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St. Spekulina

Die unglaubliche Geschichte um den Bau und die Erweiterung des SmartHotel Saslong in St. Christina ist ein Fall für den Staatsanwalt. Eine Dokumentation in zwei Teilen.

Eugen Hofer ist ein erfolgreicher Typ. Als Geschäftsführer und Vizepräsident leitet er das Familienunternehmen „Hofer Group“, das im Heizungs- und Sanitärbereich genauso tätig ist wie bei der Installation von Lüftungs- und Klimaanlagen oder beim Bau von Schwimmbad- oder Wellnessanlagen. Mit 120 Mitarbeitern ist seine Firma weit über das Grödnertal hinaus eine Erfolgsgeschichte.
2010 wurde Eugen Hofer zum SVP-Bürgermeister von St. Christina gewählt. Seine Tage im Rathaus sind aber gezählt. Hofer wird bei den kommenden Gemeinderatswahlen nicht mehr antreten. Der Unternehmer scheidet freiwillig aus der Mandatspolitik aus. Die SVP-Gröden bedankte sich vergangene Woche in einer Pressemitteilung bei Eugen Hofer: „Er hat als erfolgreicher Unternehmer in den vergangenen fünf Jahren St. Christina wirklich sehr weiter gebracht und Grundlagen geschaffen, auf denen wir weiterarbeiten können.


Eugen Hofer: Scheidender Bürgermeister von St. Christina

Post vom Rechtsanwalt

Eugen Hofer ist ein resoluter Typ. Im August 2013 reichen sechs Bürger aus St. Christina bei der Gemeinde und beim Land – wie vom Gesetz vorgesehen – einen Einwand gegen eine kurz zuvor im Gemeinderat beschlossene Bauleitplanänderung ein. Am 9. Oktober 2013 erhalten die Rekurssteller Post aus der Bozner Anwaltskanzlei Fava. Anwalt Federico Fava schickt im Auftrag von Eugen Hofer eine formale „diffida“. Der Anwalt führt aus, dass die Eingabe einen „tono diffamtorio e calunnioso“ habe und fordert die Angeschriebenen auf, sich innerhalb von 15 Tagen schriftlich bei Eugen Hofer zu entschuldigen. Ansonsten würde eine Klage folgen.
Zu dieser Entschuldigung ist es nie gekommen.


Verwarnung vom Anwalt: Mandat zum Schutz des Bürgermeisters

Der Einschüchterungsversuch des SVP-Bürgermeisters hat einen äußerst brisanten Hintergrund. Die Eingabe deckt eine Skandalgeschichte auf, die ein Musterbeispiel für kommunale Klientelarpolitik in Südtirol ist. Dabei geht um nichtgeahnte Bauvergehen, den widerrechtlichen Austausch von Beschlüssen, den Versuch einer fortlaufenden Begünstigung eines Privaten durch die Gemeindeverwaltung und einen Bürgermeister, dessen Unternehmen gleichzeitig Auftragsnehmer im umstrittenen Fall ist.

Ein Musterbeispiel für kommunale Klientelarpolitik in Südtirol

Schwieriger Start

Die Geschichte beginnt vor über zehn Jahren, lange bevor Eugen Hofer Bürgermeister von St. Christina wird. Am 14. Dezember 2004 stellt die Gemeinde St. Christina eine Baugenehmigung für den Abbruch und den Wiederaufbau des Hotel Sasslong aus. Das alte Traditionshotel, das am westlichen Dorfende liegt, soll qualitativ und quantitativ erweitert werden.
Das Hotel hat eine Lizenz für 20 Zimmer. Nimmt man sowohl die qualitative als auch die quantitative Erweiterung in Anspruch, kann man maximal 25 Zimmer dazu bauen. In diesem Rahmen bewegt man sich auch. Das eingereichte Projekt sieht vor, dass 46 Zimmer entstehen sollen.


