Politik | SVP

Der Feldzug

Landeshauptmann Arno Kompatscher steht den ökonomischen Interessen der Familie Ebner im Weg. Eine Analyse des Frontalangriffs aus dem Hause Athesia.

Der Satz sollte wie ein Witz klingen. „Wir arbeiten nicht mit Kompatscher, sondern trotz Kompatscher“, gibt sich eine Dolomiten-Redakteurin gegenüber dem Landeshauptmann keck. In Wirklichkeit ist der Ausspruch an diesem Vormittag an der Theke der Landtags-Bar aber todernst gemeint. Es ist eine Botschaft, die schonungslos das Credo offenlegt, das im Hause Athesia herrscht.
Es ist der Schoß aus dem auch die Kampagne kriecht, die das Tagblatt der Südtiroler seit vergangener Woche fährt. Die ehemaligen SVP-Senatoren Helga Thaler-Außerhofer, Roland Riz, Oskar Peterlini und Altlandeshauptmann Luis Durnwalder fahren in Sachen Südtirol Autonomie mit schweren Geschützen auf. Unter dem Strich kommt in allen Interviews eines heraus: Arno Kompatschers Autonomie-Politik ist ein Versagen auf ganzer Linie. Kompatscher habe Südtirol an Italien verkauft, steht sinngemäß auf der Titelseite der Dolomiten.

Wir arbeiten nicht mit Kompatscher, sondern trotz Kompatscher

Das Sperrfeuer aus dem Weinbergweg ist perfekt orchestriert und getimt. Die Autonomiepolitik ist dabei nur ein willkommener Vorwand, um den Landeshauptmann und die Landesregierung wund zu schießen. Der Antrieb der Unternehmer- und Verlegerfamilie Ebner ist weniger die Sorge um Südtirol, als die Angst um die eigene Brieftasche.

Die Partei

Der Athesia-Konzern und sein Flaggschiff Dolomiten haben jahrzehntelang im Gleichschritt mit der Politik die Geschicke Südtirols bestimmt. Durch die personelle Verflechtung zwischen Toni Ebner senior zuerst, dann Michl Ebner und der Südtiroler Volkspartei, macht man jahrzehntelang gemeinsam Südtirols Politik. Beide Seiten profitieren davon. Die Partei hat ein mächtiges Propagandamedium, die Politiker ein verlässliches Sprachrohr und der Konzern die Sicherheit, von der Landespolitik gemästet und gehätschelt zu werden.

Der Antrieb der Unternehmer- und Verlegerfamilie Ebner ist weniger die Sorge um Südtirol, als die Angst um die eigene Brieftasche.

Auch hier gibt es einen Satz, der das Ebnerische Selbstverständnis am besten zusammenfasst. Er ist fast 16 Jahre alt. Am 9. Mai 1999 zitiert Dolomiten-Chefredakteur Toni Ebner auf einer internationalen Medientagung in Köln einen Ausspruch des damaligen außenpolitischen Sprechers der Österreichischen Volkspartei, Andreas Kohl: „Parteien halten sich Zeitungen, nur in Südtirol ist das anders, dort hält sich eine Tageszeitung eine Partei.

Der Kollateralschaden

Dass diese Wunschvorstellung auch heute noch im Weinbergweg herumspukt, manifestiert sich wieder einmal in diesen Tagen.
Karl Zeller ist einer jener SVP-Politiker, die besonders ins Visier genommen werden. Der Meraner Senator soll für eine politische Entscheidung büßen, die er maßgeblich innerhalb der SVP durchgesetzt hat und die vor allem Toni Ebner bis heute gegen den Strich geht.
Jahrelang hatte die SVP mit ihrer römischen „Blockfreiheit“ kokettiert. Bei den Parlamentswahlen 2013 schmiedete man vorab aber einen Pakt mit Pierluigi Bersani und dem PD. Dagegen schrieben die Dolomiten und ihr Chefredakteur wochenlang vehement an. „Wir lassen uns doch nicht von einer Zeitung sagen, was wir zu tun haben“, erklärte Karl Zeller mehrmals im Wahlkampf. Es war die entscheidende Majestätsbeleidigung, die die jahrzehntelang ausgezeichnet funktionierende Achse Dolomiten-Zeller zu Bruch gehen ließ.

