Politik | Urbanistik

Trick Tourismuszone

Die Gemeinde St. Christina tut alles, um die Bausünden um das SmartHotel Saslong zu kaschieren. Dazu soll das Hotel noch einmal erweitert werden. Teil 2 eines Skandals.

Am 18. November 2014 genehmigt der Gemeindeausschuss von St. Christina zum zweiten Mal dieselbe Bauleitplanänderung. Die zuständige Kommission für Natur, Landschaft und Raumentwicklung wird sich in den nächsten Wochen mit dem Grödner Beschluss befassen. Danach geht die Bauleitplanänderung zurück an die Gemeinde und dann zur endgültigen Entscheidung in die Landesregierung.
Man darf schon jetzt gespannt sein. Denn in den zuständigen Ämtern, aber auch im Büro von Landesrat Richard Theiner liegen seit Monaten zwei detaillierte Promemoria, die die geplante Bauleitplanänderung von einer Seite beleuchten, die nicht nur verwaltungsrechtlich brisant ist.
In der Dokumentation werden anhand von Dokumenten, Plänen und Fotos die fortlaufenden Bauvergehen rund um das SmartHotel Saslong, die Untätigkeit der Gemeinde St. Christina, aber auch die Hartnäckigkeit nachgezeichnet, mit der eine öffentliche Verwaltung privaten Interessen entgegenkommt. Ganz am Ende des Dossiers heißt es:

„Bei allem Verständnis für die Wirtschaft. Gefördert werden soll rechtmäßige, bodenständige und nachhaltige Wirtschaft und nicht Spekulationen zu Lasten der einfachen Bevölkerung“.

Fehlender Rechtstitel?

Am Dienstag hat salto.bz im ersten Teil dieser Dokumentation beschrieben, wie es zum Neubau des SmartHotel Saslong in St. Christina gekommen ist. Aus den ursprünglichen 20 Zimmern wurden am Ende ganze 56 Zimmer. Der Bau verstößt dabei gleich unter mehreren Gesichtspunkten gegen geltende Bestimmungen und Gesetze. Klauseln in einem bisher nicht bekannten Vorvertrag lassen darauf schließen, dass der Bauherr der Gemeinde die urbanistische Gangart vorgegeben hat und nicht, wie vom Gesetz vorgesehen, umgekehrt.


Hotel Saslong:  (2005) und nach der Erweiterung und dem Neubau (2011)

Dass in der Bauphase dann auch noch die ursprüngliche Bäderfirma gewechselt wurde und dafür ausgerechnet das Unternehmen des SVP-Bürgermeisters Eugen Hofer den Auftrag im SmartHotel Saslong übernahm, lässt viel Interpretationsspielraum offen.
Eine unbestrittene Tatsache aber ist, dass der Bürgermeister und seine Gemeindeverwaltung nicht nur seit Jahren wegschauen, sondern auch äußerst aktiv daran arbeiten, dass das Hotel, dem der Rechtstitel für diese Größe fehlt, noch größer ausgebaut werden kann.
Es scheint fast so, als wolle man eine Schweinerei durch eine noch größere Schweinerei kaschieren und sanieren.

Es scheint fast so, als wolle man eine Schweinerei durch eine noch größere Schweinerei kaschieren und sanieren.

Das Tourismuskonzept

Das SmartHotel Saslong wird im Dezember 2010 eröffnet. Der amtierende Präsident und Geschäftsführer des Tourismusvereins St. Christina, Ezio Prinoth, hatte die Immobilie bereits per Vorvertrag ein Jahr zuvor vom Bauunternehmer Alois Rabensteiner erworben. Am 8. September 2010 erfolgt die Unterzeichnung des formellen Kaufvertrages.
Sowohl der Hotelier als auch die Gemeindeverwaltung scheinen aber Größeres zu planen. Zwischen Mai 2011 und August 2012 verabschiedet der Gemeinderat ein Tourismus-Entwicklungskonzept und legt die Kriterien für die Bettenzuweisung und die Ausweisung von Tourismuszonen fest. Laut Plan können in St. Christina 400 neue Betten errichtet werden. 16 Ansuchen gehen in der Gemeinde ein. Der Gemeindeausschuss genehmigt am 21. August 2012 die endgültige Rangliste. Auf Platz drei findet sich das SmartHotel Saslong von Ezio Prinoth. Das Unternehmen soll 20 neue Betten dazu bauen können. Damit käme das Hotel auf rund 130 Betten.

