Gesellschaft | Die Frauen

Frauen! Aufgewacht!

Vom Feminismus und Kopftüchern, oder auch: Warum sprechen wir über "Kopftücher", und nicht über (ammesso e non concesso) "Unterdrücker"?
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Der jüngste Beitrag von Oktavia Brugger, die entlang des jüngsten Romans von Houellebecq (das Buch soll dieser Tage in der deutschen und italienischen Übersetzung auf den Markt kommen), die Frage aufwirft, ob und falls ja welche Gefahren (auch) uns, den westlichen, vorgeblich emanzipierten aber jedenfalls einigermaßen freien und Männern ein bisschen gleichgestellten Frauen drohen, falls – wie Houellebecq fantasiert – Europa islamisiert würde, und natürlich die „ewige Frauenfrage“: All das hat den einen und anderen Wirbel verursacht, in meinen Denkstuben.

Zwar habe ich Houellebecq in einer französischen Nachrichtensendung sagen hören, er beschreibe keineswegs einen „radikalen Islam“, sondern das gerade Gegenteil; gleichwohl tragen in seiner Geschichte Frauen (wieder) einen Schleier/ein Kopftuch – ein Stück Stoff, dem einiges angstauslösendes Potential innezuwohnen scheint. Aber dazu später. Auch sagt Houellebecq in jenem Interview, er wisse von keinem „Roman, der die Geschichte verändert hat“. Damit hat der Schriftsteller wahrscheinlich Recht – ob es reicht, verängstigte und besorgte, christliche Gemüter zu beruhigen, bleibt unklar.

Was mich aber am genannten Beitrag von Frau Brugger ganz ausnahmsweise nachdenklich gemacht hat: Er ist m. W. der erste, der auf Salto zu so genannten „Frauenfragen“, Feminismus-Dingen und Ähnlichem veröffentlicht wurde, aber trotzdem (!) sehr ausnahmslos und sehr wohlwollend aufgenommen wurde. Das ist eine nicht unbeträchtliche Leistung, die zum Teil auf Frau Bruggers Persönlichkeit, ihre Professionalität, ihr journalistisches Standing und vielleicht auch auf die Ereignisse in Paris zurück zu führen sein mag. Ich vermute aber – insofern ist die ausnahmslose Bejahung dieses Textes durchaus bedeutungsvoll – dass in Wahrheit weniger der "feministischen" und sehr viel mehr der islamkritischen Strömung in Frau Bruggers Text gehuldigt wurde, und den diesbezüglichen Bedenken, die sie vorbringt.

Das hat mich sehr irritiert, denn es würde doch bedeuten, dass „die Frau“, ihre Belange und ihre Rechte von den Lesern (und Leserinnen, gegebenenfalls) hier gewissermaßen instrumentalisiert, unbemerkt und ungestraft, als Vehikel missbraucht würden, für ganz andere „Interessen“. Darf ich das verstörend finden? Ungerecht? Darf es mich nachdenklich machen? Diese meine Vermutung bezieht übrigens Nahrung auch aus einem anderen, ziemlich interessanten und ähnlich gelagerten Phänomen, das ich schon seit geraumer Zeit  beobachte: dass nämlich über der „Kopftuchdebatte“ und der Kleiderordnung muslimischer Frauen sogar die üblicherweise eingefleischtesten, uneinsichtigsten und hartnäckigsten Chauvinisten, Maschilisten und Angehörige diverser Männerbünde zu eifrigen Feministen und Verfechtern der „Rechte der Frau“ mutieren.

Interessant, oder? Es wird ja viel von „Projektionsflächen“ gesprochen, dieser Tage – Pegida sei eine Projektionsfläche, ISIS sei eine Projektionsfläche; jetzt also auch „die Frau“ im allgemeinen, und "die muslimische Frau mit Kopftuch" im Besonderen, als Projektionsfläche.

Oder wollen – sollen – wir tatsächlich glauben, dass die große, befürchtete Gefahr für das – säkulariserte? – Europa maßgeblich von kopftuchtragenden Frauen ausgeht? Sollen (wollen!) wir tatsächlich glauben, dass ein Kopftuch aus einer modernen Frau eine „rückständige“, und kein Kopftuch aus einer „rückständigen“ eine moderne Frau macht? Sollen (wollen!) wir tatsächlich das Wesen, die Persönlichkeit, die Intelligenz, die Autonomie einer Frau an einem Stück Stoff festmachen? Mit Verlaub – ich fürchte, die Verachtung oder auch „nur“ Nichtachtung der Idee „Frau“ manifestiert sich doch in dieser ihrer Reduzierung auf ein Stück Stoff ungeheuer stärker als in der Idee, dass manche Frauen sich entscheiden, ihre Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft, einer Religion, einer Gemeinschaft über ein Kleidungsstück zu transportieren. Wird denn hier etwa nicht Frauen jegliche Fähigkeit zum eigenständigen Denken und Wollen à priori abgesprochen? NB: Gerade wir SüdtirolerInnen haben doch übrigens sehr viel Übung in diesem menschheitstypischen Usus, Zugehörigkeit und sogar gesellschaftlichen Status über die eigene Kleidung – einst auch Tracht genannt - zu signalisieren, sich über Kleidung zu „outen“, sich abzugrenzen und zu erklären. Das geht auch ohne Religion.

Erinnert sich noch jemand an das Konzept von den „Mächtigen, die ungeprüft weitergehen können“? Doch, hier findet dieser Gedanke einmal mehr (s)einen sehr schönen Ausdruck: Oder wäre es etwa nicht sinnvoller, den „Unterdrücker“ zu thematisieren, zu sensibilisieren, und nicht „die Unterdrückte“? Geht etwa nicht die Unterdrückung, um die es scheinbar gehen soll, zweifelsohne vom Konzept „Mann“ aus? Und doch wird fast ausschließlich „die Frau“ thematisiert, und dadurch das gesellschaftliche Hauptaugenmerk vom Manne fort, und hin zur Frau gelenkt.

Ja. Wir arbeiten uns an „Frau“ ab, derweil „Mann“ ungeprüft weitergeht. Ganz schön raffiniert.

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gorgias Mi., 14.01.2015 - 09:52

Wieder einmal ein konfuser Text für den ich mir jetzt nicht die Mühe mache ihn zu entwirren. Auf eine Aussage möchte ich aber Kommentieren: "bisschen gleichgestellten Frauen"
Wer so was von sich gibt weiß ja nicht mehr worüber er jammern soll und zeigt die Geringschätzung die die Autorin gegenüber den Rechten und Möglichkeiten die einer Frau in unserer Gesellschaft geboten werden.
Die Frau ist dem Manne in unserer Gesellschaft rechtlich absolut gleichgestellt. Was darf in unserer Gesellschaft eine Frau nicht was ein Mann darf?
Es wäre Zeit das Denkstübchen von einigen Hirngespinster zu entrümpeln.

Mi., 14.01.2015 - 09:52 Permalink
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Sylvia Rier Mi., 14.01.2015 - 12:50

Antwort auf von gorgias

Das finde ich jetzt "derangiert" (nach gorgias), dass Sie hier mit Ihrer "Kritik" um sich werfen, ohne sie auch stichhaltig zu begründen.///Zu Ihrem Verständnis von "rechtlich gleichgestellt": Genauso so, wie eh "vor dem Gesetz alle Menschen gleich sind", bis auf einige, die gleicher sind./// Davon abgesehen beantworten Sie leider auch nicht meine Frage/n, als da wäre/n: Warum werden "die Kopftücher" der (vorgeblich) "Unterdrückten" diskutiert, und nicht "die (vorgeblichen) Unterdrücker"? Warum werden Frauenrechte diskutiert, wo es doch in Wahrheit um Religion bzw. gegen (vorgebliche) islamische Vereinnahmung unserer Gesellschaft geht?

Mi., 14.01.2015 - 12:50 Permalink
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gorgias Mi., 14.01.2015 - 14:47

Antwort auf von Sylvia Rier

*Zu Ihrem Verständnis von "rechtlich gleichgestellt": Genauso so, wie eh "vor dem Gesetz alle Menschen gleich sind", bis auf einige, die gleicher sind*

Wollen Sie jetzt damit sagen dass Frauen vor dem Gesetz gegenüber Männer diskriminiert werden? Die einzige geschlechtsspezifische Diskriminierung die ich kenne war die Wehrpflicht und jetzt ziehen Männer vor Gericht immer noch den kürzeren bei Sorgerechtsfragen. Ich sehe keine gesetzlichen Benachteiligungen für Frauen.

Was ihre Fragen angeht kann ich deren Implikationen nicht zustimmen. Damit erübrigt sich eine Beantwortung.

Mi., 14.01.2015 - 14:47 Permalink
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Sylvia Rier Mi., 14.01.2015 - 14:58

Antwort auf von gorgias

Nein. Genau das sage ich eben nicht, sondern genau das, was Sie auch sagen, nämlich dass !vor dem Gesetz! Frauen gleichgestellt sind, dass das aber noch lange nichts heißt, und zwar genau so wenig, wie schließlich vor dem !Gesetz alle Menschen gleich sind! Alles klar, jetzt?

Mi., 14.01.2015 - 14:58 Permalink
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gorgias Mi., 14.01.2015 - 15:23

Antwort auf von Sylvia Rier

Können Sie das irgendwie konkret belegen dass Frauen gegenüber Männer in irgendeiner einer Form vor dem Gesetz benachteiligt werden oder ist das einfach ein Hirngespinst? Können Sie zumindest den Bereich nennen oder ist das einfach mal so aus der Luft gegriffen?

Mi., 14.01.2015 - 15:23 Permalink
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Sylvia Rier Mi., 14.01.2015 - 16:43

Antwort auf von gorgias

Könnten Sie bitte beim Thema bleiben? Und gerne etwas Kluges dazu beitragen? Zum Beispiel könnten Sie die "Implikationen" aufzeigen, die Sie in meinen Fragen sehen, denn "Implikationen" kann ich darin nun wirklich nicht erkennen (ich sehe vielmehr Fakten).Wenn nicht, ist's auch gut - aber dann lassen Sie's gut sein, ja?