Karl Zeller ist im Ebnerschen Feldzug nur ein willkommener Kollateralschaden.

Als die SVP entgegen den Kassandra-Rufen aus dem Weinbergweg bei den Parlamentswahlen dann einen historischen Erfolg einfährt und so viele Parlamentarier nach Rom bringt wie noch nie, frohlockt Zeller. Und Toni Ebner grantelt noch mehr.
Seitdem kommt Karl Zeller in den Dolomiten nicht mehr vor. Die verbalen Watschen, die Roland Riz vergangene Woche genüsslich in den Dolomiten gegen den Meraner Verfassungsrechtler ausbreiten durfte, ist als späte Revanche zu sehen.
Karl Zeller ist im Ebnerschen Feldzug aber nur ein willkommener Kollateralschaden.

Durnwalder & Ebner

Das eigentliche Angriffsziel liegt eine Etage höher. Im Palais Widmann.
Auch das ist nicht neu. Das Verhältnis zwischen der Athesia und Landeshauptmann Luis Durnwalder war eine Art Gleichgewicht des Schreckens. Es war eine Interessengemeinschaft. Durnwalder fütterte den Ebner-Verlag mit Landesgeldern, die Athesia ließ den Landeshauptmann (meistens) in Ruhe. Mit dem Ausstieg Michl Ebners aus der aktiven Politik und den Sprung in die Handelskammer änderte sich die Situation deutlich. Athesia und Dolomiten brauchen jetzt keine Rücksicht mehr auf Ebners politische Karriere zu nehmen. Unmittelbar erhöhte man den Druck auf die SVP und die Landesregierung.
So hält fast über Nacht eine SVP- und Landesregierung-kritische Berichterstattung in den Dolomiten Einzug. Nachdem man jahrzehntelang vom System profitiert hat wie kein zweites Südtiroler Unternehmen, gebärdet man sich plötzlich als Aufdecker. Exemplarisch zeigt das der Fall um die Südtiroler Landesenergiegesellschaft SEL oder den Rentenskandal.
Dass man mit Martha und Michl Ebner gleich zwei Nutznießer der Politikerrenten in der eigenen Familie hat, konnte man der Südtiroler Öffentlichkeit bisher geschickt verschweigen.

Dass man mit Martha und Michl Ebner gleich zwei Nutznießer der Politikerrenten in der eigenen Familie hat, konnte man der Südtiroler Öffentlichkeit bisher geschickt verschweigen.

Unterlassener Bückling

Die wirtschaftlichen Interessen des Athesia-Konzerns und der Familie Ebner werden im Laufe der Jahre aber immer aggressiver. Als es um die Durnwalder-Nachfolge geht, will der Ebner-Konzern auch die Erneuerung personell (mit)bestimmen.
Dieser Plan geht aber in die Hose. Mit Arno Kompatscher wird einer zum neuen Landeshauptmann, der dem Werben und den politischen Drohungen des mächtigen Medienkonzerns widersteht. Auch die neue SVP-Führung tanzt nicht mehr wie gewünscht nach der Pfeife der Dolomiten.

Die Sonderbehandlung der Dolomiten-Journalisten – mit garantieren Exklusivgeschichten - ist damit über Nacht vorbei.

Arno Kompatscher unterlässt von Anfang an den von ihm im Weinbergweg erwarteten Bückling. Als Landeshauptmann beginnt er die Dolomiten und den Athesia-Konzern genauso zu behandeln, wie alle anderen Südtiroler Medien. Die Sonderbehandlung der Dolomiten-Journalisten – mit garantierten Exklusivgeschichten - ist damit über Nacht vorbei.
Genau damit kommt man am Weinbergweg nicht klar. Deshalb stellt man Kompatscher periodisch im Tagblatt der Südtiroler die Rute ins Fenster.

