Politik | "Soumission"

Frauen! Aufgepasst!

Der umstrittene Roman von Michel Houellebecq zwingt zur Auseinandersetzungen mit den Folgen einer Islamisierung für die Frauen - aktuell vor allem in der Türkei.

Im Zukunftsroman mit dem Titel "Soumission" - Unterwerfung wird die langsame, friedliche Islamisierung Frankreichs in den kommenden 20 Jahren beschrieben. Demnach wird - mit Unterstützung der völlig verrotteteten französischen Parteien - 2022 ein liberaler arabischer Politiker neuer französischer Staatspräsident. Das im Koran vorgeschriebene Patriarchat kehrt schrittweise zurück, mit der Folge, dass Frauen an den heimischen Herd zurückgeholt werden, was zehntausende neuer Arbeitsplätze für Männer schafft.

Der Romanheld, Francois, der als Literaturprofessor tätig ist, lässt sich - zunächst etwas widerstrebend, dann aber wohlwollend, auf die Islamisierung der Gesellschaft ein.  Er konvertiert:  vor allem, weil der Koran  die Vielweiberei zulässt.  Der Held rühmt sich, endlich seinen Traum erfüllen zu können: zwei junge Frauen für das Bett, eine ältere für die Hausarbeiten - alles gratis und legal. 

Diese vom Koran begünstigte Unterwerfung der Frauen ist also der Hauptgrund dafür, dass der Romanheld die Islamisierung der Gesellschaft letztendlich geradezu begrüßt. Außerdem zahlen die arabischen Sponsoren der Sorbonne bessere Gehälter für Universitätsprofessoren als ehemals der laizistische französische Staat: noch ein Grund für Francois, die neue islamisierte Gesellschaft zu mögen. 

"Soumission", also Unterwerfung ist auch die wörtliche Übersetzung des Wortes "Islam", einer Religion, die vor allem Schicksalsergebenheit predigt. Wer als Bettler auf die Welt kommt, akzeptiert am besten seine Situation, denn so hat es das Schicksal offensichtlich vorgesehen. Die Freiheit sich zu verändern, zu verbesseren, oder auch nur einen anderen Weg zu gehen,  ist ein Begriff, der über die griechische Philosophie und die Renaissance die abendländische Neuzeit und Moderne geprägt hat.

Für Frauen ist diese Schicksalsergebenheit fatal. Das hat der niederländische Regisseur Theo van Gogh in seinem Film mit demselben Titel " Soumission" thematisiert, in dem er auf sehr provokative Art und Weise die Unterwerfung der Frau im Islam dargestellt hat. Für diesen Film erhielt van Gogh keine Preise - wohl aber  zahlte er selbst mit dem Leben dafür.  Er wurde ermordet, wie die 8 islamkritischen Journalisten und Zeichner der satirischen Zeitschrift Charlie Hebdo.

Seltsamerweise melden sich kaum Frauen zum Thema Islam zu Wort. In Europa ist das eher verständlich. Dort gibt es - zusehends versiegende - Gleichberechtigungs- und Femminismus-Debatten. Die Frauen wiegen sich in Sicherheit : bekommen sie doch über Quoten, die ihnen von den Männern gnädig überlassen werden, ihre Alibiposten, die sie dann meist sehr selbstgefällig und ohne echtes Engagement für Frauen besetzen und aussitzen. Das ist auch in Südtirol (siehe Beirats-Vorsitzende!) nicht viel anders.

In der Türkei hat Staatengründer Kamal Atatürk bereits 1923 die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau und das Wahlrecht für Frauen eingeführt. Er förderte ihre Ausbildung,  doch wurde diese hochmoderne, frauenfreundliche Vision Atatürks in der damals noch völlig islamischen Gesellschaft mit Schrecken aufgenommen.  Diesen Schrecken hat der Großteil der türkischen Gesellschaft bis heute nicht verarbeitet.

Und so kommt es, dass ich hier in Istanbul immer dieselbe Antwort bekomme, wenn ich die Frauen auf die Folgen der Islamisierung des bisher laizistischen Staates durch Staatspräsident Erdogan anspreche. Sie sagen: Die Akzeptanz der frauenfeindlichen Äußerungen türkischer Regierungsvertreter beim Großteil der Frauen rühre eben daher, dass Atatürk zu früh mit der Modernisierung der Türkei begonnen habe.