Mi., 14.01.2015 - 16:43 Permalink
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gorgias Mi., 14.01.2015 - 17:05

Antwort auf von Sylvia Rier

Zeigen Sie doch auf diese Fakten auf. Wenn jetzt nichts konkretes kommt dann war das Ganze wohl nur ein Schuss ins Blaue. Oder wenn Frau Rier es nichts schafft konkret zu werden, dann würde ich Herrn Moar bitten auszuhelfen, auch wenn er sich nicht einmischen möchte.

Mi., 14.01.2015 - 17:05 Permalink
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Christoph Moar Mi., 14.01.2015 - 22:18

Antwort auf von gorgias

Hallo Gorgias, leider war ich offline, aber einiges ist hier ja mittlerweile an Beispielen geliefert, auch wenn es kaum das Gewicht hat um wahrgenommen zu werden. Ich wollte zunächst nur eines festhalten: Du (ich erlaube mir das mal, und die Einladung gilt auch reziprok falls gewünscht, bei einem Pseudonym mag ich nämlich schlecht Siezen, das ist eine Marotte von mir) forderst(est) Silvia auf darzulegen, wo denn Frauen vor dem Gesetz konkret benachteiligt werden, und mir schien, dass sie doch deutlich festgehalten hatte, dass Frauen vor dem Gesetz eben nicht formell benachteiligt werden. Das ist aber, mittlerweile, wohl angekommen und ich hoffe Du verstehst, dass es mir primär nur um diese Präzisierung ging, sonst reden Du und Silvia ja messerscharf aneinander vorbei.

Inhaltlich aber, nachdem Du mich fragst, antworte ich Dir gerne, wenngleich nur bündig. Ich akzeptiere, dass Du eine andere Meinung zu dem Thema hast und habe nicht vor, diese argumentativ zu ändern zu versuchen, dafür kenne ich (virtuell betrachtet) Deine Meinung zu dem Thema doch zu gut.

Soweit zu den zwei Prämissen. Du fragst ob ich aushelfen kann, konkrete Beispiele zu nennen. Nun, ich teile durchaus die Einschätzung dass es substantielle Benachteiligungen gibt, auch wenn vor Recht und Gesetz alle gleich sind. Das überrascht uns alle hoffentlich nicht allzuviel, möchte ich hinzufügen. Realität und Gesetz liegen nicht immer deckungsgleich, und auch die Sensibilität in der Bevölkerung, dies zu erkennen, ist beileibe nicht selbstverständlich. Ich musste das mit eigenen Augen und Ohren erleben, als ich vor vielen Jahren ein Jahr im Illinois verbrachte. Vor dem Gesetz wurden Afroamerikaner keinesfalls diskriminiert. Im realen Leben standen meine Beobachtungen zu dem Thema leider völlig im Gegensatz zur Einschätzung der meisten mir befreundeten Amerikaner, die nicht einmal merkten, wie oft und selbstverständlich das Wort Niggers ihnen über die Lippen ging.

Irgendwie ähnlich empfinde ich diese Diskussion. Wer sie sehen will, die Benachteiligung, kann sie sehen. Wer sie nicht beobachten mag, nun, der findet selbstverständlich glühende Beispiele von völliger grundgesetzlicher Egalitè.

Wo ich persönlich Benachteiligungen beobachte? Gehaltsverhandlungen, regelmäßig und unfassbar. Ausschüttung von Prämien und Sonderzahlungen. Besetzung von bzw. Teilhabe an demokratisch legitimierten Gremien - die Frauenpräsenz die ich dort erlebe ist lächerlich gering. Wirtschaftliche Unabhängigkeit von Männern vs. wirtschaftlicher Abhängigkeit von Frauen, die durch das tradierte Rollenmuster entsteht. Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung: trotz der angeblichen Gleichstellung der Geschlechter lese ich merkwürdigerweise in den seltensten Fällen von sexuellen Übergriffen auf Männern, oder von männlicher Zwangsprostitution. Trotz Chancengleichheit im Zugang zu Bildung und Beruf sehe ich leider immer noch keine adäquate Gleichverteilung in entsprechenden Professur- oder Führungspositionen. Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Bewerbung (weil Frau noch schwanger werden könnte, weil gefragt wird wer denn die Kinder betreut). Diskriminierung im Job, weil Männer sich im Team mehr herausnehmen und Dinge nicht tun, die dann Frauen erledigen. Ich höre jetzt mal auf, wer sehen will, sieht solche Sachen. Wer sie nicht sehen will, auch gut, dann sind das halt Hirngespinste.

Für ich gilt: Wenn wir uns darauf beschränken, Chancengleichheit damit festzulegen dass die selben Zugangsvoraussetzungen gegeben sind, verkennen wir dass man Möglichkeiten für Benachteiligte schaffen muss, um tatsächliche Gleichstellung zu erreichen. Chancengleichheit ist Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung und Gleichstellung in toto. Das Zitat von Präsident Johnson hast du (glaube ich, sorry falls ich das jetzt verwechsle) mir schon woanders als nicht passend abgetan, ich stehe aber weiterhin dazu.

Mi., 14.01.2015 - 22:18 Permalink
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Sylvia Rier Do., 15.01.2015 - 09:54

Antwort auf von Christoph Moar

Ich wollte mich zu diesem Thema, das hier nicht Thema ist, eigentlich nicht "einbringen", aber diesen kleinen Nachsatz kann ich mir jetzt doch nicht verkneifen (auch, wenn ich eh weiß, dass es nichts bringt bzw. wozu es führen wird, an Reaktionen von gorgias's Seite): Ich habe mich vorgestern ziemlich fasziniert über dem unteren Bereich der Seiten 2 und 3 im Tagblatt der Südtiroler aufgehalten: Über die ganze Doppel(!)seite hinweg zieht sich ein Foto mit den Staats- und Regierungsschefs aus aller Welt. In diesem Heer von Männern sucht lange, wer eine Frau sucht - es sind (namentlich hervorgehoben) ganze 6, eine davon ist Königin. Mehr braucht's wohl nicht, um die klaffende/n Lücke/n zwischen "formeller" und "substantieller" Gleichberechtigung offensichtlich zu machen.

Do., 15.01.2015 - 09:54 Permalink
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gorgias Do., 15.01.2015 - 11:49

Antwort auf von Christoph Moar

Hier wird wieder einmal ein Begriff von Ihnen falsch angewendet. Substantielle rechtliche Ungleichberechtigung gibt es in den USA bei Schwarzen die für die selben Delikte öfter und länger bestraft werden. Z. B. Drogendelikte oder Todesstrafe bei Schwerverbrechen. Oder zwischen Arm und Reich in Deutschland wo Akademikerkinder mit der selben schulischen Leistung 4 mal öfter eine Empfehlung fürs Gymnasium erhalten. Dass es nicht überall auf der Welt Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau gibt sei geschenkt und das war übrigens nicht der Diskussionspunkt. Der Diskussionspunkt ist ob im Westen substantielle rechtliche Gleichberechtigung besteht und das was Sie anführen ist etwas anderes. Wenn es mehr Männer als Frauen in Wahlämter gibt so ist das keine unterschiedliche Anwendung von Recht sondern der Wählerwillen.
Da ich glaube dass es wenig dazu führt mit Ihnen weiter zu reden möchte ich nochmals Herrn Moar fragen ob er wirklich die Situation von Afroamerikener die vor Gericht anders behandelt werden als Beispiel nennen möchte und es mit der Situation der Frauen im Westen vergleichen möchte.
Wo sind diese Studien die es für andere substantielle rechtliche Ungleichbehandlung gibt? Haben Sie zumindest Anekdoten die mir eine Idee geben könnte wenn schon nichts wirklich substantielles Vorzuweisen gibt?

Do., 15.01.2015 - 11:49 Permalink
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Christoph Moar Do., 15.01.2015 - 12:19

Antwort auf von gorgias

Hallo Gorgias,

nein, das möchte ich nicht. Das Elend der Einen möchte ich prinzipiell nicht mit dem Leiden Anderer vergleichen oder Parallelen ziehen. Was ich subjektiv unter Ungleichbehandlung empfinde (nennen wir es ruhig auch Anekdoten, das meiste davon habe ich ja wirklich erlebt) habe ich ja oben unter dem Satz "Wo ich persönlich Benachteiligungen beobachte?" mal schnell hingeschrieben, ohne Struktur, Gewichtung, Vollständigkeit oder Richtigkeit sondern frei von der Leber weg.

Es ist ein bisschen wie das halbvolle oder halbleere Glas. Für einige/viele (Dich scheint mir eingeschlossen) ist die Gleichstellung heute erreicht, jegliche Gap-Diskussion ein Hirngespinst moderater oder extremer FeministInnen. Für andere ist die Gleichstellung noch nicht völlig erreicht, ich schließe mich aus kühler rationaler Überlegung durchaus dieser Gruppe an, ohne mich deswegen Feminist nennen zu müssen. Zu jedem Punkt kann trefflich diskutiert werden und man wird kein "Schwarz" á la Alice Schwarzer noch kein "Weiß" à la Gorgias (mit Verlaub, das ist nur symbolhaft gemeint) finden. Die Wahrheit liegt irgendwo mittendrin, wobei selbst die genaue Position gegenüber der Mitte wohl individuell verschieden ist. Das gilt eigentlich bei jedem einzelnen Beispiel den ich oder Du oder andere genannt haben.

Nehmen wir die von dir genannten "Wahlämter" zum Beispiel (Achtung, ein Beispiel unter vielen, wir könnten ähnliche Gespräche über jedes beliebige Gleichstellungsthema ausführen): also die durch repräsentative demokratische Prozesse besetzten politischen Ämter. Sicher, es ist ausdrücklicher Wählerwille. Wer genau hinschaut, mag aber auch zwei Dinge erkennen:

(a) dieser "Wählerwille" entspricht stets auch einem Henne/Ei Problem in dem Sinne dass zur Wählbarkeit einer Person nicht nur die reine "Aufstellung" auf einer Wählerliste zählt, sondern viele weitere Mechanismen eine Rolle spielen. Sichtbarkeit, Marketing, finanzielle Kraft, Lobby-Unterstützung. Du, Gorgias, wirst nicht ernsthaft glauben dass alle KandidatInnen für den Landtag, seien sie auf Position 1 oder 32 der Wahlliste, seien sie "Newcomers" oder "Altmandatare", seien sie von einem Verband gepusht oder "Füllpositionen" die gleiche Gunst in der großen Gruppe der politisch mittelmäßig interessierten Wählerschaft genießen? Will heißen: wenn "früher" mehr Männer an den Schalthebeln der Politik saßen, dann reicht es nicht gesetzlich festzulegen dass auch Frauen kandidieren dürfen. Das "Regelsystem", um das mal technisch auszudrücken, kippt deshalb noch lange nicht auf eine äquidistante Verteilung von Frauen und Männern, ganz im Gegenteil. Es mag so gut wie unmöglich sein, auch über längere Zeiträume hindruch durch reine Diffusion genügend Stimmen von der "männlichen" in der "weiblichen" Gruppe zu transferieren, wenn ich das mal unter Zuhilfenahme der Physik darlegen kann.