Athesias Energie

Rechtfertigt der publizistische Liebesentzug aber diesen Frontalangriff? Wohl kaum.
Der Hauptgrund für die Autonomie-Kampagne ist die Tatsache, dass Arno Kompatscher den wirtschaftlichen Gelüsten der Athesia und der Familie Ebner im Wege steht. Und das gleich in mehreren Bereichen.
Der Athesia ist im vergangenen Jahr viel von der Medienförderung durch das Land weggebrochen, die dem Verlag jahrzehntelang ein wichtiges Einkommen garantiert hat. Auch bei der Ausarbeitung des neuen Fördergesetzes für Online-Medien tanzen Kompatscher und seine Landesregierung nicht nach dem Wunschkonzert aus dem Weinbergweg.
2010 gründet Michl Ebner die „Athesia Energy“. Man will auch im lukrativen Energiesektor groß ins Geschäft einsteigen. Außerhalb Südtirols tut man das nicht mit dem Verlag, sondern mit eigenen privaten Gesellschaften. So besitzt ein Familienunternehmen nicht nur ein Windrad in Foggia, vergangene Woche hat man auch einen größeren Windpark bei Melfi übernommen.
Die Athesia ging davon aus, dass man spätestens nach dem SEL-Skandal auch im Südtirol Energiesektor mitspielen kann. Aber auch hier fand Arno Kompatscher mit der Fusion SEL-Etschwerke und den Rückkauf der ENEL-Anteile eine Lösung, die an der „Athesia Energy“ vollkommen vorbeigeht.
Das war im Hause Ebner so nicht geplant.

Brennercommt nicht

Das entscheidende Schlachtfeld liegt aber auf einem anderem Sektor: dem Telekommunikationsunternehmen „Brennercom AG“ und damit zusammenhängend dem Südtiroler Breitbandnetz. Hier zieht Arno Kompatscher eine Politik durch, die Michl und Toni Ebner als Angriff auf ihre ökonomische Interessen interpretieren.
Die Ausgangslage: Seit einigen Jahren hält die Athesia-Gruppe über die Innsbrucker Firma KM Invest und Athesia Druck GmbH insgesamt 48,34 Prozent an der „Brennercom AG“. Das Land Südtirol ist mit 42,35 Prozent der zweitgrößte Aktionär.
Michl Ebner will unbedingt die Aktienmehrheit in dem Telekommunikationsunternehmen erwerben. Das Land hat zwar 2010 und 2013 eigene Anteile zum Verkauf ausgeschrieben, der Athesia war das aber zu teuer. Lange ging man im Weinbergweg davon aus, weit billiger zur Mehrheit zu kommen.
Athesia nahm bereits vor drei Jahren Kontakt mit den beiden Brennercom-Kleinaktionären Stadtwerke Brixen (1,74 %) und Brennerautobahn AG (2,71 %) auf. Michl Ebner bot den beiden Unternehmen rund das Doppelte des Marktpreises der Brennercom-Aktie. Mit den Aktienpaketen der beiden oder auch nur mit einem der beiden Kleinaktionäre kommt die Athesia auf über 50 Prozent der Brennercom-Anteile.
Noch unter Luis Durnwalder scheiterte der Plan. Arno Kompatscher spricht sich von Anfang gegen die Abgabe der Mehrheit in der Brennercom aus. Der neue Landeshauptmann stoppte nicht nur dem Verkauf der Landesanteile, er tut vergangenes Jahr etwas, was ihm seine Gegner nicht zugetraut haben.
Per Landesgesetz führt man die Möglichkeit ein, dass sich die Brennercom-Kleinaktionäre ihre Anteile in einer gemeinsamen Gesellschaft zusammenführen. Das geschieht derzeit. Damit aber ist die fix eingeplante Übernahme aus dem Hause Athesia gestorben.

Schmales Band

Allein diese Aktion ist für die Athesia eine schwere Majestätsbeleidigung. Doch der neue Landeshauptmann setzte noch eines drauf. Arno Kompatscher erklärte zuerst Michl Ebner und dann öffentlich seine Überzeugung, dass das Breitbandnetz des Landes nicht in private Hände gehöre, sondern weiterhin von der öffentlichen Hand finanziert und geführt werden soll.

Das Breitband sollte eine der großen Einnahmequellen der Zukunft für die von Athesia beherrschten Brennercom werden. Diesem Plan hat Kompatscher einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Die Überlegung: Die Datenautobahn soll der öffentlichen Hand gehören und von dieser auch verwaltet werden. Die Privaten können dann den Verkehr darauf abwickeln. Die neue Landesregierung ist dabei, die Weichen in diese Richtung zu stellen.
Gerade das Breitband sollte aber eine der großen Einnahmequellen der Zukunft für die von Athesia beherrschten Brennercom sein.
Das ist der Hauptgrund, warum man jetzt zum Generalangriff gegen Kompatscher & die Landesregierung bläst. Der Auflauf der Altmandatare dürfte hier nur ein erstes Schaulaufen sein.