Falsche Angaben

Am 13. Mai 2013 stellt Ezio Prinoth bei der Gemeinde den Antrag, dass die Baurechtsfläche beim SmartHotel Saslong als Tourismuszone ausgewiesen wird. Beigelegt sind die Planungsunterlagen, nach denen hinter dem neuen Hotel bergseitig ein neuer L-förmiger, langgezogener Zubau entstehen soll. Zur Größe heißt es in den offiziellen Unterlagen: „Circa 3.000 Kubikmeter“. Der beigelegte technische Bericht des Planers ist dermaßen mangelhaft, dass die zuständigen Landesämter später nur mehr den Kopf schütteln können. Insgesamt sollen das Hotel am Ende 7.357 Kubikmeter umfassen.
Ohne die Vorgeschichte zu kennen und die Tatsache, dass das Hotel bereits jetzt größer ist, als es die Bestimmungen erlauben, wird selbst jedem Laien klar, dass diese Erweiterung ein Schildbürgerstreich sein muss.
Das Hotel ist an der Vorderseite durch die Staatsstraße begrenzt, zu beiden Seiten durch Privathäuser und an der Rückseiten durch einen 30 bis 45 Grad steilen Hang, der Gemeindegrund und zudem stark steinschlaggefährdet ist.


SmartHotel Saslong: Hinter dem Haus soll jetzt ein Zubau entstehen.

Am Auslauf dieses Hanges soll nach den Plänen der neue Zubau entstehen. Es ist aber ein Grundstück ohne Zufahrt (tereno intercluso). Weil ohne Zufahrt aber kein Bau entstehen kann, schreibt der Projektant im Bericht einfach: „Die Zufahrt zu dieser Bauparzelle ist sehr einfach durch einen direkten Zugang von der Hauptstraße“. Es ist eine reine Erfindung. Die zuständigen Landesämter sprechen in ihrem Gutachten später von einer „Falschaussage“.
In den Gemeindeämtern und im Gemeindeausschuss von St. Christina schert sich darum aber niemand. Man akzeptiert auch, dass der Projektant während des Baues eine provisorische Straße vorschlägt, die auf Gemeindegrund am Hang errichtet werden soll. Nur so gelangt man überhaupt zum Baugrundstück. Am 22. Juli 2013 genehmigt der Gemeinderat von St. Christina die beantragte Bauleitplanänderung und die Ausweisung der neuen Tourismuszone um das SmartHotel Saslong.

Die Eingabe

Wenig später machen sechs Anrainer eine detaillierte Eingabe, in der die gesamte Baugeschichte des Hotels seit 2004 nachgezeichnet wird. Anhand von Dokumenten und Fotos werden mehrere Bauvergehen dokumentiert und auch auf den möglichen Interessenskonflikt von Bürgermeister Eugen Hofer hingewiesen.
Hofer lässt umgehend seinen Anwalt brieflich auftreten und die Gemeinde tut so, als wäre nichts gewesen. Am 25. November 2013 weist der Gemeinderat den Einwand der sechs Anrainer ab und genehmigt die Bauleitplanänderung. Auf die Argumente der Anwohner geht man mit einer fadenscheinigen Begründung wohlweislich erst gar nicht ein. Bürgermeister Eugen Hofer auf der Sitzung: „Die Bemerkungen, die sich auf den Bauakt beziehen, betreffen nicht die Änderungen des Gemeinderates am Bauleitplan und müssen andersweitig vorgebracht werden“.
Genau das haben die Anrainer zu diesem Zeitpunkt aber längst getan. Sie schicken die Eingabe auch direkt an Landesrat Richard Theiner und die zuständigen Landesämter. Als sich die Landesbeamten mit der Eingabe und dem vorgelegten Projekt befassen, wird schnell klar, dass so einiges am Beschluss und am Bauakt aus St. Christina nicht stimmt.