(b) und zudem verstärkt sich dieser asymmetrische "Wählerwille" (leider) durch Folgeprozesse in der repräsentativen Demokratie. Sitzen zuviele Männer an einen Tisch, darf es nicht wundern, wenn bei der Besetzung von demokratisch legitimierten Ämtern (Verwaltungsräte, Aufsichtsräte, Kommissionen) durch die gewählte Männer/Frauenschaft ebenfalls kein symmetrisches Gleichgewicht entsteht.

Ich glaube, Johnson hat das schon treffend erklärt als er meinte, "You do not wipe away the scars of centuries by saying: 'now, you are free to go where you want, do as you desire, and choose the leaders you please.'" oder "You do not take a man who for years has been hobbled by chains, liberate him, bring him to the starting line of a race, saying, 'you are free to compete with all the others,' and still justly believe you have been completely fair ".

Das Schicksal der Afroamerikanischen Bevölkerung mag man um Größenordnungen grauenhafter oder schrecklicher einstufen (ob die Frauen in der Schweiz bis 1971 nicht wählen durften ist nicht so schlimm im Vergleich zum afrikanischen Sklaven, der in Ketten seiner unbezahlten Arbeit nachgehen mußte und dessen Frau vom Plantagenbesitzer vergewaltigt wurde) und darum meine Zitatanlehnung an Johnson als illegitim abtun, aber ich weise nochmal darauf hin: ich bewerte und vergleiche niemals ein Unrecht mit einem anderen. Ein riesiges Unrecht macht nicht deswegen ein anderes Unrecht plötzlich akzeptabel. Und ja, ich bin überzeugt dass es rechtliche Gleichberechtigung gibt, reale Gleichstellung aber noch nicht. Und ich bin auch überzeugt, dass es rein aus physikalischen Gründen gewisse Formen von affirmative action braucht, um ein Gleichgewicht einzupendeln.

Do., 15.01.2015 - 12:19 Permalink
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gorgias Do., 15.01.2015 - 14:27

Antwort auf von Christoph Moar

Als erstes einmal danke für deine Antwort.
Ich wollte nicht und fühle mich unwohl dabei afrikanische Sklaven bis zum amerikanischen Bürgerkrieg mit Frauen in der Schweiz von 1971 vergleichen. Das ist fast schon banal zu sagen, dass das nicht vergleichbar ist. Viel aufschlußreicher finde ich es die Frauen in der Schweiz 1971 mit afroamerikaner in den Südstaaten zur selben Zeit (vieleicht auch ca. 10 Jahre früher) zu vergleichen. So kann man sehen dass die substantielle Gleichberechtigung für Afroamerikaner in den Südstaaten in vielen Punkten nicht gegeben war und gegenüber Schweizer Frauen in vielem nachsteht und stand. Davon abgesehen, dass sie ihr formelles Recht zu wählen nicht wahrnehmen konnten, weil sie durch Lesetest und anderen dafür eingeführten Formalismen davon abgehalten wurden, mussten Afroamerikaner oft um ihr Leben fürchten weil Sie von der Polizei nicht geschützt wurden. Es gab eigene Schulen wo Schwarze eine schlechtere Bildung bekamen, in Krankenhäusern wurden sie schlechter behandelt und auch ungefragt für Experimente verwendet (in den 70ziger Jahren). Sie werden von der Polizei anders behandelt durch mehr Brutalität und durch dauernde Kontrollen. Sie werden für die selben Straftaten öfter und länger ins Gefängnis gebracht als Weisse.

Das war 1971 und heutzutage gibt es immer noch eine "substantielle rechtliche Ungleichbehandlung" von Seiten von Behörden, Polizei und vor Gericht. (Und das ist wie ich den Begriff auch verstehe. Sonst wird er wieder breit getreten und man kann beim Begriff Diskrimnierung bleiben. )
Die letzten Jahre wurde das "Frisking" immer wieder Thematisiert. In Florida gab es den Fall Silverman und es gibt mehrere Fälle von Polizeibrutalität die zum Tode geführt haben. In den Südstaaten werden wieder neue Gesetze eingeführt um Schwarze vom Wählen abzuhalten. Sei es dadurch dass Straffällige nicht mehr wählen dürfen (Was vorwiegend Schwarze betrifft durch die schon vorhandene substantielle rechtliche Ungleichbehandlung) sei es dass man ein Lichtbildausweiss benötigt (Was Schwarze, vorwiegend betrifft).
Darunter verstehe ich "substantielle rechtliche Ungleichbehandlung". Was in der Arbeitswelt und in der Politik bei uns heute abläuft sind auch eine Frage in wie weit sich Individuen dafür eintscheiden einen Weg einzugehen. Was z.B. Gehälter angeht frage ich mich ob hier auch nicht Frauen sich teilweise selbst im Weg stehen: http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/gehaltserhoehung-mann-oder-f…

Was den Bereich der Politik angeht muss man auch die Tendenz haben sich zu exponieren und hier sehe ich oft dass Frauen in Diskussion sich immer Zurückhalten und ihre Meinung nicht offen sagen möchten, schon gleich den Kompromiss suchen oder auch dazu tendieren andere Positionen anzugreifen wenn Sie sich sicher fühlen. Auch fehlt es viel an Frauen die sich nicht selbst wieder auf Frauenthemen reduzieren. Wenn Frauen Inhalte haben gehen sie auch ihren Weg: siehe Eva Klotz.

Ich finde es Schade wenn man neue Begriffe breittretet und sie für die eigenen Zwecke hinbiegt. Was "substantielle rechtliche Ungeleichberechtigung" angeht sehe ich sie geschlechtsbezogen am ehesten bei Sorgerechtsfragen wo Männer gegenüber Frauen benachteiligt werden vor Gericht aber sonst ist der Begriff für mich nicht korrekt anwendbar. Kennen Sie eventl etwas ähnliches?

Außerdem finde ich, dass sich unsere Gesellschaft was Frauen angeht sich weiterentwickelt. Es gibt jetzt im wesentlichen eine rechtliche und substantielle Gleichberechtigung. Diese braucht auch seine Zeit bis sie sich in ihrer Wirkung entfaltet. Andererseits gibt es auch Dinge die von Frauen selbst ausgehen müssen. Siehe nochmals Spiegel-Artikel bezüglich der Gehaltserhöhungen.

Do., 15.01.2015 - 14:27 Permalink
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Christoph Moar Fr., 16.01.2015 - 09:17

Antwort auf von gorgias

Hallo Gorgias,
gern geantwortet und gern rückgelesen. Dass wir beide ein Übel nicht mit einem anderen Übel vergleichen oder aufwiegen wollen ist genügend gesagt worden. Die Kernaussage, die durch das Zitieren andere Situationen rüberkommen sollte, dürfte aber auf den Tisch liegen: es reichte auch in der Vergangenheit nicht, rechtliche Ungleichbehandlung abzuschaffen um automatisch zu einer substantiellen Gleichberechtigung zu kommen. Manchmal brauchte es eben auch deutliche Formen von affirmative action, um festgefahrene Ungleichverhältnisse zu beheben. Südafrika oder die amerikanischen Südstaaten haben vielleicht wenig mit Womens Liberation zu tun, und mancher mag sich unwohl fühlen diese überhaupt zu zitieren, aber alle drei betreffen festgefahrene Ungleichverhältnisse. Nicht mehr wollten wir beide zu dem Thema sagen.

Deinen Ausführungen kann ich gerne folgen, und bevor ich auf deine Frage zu antworten versuche lass mich auf das erste Argument eingehen: Du führst aus, dass das, was heute zum Thema Frauen und Gleichstellung in Arbeitswelt und Politik geschehe, "auch" eine Frage sei, in wie weit sich Individuen für einen Weg entscheiden, oder ob sich hier "auch" nicht Frauen "teilweise" selbst im Weg stehen. Du setzt dem fort, indem Du auch "oft" siehst, dass Frauen in Diskussionen sich "immer" zurückhalten und ihre Meinung nicht offen sagen möchten, schon gleich den Kompromiss suchen oder "auch" dazu tendieren andere Positionen anzugreifen wenn sie sich sicher sind. Weiters meinst Du, dass es "auch" an Frauen fehlt, die sich nicht selbst wieder auf Frauenthemen reduzieren.

Nun, ich sehe hier das halbvolle Glas von meinem früheren Beitrag. Ich will gar nicht abstreiten, dass es "auch" solche Frauen und "auch" solche Männer gibt. Ist das aber ein Argument um meine Einwände über die real noch nicht existierende Gleichheit in politischen Gremien oder von diesen bestimmte Aufsichts- und Verwaltungsräten, von der asymmetrischen Vertretung in Forschungs- und Bildungsführungspositionen abzuschmettern? Nein, ich glaube nicht. Dir reicht dieses Argument um zu sagen, es sei "auch" (und von dir belegt ist damit: in manchen Situationen) Schuld der Frauen, wenn sie dies nicht erreichen. Mir reicht dieses Argument um zu sagen: auch "wenn" in manchen Situationen es "Schuld" der Frauen sei mag, gibt es genügend andere Situationen, wo dies nicht der Fall war. Ich kann, nüchtern betrachtet, nachvollziehen dass es Formen von affirmative action braucht um historische Fehlentwicklungen zu korrigieren. Dass das nicht für jede Frau und jede Situation gilt ist dabei wohl klar. Und schließlich, wäre der Korrekturstatus einmal erreicht, bräuchte es auch keine affirmative action mehr.