Auch finden die meisten meiner Gesprächspartnerinnen, dass die Erdogan-Phase vorübergehend sei. Sie sei eben eine späte Reaktion auf die forcierte Einführung des laizistischen, modernen Staates. Ob sich da meine - noch unverschleierten - und schick gekleideten türkischen Freundinnen nicht täuschen ?  

Bei einem Abendessen, vor einigen Tagen, brachte es eine aus dem Khomeini-Iran geflohene Perserin auf den Punkt: Sie meinte, die türkischen Frauen machten denselben Fehler wie die Perserinnen nach dem Sturz des Schah, indem sie die zunächst harmlose Islamierung unterschätzten. Zunächst sei das Kopftuch nur für Frauen eingeführt worden, die das wünschten. Dann wurde es, über Nacht, zur Pflicht.

Ebenso schleichend sei die Ausgrenzung der Frauen aus den Institutionen, sei es in der Politik, als auch in der Wirtschaft und Wissenschaft vor sich gegangen. Doch weil die Frauen die Zeichen der Zeit unterschätzten, fänden sie sich über kurz oder lang entmündigt und entrechtet in einem Albtraum wieder. Deshalb müssten die türkischen Frauen handeln. 

Ich finde:  Diese Aufforderung zur Wachsamkeit muss auch für die Europäerinnen gelten, die eingelullt von Konsum, Frauenquoten und einer noch relativ frauenfreundlichen Gesetzgebung die gesellschaftspolitische Involution verdrängen und ins Privatleben fliehen.  

   

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Oskar Egger Do., 08.01.2015 - 17:08

Frau Dr. Brugger, haben Sie schon einmal versucht, in Südtriol etwas gegen Kopftücher bzw. Totalverschleierungen zu sagen? Ich bin gespannt auf Ihre Erfahrung.

Do., 08.01.2015 - 17:08 Permalink
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gorgias Fr., 09.01.2015 - 00:55

Antwort auf von Oskar Egger

So wie ich das verstehe geht es hier nicht konkret und ausschließlich um die Verschleierung, sondern um die Unterwanderung und Aushöhlung des bis vor kurzen als Selbstverständlich verstandenen modernen Geschlechterrollen durch den Islam.

Der Islam hat in seinen autoritativen Schriften einen konkreten Gesellschaftsentwurf der bestimmte Rollenbilder vorsieht. Durch die Zuwanderung in Europa wird dieses Rollenbild von muslimischen Männern und Frauen hergebracht und gelebt und stellt langfristig eine Bedrohung für das westlich-sekulare Model dar.

Es geht zumindest unserer Gesellschaft etwas an, wenn es bei uns muslimische Frauen gibt, die den ganzen Tag in der Wohnung verbringen und deswegen nicht die Sprache lernen und nicht an der Gesellschaft in der sie leben teilnehmen. So was geht die Politik und der Gesellschaft etwas an, weil solche Entwicklungen zu nichts Gutes führen können.

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Oskar Egger Fr., 09.01.2015 - 06:58

Antwort auf von gorgias

Gorgias, wie immer treffend. Natürlich ist das daß eigentliche Problem und gut, daß es endlich zur Sprache kommt. meine Frage zur Verschleirung war nur provokativ, denn selbst zu dieser, scheinbar oberflächlichen, traut sich niemand mehr die eigene Meinung zu äußern.
Matteo Feltri sagte dazu gestern auf RAI 1: È un ingenuitá credere che la nostra cultura possa essere compatibile con "quei" valori.

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Sylvia Rier Fr., 09.01.2015 - 07:33

