Gesellschaft | PROMEMORIA

Kann es eine Antwort auf diese Fragen geben?

Mit vielen, vielen Fragen hat heute (20. Februar, Anm.d.Red.) der wohl wichtigste Tag unserer ganzen Reise nach Polen begonnen.
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Fragen, auf denen wir heute hoffen, eine Antwort zu finden, egal ob diese eindeutig, klar oder nicht sei. Was genau werden wir sehen, wie werden wir darauf reagieren? Mit all diesen Fragezeichen im Kopf steigen wir frühmorgens im Bus ein, der uns Erinnerungsstätte Auschwitz-Birkenau bringen soll.

Draußen ist es kalt, der Himmel ist bewölkt, ein leichter Nebel ist in den Bäumen hängen geblieben. Ein bleicher Sonnenstrahl grüßt uns, als wir in Auschwitz vom Bus aussteigen. In kleineren Gruppen gestaffelt, beginnen die Führungen durchs Museum, das in den Ziegelsteinbaracken des Lagers eingerichtet ist. Gewissermaßen wurde die systematische , krankhaft detaillierte Planung der Massenvernichtung von Menschen dargelegt, vom Verkauf all ihrer persönlichen Gegenstände (Schuhe, Koffer, Prothesen, etc.) bis hin zur rücksichtslosen Ausbeutung ihrer Arbeitskraft. Wie die wirtschaftliche Ausnutzung einer Ressource, um einen Vergleich aufzustellen. Durch die Tätowierung einer Nummer am Unterarm, dem Tragen der gestreiften Uniform, dem Rasieren der Haare verloren die Häftlinge ihre Identität, ihren Willen und klammerten sich verzweifelt ans nackte Überleben. Wir sahen den Gefängnisblock, auch bekannt als „Todesblock“, sowie die erste in Betrieb genommene Gaskammer mit Krematorium. In einem speziellen Museum waren die Fotos, Filme des Alltags jüdischer Familien zu sehen. Dort gibt es auch ein Buch, dem größten den wir je gesehen haben, indem ca. vier Millionen Namen von Juden eingetragen sind, die während der Shoah umgebracht wurden. Mit gemischten Gefühlen, ohne genau zu wissen was denken, sahen wir das alles. Zu welchen grausamen, verachtenden, bestialischen Taten gegen Seinesgleichen ist der Mensch im Stande? Wieso treibt ihn dieser Selbstzerstörungswahn, woher kommt er? Aber wir müssen trotz dieser dunklen Vergangenheit heute und jetzt Menschen bleiben, um mit diesen inneren Konflikt leben zu können, im Balanceakt zwischen den positiven und negativen Extremen des menschlichen Seins; so ermutigten uns die Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft Merans.

Nach einer kurzen Erholungspause ging es für uns weiter, rein in die Unendlichkeit Birkenaus. Dort gibt es rekonstruierte Holzbaracken zu sehen; was aber schockierend ist, sind die Ausdehnungen. Wir bewegen uns zwischen den Überresten von Baracken, gesprengten Krematorien und Gaskammern, ohne den Grund zu verstehen, wieso das alles jemals passieren konnte. Aber eine Antwort auf so eine Frage kann und wird es nie geben. Bei einem kurzen Erinnerungsmoment an einige aus Südtirol deportierten Juden, wie z.B. die Familie Carpi aus Bozen, gehen wir zurück, vorbei an den Gleisen, wo Millionen Unschuldige mit den Zugtransporten ins Lager kamen, dem sicheren Tod entgegen. In Gedanken versunken , wenig miteinander sprechend , verarbeitet nun jeder für sich, das was wir heute gesehen, gefühlt, gelernt haben. Wir müssen nun den Weg zurück, zurück in unserer Gegenwart finden und gemeinsam unsere Welt verbessern.

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Willy Pöder Mo., 23.02.2015 - 16:47

Wie gut, dass unsere Schülerinnen und Schüler wieder heil nach Hause zurückgekehrt sind, denn nach ihrem Aufbruch von zuhause musste man - der Meldung eines kommerziellen Radios zufolge - das Schlimmste befürchten: "150 Schüler sind unterwegs ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau", so polterte das Radio locker vom Hocker.

Mo., 23.02.2015 - 16:47 Permalink