Zu Deiner Frage, ob ich weitere Fälle von substantieller rechtlicher Ungleichbehandlung sehe, kann ich nicht wirklich dienen, ich möchte auch nochmal sagen dass das hier keinesfalls "mein" Thema ist. Ich stehe dem zwar positiv gegenüber und kann darüber reflektieren, hab auch manches gelesen, bin aber eher in anderen Themen engagiert als in dieses hier., wo ich zur Bedienung Deiner Frage zu Beispielen doch lieber andere Profis bitten würde. Frag mich lieber Statistiken oder Studien zu Transitverkehr oder Gesundheitsbelastung für die BürgerInnen im Wipp- und Eisacktal ;)

Interessant ist es, natürlich, wenn bei der Frage zur substantiellen rechtlichen Ungleichbehandlung aus dem Blickwinkel der Männer häufig das Sorgerechtsthema genannt wird (dem ich ein potentiell vorhandenes Ungleichgewicht, falls vorhanden, überhaupt nicht absprechen möchte, obwohl ich auch hier keinesfalls statistisch firm bin). Auf der Suche nach etwas ähnlichem fallen mir - Achtung Gefahrenzone! - zum Beispiel die Strafprozessordnung in Fällen sexueller Übergriffe ein. Das (physische) Machtgefälle und der Mangel an Zeugen führen doch, wenn wir darüber reflektieren, zu ganz einer ähnlich asymmetrischen Situation in Strafverfolgung und Rechtssprechung, nicht wahr?

Ein anderes, durchaus legitimes Beispiel das Du weiter oben genannt hast, wäre die Wehrpflicht. Auch diese wird gut und gerne zitiert um die ach so geschundene Männerfraktion auch mal als "benachteiligt" darzustellen. Völlig richtig. Natürlich bestand (und besteht mancherorts) die Wehrpflicht für Männer, was soll ich sagen. Interessant sind, wenn man darüber reflektiert, zwei Aspekte. Einerseits gibt es kaum einen anderes, weltweit so starken Einfluß habendes, patriarchalisch organisiertes System wie das Militär mit seinen Tausenden von Jahren Traditionen und Geschichten. Da sind Burschenschaften oder Fraternities ja Krabbelgruppen dagegen. Wollen wir wirklich ein solch vom Kern aus patriarchalisch strukturiertes und gewolltes System hernehmen, um den Frauen zu zeigen, dass "wir Männer" ja auch benachteiligt sind? Ich: nicht.

Mit einem gewissen Grad an Provokation - und mit der Voraussetzung, dass Du zumindest gedanklich mir diesem Experiment folgst - kann ich auch symmetrisches Beispiel aus Frauensicht "konstruieren". Wollen wir es probieren? Nehmen wir das Mutterschutzgesetz: Die obligatorische Mutterschaft dauert 5 Monate, während derer sich die Frau von der Arbeit fernhalten muß. Natürlich weiß ich, dass dies zum Wohl des Fötus (vor der Geburt) bzw. zur Möglichkeit des Stillens, Fürsorgens und nicht zuletzt Regenerierens (nach der Geburt) stattfindet. Klammere ich also das Regenerieren aus, liegt der Fokus des Gesetzes im Schutz des neu geborenen Lebens. Um dieses neu geborene Leben zu schützen, muß die Frau sich fünf Monate von der Arbeit fern halten, ob sie will oder nicht. Provokanter Gedankengang: warum führen wir nicht, der rechtlichen Gleichbehandlung halber, ebenfalls eine obligatorische Vaterschaft ein? Teilen wir die 5 Monate auf ein 1/2 Monate zum Schutz des Fötus (nun, die kann der Vater tatsächlich nicht erbringen) und in 3/4 Monate für Stillen, Füttern, Bonden, Fürsorge auf. Mir scheint, diese Tätigkeiten kann der Vater erbringen (wobei ich damit nicht die Wichtigkeit des Stillens in Abrede stellen will). Führen wir also ein: 1/2 Monate Fötusschutz vor der Geburt nur für Frauen. Dann 3/4 Monate obligatorische Stillzeit nach der Geburt für Frauen und weitere 3/4 Monate obligatorische Fürsorgezeit für Männer. Wäre dann rechtliche Gleichbehandlung erreicht? Betrachte das zunächst mal als ein Gedankenexperiment als Replik zum Thema Wehrdienst, und nicht um eine Forderung die ich hier stellen würde.

Fr., 16.01.2015 - 09:17 Permalink
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Profil für Benutzer Stephan Kerschbaumer
Stephan Kerschbaumer Fr., 16.01.2015 - 15:56

Antwort auf von gorgias

Hallo Gorgias, Pauschalisierungen sparen Sie wahrlich nicht. Wie in diesem Beispiel: " Was den Bereich der Politik angeht muss man auch die Tendenz haben sich zu exponieren und hier sehe ich oft dass Frauen in Diskussion sich immer Zurückhalten und ihre Meinung nicht offen sagen möchten, schon gleich den Kompromiss suchen oder auch dazu tendieren andere Positionen anzugreifen wenn Sie sich sicher fühlen." Ich denke Christoph Moar hat hierzu bereits ausreichend geschrieben. Nur einen Punkt möchte ich mir noch herausnehmen: Nehmen wir an, Ihre Bemerkung entspräche tatsächlich der Wahrheit, was heißen will, dass Frauen sich tatsächlich nicht so stark in den Vordergrund stellen wollen (siehe Profilneurose mancher Politker/in) und Frauen in Diskussionen tatsächlich eher zum Kompromiss neigen, als eisern auf der eigenen Meinung zu beharren: Was bringt Sie zum Schluss, dass die vermeintliche männliche Wesensart eines Politikers die Bessere sei? Was bringt Sie dazu zu sagen, dass jene Person der bessere Politiker sei, der mehr darauf schaut im Blitzlicht zu stehen als auf Substanz zu achten? Was bringt Sie dazu zu meinen, dass jene Person der bessere Politiker sei, der, anstatt Minderheiten und Andersdenke für sich zu gewinnen indem man einen Ausgleich sucht, auf Konfrontation schaltet, um stur das eigene Ding durchzuziehen? Ist der an Profilneurose erkrankte und der stur Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-wollende tatsächlich der bessere Politiker, der mehr zum Wohl der Gesellschaft beitragen kann? Immer unter der Annahme Ihre Zitat entspräche den Tatsachen.

Fr., 16.01.2015 - 15:56 Permalink
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Stephan Kerschbaumer Mi., 14.01.2015 - 17:32

Antwort auf von gorgias

Das ewige Spiel zwischen der formellen und der substantiellen Gleichberechtigung. Ich stimme überein in der Annahme, dass Frauen und Männer vor dem Gesetz gleich sind. Jedes Gesetz, das eine Ungleichbehandlung vorsieht, würde vor Gericht nicht standhalten. Entweder das italienische Verfassungsgericht, der EU- Gerichtshof oder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte würden eine solche Ungleichbehandlung auf Grundlage des Geschlechts kippen. Dennoch, dass der Grad der absoluten rechtlichen Gleichberechtigung von Mann und Frau erreicht sei - wie in Ihrem Kommentar beschrieben -, ist nachweislich falsch. So war Italien erst kürzlich verurteilt worden, da die Nachnamensregelung für die aus einer Ehe geborenen Kinder diskriminierend war. Und dies war nur ein Urteil unter vielen, das jedoch, dank der Abgeordneten Gebhard, durch die Südtiroler Medien aufgegriffen wurde.
Nun denn, dass Frauen und Männer vor dem Gesetz formell gleich sind bedeutet nicht, dass diese Gleichberechtigung auch faktisch, sprich im alltäglichen Leben, existiert - mit dementsprechenden Auswirkungen in der Rechtssprechung. Es existieren Benachteiligung, sei es zu Lasten der Frauen, aber auch zu Lasten der Männer, wenn auch in einem geringeren Maße. Diese substantielle Ungleichheiten zu beseitigen ist Aufgabe des Gesetzgebers, so schreibt es die italienische Verfassung im Gleichbehandlungsgrundsatz vor.
Das Problem an der substantiellen (Un)Gleichberechtigung ist, dass diese durch subtile Mechanismen bedingt ist, die nicht einfach zu erfassen sind, v.a. wenn man nicht selbst davon betroffen ist. Daher ist es auch absurd, dass Männer gegenüber Frauen meinen, es gäbe vor dem Gesetz eine "absolute" Gleichstellung der Frauen und Männer, also litten Frauen faktisch unter keinerlei Benachteiligung mehr, so als seien diese Erfahrung der Benachteiligung lediglich "Hirngespinnste".

Mi., 14.01.2015 - 17:32 Permalink
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Sylvia Rier Mi., 14.01.2015 - 17:55

Antwort auf von Stephan Kerschbaumer

Vielen Dank, Stephan, für diesen schönen Kommentar - gorgias dürfte jetzt zufrieden gestellt sein, aber ich möchte ihn - noch einmal! - darauf aufmerksam machen, dass dieses von ihm herbei gezauberte hier! nicht das Thema ist. Ist es üblich (höflich?), ein Thema auf diese Weise zu verfälschen/an sich zu reißen?

Mi., 14.01.2015 - 17:55 Permalink
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gorgias Mi., 14.01.2015 - 17:59

Antwort auf von Stephan Kerschbaumer

Nennen Sie mir doch bitte die Benachteiligungen für Frauen. Es werden Ihnen doch ein paar Konkrete Beispiele einfallen. Mir persönlich fällt leider nur das des Sorgerechtsstreit ein und das ist zu Ungunsten der Männer. Jedenfalls ist die Behauptung von Frau Rier Frauen seien nur ein bischen den Männern gleichgestellt wohl derangiert. Welche substantiellen Unterschiede rechtfertigen so eine Aussage?
Jedenfalls sind solche Unterschiede der formellen nicht Gleichstellung wie die Frage des Nachnamens Luxusprobleme gegenüber der rechtlichen nicht Gleichstellung vor der Familienrechtsreform der 70ziger Jahre. Ich sehe auch kein Gefälle der substantiellen Gleichberechtigung zum Nachteil der Frauen. Wer so etwas behauptet sollte fähig sein dies durch Studien zu belegen so wie es für die Rassendiskriminierung oder für das Gefälle zwischen Arm auch möglich ist.