Antwort auf von gorgias

Ich beziehe mich ja auch nur auf die letzten Absätze des Textes. Und ich sage noch einmal ja, es geht unsere Gesellschaft "etwas an", wenn (muslimische) Frauen die Sprache des Landes, in dem sie leben, nicht beherrschen, um komunizieren zu können, sich selbst und ihre Bedürfnisse, und nicht "an der Gesellschaft" teilnehmen, was immer Sie darunter verstehen. Dass davon eine "Bedrohung" für westliche Lebensmodelle ausgehen soll, finde ich stark übertrieben. Ich glaube aber grundsätzlich, dass letztlich alle Menschen das Recht haben, selbst zu bestimmen, bis zu welchem Grad sie "an der Gesellschaft" teilnehmen wollen, und nicht zuletzt gehört es wohl auch zu den Regeln und Freiheiten in einer Demokratie, selbst zu bestimmen, ob und warum eine Frau (ein Dirndl) ein Kopftuch tragen will, oder nicht. So lange wie dadurch nicht sie selbst oder ihre Umgebung gefährdet ist, kann ich die Problematik nicht erkennen. Und ich glaube nicht zuletzt, aus Frau Bruggers Text verstanden zu haben, dass die türkische Gesellschaft Atatürks "radikale" Modernisierung nicht verarbeiten konnte, mit den Folgen, die Frau Brugger beschreibt. Als Außenstehende und Kulturfremde haben wir - im Gegensatz zur Perserin, um bei Frau Bruggers Text zu bleiben - m. E. nicht das Recht, uns einzumischen, und uns aufzudrängen schon gar nicht (mit den gebotenen Ausnahmen, s. oben). Ich glaube übrigens auch, verstanden zu haben, dass es auch in der muslimischen Welt und Gesellschaft Kräfte gibt - nicht nur weibliche - die sich gegen überholte gesellschaftliche Normen auflehnen und sie brechen.

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gorgias Fr., 09.01.2015 - 16:54

Antwort auf von Sylvia Rier

Die Perserin ist genauso wie eine westliche Person eine Außenstehende in der türkischen Gesellschaft. Im Grunde kann sie als solche Beobachtungen aufstellen über diese Gesellschaft und wir auch. Es geht im Grunde nicht direkt was in der Türkei passiert sondern welche potentiellen Gefahren in Gesellschaften wie die unsere durch den Islam bestehen.
Auch impliziert der Schleier dass eine Frau eine schwache Person ist die sich von den Blicken der Männer schützen muss, bzw. durch ihre Reise dazu führen kann dass sich Männer nicht beherrschen können und wenn sie nicht korrekt angezogen ist im Falle einer Vergewaltigung es selbst herausgefordert hat.
Ich habe ehrlich gesagt keine Lust den Diskurs auf dieses Niveau zurückzuschrauben.

Fr., 09.01.2015 - 16:54 Permalink
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Sylvia Rier Fr., 09.01.2015 - 17:38

Antwort auf von gorgias

Ah ja. Demnach verhält sich also sich also die (islamische) Perserin zur (islamischen) Türkin genau gleich wie die katholische Europäerin zur islamischen Türkin? Interessant, aber wenn Sie meinen, will ich's gern glauben. Doch darf ich bezüglich "Schleier impliziert schwache Frau" (vom Schleier hat doch niemand geredet?) noch einmal ganz gezielt für Sie diesen Link hier einfügen, falls Sie ihn oben nicht schon gesehen haben sollten. http://www.dasbiber.at/content/gastkommentar-von-dudu-k%C3%BCc%C3%BCkg%C... Und jetzt überlasse ich Sie gern Ihrem Niveau und den Gefahren, die von kopftuchtragenden (= schwachen) Frauen für Gesellschaften "wie die unsere" ausgehen. Noch einen angenehmen Abend!

Fr., 09.01.2015 - 17:38 Permalink
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gorgias Fr., 09.01.2015 - 18:28

Antwort auf von Sylvia Rier

Weil sich einzelne muslimische Frauen sich das Kopftuch und den Schleier als individuell identitätsstiftendes Element herausnehmen ändert es nichts für das was es in der islamischen Tradition steht.
Zu glauben dass man so ein starkes Symbol herausnehmen kann und es nach belieben uminterpretieren ist naiv, genauso wie jemand der sich einen Soldaten mit SS-Rune auf dem Körper tätowiert und sagt dass es für ihn eine persönliche Bedeutung hat in Bezug auf seinem Großvater.

Fr., 09.01.2015 - 18:28 Permalink
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Sylvia Rier Do., 08.01.2015 - 20:48

Ja. Aber ein bisschen schwer tue ich mich schon, mit der KopftuchSache. Geht sie uns etwas an? Darf sie uns etwas angehen? Ich glaube nicht. Was würden wir z. B. sagen, frage ich mich, wenn Musliminnen (oder Muslime) - wahlweise auch Chinesinnen/Chinesen, Inderinnen/Inder usw. usf. - uns belehren wollten, dass Dirndlkleider nicht (mehr) zeitgemäß sind, weil Frauen heutzutage nicht mehr auf ihre Brüste reduziert werden wollen? Ich glaube, wir dürfen mit * Beispiel vorangehen, und hoffen, dass die anderen es als beispielhaft empfinden und uns nachfolgen. Wir dürfen wohl auch beraten - wenn und wo wir gefragt werden. Aber uns und unser Sein aufdrängen - steht uns das zu? NB: Die Perserin und ihre Meinung zum Thema ist eine ganz andere Sache.