Korrigierter Beschluss

Die Anwohner hatten in ihrer Eingabe auch darauf hingewiesen, dass der Beschluss zur Bauleitplanänderung der Gemeinde St. Christina „augenscheinliche substanzielle Fehler“ enthalte. So heißt es im italienischen Text des Beschlusses richtig, dass das SmartHotel Saslong 20 Betten dazu bauen darf. In der deutschen und in der ladinischen Übersetzung steht aber 66 Betten. Auch bei der Baudichte werden zwei unterschiedliche Angaben gemacht.

 


Fehler im Beschluss: Unterschiedliche Bettenanzahl angegeben

Obwohl der Gemeinderat die Eingabe einfach vom Tisch fegt, kann man über diese materiellen Fehler nicht hinwegsehen. Der Gemeindeausschuss von St. Christina tut dann einen Schritt, an dem deutlich wird, wie weit die Unkultur in dieser Verwaltung geht. Man setzt den Beschluss einfach neu auf und veröffentlicht ihn als „Wiederveröffentlichung aufgrund von Korrektur von materiellen Fehlern am deutschen und ladinischen Text“.
Es ist eine klar gesetzeswidrige Handlung. Darauf weist auch die stellvertretende Direktorin des Amtes für Landschaft und Raumentwicklung, Johanna Ebner, hin. In ihrem Gutachten heißt es: „Es ist rechtlich nicht möglich einen Beschluss auszutauschen. Im Fall von Fehlern muss die Gemeinde einen Richtigstellungsbeschluss machen oder aber den Beschluss zurücknehmen und die Änderungen neu genehmigen“.

Die Vertagung

Am 20. Februar 2014 steht die Bauleitplanänderung zum ersten Mal auf der Tagesordnung der Kommission für Natur, Landschaft und Raumentwicklung. Als Vertreter der Gemeinde ist auch Bürgermeister Eugen Hofer bei der Sitzung anwesend. An diesem Andreas-Hofer-Tag kommt es für den Grödner Hofer aber zu einer symbolischen Kopfwäsche. Die zuständigen Ämter zerpflücken den Antrag und die Vorgangsweise der Gemeinde.
In der Stellungnahme des zuständigen Amtes für Ortsplanung Nord-Ost an die Kommission heißt es:

  • Die von den Anrainern aufgeworfenen Punkte sind durchaus ernst zu nehmen

  • Die Unterlagen sind mangelhaft und für die Bewertung des Antrages nicht ausreichend. Bestandskubatur, Bettenanzahl, Sterne, Parkplätze usw. sind wichtig für die Entscheidungsfindung. Der technische Bereich muss sich auf Fakten beziehen und darf keine Falschaussagen beinhalten – Zufahrt ist effektiv nicht möglich.

  • In Steinschlaggefährdeten Gebieten können keine neuen Zonen ausgewiesen werden. Eine Kompatibilitätsprüfung ist unabdingbar.

  • Ein Nachweis über die vorhandenen Stellplätze fehlt – jedenfalls müssen die Parkplätze auf der Fläche der neuen Zone untergebracht werden.

  • Es wird bestätigt, dass die Aussagen zum Bestand (Zimmer) erforderlich für die Überprüfung sind.

Den Beamten fällt eine weitere Ungereimtheit auf. Im SmartHotel Saslong befindet sich auch ein Skiverleih. Im Bericht ist zu lesen:

„Auf dem Areal des heutigen Hotelbetriebes ist zudem bereits ein Skiverleih untergebracht! Wie möglich?“

Die Fachleute merken schnell, warum im Akt aus St. Christina grundlegende Angaben und Dokumente fehlen. So heißt es im Gutachten weiter:

Es wird weiters festgehalten, dass urbanistische Änderungen nicht als Sanierung von Bauvergehen genutzt werden können, ohne die Anwendung der Sanktionen laut Artikel 80ff des Landesraumordnungsgesetzes.“

Um die Gemeinde St. Christina nicht allzu sehr zu brüskieren, einigt man sich in der Kommissionssitzung am Ende auf einen Kompromiss. Wegen des Austausches des Beschlusses kann der Antrag nicht begutachtet werden, zudem fehlt ein geologisches Gutachten.
Die Kommission verlangt aber auch, dass die Gemeinde auf die Einwände der Anrainer in einer Stellungsnahme eingeht und vor allem, dass die Gemeindeverwaltung bescheinigt, dass das bestehende Bauwerk den gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Die Behandlung des Antrags wird deshalb vertagt.