Mi., 14.01.2015 - 17:59 Permalink
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Stephan Kerschbaumer Do., 15.01.2015 - 13:09

Antwort auf von gorgias

Bevor ich auf Ihre Frage versuche zu antworten, möchte ich Sie etwas fragen: Was verstehen sie unter "rechtlich substantieller Ungleichbehandlung"? Ich kenne die rechtliche Ungleichbehandlung, die dann besteht, wenn in ähnlichen Situationen unterschiedliches Recht Anwendung findet (beispielsweise auf Grundlage des Geschlechts). Und ich kenne die substantielle Ungleichbehandlung, wenn Menschen, die unterschiedlichen sozialen Gruppen angehören, aufgrund dessen unterschiedliche Chancen haben (sprich Chancen(un)gleichheit), diese aber nicht durch eine rechtliche Norm, sondern durch eine gesellschaftliche Dynamik bedingt sind. Die "rechtlich substantielle Ungleichbehandlung" kenne ich aber nicht.

Do., 15.01.2015 - 13:09 Permalink
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Stephan Kerschbaumer Fr., 16.01.2015 - 14:27

Antwort auf von gorgias

Hallo Gorgias, Sie sollten sich vielleicht intensiver mit den Begrifflichkeiten beschäftigen. Die Gleichbehandlung vor dem Gesetz wird als formale Gleichbehandlung (eguaglianza formale) bezeichnet. So schreibt es das deutsche Grundgesetz vor (Art. 3 Abs. 1: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich."); so schreibt es die italienische Verfassung vor (Art. 3 Abs. 1: "Tutti i cittadini hanno pari dignità e sono eguali davanti alla legge, senza distinzione di sesso ... ."); so sehen es viele andere Verfassungen und das internationale Recht vor. Das formale Gleichbehandlungsgebot besagt, dass ähnliche Situationen gleich geregelt sein müssen. Dabei dürfen bestimmte Merkmale, wie das Geschlecht, die Ethnie, die Religion usw. nicht der ausschlaggebende Moment sein, um eine unterschiedliche gesetzliche Regelung zu rechtfertigen.
Neben dem formalen Gleichbehandlungsgebot gibt es noch das substantielle Gleichbehandlungsgebot (eguaglianza sostanziale). Bei dieser geht nicht darum, dass Menschen rechtlich den gleichen Normen unterworfen sein müssen (das sind sie bereits aufgrund des gormalen Gleichbehandlungsgebot), sondern darum, dass in einer Gesellschaft Chancen ungleich verteilt sind, sodass soziale Herkunft, Ethnie, Religion und auch das Geschlecht für den Erfolg des Individuums oft bestimmender sind, als der eigene Charakter oder die eigene Leistung. Sie selber haben ein Beispiel gebracht, und zwar, dass in Deutschland Kinder aus Akademikerfamilien besser Bewertungen erhalten als Kinder mit Migrationshintergrund (bei gleicher Leistung), sodass letztere es schwieriger haben um auf das Gymnasium zu schaffen. Aus diesem Grund schreibt das substantielle Gleichbehandlungsgebot fest, dass der Gesetzgeber immer dort korrigierend einzugreifend hat, wo gesellschaftliche Mechanismen zu einer ungleichen Chancenverteilung führen, z.B. mit Studienbeihilfen für sozial Schwache, damit ein effektiver Zugang zur Bildung gewährleistet ist (schließlich reicht es nicht aus allen Menschen das Recht auf Bildung zu zuerkennen, wenn nicht alle die wirtschaftlichen Ressourcen haben um dieses Recht effektiv in Anspruch nehmen zu können). Und aus diesem Grund gibt es auch affermative actions, die für die Chancengleichheit für Frauen zu sorgen haben.
Zum Vergleich, der substantielle Gleichheitsgrundsatz in den Verfassungen: Im deutschen Grundgesetz (Art. 3 Abs. 2: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."; und Abs. 3: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.") und in der italienischen Verfassung (Art. 3 Abs. 2: "È compito della Repubblica rimuovere gli ostacoli di ordine economico e sociale, che, limitando die fatto la libertà e l'eguaglianza dei cittadini, impediscono il pieno sviluppo della persona umana e l'effettiva partecipazione di tutti i lavoratori all'organizzazione politica, economica e sociale del Paese.").
Es ließe sich dann breit diskutieren wo genau Chancen gesellschaftlich ungleich verteilt sind. Die Idee die substantielle Gleichberechtigung auf die Gleichstellung vor dem Gesetz bzw. in der Rechtssprechung zu reduzieren ist jedoch falsch.

Fr., 16.01.2015 - 14:27 Permalink
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gorgias Fr., 16.01.2015 - 15:20

Antwort auf von Stephan Kerschbaumer

Mir geht es nicht nur um die Gleichstellung vor dem Gestz und der Rechtsprechung. Es geht mir auch um eine Gleichbehandlung, wie Sie in Deutschland nicht stattfindet bei Kindern aus bildungsfernen Schichten. In meinem Beispiel ist es nicht eine Frage von Menschen die aus bestimmten Gründen nicht die Kriterien erreich um weiter zu kommen und deshalb Förderung bedürfen, sondern um Kinder die wegen ihrer Herkunft diskriminiert werden. So soll doch bei der Empfehlung für das Gymnasium die schulische Leistung ausschlaggebend sein und nicht das Einkommen der Eltern oder auch deren Herkunft. Dafür braucht es auch keine finanzielle Unterstütztung, sondern Kontrollmechanismus der diese Diskriminierung unterbindet!
Des weiteren kann man für eine substantielle Gleichbehandlung auch Migranten mit Sprachkursen und weiteren Maßnahmen fördern oder Menschen mit Behinderungen den Zugang zu Bildungsinstitutionen fördern, so dass die Behinderung selbst keine Hürde mehr darstellt. Für Frauen gibt es auch den Schwangerschaftsschutz, der unter anderem ein Kündigungsverbot vorsieht, was es früher auch nicht gab. Auch soll der Zugang zu einer höheren Bildung am Ende nicht eine finanzielle Hürde sein. Für Mädchen gibt es sogar eine Vielzahl von Förderungen damit sie sich für traditionell männlichen Berufen interessieren.

Doch eines ist die Schaffen von Chancengleichheit, das andere ist das Gleichmachen, wo man Gewisse Entwicklungen forcieren möchte. So wie man Frauen dazu bringen möchte Ingeneursstudiengänge anzufangen obwohl viele sich dafür nicht interessieren. Für viele Bereiche in der Gesellschaft interressieren sich Frauen einfach nicht und wenn sie nachdem man ihnen die Möglchkeiten aufgezeigt hat, sich für einen anderen Weg entscheiden, ist das gut so. Genauso gut wie es Männer mit weniger Motivation gibt bestimmte Ziele zu erreichen und man diese nicht bezwangsglücken braucht.

So ist aufzupassen, dass der Begriff der substantiellen Gleichberechtigung nicht zu einem ideologisch verbrämten Kampfbegriff verkommt, was ich befürchte, dass er dafür Prädestiniert ist und jeder Unterschied zwischen den Geschlechter als Missstand dargestellt wird.

Ich sage dass heutzutage die Frau die will, die kann, und dass das größte Hindernis der Frau in unserer Gesellschaft sie selbst ist. Zumindest dann, wenn es darum geht das feministische Ideal zu erreichen.

Fr., 16.01.2015 - 15:20 Permalink
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Stephan Kerschbaumer Fr., 16.01.2015 - 15:43

Antwort auf von gorgias

Ich scheine in meiner Argumentation nicht klar gewesen zu sein. Ich wollte nicht die Diskriminierung bei den Empfehlungen des Gymnasiums in Deutschland mit der finanziellen Bildungsförderung in Zusammenhang bringen. Dies waren für mich zwei verschiedene Dinge, in denen eine ungleiche Chancenverteilung herrscht.
Die Freiheit des Individuums ist tatsächlich ein sehr hohes Gut, das der Staat als solches zu respektieren hat, auch in seiner Gesetzgebung. Um jedoch nicht den Bezug zum Thema zu verlieren: Gehört es nicht zur Freiheit des Einzelnen, und somit auch der Frau, all jene Dinge anstreben zu dürfen, die es will, ohne dabei durch äußerliche Merkmale, wie etwa dem Geschlecht, daran gehindert zu werden? Was ich damit sagen will: Oft fällt der Satz, dass eine Frau, die kompetent ist, auch die Möglichkeit hat z.B. in die Politik einzusteigen. Dem widerspreche ich nicht. Im Gegenteil, zum Glück ist die Gesellschaft in Großen und Ganzen schon so weit, Kompetenz anzuerkennen. Was mich eher stört, und hier bemängele ich eine ungleiche Chancenverteilung, dass bei Männern, die in die Politik streben, die Kompetenz nicht jenen Stellenwert einnimmt, wie eben bei Frauen. Damit möchte ich nicht sagen, dass ich mir mehr inkomptente Frauen in der Politik wünsche, sondern mehr Wettbewerb zwischen den KandidatInnen, sodass auch bei männlichen Kandidaten die Kompetenz in den Vordergrund rückt. Leider sind die politischen Parteien, in ihrem heutigen Selbstverständnis, noch nicht so weit.
Des weiteren, der Mutterschutz war und ist immer noch eine große Errungenschaft zum Schutz der Kinder- und der Mütterrechte. Das Problem liegt woanders: Ich konnte in meinem Umfeld immer wieder feststellen, dass junge Frauen bei Bewerbungen hintenangestellt (sprich diskriminiert) wurden, weil diese eines Tages in Mutterschaft und evtl. in Karenzzeit gehen könnten. Eine evtl. Mutterschaft gilt als vermeintliches Kostenrisiko für Unternehmer. Das Gesetz verbietet dies zwar (formelle Gleichberechtigung), jedoch müssten weibliche Bewerberinnen vor Gericht beweisen können, dass sie aufgrund ihres Geschlechts nicht angestellt wurden. Ein Ding der Unmöglichkeit, denn eine Begründung für die Nichtanstellung findet sich leicht (z.B. die Teamfähigkeit der Bewerberin, die nur schwierig objektiv nachzuweisen ist).