Altes Hotel Sasslong (vor dem Abriss): Von 40 auf 100 Betten

Alois Rabensteiner, Inhaber der gleichnamigen Villanderer Baufirma, hat das Hotel – über eine steuerschonende Quoteneinbringung - erworben und will auch den Neubau verwirklichen. Doch noch vor Baubeginn kommt es zu größeren Problemen. Weil die Abbruchverfügung bereits verfallen ist, Asbest zum Vorschein kommt und die Sicherheitsbestimmungen nicht eingehalten werden, beschlagnahmt die Staatsanwaltschaft nach einer Eingabe die Baustelle für ein Jahr.
Im Jänner 2010 stellt der damalige Bürgermeister von St. Christina, Bruno Senoner, eine neue Baugenehmigung aus, damit die Arbeiten beendet werden können. Im Dezember 2010 wird dann das inzwischen umgetaufte und in Holzbauweise errichtete „SmartHotel Saslong“ eröffnet.

Der Vorvertrag

Der Plan des Bauunternehmers Alois Rabensteiner ist von Beginn an klar: Er will das Hotelprojekt entwickeln, mit seiner Baufirma verwirklichen und dann das Hotel verkaufen. Genauso läuft es auch.
Bereits am 11. Dezember 2009 unterschreiben Alois Rabensteiner und Ezio Prinoth einen Kaufvorvertrag. Der Grödner Hotelier Prinoth, seit Herbst 2014 auch Präsident und Geschäftsführer des Tourismusvereins St. Christina, erwirbt das neue Hotel sozusagen schlüsselfertig. Der Kaufpreis: rund 6,5 Millionen Euro.
Der nicht registrierte Vorvertrag - der salto.bz vorliegt - enthält aber mehrere Klauseln, die, gelinde gesagt, etwas unorthodox sind. Im Kaufvorvertrag wird festgehalten, dass das neue Hotel 50 Zimmer haben wird. Das Problem dabei: In dem von der Gemeinde genehmigten Projekt sind nur 46 Zimmer vorgesehen. Das weiß natürlich auch der Käufer. Deshalb wird eine Klausel in den Vertrag eingebaut. Für jedes Zimmer weniger als 50, werden vom Kaufpreis 125.000 Euro abgezogen.


Vorvertrag (Auszug): Festgelegt, was die Gemeinde tun wird.

Doch Alois Rabensteiner scheint sich von Anfang an relativ sicher zu sein, dass er die 50 Zimmer verwirklichen kann. Denn beim Bau gibt es noch ein zweites Problem: die Parkplätze. Es ist zwar eine Tiefgarage vorgesehen, aber damit erreicht der neue Hotelbesitzer noch lange nicht die gesetzlich vorgeschriebenen Autoabstellplätze.
Zum Hotel gehört auch ein Parkplatz. Ein Teil davon wird seit 40 Jahren als öffentlicher Parkplatz und als Bushaltestelle von der Gemeinde genutzt. Im Vorvertrag heißt es, dass „dieser Platz in voller, exklusiver und absolut freier Verfügung der neuen Hotelstruktur sein muss“. Im Vertrag weiter:
„In diesem Bezug erklärt Herr Rabensteiner Alois, dass er bereits Kontakt mit der Gemeindeverwaltung aufgenommen habe, die sich bereit erklärt hat, die Bushaltestelle weiter talwärts zu verlegen“.
Gesagt, getan.

Der Auftrag

2010 werden der öffentliche Parkplatz aufgelassen und die Bushaltestelle verlegt. Das geschieht alles sozusagen auf dem kurzem Dienstweg. Es gibt weder einen Beschluss zur Verlegung der Bushaltestelle in der Gemeinde St. Christina, noch bei der zuständigen Abteilung des Landes.
Vor allem aber genehmigt die Gemeinde St. Christina am 27. Juli 2010 plötzlich ein Varianteprojekt, in dem der Bau von 50 Zimmern vorgesehen ist. Das Problem dabei: Die Erhöhung der Zimmeranzahl verstößt gegen alle Landesgesetze. Weil der Bauherr alle Spielräume ausgenutzt hat, ist diese Variante nicht zulässig. Trotzdem wird sie aber in der Gemeinde anstandslos und ohne Begründung durchgewunken.
Im Vorvertrag zwischen Rabensteiner und Prinoth war zwar festgehalten worden, dass die Gemeinde die 50 Zimmer bis Ostern 2010 genehmigt, diesem Plan waren aber die Gemeinderatswahlen in die Quere gekommen. Am 16. Mai 2010 wird in St. Christina Eugen Hofer zum neuen Bürgermeister gewählt. Und die neue Verwaltung genehmigt wenig später genau das, was im Vorvertrag vorgesehen war.
Der Zufall will es , dass sich parallel dazu auch eine Änderung bei den Unternehmen ergibt, die am Neubau des SmartHotel Saslong arbeiten. In den Planungsunterlagen und als Beilage zum Vorvertrag sind auch ein Plan der sanitären Anlagen und der Bäder sowie der technische Ausführungsplan für die Bäder enthalten. Sie stammen von der Trentiner Firma „Sanika“, die laut Vorvertrag vom Dezember 2009 auch diese Arbeiten durchführen soll.
Doch dazu kommt es letztlich nicht. Die gesamten Hydraulikerarbeiten und Bäder im neuen Hotel werden 2010 an die „Hofer Group“ übergeben. Es ist das Unternehmen des neuen Bürgermeisters von St. Christina.
Zufälle gibt es eben.


