Politik | Voltagbbana

Die Republik der Wendehälse

Mit dem PD-Linksaussen Pippo Civati hat der 200. Parlamentarier Partei gewechselt. Ein perverser Rekord,
der das parlamentarische System gefährdet.

Noch vor wenigen Jahren war Pippo Civati ein enger Freund von Matteo Renzi und teilte dessen Absicht, die alte Führungsriege des Partito Democratico zu verschrotten. Jetzt hat er der Partei den Rücken gekehrt, weil er dessen "dikatorischen Stil" und den "Rechtskurs" nicht mehr mittragen wollte. Vieles lässt darauf schliessen, daß beide sich auch deshalb auseinandergelebt haben, weil sie sich zu ähnlich sind. Beide sind selbstverliebt, haben ein ausgeprägtes Ego, stehen gerne allein im Rampenlicht der Medien. Der 40-jährige aus Monza gilt als geradezu genialer Selbstvermarkter. Kein Kongress, keine Tagung, auf der er in den letzten Jahren nicht unvermittelt immer genau dort auftauchte, wo sich gerade ein Kamerateam oder ein Journalist mit Mikrofon aufhielt.

Die Partei hat Civati im Alleingang verlassen, ohne die Entscheidung anderer Dissidenten wie Stefano Fassina abzuwarten. Das sicherte ihm eine Seite in jeder italienischen Tageszeitung. 

Nun schickt sich der Einzelkämpfer an, eine neue Linkspartei aus der Taufe zu heben. Keine Kleinpartei, sondern eine "Regierungspartei", wie er selbstbewusst ankündigt. Nichi Vendolas SEL bietet die eigene Auflösung an und will ihn dabei ebenso unterstützten wie die Coalizione sociale des Gewerkschafters Maurizio Landini, ebenfalls ein erfolgreicher Selbstvermarkter.

Als ersten Schritt peilt Civati die Bildung einer neuen Fraktion im Senat an. Sechs abtrünnige Parlamentarier der Fünfsterne-Bewegung hat er dafür bereits gewonnen. Die drei restlichen werden sich in Kürze finden.

Denn in Kammer und Senat vergeht kaum eine Woche, in der nicht ein Volksvertreter Partei wechselt. Civati ist bereits der 200. Parlamentarier, der seiner Partei den Rücken kehrt. Und das, obwohl gerade erst die Halbzeit der Legslaturperiode überschritten ist. Die Auflösungserscheinungen drohen, das parlamentarische System aus den Angeln zu heben und führen zu einer massiven Verfälschung der Wahlergebnisse.

Italienischer Rekordhalter ist nach wie vor Pietro Mastranzo, der im Gemeinderat von Neapel das Kunststück geschafft hat, acht Mal Partei zu wechseln. Doch auch in Kammer und Senat finden sich etliche, die in zwei Jahren bereits vier Wechsel vollzogen haben.

Die bevorstehenden Regional- und Kommunalwahlen mit 23 Millionen Wählern drohen, das System weiter zu destabilisieren. Besonders davon betroffen ist zunächst Silvio Berlusconis zerrüttete Partei Forza Italia. Bereits nächste Woche dürfte der Dissident Raffaele Fitto mit mindestens 12 Senatoren die Partei verlassen, auf dem Fuss gefolgt vom langjährigen Berlusconi-Intimus Denis Verdini, der im Parlament über 8 -10 Gefolgsleute verfügt.

Indessen schwärmt Civati bereits von einer neuen Partei links des Partito Democratico: "Fuori dal PD lo spazio é sconfinato. Anche la CGIL é interessata." Als Parteichef ist bereits Mailands scheidender Bürgermeister Giuliano Pisapia im Gespräch. Bis zu nächsten Parlamentswahl freilich vergehen noch mindestens zwei Jahre. Und  bis dahin könnten weitere 100 voltagabbana ihre Parteien verlassen und die Mehrheitsverhältnisse damit entscheidend verändern. Ein Phänomen, das nur in Italien existiert. Und eine neue Spielform des im Parlament überaus  beliebten teatrino politico, das die ohnedies ausgeprägte Politikverdrossenheit der Wähler weiter erhöhen könnte.

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Gabriele Di Luca Fr., 08.05.2015 - 12:42

Diciamo che generalmente il "voltagabbanismo" viene praticato in vista di vantaggi immediati. Nel caso di Civati i rischi sono ben più cospicui (potrebbe anche sparire di scena, con questa mossa). Quindi non sarei stato generoso con la sua (persino tardiva) scelta di abbandonare il carro guidato dal sedicente Apollo fiorentino.

Fr., 08.05.2015 - 12:42 Permalink