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Hartmuth Staffler Di., 17.03.2015 - 08:31

Franceschini schildet anschaulich die möglichen Motive einer Athesia-Ebner-Kampagne gegen den Landeshauptmann. Ebenso interessant wäre eine Analyse aus der Feder des Medienexperten über die möglichen bzw. unmöglichen Motive von RAI Südtirol für die beispiellose Kampagne zugunsten des Landeshauptmannes.

Di., 17.03.2015 - 08:31 Permalink
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Walter M Di., 17.03.2015 - 09:45

Wir sind also auf dem Weg zu einer wünschenswerten Situation: Es gibt Parteien (Plural) und Medien (Plural), die nur teilweise einer Meinung sind.

Nur müssen sich halt die Leser und Wähler erst daran gewöhnen, dass Die Wahrheit (TM) sehr subjektiv sein kann.

Di., 17.03.2015 - 09:45 Permalink
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Stephan H. Di., 17.03.2015 - 10:27

Das Problem bei uns in Südtirol ist, dass bei einer Sache, die effektiv Gefahren für unsere Teil-Autonomie (weil "autonom" bedeutet eigentlich unabhängig, und das sind wir wahrlich nicht) birgt, von verschiedenen Seiten dazu verwendet wird, daraus Kapital zu schlagen. Die Athesia scheint aus Egoismus eine Kampagne gegen den LH und co. zu fahren, und die Gegenseite sieht die reellen Gefahren durch den Zentralismus nicht. Das ist ein perfektes Divide-et- Impera-Schema und der glückliche Dritte wird der Nationalstaat Italien sein, der die Teilautonomie weiter aushöhlen kann, bis nur noch Reste davon übrig sind.
Ich weiß nicht ob das daran liegt, dass Südtirol noch nicht in der Moderne angekommen ist und noch immer in "Hintertupf" lebt, aber modernere Regionen wie Schottland und Katalonien geben den Weg vor.

Di., 17.03.2015 - 10:27 Permalink
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G G Di., 17.03.2015 - 11:52

Es stimmt mich immer wieder bedenklich, wie unglaublich viel Macht die Ebner-Familie über Südtirol hat, denn ein großer Teil der Bevölkerung ist bei der Meinungsbildung nach wie vor stark von der "Dolomiten" geprägt.
Michl Ebner hat durch den familiären Rückhalt eine Narrenfreiheit, wie sie kein anderer Ex-Politiker, kein Politikrentner und kein anderer Mensch an so einem wichtigen Posten wie dem in der Handelskammer hat.

Ich hoffe, dass Franceschini damit Recht hat, dass die aktuelle Regierung mit Kompatscher dem für Südtirol überdimensionalen Einfluss dieser Familie gewachsen ist und dieser Einhalt gebietet.

Auch in den Kommentaren beider Ebner-Online-Medien wird alles zensuriert und nicht veröffentlicht, was auch nur im Entferntesten einen kritischen Blick auf die "goldene Familie" wirft. Sie sind diesbezüglich unantastbar.

Di., 17.03.2015 - 11:52 Permalink
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Martin Federspieler Di., 17.03.2015 - 21:51

Gestern wurden sie mit Politrenten-Causa und Sonderfondsermittlungen zu nimmersatten Opportunisten gestempelt, heute werden sie in derselben Zeitung als um das Allgemeinwohl besorgte Kronzeugen gegen die neue politische Führung in Südtirol ins Feld geführt.
Eine recht nachhaltige Strategie scheint mir da nicht dahinter zu stecken. Ist das gegenseitige Vertrauen erst mal dahin, kann man nur noch auf Angst setzen.
Angst bald wieder selbst in Sachen Rentenrekurse unangenehm in den Mittelpunkt gerückt zu werden?
Enttäuschungen sind vorprogrammiert. Nur für Kompatscher könnte ich mir keine bessere Werbung vorstellen.

Di., 17.03.2015 - 21:51 Permalink