Fr., 16.01.2015 - 15:43 Permalink
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gorgias Mi., 14.01.2015 - 09:52

Wieder einmal ein konfuser Text für den ich mir jetzt nicht die Mühe mache ihn zu entwirren. Auf eine Aussage möchte ich aber Kommentieren: "bisschen gleichgestellten Frauen"
Wer so was von sich gibt weiß ja nicht mehr worüber er jammern soll und zeigt die Geringschätzung die die Autorin gegenüber den Rechten und Möglichkeiten die einer Frau in unserer Gesellschaft geboten werden.
Die Frau ist dem Manne in unserer Gesellschaft rechtlich absolut gleichgestellt. Was darf in unserer Gesellschaft eine Frau nicht was ein Mann darf?
Es wäre Zeit das Denkstübchen von einigen Hirngespinster zu entrümpeln.

Mi., 14.01.2015 - 09:52 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Mi., 14.01.2015 - 10:58

"dass „die Frau“, ihre Belange und ihre Rechte von den Lesern (und Leserinnen, gegebenenfalls) hier gewissermaßen instrumentalisiert, unbemerkt und ungestraft, als Vehikel missbraucht würden, für ganz andere „Interessen“"
Da che pulpito!

Mi., 14.01.2015 - 10:58 Permalink
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Sylvia Rier Mi., 14.01.2015 - 12:53

Ja oliver da war doch mal was mit frauen von der venus und männer vom mars? lies noch einmal, und schau nach bei meinem kommentar unter gorgias, denn wird's vielleicht klar. sonst sag Bescheid, dann versuch' ich's gern noch einmal :-)

Mi., 14.01.2015 - 12:53 Permalink
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Sylvia Rier Mi., 14.01.2015 - 15:10

Gerade um den "Zwang" geht es eben nicht, bzw. wenn es darum ginge, dann sage mir (denn darum geht's): Warum wird die "Bezwängte" thematisiert, und nicht der "Zwinger"? Ist doch VÖLLIG unlogisch, oder? Oder willst du etwa sagen, die Frauen setzen sich diesen "Zwang" selbst?

Aber auch: Glaubst du allen Ernstes, dass muslimische Frauen mit Doktortitel, steiler beruflicher Karriere und auch sonst noch einigem, was zur "modernen" Frau gehört, sich einem KopftuchZWANG unterordnen würden? Kann ich mir - als Frau - überhaupt nicht vorstellen... du als Mann schon? Wenn aber dem so wäre (noch einmal: ammesso e non concesso), dann müsstest du auch alle unsere jungen Frauen, die sich nach "Heim und Herd" zurück ziehen statt Karriere zu machen, unter Zwang sehen, oder?! Womit wir wieder bei der "Freiwilligkeit" wären...

Mi., 14.01.2015 - 15:10 Permalink
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Sylvia Rier Mi., 14.01.2015 - 20:51

Antwort auf von Christian Mair

Danke für den Beitrag, scheint mir sehr interessant zu sein (vielleicht zeigt der Filmclub?). Nichtsdestotrotz kann ich ihn - hier - nicht wirklich einordnen: Du meinst, es sei zu befürchten, auch nur denkbar, dass für Europa aktuell werden könnte, was hier beschrieben wird?

Mi., 14.01.2015 - 20:51 Permalink
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Profil für Benutzer Mensch Ärgerdichnicht
Mensch Ärgerdi… Mi., 14.01.2015 - 22:19

Ironiemodus on
Die Männer! Es sind doch immer die Männer, der Ursprung allen Bösen auf der Welt. Ist ja auch der Grund wieso der Artikel von Frau Brugger so schwer runterzuschlucken war: Frauenthemen ohne mit dem Finger auf die Männer zu zeigen? Und das gefällt den Lesern sogar noch? Das kann doch nicht sein! Ja wo kommen wir dahin?
Ironiemodus off

Mi., 14.01.2015 - 22:19 Permalink
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Frank Blumtritt Mi., 14.01.2015 - 22:44

Ich denke, es wird über Kopftücher und nicht über Unterdrücker gesprochen, weil eine freie Frau generell symbolhaft für eine freie Gesellschaft steht. Dass es in einem autoritären Staat mit passender Staatsreligion sicher männliche Unterdrücker gibt, muss nicht extra gesagt werden. Aber auch männliche hard-core-Muslime mit Rauschebart und Turban sind ja nicht unbedingt sexy (von orthodoxen Juden ganz zu schweigen). Was und wie in einer uniformierten Gesellschaft dann an Zwang von Frauen und was von Männern ausgeht, kann sicher auch nicht pauschalisiert werden. Auf keinen Fall sollte man/frau die Entwicklung (bzw. Regression) einer Gesellschaft auf die Machtverteilung zwischen den Geschlechtern reduzieren. Da spielen doch wohl noch sehr viele andere Faktoren eine Rolle...

Mi., 14.01.2015 - 22:44 Permalink
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Waltraud Astner Do., 15.01.2015 - 00:15

Es hat natürlich jeder das Recht sich zu kleiden wie er will. Die Frage ob es klug ist sich durch das Kopftuch ganz bewusst von der Gesellschaft in die ich mich integrieren soll , abzugrenzen und mich bewusst als andersartig zu präsentieren, sei dahingestellt. Die Religion so auffallend zu zeigen ist bei uns eben nicht mehr so üblich (an ihren Taten sollt ihr sie erkennen. Sogar christliche Nonnen tragen nur mehr selten den Habit. Dass das Kopftuch mehr ist als ein Stück Stoff erläutert folgender Film.
http://tvthek.orf.at/program/Kreuz-Quer/8598576

Do., 15.01.2015 - 00:15 Permalink
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Sylvia Rier Do., 15.01.2015 - 09:37

Antwort auf von Waltraud Astner

Guten Morgen, Waltraud Astner, ja genau, das, finde ich, muss einmal grundsätzlich festgehalten werden: JedeR hat das Recht, sich so zu kleiden, wie er sie mag, solange aus dieser Kleidung keine Beeinträchtigungen für die eigene oder Gefahren für andere ausgehen. Und ja, natürlich weiß ich, dass "das Kopftuch" mehr ist, als ein Stück Stoff. Detto questo: Warum meinst du, wird eine Frau wie z. B. diese hier (http://www.dasbiber.at/content/gastkommentar-von-dudu-k%C3%BCc%C3%BCkg%…), eine Frau, die "MuslimInnen" schreibt (zu so viel Anerkennung des Weiblichen können sich sehr viele der "modernen", kopftuchlosen, unsrigen Frauen ja nicht einmal überwinden...), Wirtschaftspädagogin ist und mit der Familie skifahren geht, ein Kopftuch tragen? Aus Zwang wohl kaum. Aus religiösen Gründen? Vielleicht. Warum auch nicht. Aus kulturellen Gründen? Vielleicht. Warum nicht. Weil sie stolz ist auf ihre Kultur? Vielleicht. Warum auch nicht. Ich kann in keinem dieser (angenommenen) Gründe ein Problem erkennen. Womit wir bei der "Integration" wären, die du auch ansprichst (ich darf, gell, einfach zum du übergehen?! danke!). Was verstehen wir unter Integration? Was IST darunter zu verstehen? An dieser Stelle darf ich auf einen Beitrag verweisen, und (für hier) insbesondere auf Farid Hafez, ab ca. Minute 45:00 denn ich finde überaus spannend, was er sagt: Ist unter "Integration" (eine) "kulturelle Anpassung" zu verstehen? Oder muss es um "Teilhabe" gehen, wenn wir wollen, dass das Miteinander gelingt? Und noch zur "Abgrenzung": Die ist an und für sich ja nichts Verwerfliches, oder? Junge Leute grenzen sich von Alten ab, die Stadtbevölkerung von der Landbevölkerung, die alt-reiche Schicht von der neu-reichen, die Sarnerin von der Pustertalerin usw. usf. Meist gerade über Kleidung (vielleicht, weil das der unmittelbarste Weg ist?). Warum also sollte sich die Muslimin nicht abgrenzen sollen? Allerdings - ich habe gestern gerade dazu eine ganze Weile mit mir gehadert: Falls dem so sein sollte - die Muslima also ganz bewusst sich "abgrenzen" wollte, in einem negativen Sinne (so verstehe ich auch dein "ist es klug" - mit leichter drohender Unterströmung?!) - sollten wir uns dann fragen, warum sie dieses Bedürfnis hat? Gegenüber der Gesellschaft, für die sie sich doch entschieden hat, an der sie doch teilhaben will?! Das wäre doch unlogisch, oder? Aber einmal angenommen, es wäre so - könnte das dann (auch) eine Art Gegenreaktion, eine Art der "Solidarisierung", sein? Denn ich habe gerade in diesen letzten Tagen erstaunlich oft gehört, dass gerade Muslime erstaunlich viel Ausgrenzung erfahren.

Do., 15.01.2015 - 09:37 Permalink
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Sylvia Rier Do., 15.01.2015 - 08:11

Genau Oliver jetzt sind wir wo ich gerne hin wollte: Ist es "der Mann", der die Frau zwingt, ein Kopftuch aufzuziehen? Ist es die Religion? Ist es die Frau selbst? ICH weiß das nicht, ich habe meine Vermutungen, mir scheint es evident, wo der Hase im Pfeffer liegt, aber ich bin keineswegs festgelegt. Was mich bisher (allein) stört, ist, dass das ganze Thema (wie andere Themen auch) ALLEIN an "der Frau" festgemacht wird. Ist das sinnvoll? Angenommen, es wäre der Mann (ja, ich persönlich gehe davon aus), ihr eigener Mann, der Imam oder überhaupt *Mann*, der den "Zwang" ausübt: Warum wird dann die Diskussion an der Frau festgemacht? Warum gehen wir als "belehrende" Gesellschaft her, und erwarten, dass (überspitzt) "die Unterdrückten" sich auflehnen? Warum sprechen wir zu (belehren wir) den (die) "Schwächeren"? Ich frage mich gerade, ob das so auch auf die Gehaltsverhandlungen, die du ansprichst, angewandt werden kann, aber ich glaube schon: Immer heißt es doch (nein, ich kann das empirisch oder überhaupt jetzt nicht belegen), ja, Frauen müssten halt sich so oder so benehmen, dies oder jenes tun, wenn sie mehr herausholen wollen - derweil wird doch andersrum ein Schuh draus: Die Gehaltgeber müssen "bearbeitet", gebildet werden und verstehen, dass es falsch ist, weibliche Leistung geringer zu schätzen wie männliche; die Ehemänner, die Imame müssen begreifen, dass sie kein Recht haben, (ihre) Frauen unter ein Kopftuch zu zwingen, usw. usf. Ist es nicht faszinierend, dass - scheinbar - nicht der sich ändern muss, der den "Fehler" macht, sondern die, die unter dem Fehler "leidet"?!