Schild am Bauzaun 2010: die Firma des Bürgermeisters

Lästige Nachbarn

Dieser Zufall wird auch in der Eingabe angeführt, die die sechs Nachbarn drei Jahre später bei Gemeinde und Land machen. Es ist der Grund dafür, dass der Bürgermeister unmittelbar seine Anwälte per Einschreibebrief antworten lässt.
Auf den Inhalt und die Vorhaltungen in der Eingabe geht aber weder der Bürgermeister noch der Gemeinderat genauer ein. Dann wäre herausgekommen, dass der Bau des SmartHotel Saslong, so wie er heute dasteht, zum größten Teil widerrechtlich ist.
Denn für die qualitative Erweiterung auf 46 Zimmer muss der Betrieb drei Sterne haben. Das Hotel ist bis heute aber offiziell als 2-Sterne-Hotel eingestuft. Damit fehlt eine Grundvoraussetzung. Dazu kommt noch, dass der Betrieb auch mit drei Sternen auf maximal 46 und nicht auf 50 Zimmer erweitert werden kann.
Doch dem nicht genug: In der Eingabe wird fotografisch dokumentiert, dass das Hotel sogar 56 Zimmer hat. Denn in den ursprünglichen Flucht- und Hohlräumen wurden weitere 6 Zimmer gebaut.


Zimmer in den Hohlräumen: Gemeinde sieht nichts

Am 12. Dezember 2013 machen die Gemeindetechnikerin und der Chef der Dorfpolizei im Auftrag des Bürgermeisters im Hotel einen Lokalaugenschein. Das Protokoll der Kontrolle liest sich wie ein vorgezogener Faschingsscherz:
„Die statischen Leerräume sind heute nicht zugänglich, da der Zugang von innen mit Gipskarton verschlossen wurde. Von außen lässt sich die Balkontür nicht öffnen. Ein Vorhang behindert die Sicht zum dahinter liegenden Raum.“
Damit ist die das Thema für die Gemeinde erledigt.
Doch die Skandalgeschichte um das SmartHotel Saslong ist noch lange nicht beendet. Während Bürgermeister Eugen Hofer den Nachbarn mit einer Klage droht, fädelt man rund um das SmartHotel Saslong schon den nächsten Coup ein.
Anstatt die Bauvergehen zu sanieren, soll nach dem Willen der Eigentümer und der Gemeinde die Hotelkubatur jetzt fast verdoppelt werden.

Lesen Sie am Mittwoch Teil 2 der unglaublichen Geschichte: Trick Tourismuszone 
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Profil für Benutzer Andrea Terrigno
Andrea Terrigno Di., 03.03.2015 - 10:19

Jo sette grausige Schweinereien. Guat za wissn; net amol an Kaffee wer' i zemm b'stelln. Mi kotzn settene übertriebenen Betriebe eh an. Bluoeah!

Di., 03.03.2015 - 10:19 Permalink
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Profil für Benutzer Mensch Ärgerdichnicht
Mensch Ärgerdi… Di., 03.03.2015 - 22:58

Wie sagte vor einigen Jahren ein Hotelier zu mir: "früher war alles einfacher. Da haben wir beim Hotel alle paar Jahre schwarz was dazugebaut sobald wir ein wenig Geld auf Seite hatten, dann kam der Condono und alles passte wieder bis zum nächsten Condono. Heute habt ihr Jungen mit den ganzen Regeln und Gesetzen es viel schwerer..."
Manche glauben wohl immer noch in der Vergangenheit zu leben...

Di., 03.03.2015 - 22:58 Permalink