Wirtschaft | Humaneconomy

Das Ende des Geldes

Von der freien Marktwirtschaft zur kooperativen Individualität
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Nichts Neues vom Wirtschaftsgipfel in Davos: gemäß einer Studie von www.oxfam.de sind zwischen 2009 und 2014 die Reichtümer von 1 Prozent der Reichsten dieser Erde von 44% auf 48% des Gesamtreichtums gestiegen und bis 2016 wird 1 Prozent der Weltbevölkerung mehr als die Hälfte der globalen Ressourcen in der Hand haben, schreibt die Bbc, wobei der größte Teil der verbliebenen 52% wiederum nur 20% der Bevölkerung gehören wird.

Wenn die alte Binsenwahrheit „Geld regiert die Welt“ stimmt, dann sind die Regierenden sehr Wenige - und sie werden immer weniger... Aber immer weniger werden leider anscheinend auch die Menschen, die das zu beunruhigen scheint...

Mit diesen Gedanken begab ich mich neugierig zu einem Vortrag im Kolpinghaus Meran am 13.1.15 mit dem Thema „das Ende des Geldes“.

Dinge in vereinfachter Form schriftlich formulieren hilft mir sie besser zu verstehen – und ich will dieses Thema verstehen, denn mir scheint, es betrifft DAS substanzielle Problem unserer Zeit (mit „uns“ meine ich die Weltbevölkerung).

Was ist denn Geld überhaupt? Das ist so eine klassische Frage, die Kinder ihren Eltern stellen und sie in Schwierigkeiten bringen.  

Was ist also Geld? 3% des Geldes besteht aus den sogenannten gesetzlichen Zahlungsmitteln, sprich Münzen und Geldscheine. Der Rest, also 97% des Geldes, entsteht aus dem Nichts („Geldschöpfung“) und existiert nur als Buchungssatz im Computer der Geschäftsbanken wenn diese Kredite vergeben und verzinst zurückverlangen. Der Wert von Krediten liegt alleine in den vom Kreditnehmer gestellten materiellen Sicherheiten. So entsteht „Kreditvermögen“. Die Zinsen und Zinseszinsen jedoch haben keinerlei realen Bezug. Um sie zu zahlen, muss ein Kreditnehmer notgedrungener Maßen zu Geld kommen, das es eigentlich nicht gibt – und das geht nur, wenn er es Anderen wegnimmt. Kompliziert? Mich hat ein stark vereinfachtes Beispiel erleuchtet:

Auf der üblichen einsamen Insel will der Inselchef ein neues Wirtschaftssystem aufbauen und gibt zehn Inselbewohnern jeweils einen Taler aus der neu gegründeten Inselbank und jeder Bewohner muss der Bank seinen Taler mit 10% Zinsen zurückzahlen. Es gibt aber nur 10 Taler auf der Insel. Der elfte Taler zur Tilgung aller Zinsen existiert nicht. Also muss jeder Inselbewohner versuchen, einem anderen Bewohner das Geld für seine Zinsen, oder gar Zinseszinsen, aus der Tasche zu ziehen. Je mehr die Bank auf ihre Zinsen besteht, umso härter wird der Kampf zwischen den Inselbewohnern. Ein System, das in erster Linie auf  die Verlierer baut, deren Eigentum für die Tilgung der Zinsen anderer gebraucht wird. Sicherer Gewinner ist natürlich die Bank, die das Spiel erfunden hat.

Das Ganze nennen wir „freie Marktwirtschaft“ und sind sehr stolz darauf.

Ja, das ist doch das gute alte Monopoly-Spiel! Während sich damit seit Jahrzehnten Familien am Abend vergnügen und gleichzeitig den Kindern spielerisch „den Ernst des Lebens“ beibringen, haben wir nicht gemerkt, dass wir nicht die Spieler, sondern die Figuren sind. Unser reales Monopoly geht dem Ende zu (siehe erster Absatz meines Artikels) und das Ende zeichnet sich klar ab. Game over!

Aber all dies war nur in etwa die Einführung zum Vortrag, der eigentlich zum Ziel hatte, die Anwesenden von der Möglichkeit eines Paradigmenwechsels in der Wirtschaft kosten zu lassen, einen kleinen Einblick in bestehende „think tanks“ zu bekommen, die sich über „das Ende des Geldes“ Gedanken machen.