Do., 15.01.2015 - 08:11 Permalink
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Christian Mair Do., 15.01.2015 - 17:34

Versuch einer Entwirrung und Differenzierung

Bevor nun Frau Rier zur Alice Schwarzer mutiert muss man sich angesichts mancher hysterischer Reaktionen auf Unterwerfung ins Gedächtnis rufen, dass ein Roman als fiktives Experiment nicht wie ein Sachbuch, ein politisches Manifest oder eine Bedienungsanleitung zu lesen ist.
Am Ende dieser Parabel ist es weniger ein satirisch überzeichneter Islam als vielmehr der heuchlerische Ich-Erzähler, der zum Objekt seiner eigenen Verachtung wird. Und nicht zuletzt deshalb gießt der Roman auch kein Wasser auf die Mühlen jener, die gegen die vermeintliche Islamisierung des Abendlandes aufmarschieren. Auf eine eigentümliche Art macht er sogar das Gegenteil: die Anhänger eines politischen Christentums und eines politischen Islams unterscheidet nicht sonderlich viel. Sollte also etwa ein Pegida-Anhänger Unterwerfung lesen, lieferte er diesem keinen neuen Zündstoff. Vielmehr müsste ihm nach der Lektüre jene Gedichtzeile Theodor Däublers in den Sinn kommen, die so gern von Carl Schmitt zitiert wurde: "Der Feind ist unsere eigene Frage als Gestalt." (Zitate entnommen aus http://www.zeit.de/kultur/literatur/2015-01/michel-houellebecq-charlie-…)

Ausgehend von diesem Zitat sollte man nun im Sinne einer weiteren Differenzierung der Felder Terrorismus, Islam, Islamisierung und Feminismus/Emanzipation eingehender mit der Antort auf den Schlussatz Frau Riers(: "Wir arbeiten uns an „Frau“ ab, derweil „Mann“ ungeprüft weitergeht. Ganz schön raffiniert.") befassen.
Angesichts der provokanten Formulierung muss die Frage erlaubt sein, welcher "Mann" gemeint ist: der westliche Mann an und für sich, der islamophobe PEGIDA-Mann, der islamistische Dschihadist, der glaübige Islam-Mann?

Dieses Schubladendenken als Erbe des Feminismus ist doch am Ende. Was bringt es auf einer substantiellen Ebene den Geschlechtspeter dem Mann zuzuschieben? Genau das führt doch ad infinitum wieder zu einer passiven, "unterdrückten", nicht selbstbestimmten Rolle. Ist nicht der Mann ganz im Sinne Ihrer eigenen Argumentation eine Projektionsfläche, vor allem rechtsextreme Anhänger, die sich für eine "Kopftuchverbot" aussprechen als Feindbild eben als diese Frage in Gestalt.
Angesichts der Anschläge auf "Charlie Hebdo" ist es doch wertvoll für was wir stehen und nicht gegen was wir stehen. Und mit diesem wir sind Frauen und Männer gemeint.
http://tracks.arte.tv/de/die-herausforderung-der-Woche

P.S.: Wie bezahlen eigentlich Frauen in führenden Rollen ihre ArbeiterInnen?

Do., 15.01.2015 - 17:34 Permalink
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Sylvia Rier Do., 15.01.2015 - 19:54

Antwort auf von Christian Mair

Hören Sie, Christian Mair, wenn ich's nicht besser wüsste, würde ich mich hier in einem Spiegelkabinett wähnen - ich bin restlos verwirrt. Was wollen Sie mir sagen? Ich sage doch genau das, was Sie sagen, nämlich dass ein Roman ein Roman ist. Und dass ein Roman besser nicht für bare Münze genommen werden sollte. Mah.
Welchen "Mann" ich meine? Geht das aus dem Kontext nicht hervor? Offensichtlich nicht, und also: Genau den, vor dem Frau Brugger in ihrem Text warnt, und der also Frauen mit einem Kopftuch haben will. Nein, Sie müssen sich davon keineswegs weder betroffen noch angesprochen fühlen. Wenn Sie's doch tun - ist das meine Schuld?! Schubladendenken? Na, ich weiß nicht, wer "Alice Schwarzer" ruft, sobald Frauenrechte angesprochen werden, sollte vielleicht auch mal über eigene Schubladen nachdenken. Trotzdem: Auch Sie haben hier viele kluge Dinge geschrieben, dafür möchte ich Ihnen herzlich danken. Schade, dass meine (eigentliche) Frage immer noch unbeantwortet ist. Aber vielleicht wird's ja noch, irgendwann.

Do., 15.01.2015 - 19:54 Permalink
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Frank Blumtritt Do., 15.01.2015 - 20:36

Antwort auf von Sylvia Rier

Silvia, ich habe dir schon geantwortet: es ist keine Geschlechterfrage, sondern ein gesellschaftlich-politisches Problem - und somit nicht auf Mann/Frau reduzierbar.
Der islamistische Terrorismus wird geschürt, um eine generelle Radikalisierung und Polarisierung zu erreichen. Irgendwer hat daran offenbar großes Interesse und wir sollten denen nicht den Gefallen tun, uns ihrer Willen selbst zu zerfleischen (zB mit einem Krieg der Geschlechter). Vielmehr sollten wir stolz darauf sein, in kürzester Zeit (an der Gesamtentwicklung gemessen) große Fortschritte gemacht zu haben. Was war bei uns die Kirche noch vor wenigen Jahrzehnten? Vergleich mal den heutigen Papst mit allen vorhergehenden! Bis vor Kurzem haben sich in Irland die Christen Schlachten geliefert, wie heute die Muslime.
Wir dürfen nicht arrogant unsere Maßstäbe ansetzen. Die Welt tickt mit vielen verschiedenen Uhren.

Do., 15.01.2015 - 20:36 Permalink
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Sylvia Rier Do., 15.01.2015 - 21:27

Antwort auf von Frank Blumtritt

Frank, du kennst mich doch ein bisschen, oder (dass ich GANZ deiner Meinung bin, solltest du also wissen)?! Aber ja, ich fürchte, gorgias hat Recht: Mein Text muss ARG konfus sein. Und: Ich habe KEINE Ahnung, was hier abgeht und gleich verzweifle ich, aber zuerst mache ich noch einen Versuch der Klärung: Ich bilde mir ein, genau das gesagt zu haben, was du sagst: Wir dürfen nicht arrogant unsere Maßstäbe ansetzen - bei den Muslimen nicht, in Afrika nicht, überhaupt nicht. Ich bilde mir auch ein, genau das gesagt zu haben, was Christian Mair sagt: Houellebecq's Buch ist ein Roman. Ein Roman ist ein Roman, und mithin nichts, woran eine Wirklichkeit, nicht einmal eine mögliche Wirklichkeit "konstruiert" werden kann (sollte). Ich bilde mir auch ein, dass ich gesagt habe, ich sehe nicht die Gefahr, die Frau Brugger sieht, nämlich dass (auch uns) ein Rückfall in patriarchale Zeiten drohen könnte, wenn wir nicht aufpassen. Habe ich mich geklärt, bis hierher?! Was ich aber sehr wohl gesagt (gefragt) habe, ist, warum wir alleweil "das Kopftuch" (die Frau) diskutieren (wie in Frau Bruggers Text), derweil wir doch - wenn schon - "den Kopftuchwoller" diskutieren sollten?! Und ja, ich habe auch gesagt, dass ich es VÖLLIG daneben finde, wenn Frauenrechte herangezogen werden, wenn es doch in Wahrheit um Ängste vor - hier - Islamisierung geht. Aber weißt du was? Ich glaube, das wird nix mehr, das Knäuel ist viel zu verworren... und also lass' ich's, gehe hin und verzweifle einfach *istfixundfertig* Noch einen schönen Abend für dich!

Do., 15.01.2015 - 21:27 Permalink
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Christian Mair Fr., 16.01.2015 - 10:33

Antwort auf von Sylvia Rier

Silvia, die Frage die da war "Oder wollen – sollen – wir tatsächlich glauben, dass die große, befürchtete Gefahr für das – säkulariserte? - Europa maßgeblich von kopftuchtragenden Frauen ausgeht? "
Also diese Frage ist einfach zu beantworten indem man Terrorismus und Islam differenziert. Offensichtlich wäre eine klare Abgrenzung innerhalb des Islams, was ja auch mehrfach passiert für diese Unterscheidung von grossem Nutzen. Ein zweites Thema ist die Stellung der Frau in der islamischen Gesellschaft und damit verbunden deren Emanzipation. Durch die Diskussion sind ungeklärte tabuisierte Themen auf den Tisch. Und wenn aus bestimmten Kreisen die Forderung nach einem Kopftuchverbot kommt und Werte ins Feld geführt werdenl, die selbst noch nicht umgesetzt sind so ist dies heuchlerisch.
akademische Ergebnisse zum Kopftuchverbot:
Heide Oestreich ...zieht daraus den Schluss, dass ein Kopftuchverbot die Frauen eher diskriminiert und ihnen ein Weg verschlossen wird, sich gegenüber ihren Eltern bzw. ihren Ehemännern zu emanzipieren: "Sie beruhigen vielleicht ihre Eltern oder Ehemänner, die Angst um ihre moralische Integrität haben, damit, dass sie besonders wohlerzogen islamisch sind und ein Kopftuch tragen. Manche dagegen: Das Kopftuch gibt mir Schutz, wie anderen die Lederjacke, der Nadelstreifen-Anzug oder das perfekt sitzende Kostüm. … Wer das Tuch im öffentlichen Raum dagegen diskreditiert, setzt eine unglückselige Tradition deutscher Integrationspolitik fort."

