmobiliensteuer GIS, 75 Millionen bei der Wertschöpfungssteuer IRAP und die Einführung der No-Tax-Area bei der IRPEF, die einer Entlastung von 33 Millionen Euro gleichkommt.

"Bisher sind wir wie ein Bankomat behandelt worden – war Geld nötig, hat man es sich aus Rom einfach geholt. Doch in Zukunft werden wir deutlich weniger an Rom zahlen und sind durch diverse Mechanismen vor der Willkür Roms abgesichert.”


Wirtschaftsförderung: “Weichenstellungen und Nachholbedarf”

Knapp ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts werde in Südtirol für Forschung und Entwicklung ausgegeben – eine Annäherung an das Ziel von drei Prozent sei nicht in Sicht. Doch seien im Laufe des Jahres wichtige Aufhol-Maßnahmen getroffen worden, wie etwa zusätzliche sieben Millionen Euro an Fördermitteln oder die endgültige Vereinbarung des Konzepts für den Technologiepark. Eine weitere maßgebliche Entscheidung ist die Zusammenführung von BLS, EOS, SMG und TIS zu einem einzigen Sonderbetrieb. Zur Zeit befinde man sich in der Umsetzungsphase, innerhalb 2015 soll die Fusion dann abgeschlossen sein. Auf der To-Do-Liste der Landesregierung stand darüber hinaus ein neues Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum, der Tourismusdialog und die Reform der Wirtschaftsförderung – Stichwort “Abkehr vom Gießkannenprinzip” und Einführung des Rotationsfonds.


Energie und Umwelt: “Unerwartete Lösungen in wichtigen Fragen”

“Große Früchte für die Allgemeinheit” werde laut Landeshauptmann die Neuordnung im Energiesektor bringen, der 2014 in die Wege geleitet wurde. Die Fusion zwischen der SEL AG und den Etschwerken würden auf der einen Seite mehr Ressourcen in die Kassen der Gemeinden Bozen und Meran sowie der Provinz spülen, auf der anderen Seite profitierten laut dem Landeshauptmann auch die BürgerInnen von einer angepeilten neuen Tarifpolitik. Weitere wichtige Themen, die heuer angegangen wurden, sind die Umweltmaßnahmen entlang der Brennerachse – Minimierung der Natur- und Lärmverschmutzung und Einführung der Euro-Vgnette – sowie die Verabschiedung der Pflanzenschutzrichtlinie, die im Zuge der Malser Pestizid-Abstimmung “leider etwas untergegangen ist”, obwohl man doch europaweit damit eine Vorreiterrolle einnehme. Weiters seien 2014 über 30 Millionen Euro an Umweltgeldern für über 200 Initiativen bereit gestellt worden.


Autonomie: “Stärkung und Öffnung für Europa”

Einige wichtige Schritte seien 2014 gemacht worden, um Signale der Offenheit der Südtiroler Autonomie zu senden. Angefangen mit der symbolischen Öffnung aller öffentlichen Ämter am Tag der Autonomie, am 5. September. Auch in Zukunft soll dieser Tag beibehalten werden, um bewusst zu machen, dass “unsere Autonomie nicht nur die der Politik ist, sondern die aller Südtiroler Bürgerinnen und Bürger”, so Kompatscher. Einiges weitergegangen sei auch der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Rahmen der Europaregion sowie der Makroregion Alpen, vor allem was den Mobilitäts- und den Kultursektor anbelangt. In Zukunft sollen in gewissen Bereichen weitere Kompetenzen an die Euregio als juristische Person übertragen sowie im Rahmen der Makroregion Alpen die besonderen Notwendigkeiten der Mitgliedsregionen in Brüssel vertreten werden. Gestärkt gehe die Autonomie ins neue Jahr, auch dank des Sicherungspakts, der mit Rom ausgehandelt und beschlossen wurde. “Bisher sind wir wie ein Bankomat behandelt worden – war Geld nötig, hat man es sich aus Rom einfach geholt”, resümierte Kompatscher, “doch in Zukunft werden wir deutlich weniger an Rom zahlen und sind durch diverse Mechanismen vor der Willkür Roms abgesichert.” Auch 2015 stehe die Autonomie im Vordergrund. Einerseits sollen im Zuge der italienischen Verfassungsreform die Gesetzgebungskompetenzen des Landes neu definiert, zurückerlangt und erweitert werden. Andererseits soll im Rahmen des Autonomiekonvents über gesellschaftspolitische Themen sowie über die demokratische Gestaltung Südtirols und auch über Europafragen diskutiert werden.