Die Ablehnung

Bereits am 6. März 2014 erteilt der Gemeindeausschuss von St. Christina dem Geologen Hermann Nicolussi den Auftrag ein geologisches Gutachten für das SmartHotel Saslong zu erstellen. Weil die Bauleitplanänderung von der Gemeinde beantragt wird und laut Gesetz im „öffentlichen Interesse“ erfolgt - obwohl die Ausweisung der Tourismuszone allein dem privaten Hotelier zum Vorteil gereicht-  bezahlt man das Gutachten aus der Gemeindekasse: 4.294 Euro. Es ist eine der vielen Absurditäten der Südtiroler Raumordnung und Gesetzgebung.


Ansicht Rückseite (das Smarthotel Holzbau in der Mitte): An diesem Hang sollen weitere 3.000 Kubikmeter verbaut werden.

Das Gutachten, das einige Schutzmaßnahmen zur Reduzierung der Steinschlaggefahr vorsieht, wird Ende Mai den zuständigen Landesämtern übermittelt. Die Gemeinde St. Christina liefert den Landesämtern aber weder einen genauen Bestandsnachweis für das SmartHotel Saslong, noch geht man auf die Einwände der Anrainer ein. Auch die verlangte Bestätigung, dass das bestehende Bauwerk den gesetzlichen Bestimmungen entspricht, bleibt aus. Der Grund dafür ist einfach: Es wäre eine Falscherklärung.
Vor diesem Hintergrund lehnt die Kommission für Natur, Landschaft und Raumentwicklung die Bauleitplanänderung auf ihrer Sitzung vom 3. Juli 2014 ab. Am 22. Juli 2014 bestätigt die Landesregierung per Beschluss die Ablehnung.
Eugen Hofer & Co wollen sich damit aber nicht abfinden. Man macht einen weiteren, völlig unüblichen Schritt. Im Spätsommer 2014 schickt die Gemeinde St. Christina eine förmliche Aufsichtsbeschwerde gegen die zuständigen Landesbeamten an das Generalsekretariat des Landes. Gleichzeitig ersucht man die Landesregierung nachdrücklich die Bauleitplanänderung doch noch zu genehmigen.
Die zuständigen Amtsdirektoren müssen in langen Stellungnahmen an den Generaldirektor und die Landesregierung daraufhin noch einmal ihre Entscheidung begründen. Weil die Berichte absolut stichhaltig und eindeutig sind, passiert nichts.

Neuer Anlauf

Anscheinend ist die geplante Sanierung und Kaschierung der Bausünden rund um das SmartHotel Saslong durch die Ausweisung einer Tourismuszone und eine erneute Erweiterung des Hotels um über 3.000 Kubikmeter aber überlebenswichtig für die Gemeinde St. Christina.
Nur so ist es erklärbar, dass man jetzt einen neuen Anlauf macht. Am 18. November 2014 genehmigt der Gemeindeausschuss von St. Christina in einem Sammelbeschluss 12 Bauleitplanänderungen. Darunter erneut die Ausweisung der Tourismuszone SmartHotel Saslong. Es ist die Wiederauflage desselben Beschlusses, den man das Land bereits abgelehnt hat.
Teil des Beschlusses sind auch die technischen Unterlagen des Projektanten. Auch dort hat sich nichts geändert. Im gesamten Bauakt gibt es weder eine Angabe zur Bestandskubatur noch zur bestehenden Zimmer- oder Bettenanzahl.
Dass man es nochmals versucht, wird mit dem Gutachten der Kommission für Natur, Landschaft und Raumentwicklung begründet. Im Ablehnungsbeschluss vom Juli 2014 heißt es:

„Die Kommission befürwortet generell, dass Hotels als Tourismuszonen ausgewiesen werden und hat keine sachlichen Einwände bezüglich Erweiterung des bestehenden Hotels. Die Ausweisung kann jedoch aus formalrechtlichen Gründen nicht befürwortet werden.“

Noch im März wird der neue Antrag zur Beileitplanänderung aus St. Christina in die Kommission für Natur, Landschaft und Raumentwicklung kommen.
Dann wird sich zeigen, ob die formalrechtlichen Gründe plötzlich hinfällig sind.