Ein Lösung für das heutige weltweite Ressourcen-Dilemma soll die Abwendung vom „Geld als Tauschmittel“ sein, das in seiner jetzigen Form eine Gesellschaft der Konkurrenz, der Verknappung und der Konflikte schafft. Vielmehr soll es zum „individuellen Wertmaßstab“ werden. Verabschieden wir uns von der freien Marktwirtschaft und treten wir ein ins Zeitalter der „individuellen Kooperation“. Hier brauchen wir wieder ein plastisches Beispiel (und passend zu den lokalen Gepflogenheiten): Für alle Teilnehmer eines alpinen Abfahrtslaufes steht nur ein Pokal zur Verfügung denn es soll nur einen Gewinner geben. Die Fahrer messen sich untereinander, sind in Konkurrenz und bekämpfen sich. Wenn aber jeder Fahrer gegen sich selbst antritt und einen Preis für seine individuelle Bestleistung bekommt, anstatt für die absolute Bestzeit, kann auch jeder gewinnen und es kommt zur Kooperation. Die Bestzeit wird gemeinsam erarbeitet, ohne Konkurrenz.

Das Konzept „Informationsgeld“

Setzen wir dieses Beispiel nun auf die Wirtschaft um, dann könnte jeder Bürger ein „individuelles Lebenskonto“ auf einer virtuellen demokratisch gesteuerten Zentralbank haben. Dort würde ein bedingungsloses Grundeinkommen um eine individuell ausgehandelte, aber demokratisch gesteuerte Zusatzentlohnung erhöht, wenn bestimmte Produkte oder Dienstleistungen erbracht würden, die irgendeinen gesellschaftlichen Nutzen haben. Unter den Bürgern würde kein Geld mehr fließen (da es als Tauschmittel abgeschafft würde) und es bestünde auch keine Vergleichsmöglichkeit mit den Konten der Anderen mehr. Jede Inanspruchnahme von Produkten oder Dienstleistungen würde auf dem individuellen Konto wieder abgebucht, das Geld somit wieder vernichtet. Der Anspruch der Menschen wäre nicht mehr jener, mehr als die Anderen zu haben, sondern genau so viel wie es der angestrebte Lebensstil erfordert.  Würde der Geldfluss unter den Menschen abgeschafft, dann würden Angestelltenverhältnisse der Kooperation weichen, Übervorteilung, Korruption und Betrug wären sinnlos. Egal ob Bauarbeiter oder Universitätsprofessor: die Entlohnung für die eigene Arbeit würde mit der Zentralbank individuell festgelegt werden. Die Tarife würden demokratisch nach gesellschaftlichem Nutzen festgelegt. Auch erziehende Mütter und Studenten würden für ihre Tätigkeiten individuell entlohnt, so wie auch jegliche kreative, kulturelle oder technische Innovation.

Besitzer von Schlössern, Luxusyachten und Ferraris würden keinesfalls enteignet werden. Es gäbe aber keine Angestellten mehr und sie wären zur Erhaltung ihrer Güter auf freiwillig kooperierende Mitbürger angewiesen, die Spaß daran finden müssten Gärtner im Schlosspark oder Automechaniker für Ferrari zu sein. Außerdem müssten sie mit der demokratischen Zentralbank eine individuelle Bezahlung für diese (gesellschaftlich wenig relevanten) Beschäftigungen aushandeln. Jegliche Machtmonopole hätten also bald keinen Sinn mehr.

„Ein neues Geldsystem ohne Umverteilung, Zinsen, Schulden, Insolvenz, Enteignung, Inflation und Steuern, alleine basierend auf persönlicher Entfaltung und friedlicher Kooperation. Ein System, das sowohl technisch, als auch (massen)psychologisch umsetzbar und erklärbar wäre..“

Dieser Informationsabend war für mich einer der seltenen Aha-Momente, die mich nicht nur nachhaltig ins Grübeln gebracht, sondern mich auch durchaus optimistisch gestimmt haben. Zu wissen, dass es wenigstens theoretisch möglich wäre... finde ich ganz wunderbar!