"Die Gesellschaft verstehe sich als säkular, weise aber der christlichen Religion im öffentlichen Leben einen zentralen Platz zu. Christliche Religiosität sei im öffentlichen Raum kein Problem, islamische aber schon, und dieses Messen mit zweierlei Maß zeige, dass es im Kern um die Frage der Anerkennung einer anderen Kultur als einer gleichwertigen gehe. Sie will hierdurch aufzeigen, dass über das Kopftuch Themen angesprochen werden, die auch in der westlichen Kultur umstritten sind, teilweise sogar überhaupt nicht thematisiert werden und tabuisiert sind." (Rommeslpacher)

In ihrer Untersuchung der Kopftuchdebatte in Deutschland stellte Rommelspacher auch die Sicht der Kopftuchträgerinnen selbst vor und verwies auf Studien über die Situation in der Bundesrepublik Deutschland von Yasemin Karakasoglu, Sigrid Nökel und Gritt Klinkhammer. Sie berichten übereinstimmend, dass die jungen Frauen, die sich für das Kopftuch entscheiden, darin einen selbstbestimmten Akt sehen. Sie wollen einen individuellen Standpunkt zwischen der Tradition der Eltern und der Kultur der Aufnahmegesellschaft finden; dabei setzen sie sich vom eher traditionell geprägten Islam ihrer Eltern ab und entwickeln ihre eigenen Ansichten. Rommelspacher fragt, welche Bedeutung die Selbstbestimmung der Frau spielt, wenn Frauen im Namen der Emanzipation der Zugang zum Beruf verwehrt wird und was Emanzipation denn bedeutet, wenn man die Stimme der betroffenen Frauen aus der Debatte völlig ausblendet. Sie vermutet, dass es um die Frage geht, welches Konzept von Geschlechterverhältnis für unsere Gesellschaft verpflichtend gemacht werden soll. Die zweite wichtige Frage, die hinter dem Kopftuchstreit stehe, sei die nach dem Stellenwert von Pluralismus und Religionsfreiheit in der deutschen Gesellschaft

Fr., 16.01.2015 - 10:33 Permalink
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Sylvia Rier Fr., 16.01.2015 - 12:05

Antwort auf von Christian Mair

Christian, ich habe mir deinen Kommentar drei Mal durchgelesen um auch GANZ sicher zu gehen, dass ich dich nicht falsch verstehe. Ich komme immer zum selben Ergebnis: Du sagst, was ich sage.

Ich sage, das Kopftuch muslimischer Frauen geht uns a) nichts an und ist b) nicht das Problem. Frau Brugger sieht das offensichtlich anders (weshalb auch Ihr Text Anlass war für meinen Text), aber auch gorgias (mit ihm bin ich zu diesem Punkt schon einmal aneinander geraten), Oskar Egger, Waltraud Astner und offensichtlich auch alle anderen, die Frau Bruggers Text geliked haben.

Das wird hier ja alleweil skurriler (ja, ich bin jetzt höllisch gespannt auf Reaktionen der Nicht-Feministen und Feministinnen-Basher, zu diesem deinem Kommentar).

Sehr schön übrigens auch - stehende Ovationen dafür - für diesen deinen Satz: "Und wenn aus bestimmten Kreisen die Forderung nach einem Kopftuchverbot kommt und Werte ins Feld geführt werden, die selbst noch nicht umgesetzt sind so ist dies heuchlerisch." Meine Rede, meine Rede, meine Rede - versteht man's wirklich nicht, aus meinem Text?

Fr., 16.01.2015 - 12:05 Permalink
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Christian Mair Fr., 16.01.2015 - 16:05

Antwort auf von Sylvia Rier

Frau Brugger sieht den Laizismus als Errungenschaft der Zivilisation im Sinne der Aufklärung als historischen Prozess von Antike über Renaissance zur Neuzeit. Die Schicksalsergebenheit, das Verharren in der Kaste, eine starre Gesellschaft macht sie an einer religiös geprägten Gesellschaft fest. Auf den Westen bezogen gilt es nicht zurück in eine angepasste "Biedermeier"- Zeit zurückzufallen.
Die Aussage "Diese Aufforderung zur Wachsamkeit muss auch für die Europäerinnen gelten, die eingelullt von Konsum, Frauenquoten und einer noch relativ frauenfreundlichen Gesetzgebung die gesellschaftspolitische Involution verdrängen und ins Privatleben fliehen." verstehe ich mehr als eine Warnung vor einer Biedermeierisierung denn als eine vor der Islamisierung.
siehe dazu:
http://www.zeit.de/zeit-magazin/2015/01/entschleunigung-biedermeier-han…

Fr., 16.01.2015 - 16:05 Permalink
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Sylvia Rier Fr., 16.01.2015 - 17:00

Antwort auf von Christian Mair

Ja das hatte ich mir zwar auch überlegt. Aber dafür wird mir dann doch a bissl sehr viel über den Islam gesprochen - immerhin fast zwei Drittel des Textes - und von da hergeleitet, und auch die Kommentare lassen zu einem doch beträchtlichen Teil darauf schließen, dass ich nicht die einzige bin, die den Text so verstanden hat. Aber das ist ja jetzt auch nicht so wichtig.

Fr., 16.01.2015 - 17:00 Permalink
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Waltraud Astner Do., 15.01.2015 - 17:37

Hallo Silvia,kann dem was du schreibst schon einiges abgewinnen, vielleicht ist abgrenzen zu negativ besetzt. Es geht um die Motive. Abgrenzen geht solange gut solange ich mir selbst nicht schade wenn ich es aber tue obwohl es mich nicht überzeugt oder um anderen zu gefallen oder nicht zum Außenseiter in meiner community zu werden, dann wird es bedenklich. Ich WEIß aber, dass es in vielen Fällen so ist, obwohl die Möglichkeit sich dagegen zu stellen bestünde.
Vielen fehlt der Mut, viele fürchten (zu Recht) Repressalien, einigen ist es schlicht und einfach zu anstrengend (Bequemlichkeit vor Emanzipation). Natürlich gibt es auch andere, wie dein Beispiel zeigt. Nur da kann ich die Motivation nicht gut nachempfinden. In unserer Gesellschaft, ist die Religion zu etwas Privatem geworden, das ich zwar mit Gleichgesinnten praktiziere, das aber im Grunde etwas Innerlich-Gedankliches darstellt und mit dem ich mich gefühlsmäßig- spirituell auseinandersetze. Keinesfalls ist es etwas, das ich äußerlich auffallend zur Schau trage und sich mein Gegenüber zuerst einmal zwangsläufig mit meiner Religion konfrontiert sieht. Die ist nämlich bei Beziehungen untereinander nicht relevant und braucht nicht hervorgehoben zu werden. Außerdem enden in unserer Kultur die Zeichen der Abgrenzung (auch positiv) schnell dann, wenn es unbequem wird. Niemand trägt die ganze Zeit Tracht oder Dirndl, sondern nur zu Anlässen und nicht im Alltag oder nur tempörär und nicht lebenslänglich. Religionen, die mir vorschreiben oder nahelegen oder auch nur andeuten, wie ich mich zu kleiden oder was ich zu essen habe, passen nicht in unsere Zeit und sind mir suspekt. Objektiv gesehen will man nur Kontrolle ausüben, subjektiv gesehen, wenn wir Freiwilligkeit annehmen, muss man sich fragen warum derjenige seinen Selbstwert aus dem Zeigen von religiösen Symbolen, die ihn oder sie dermaßen einschränken, wirklich braucht, obwohl Religion, wie gesagt eine innere Erfahrung ist.
Wenn muslimische Frauen oft Ausgrenzung erfahren ist das schade, aber dass der Islam als Religion vielen suspekt ist, darf nicht verwundern, weil niemand genau sagt wofür er steht. Laut Koran beinhaltet er Stellen, die sowohl für Gewalt und auch für Frieden stehen (M.Gretter), laut Aussage von hiesigen Imamen nur für Frieden, es gibt allerdings Probleme mit der Presse und Satirefreiheit. In der Türkei werden Internet Seiten mit der neuen Ausgabe von Charlie Hebdo gesperrt. Für Frauenrechte und Emanzipation ist der Islam auch nicht gerade ein Aushängeschild. Im nahen Osten bekriegen sich Schiiten und Sunniten auf das Fürchterlichste, von Nigeria gar nicht zu reden. Anzunehmen, dies alles habe mit dem Islam nichts zu tun hat, ist wohl naiv. Will der Islam Teil Europas werden, wird er deutlicher Position beziehen müssen.
http://www.telepaceverona.it/trasmissioni/il-fatto/parigi-sangue-e-sati….

Do., 15.01.2015 - 17:37 Permalink
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Michael Bockhorni Fr., 16.01.2015 - 11:01

Antwort auf von Waltraud Astner

haben wir vergessen, dass es einen jahrzehntelangen "interchristlichen" terror zwischen katholiken und protestanten in irland gegeben hat, der zwar befriedet aber noch lange nicht gänzlich überwunden ist. wie schaut es mit der gleichberechtigten teilhabe von frauen in der katholischen kirche aus? (siehe diskussion rund um die aktuelle synode). ich bezweifle ob das christentum ein aushängeschild für frauenrechte und emanzipation ist oder ob dies nicht vielmehr der staat bzw. die zivilgesellschaft ist (und da liegt m.M. nach der unterschied zu den "islamischen" staaten).

Fr., 16.01.2015 - 11:01 Permalink
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Sylvia Rier Fr., 16.01.2015 - 11:51

Antwort auf von Waltraud Astner

Es ist m.E. nicht ganz richtig, dass es "in unserer Kultur nicht mehr üblich ist, die eigene Religion zur Schau zu tragen." Individuell vielleicht nicht mehr in so starkem Maße, aber unsere öffentlichen und privaten Räume sind voll davon, wir merken's nur nicht (mehr): Denke nur an all die Kreuze, die überall herumhängen. Und gerade deshalb, also WEIL wir uns nicht mehr so sehr über diese Religion definieren, ist es mir z. B. egal, wenn andere das tun. Allerdings, wenn ich so sehe, welche Debatten und wie zu diesem Thema teilweise geführt werden, kommen mir schon arge Zweifel und frage ich mich schon, ob wir in uns in Wahrheit nicht immer noch sehr viel stärker über diese Religion definieren, als wir uns glauben machen wollen.

Im Übrigen stimme ich Michael Bockhorni zu.

Fr., 16.01.2015 - 11:51 Permalink