"Nachdem wirklich viel Geld in den Flughafen geflossen ist, kann ich es nicht verantworten, wenn nun von einem Tag auf den anderen dessen Schließung beschlossen werden würde. Im Gegenteil, die Verlängerung der Landebahn ist notwendig, um weniger Flugverkehr und damit weniger Belästigung für die Anrainer zu garantieren.”


Investitionen: "Öffentliche Gelder in der Krise unabdinglich"

Gerade in Zeiten der Krise sei es essentiell, dass die öffentliche Hand Investitionen tätigt, um für den nötigen Aufschwung zu sorgen. 100 Millionen Euro mehr als vergangenes Jahr seien 2014 zur Verfügung gestellt worden, für Mobilität, die Digitalisierung der Landesverwaltung, Hoch- und Tiefbauprojekte sowie die Entwicklung und Aufwertung der Landeshauptstadt. Als Beispiele nannte Kompatscher Bibliothekszentrum, Drususstadion oder etwa die Renovierung von Schulgebäuden. Nicht umhin kam der Landeshauptmann, über die Zukunft des Bozner Flughafens zu sprechen: “Ich persönlich bin der Meinung, dass ein regionaler Flughafen, der funktioniert, nicht nur äußerst nützlich, sondern sogar notwendig ist.” Und nachdem wirklich viel Geld – die letzte Investition betrug 100 Millionen Euro – in den Flughafen geflossen sei, könne er es nicht verantworten, wenn nun von einen Tag auf den anderen dessen Schließung beschlossen werden würde. Im Gegenteil, “die Verlängerung der Landebahn ist notwendig”, zeigt sich Kompatscher überzeugt, “um weniger Flugverkehr und damit weniger Belästigung für die Anrainer zu garantieren.”


Zusammenleben: “Von alten Geistern und neuen Herausforderungen”

Ein “kleines Europa in Europa”: Diese Vision hat Kompatscher für Südtirol, wo das Zusammentreffen der Kulturen zu einem Zusammenwirken der Kulturen werden soll. Diverse Schritte wurden in diesem Hinblick 2014 gemacht und dabei sprachgruppen- und grenzübergreifend gehandelt. An die Historisierung des Siegesdenkmales erinnerte der Landeshauptmann gleichwohl wie an die noch offenen Kapitel wie etwa die Entschärfung des Piffrader-Reliefs. Er wünsche sich, dass gemeinsam mit der Geschichte besser umgegangen und die Erinnerungskultur auch im europäischen Sinne gestaltet werde. “Die Geschichte darf nicht vergessen werden, sondern muss erinnert werden” – nur so könnten alte, böse Geister, die in Europa noch nicht ausgemerzt scheinen, vertrieben werden. Die Herausforderung der Integration neuer MitbürgerInnen sei im heurigen Jahr noch nicht zufriedenstellend angegangen worden – durch die Schaffung eines eigenen Ressorts soll dies in Zukunft aktiver geschehen. “Denn allen muss die Chance gegeben werden, als Säule für unsere Gesellschaft zu wirken.” Es sei das “Jahr der Wutbürger” gewesen, erinnert Kompatscher an die zahlreichen BürgerInnen, die im Zuge des Politrentenskandals auf die Straße gingen und ihrem Ärger in Onlineforen und Leserbriefen Luft verschafften. Nicht immer hätten die Proteste von guter Kinderstube oder reflektierter Diskussionskultur gezeugt. Hier wünsche er sich, dass diese Energie gemeinsam genutzt werde und das Engagement nicht als kontraproduktives und demokratieschädigendes Verhalten ende. Auch die Medien nähmen hier eine tragende Rolle ein und seien gefordert, nach Lösungen zu fragen und nicht nur das Feuer zu schüren.