Zur leicht verständlichen Vertiefung: www.humaneconomy.it/deutsch/neue-finanz-und-geldsysteme/informationsgeld/

Bild
Profil für Benutzer Frank Blumtritt
Frank Blumtritt Mi., 11.02.2015 - 22:55

Die von dir genannten Phänomene "Korporatismus, Umverteilungsmechanismen und Bevorteilungen" haben nicht die freie Marktwirtschaft ruiniert (die du zu verteidigen scheinst), sondern sind das Resultat der freien Marktwirtschaft, die als solche abzuschaffen ist. Es geht nicht darum, das momentane System von den "Bösewichtern" zu befreien, sondern ein neues System zu schaffen, das keine Bösewichter mehr hervorbringt. Das ist der Sinn meines Artikels.

Mi., 11.02.2015 - 22:55 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Frank Blumtritt
Frank Blumtritt Do., 12.02.2015 - 18:14

Fairphone, Bio&Co sind OK, aber meiner Meinung nach eher eine Antwort auf die Exzesse der freien Marktwirtschaft (die ja eigentlich durch den ständigen Druck gar nicht wirklich frei ist). In dem von mir nur sehr oberflächlich beschriebenen Modell des kooperativen Individualismus ohne Konkurrenzdenken würden die individuellen Entgelte für Dienstleistungen und Produkte demokratisch festgelegt werden und da es in Ermangelung der abhängigen Arbeitsverhältnisse keine Ausbeutung mehr gäbe, sondern alle auf die freiwillige Zusammenarbeit Anderer angewiesen wären, würden automatisch nur noch Produkte wie das Fairphone, bzw. gesunde Lebensmittel entstehen. Keine "Verteilungsgesellschaft" also, sondern eine demokratisch gesteuerte "Anreizgesellschaft" für individuelle Initiativen. So zumindest meine Vision der Dinge...
Auf jeden Fall haben uns das Tauschprinzip und der "freie Markt" in eine Sackgasse getrieben, aus der wir nicht mehr ohne totales Umdenken herauskommen. Wie Einstein sagte: man kann keine Probleme mit der gleichen Sichtweise lösen, mit der man sie geschaffen hat (oder so ähnlich...)

Do., 12.02.2015 - 18:14 Permalink
Bild
Profil für Benutzer josef.kaufmann@dnet.it
josef.kaufmann… Sa., 18.04.2015 - 12:00

Frank Blumtritt, danke für diesen Artikel. Ich bin beeindruckt, dass sie die Botschaft meines Vortrags so exakt wiedergeben können. Wenn nur mehr Menschen diesen Erkenntnisgewinn so artikulieren könnten!

Es ging in meinem Vortrag darum zu vermitteln dass, egal ob wir intrinsisches Materialgeld (Edelmetalle, Muscheln oder Lederstücke), virtuelles Schuldgeld oder Vollgeld, krypotragphisch verschlüsselte nachgebildete Goldstücke oder Schwundgeld nutzen, die Verwendung eines Tauschmittels immer zum selben aktuellen Ergebnis mit wenigen Gewinnern und vielen Verlierern führt.

Beispiel gefällig?

Zehn Menschen auf einer Insel, ganz ohne Banken oder Zinsen, einigen sich darauf, ein Tauschmittel, sagen wir 100 Lederstücke, für den Tauschhandel zu verwenden. Die Lederstücke werden zu Beginn gerecht auf die 10 Menschen aufteilen (je 10 Lederstücke) dann beginnt die Produktion und der Handel mit den Produkten. Will nun jeder der 10 Menschen Gewinn erzielen, also mehr Tauschmittel aus dem Kreislauf erhalten als er in der Produktion investiert hat kann die Rechnung nicht aufgehen. Jemand muss verlieren. Im Tauschhandel ginge die Rechnung nur dann auf, wenn für in der Güterproduktion gleich viel Tauschmittel eingesetzt würden wie im Verkauf erzielt werden. Dann stellt sich allerdings die Frage warum verwenden die 10 Menschen überhaupt ein Tauschmittel?

Mit diesem kleinen Beispiel versuche ich zu erklären, welche Intention eigentlich hinter der Verwendung eines JEDEN universellen Tauschmittel steckt, egal ob wir nun damit Kapitalismus, Kommunismus, soziale Marktwirtschaft, freie Marktwirtschaft oder nur Monopoly spielen! Das geht besonders an Oliver H.!

Sa., 18.04.2015 - 12:00 Permalink