Do., 08.01.2015 - 20:48 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Fr., 09.01.2015 - 11:57

Antwort auf von Sylvia Rier

Sonst sind Sie ja immer dafür das in Namen mancher Werte westliche Männer zwangsumerzogen werden sollten und das auch mittels tiefe Einschnitte in den Grundrechten wie das Wahlrecht dieser Bürger.
Hier sollte auf einmal wieder größte Vorsicht und Respekt für die freie Entscheidung von Frauen gelten ein Kopftuch zu tragen... und wie war das gleich noch mal mit den Thema Prostitution wo die Freiwilligkeit immer und nur scheinbar ist?

Fr., 09.01.2015 - 11:57 Permalink
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Sylvia Rier Fr., 09.01.2015 - 14:56

Antwort auf von Mensch Ärgerdi…

Richtig, denselben Gedanken hatte ich auch (übrigens auch mit @gorgias im Hinterkopf: Wenn's um die Frauenquote geht, mahnt er ja immer an, die Dinge werden sich schon von selbst weiter entwickeln). Aber es ist einfach nicht dasselbe, ob ich als Teil meines Kulturkreises für Änderungen an/in ihm eintrete/fordere, oder ob ich als "Zuschauer" mir anmaße, einem mir fremden Kulturkeis Änderungen aufzudrängen (die ich im Übrigen selbst noch nicht wirklich verinnerlicht habe) und dafür mich als Maß aller Dinge hinzustellen. Wie gesagt, wenn die Perserin der Türkin sagt, Kopftuch gehe gar nicht, dann ist das etwas anderes.

Fr., 09.01.2015 - 14:56 Permalink
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Oskar Egger Fr., 09.01.2015 - 07:07

Antwort auf von Sylvia Rier

Wenn wir die wertvollen Beiträge von Dr. Brugger genau lesen, verstehen wir, warum der Vergleich mit Dirndln mehr als hinkt. Ich hoffe für meine Töchter, von Herzen, dass sie nie auf ihre Freiheit verzichten müssen (ev. auch ein Dirndl anzuziehen), denn die ist in unseren Grundgesetzen verankert. Diese Grundgesetze gehören zu unserer Kultur und ihr Schutz geht uns alle etwas an. Die Regierungen (die Menschen) in den moslemischen Ländern, gewähren diesen Schutz nicht, die Entwicklungsmöglichkeiten wurden nun wiederholt aufgezeigt und es liegt an uns, kompromisslos auf die Einhaltung der demokratischen Werte zu bestehen, auch für alle die, die ein Leben in ihren Ländern selbst nicht mehr für lebenswert halten.

Fr., 09.01.2015 - 07:07 Permalink
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Michael Bockhorni Fr., 09.01.2015 - 10:42

unter dem begriff "unterwerfung" verstehe ich normalerweise sich zwangsweise einer stärkeren macht unterzuordnen. so wie ich die bisherigen rezensionen lese, ist die ausgangsposition aber eine andere (verrottetes politisches parteiensystem, taktische allianz gegen einen rechtsradikalen "feind"), d.h. man glaubt kleineres übel gegen größeres einzutauschen. aber auch die erwähnte doppeldeutigkeit zur wörtlichen übersetzung von "islam" ist zu hinterfragen. die "unterwerfung" oder eben auch "hingabe" unter gottes wille, ist bei uns jahrhundertelang als demutsideal gepredigt worden. (ich hatte selber lange probleme mit dem begriff, bis ich den zusammenhang mit der freiwilligkeit verstand s.a fasten ist nicht gelich hungern. d.h. demut kann nicht eingefordert werden, unterwerfung schon). und wenn man die ausgangssituation des romans in die andere richtung (der identitären) weiterspinnen würde so landet mensch beim "report der magd". eine zukunftsvision eines christlich-fundamentalistischen amerikas, bei denen es den frauen nicht viel besser geht als bei den islamisten.

Fr., 09.01.2015 - 10:42 Permalink